Die meisten der 36.345 Fischarten, die der Wissenschaft zur Zeit bekannt sind (Stand: Oktober 2022), wurden noch nie im Aquarium gepflegt. Man weiß von ihnen wenig mehr, als dass sie existieren. Und selbst das weiß man oft nicht, da im Laufe der Jahrhunderte – unsere moderne Zoologie startete bekanntlich 1758 mit der 10. Auflage Carl von Linnés Buch „Systema naturae“ (= „Das System der Natur“) und Linné glaubte noch an die Urschöpfung durch den lieben Gott und die Unveränderlichkeit der Arten – sich die Ansicht darüber, was eine Art überhaupt ist, oft und gründlich änderte.
Parauchenoglanis-Jungtier der Art aus Nigeria, um die es in diesem Blog geht
Nur ein paar hundert Arten sind aquaristisch bekannt. Die kann man meist nach der „Bilderbuchmethode“ bestimmen, vergleicht also Fotos oder Zeichnungen aus aquaristischen Fachbüchern und -zeitschriften mit den Tieren, die man bestimmen möchte. Das ist bei manchen Arten schon kniffelig genug, denn auch die Fachautoren sind vor Irrtümern nicht gefeiht. Dann muss man zur Primärliteratur greifen. Unter Primärliteratur versteht man wissenschaftliche Originalarbeiten, in dem Fall die wissenschaftliche Erstbeschreibung. Oft ermöglicht das die Lösung des Problems, oft aber auch nicht. Einige der schon lange bekannten Arten haben eine bewegte Geschichte hinter sich und wurden schon häufig unterschiedlich bewertet. Detektivische Kleinarbeit wird oft nötig, wenn man es mit Erstimporten oder Raritäten zu tun bekommt, wie bei dem afrikanischen Wels, um den es hier geht.
Parauchenoglanis-Jungtier der Art aus Nigeria, um die es in diesem Blog geht
Aus Nigeria wird ziemlich regelmäßig ein kleiner Wels importiert: Microsynodontis batesii. Auch diese Bestimmung ist mit einigen Fragezeichen zu versehen, aber das ist eine andere Geschichte.
Microsynodontis batesii, Import aus Nigeria
In der wimmelnden Truppe der 2-3 cm lange Jungtiere von M. batesii (die Maximallänge liegt bei ca. 10 cm, die Geschlechtsreife tritt bei 4-5 cm Länge ein) sind gelegentlich Jungtiere einer Art, die sich ohne Schwierigkeiten der Gattung Parauchenoglanis zuordnen lassen. Vor rund drei Jahren waren es einmal ein paar mehr Tiere, die ich erwarb, um sie großzuziehen und zu sehen, was daraus wohl wird. Um welche der neun gegenwärtig akzeptierten Arten mag es sich dabei wohl handeln?
Parauchenoglanis-Jungtiere der Art aus Nigeria, um die es in diesem Blog geht
Schon aus geografischen Gesichtspunkten kann man die Frage auf zwei Arten beschränken, die bislang aus Nigeria bekannt sind, nämlich Parauchenoglanis buettikoferi (Popta, 1913) und P. loennbergi Fowler, 1958. Glücklicherweise gibt es über die Welse Afrikas ein ausgezeichnetes Handbuch, in dem alle bis ca. zum Jahr 2008 bekannt gewordenen Arten berücksichtigt sind. Danach handelt es sich wohl um Parauchenoglanis loennbergi.
Parauchenoglanis-Jungtiere der Art aus Nigeria, um die es in diesem Blog geht
Die Art P. loennbergi hat eine bewegte nomenklatorische Vergangenheit. Der Fisch, der sich hinter dem Namen verbirgt, wurde zuerst 1895 unter dem Namen Pimelodus guttatus von Einar Lönnberg beschrieben. Die zwei Exemplare, die Lönnberg vorlagen, stammten aus Kamerun, aus dem Fluss N´dian, heute Ndian. Das gleichnamige Department liegt im Südwesten des heutigen Staates Kamerun. Die Tiere hatte Bror Yngve Sjöstedt (1866-1948) auf einer von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften finanzierten Kamerun-Expedition gesammelt, die zwei Jahre währte. Sjöstedt berichtete, dass die Fische im Fluss unter Steinen verborgen lebten und dass die einheimische Bevölkerung glaube, die Tiere verfügten über die Fähigkeit, elektrische Schläge auszuteilen. Das kann unter den Welsen Afrikas aber nur der Zitterwels, in Kamerun kommt die Art Malapterurus beninensis vor.
Malapterurus beninensis, Exemplare aus Nigeria
Der Zitterwels ist nach Sjöstedts Bericht ein sehr geschätzter Speisefisch bei der ortsansässigen Bevölkerung, die freilich seine elektrischen Schläge fürchten.
Die Färbung seiner Tiere schildert Lönnberg wie folgt: „The coloration from which the fish has derived its name is pale brownish, with round dark brown spots, which are larger on the back and the sides, than on the belly. These upper spots sometimes become confluent, and then form five or six dark cross- bars. The lower smaller spots are not confluent, situated between and below the crossbars. The head is darker with round black spots. The dorsal and caudal fins with round brown spots.“ (Die Färbung, nach der der Fisch seinen Namen erhalten hat, ist ein helles Braun mit runden dunkelbraunen Flecken, die auf dem Rücken und an den Seiten größer sind als auf dem Bauch. Diese oberen Flecken verschmelzen gelegentlich zu fünf bis sechs dunklen Quersteifen. Die unteren, kleineren Flecken verschmelzen niemals und befinden sich unter oder zwischen den Querstreifen. Der Kopf ist dunkler mit runden schwarzen Flecken. Die Rücken- und Schwanzflosse weise runde braune Flecken auf.)
Parauchenoglanis-Jungtiere der Art aus Nigeria, um die es in diesem Blog geht
Leider übersah Lönnberg, dass der Name Pimelodus guttatus bereits vergeben war, nämlich durch La Cepede; der benannte bereits 1803 einen chinesischen Wels, der heute in der Gattung Hemibagrus steht, so. Damit war der Name verbraucht und darf nie wieder für eine andere Art verwendet werden. Das bemerkte Henry W. Fowler 1958 scheinbar als erster und schuf den Ersatznamen Parauchenoglanis loennbergi für die Art, die inzwischen Typusart der 1911 von George Boulenger aufgestellten Gattung Parauchenoglanis geworden war. Die Gattungsaufstellung durch Boulenger stand auch unter keinem guten Stern; wie sich später herausstellte, hatte er gar keine Exemplare von P. guttatus vorliegen, er hatte wohl nur ein Photo von Lönnbergs Typusexemplaren, ansonsten aber Tiere, die tatsächlich einer wissenschaftlich zu dieser Zeit noch unbeschriebenen Art angehörten. Die Gattungstypusfestlegung für Parauchenoglanis erfolgte durch Jordan 1920.
Parauchenoglanis-Jungtier der Art aus Nigeria, um die es in diesem Blog geht
Es geht aber noch komplizierter: Risch (1986) akzeptierte nämlich den Ersatznamen von Fowler – also Parauchenoglanis loennbergi – nicht, sondern hält den ursprünglich von Lönnberg gewählten Namen für verfügbar in Parauchenoglanis. Dann heißt unser Fisch also doch Parauchenoglanis guttatus. Oder nicht? Es gibt noch eine dritte Variante. Unser Wels wurde nämlich 1910 versehentlich noch einmal beschrieben, nämlich als Auchenoglanis monkei Keilhack, 1910. Das ist ein objektives Synonym zu Lönnbergs Pimelodus guttatus. Nun gibt es Leute, die argumentieren, wenn der Name P. guttatus tatsächlich nicht zur Verfügung steht, dann muss der Fisch Parauchenoglanis monkei heißen, denn dieser Name steht schließlich zur Verfügung!
Kurz und dick: nach dem Studium vieler Seiten wissenschaftlicher Literatur erscheint es sehr wahrscheinlich, dass der Parauchenoglanis, der als Beifang aus Nigeria importiert wurde, mit der Art identisch ist, die 1895 als Pimelodus guttatus, 1910 als Auchenoglanis monkei und 1958 als Parauchenoglanis loennbergi bezeichnet wurde. Welcher der drei Namen aber Gültigkeit hat, das ist immer noch fraglich und Gegenstand spitzfindiger Debatten.
Aquaristisch macht der Fisch allerdings so gar keine Probleme. Er ist ein gieriger Allesfresser mit einem starken Drang, sich zu verstecken. Abgesehen von den Fütterungszeiten bekommt man ihn kaum zu Gesicht. Er fällt aber auch nicht unangenehm auf, da er sowohl Artgenossen, wie auch anderen Fischen gegenüber, die als Futter nicht in Frage kommen, friedlich ist. Über die maximal erreichbare Endgröße der Art kann man derzeit nur spekulieren. In der letzten Revision der Gattung Parauchenoglanis durch Geerinckx et al. 2004 werden 151 mm Standardlänge (also ohne Schwanzflosse) als Maximallänge angegeben, in der CLOFFA (Checkliste der Süßwasserfische Afrikas) von 1986 werden 245 mm Totallänge (also mit Schwanzflosse) genannt. Furchtbar riesig wird die Art wohl also nicht, aber als klein kann man sie auch nicht bezeichnen. Mein größtes Exemplar, das ich als Einzeltier schon vor etwa fünf Jahren aus einem Trupp Microsynodontis herausklaubte, ist jetzt – mit Schwanzflosse – etwa 15 cm lang. Es lebte bis vor wenigen Monaten in einem 650 Liter fassenden Aquarium. Zur Zeit muss er wegen eines Umzugs in einem viel kleineren Aquarium wohnen, das nur 250 Liter fasst, aber er nimmt es mit Gleichmut. Sonderlich schwimmfreudig sind diese Fische ja nicht.
Vielleicht kann die noch sehr weiße Seite im Buch der Lebensgeschichten der Fische über diesen Parauchenoglanis aus Nigeria eines Tages um ein paar Zeilen ergänzt werden, in denen von Verhaltens-Eigenarten und vielleicht sogar von der Fortpflanzung des Welses berichtet wird… Ich habe jedenfalls in all den Jahren die Freude an meinen Beifängen noch nicht verloren.
Zum Schluss noch der Hinweis, dass durchaus nicht alle Parauchenoglanis-Arten klein bleiben. Einige, darunter der hübsche P. punctatus aus dem Kongo, den Aquarium Glaser im Jahr 2017 importieren konnte, werden bis zu 40 cm lang, also ganz schöne Trümmer.
Parauchenoglanis punctatus aus dem Kongo
Interessanterweise ergaben Mageninhaltsuntersuchungen von P. punctatus keine Fische, sondern zersetztes Pflanzenmaterial, Insekten und Garnelen. Die Art scheint demnach kein Fischfresser zu sein, dennoch sollte man mit zu kleinen Fischen als Gesellschaftern vorsichtig sein. Spannend ist auch, dass die Importfische schon bei einer Länge von 6-8 cm deutliche Geschlechtsunterschiede (Körperform, größere Flossen beim Männchen) aufwiesen. Bei den nigerianischen P. loennbergi (wenn man sie denn so nennen will) konnte ich solche äußeren Geschlechtsmerkmale noch nicht feststellen.
Frank Schäfer
Literatur:
Fowler, H. W. (1958): Some new taxonomic names of fishlike vertebrates. Notulae Naturae (Philadelphia) No. 310: 1-16.
Geerinckx, T., D. Adriaens, G. G. Teugels & W. Verraes (2004): A systematic revision of the African catfish genus Parauchenoglanis (Siluriformes: Claroteidae). Journal of Natural History v. 38: 775-803.
Jordan, D. S. (1920): The genera of fishes, part IV, from 1881 to 1920, thirty-nine years, with the accepted type of each. A contribution to the stability of scientific nomenclature. Leland Stanford Jr. University Publications, University Series No. 43: 411-576 + i-xviii.
Lönnberg, E. (1895): Notes on fishes collected in the Cameroons by Mr. Y. Sjöstedt. Öfversigt af Kongl. Veterskaps-akadeiens forhandlinger v. 52 (no. 3): 179-195.
Risch, L. (1986): Bagridae (pp. 2-35). In: Daget, J., J.-P. Gosse & D. F. E. Thys van den Audenaerde (eds) (1986 ): Check-list of the freshwater fishes of Africa. CLOFFA. ISNB Bruxelles, MRAC Tervuren, ORSTOM Paris. v. 2: i-xiv + 1-520
Seegers, L. (2008): Die Welse Afrikas. Ein Handbuch für Bestimmung und Pflege. Tetra Verlag, Berlin-Velten & Aqualog Verlag, Rodgau, Germany. 604 pp
Die am häufigsten im Zoofachhandel angebotenen Krabbenarten, nämlich Rote Mangrovekrabben, Afrikanische Landkrabben und viele Winkerkrabben, entstammen der Mangrove. Man muss einige Besonderheiten bei der Einrichtung des Behälters beachten, um dauerhaft Freude an seinen Pfleglingen zu haben.
Pseudosesarma moeshi
Als „Mangrove“ bezeichnet man eine bestimmte Waldformation, die sich an den Küsten tropischer Meere findet. Innerhalb dieses Waldes, der sehr stark von den Gezeiten des Meeres geprägt ist, gibt es ein gewaltiges Nährstoffangebot. Während der Flut spült das Meer massenhaft Tier- und Pflanzenmaterial in die Mangrove, das beim Zurückweichen des Wassers während der Ebbe in der Mangrove verbleibt. Dieses Nahrungsangebot nutzen u.a. verschiedene Krabbenarten. Zusätzlich nutzen die Krabben das abgefallene Laub der Mangrovenbäume und spielen im Ökosystem der Mangrove eine extrem wichtige Rolle als Destruenten, vergleichbar der der Regenwürmer in unseren Wiesen. Was ich hier „Mangrovekrabben“ nenne, hat aus systematischer Sicht nicht viel miteinander zu tun. Diese Krabben haben jedoch alle eine ähnliche Lebensweise. Die Flut verbringen sie meist gut versteckt, oft in selbstgegrabenen Röhren, die auch als Fluchtmöglichkeiten während der Ebbe genutzt werden können. Arten, die kaum noch über Kiemen atmen können, laufen dabei Gefahr, während der Flut zu ertrinken. Oft lösen sie das Problem dadurch, dass sie ihre Höhlen so geschickt mit Schlick verschließen, dass ein Luftvorrat in der Höhle verbleibt, auch wenn die Flut die Höhle bereits erreicht hat und das Wasser über dem verschlossenen Höhleneingang steht. Andere Arten, wie die beliebte Cardisoma armatum, haben zwei Atmungssysteme, eines, das sie unter Wasser zum Atmen verwenden (Kiemen) und eines, das sie an Land verwenden („Lunge“). Mit der Flut kommen eine Vielzahl von Meerestieren in die Mangrove, wo sie von dem bereits erwähnten Nährstoffreichtum nutznießen. Für die Krabben eine gefährliche Zeit, denn für viele dieser Tiere stellen sie eine schmackhafte Nahrungsergänzung dar. Fällt die Mangrove dann bei Ebbe trocken, wagen sich die Krabben aus ihren Verstecken. Auch jetzt ist es alles andere als sicher für sie, denn obwohl Krabben gut gepanzert sind und mit ihren Scheren schmerzhaft zwicken, sind ihre Fressfeinde Legion. Millionenfach werden daher täglich Mangrovekrabben der unterschiedlichsten Arten Opfer von Fressfeinden wie Stelzvögeln, Affen, Schlangen oder Echsen. Wie häufig diese Krabben trotzdem vorkommen mag man daran ermessen, dass sich z.B. der bis zu 130 cm lange Dumeril-Waran (Varanus dumerilii) auf Krabben als Nahrung spezialisiert hat. Und im indischen Bhitarkanika National Park werden die 3-4 m langen Zuchttiere des „Muggers“ oder Sumpfkrokodils (Crocodylus palustris) mir Mangrovekrabben ernährt…
Cardisoma armatum, MännchenEitragendes Weibchen von Cardisoma armatum.
Mangrovekrabben müssen nicht nur auf Ebbe und Flut flexibel reagieren können, sondern auch mit stark schwankendem Salzgehalt ihres Umgebungswassers klarkommen. Während der oft sturzbachartigen Regenfälle in den Tropen geraten die Tiere schnell von reinem Süßwasser in reines Meerwasser und umgekehrt. Besonders nährstoffreich und damit als Lebensraum besonders begehrt sind Mangroven dort, wo Flüsse ins Meer münden. Denn hier sterben nicht nur die Organismen ab, die während des Ebbe den Weg ins Meer nicht mehr finden, sondern sämtliche reinen Süßwasserorganismen, die das Salz des Meeres nicht vertragen und sämtliche Meerestiere, die mit Süßwasser nicht klarkommen. Für Allesfresser, wie es die Krabben sind, ein Schlaraffenland. Und so kommen sie in ungeheurer Zahl vor, trotz all der Fressfeinde, die sie bedrohen.
Pseudosesarma bocourti
Obwohl die aus der Mangrove stammenden Arten mit stark schwankenden Umweltbedingungen zurechtkommen müssen, empfiehlt sich die Nachahmung dieser schwankenden Faktoren im heimischen Aqua-Terrarium – und ein solches braucht man für die Pflege und Zucht von Krabben aus der Mangrove – nicht. Im Gegenteil, oberstes Ziel ist das Erreichen eines möglichst stabilen Milieus im Wasserkörper. Aquaristik ist im wesentlichen Bakterienkultur. Und die Bakterien, die das Wasser für die Krabben in einem Zustand halten, dass die Krabben darin überleben können, reagieren sehr empfindlich auf Schwankungen z.B. im Salzgehalt des Wassers. Man sollte sich also bei der Pflege von Krabben aus der Mangrove am besten von vornherein für Brackwasser (etwa 15 ‰, also ca. 15 g Salz pro Liter Wasser) im Wasserteil des Aqua-Terrariums entscheiden. Der Mehraufwand gegenüber der Pflege in Süßwasser ist vernachlässigbar gering (man braucht lediglich Salz für Meerwasseraquarien und einen Dichtemesser, Aräometer genannt), die Vorteile jedoch ungeheuer.
Perisesarma indiarum, Neon Face Crab
Erstens ist die physiologische Giftwirkung von Stickstoffverbindungen wie Nitrat und Nitrit im Brackwasser deutlich geringer, als im Süßwasser. Zweitens kommen mit Brackwasser sowohl Individuen zurecht, die in Süßwasserregionen, wie auch solche, die in Meerwasserregionen gefangen wurden. Man schaltet also bei Neuerwerbungen, bei denen die Populationszugehörigkeit und somit die spezifischen Anpassungen an ein Mikroklima innerhalb der Mangrove ja meist unbekannt sind, die meisten Risiken aus.
Nun wird der eine oder andere Leser einwenden, dass er seine Cardisoma armatum oder Rote Mangrovekrabben schon geraume Zeit und bei offensichtlichem Wohlbefinden der Tiere in reinem Süßwasser pflegt. Ich sage auch nicht, dass das nicht geht. Es ist nur einfach so, dass, ähnlich wie bei Brackwasserfischen (mit denen wesentlich mehr Erfahrungen vorliegen, verglichen mit der Krabbenpflege), die in Brackwasser gepflegten Tiere langfristig wesentlich lebenstüchtiger sind als die Exemplare der gleichen Art, die in Süßwasser gepflegt werden.
Uca crassipes
Bei der Einrichtung kommen nur PVC-Röhren und Steine in Frage, da Wurzelholz im Brackwasser schnell fault. Eine Bepflanzung dürfte kaum möglich sein, da Pflanzen einerseits gefressen werden, andrerseits es nur ganz wenige im Handel erhältliche Gewächse gibt, die im Brackwasser gedeihen. Wer partout nicht auf Pflanzen verzichten will, der kann sein Glück mit Cryptocoryne ciliata versuchen. Diese bis zu 50 cm hoch werdende Pflanze gehört zu den Aronstabgewächsen. Sie kann sowohl unter- wie auch aufgetaucht wachsen und verträgt einen Salzgehalt bis hin zu vollem Seesalzgehalt des Meerwassers. Dabei sind ihre Lichtansprüche nur mäßig.
Uca ornata
Eine Ebbe-Flut-Anlage hat sich bislang für die Pflege und Zucht als nicht notwendig erwiesen. Auch Arten wie die Winkerkrabben, deren natürlicher Lebensrhythmus extrem an die Gezeiten angepasst ist, gewöhnen sich rasch an einen einheitlichen Wasserstand.
Ein Landteil grenzt man am besten mit durch Silikon eingeklebte Glasstreifen von 10-15 cm Höhe ab. Höher braucht der Wasserstand nie zu sein. Nach unten wird der Glasstreifen aber nicht an die Bodenscheibe angeklebt, sondern man lässt einen etwa 5 mm breiten Spalt zwischen Bodenscheibe und Glasstreifen frei. Den Landteil füllt man zu 2/3 der Höhe mit Filtermatten aus, die man ganz genau einpasst. In die Filtermatten schneidet man jetzt die Löcher für die PVC-Röhren und setzt die Röhren ein. Eine Förderpumpe wird in eine ausgeschnittene hintere Ecke eingepasst. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Pumpe jederzeit zu Reinigungszwecken herausgenommen werden kann. Am einfachsten macht man das, indem man um die Pumpe ein Gehäuse aus mit Bohrlöchern versehenen Acrylglasscheiben bastelt. So kann man die Pumpe auch am besten vor den Krabben sichern. Nun füllt man das Landteil mit Sand auf. Eine Schicht feiner Filterwatte auf den Filtermatten verhindert, dass der Sand in die Filtermatten einsickert. In den Wasserteil füllt man 2 cm hoch Sand ein. Den Übergang vom Wasser- zum Landteil kaschiert man mit Steinen, die man auch zur Gestaltung des Landteils benutzen kann.
Pseudosesarma sp. Sri Lanka
Mit dieser Konstruktion bewirkt man, dass der gesamte Landteil als Filter für das Paludarium dient. Angesaugt wird das Wasser über den schmalen Spalt zwischen Bodenscheibe und Glasstreifen, steigt durch die Filtermatten nach oben und wird dabei mechanisch und bakteriell gereinigt.
Das fertig eingerichtete Paludarium wird zunächst 6 Wochen ohne Tierbesatz betrieben. Damit die Bakterien, die sich bilden sollen, Nährstoffe vorfinden, streut man eine kleine Menge Trockenfutter für Zierfische (je 30 Liter etwa eine Fingerspitze voll) bereits am ersten Tag der Einrichtung ins Wasser. Das Wasser muss selbstverständlich von Anfang an Brackwasser sein! Manchmal wird das Wasser trübe, das gibt sich aber binnen weniger Tage. Bevor man Tiere einsetzt, muss der Nitrit-Gehalt gemessen werden. Er sollte deutlich unter 0,3 mg/l liegen, sonst muss man nochmals warten. Als Indikatorfische, ob mit dem Wasser alles in Ordnung ist, kann man Black Mollies (Poecilia sp.) ins Wasserteil einsetzen. Von diesen Fischen darf man 1 Pärchen je 50 Liter Wasser ab dem dritten Tag nach der Einrichtung des Paludariums einsetzen, vorausgesetzt, das Wasser ist nicht trübe geworden. Sonst muss man warten, bis das Wasser klar ist, bevor man die Indikatorfische einsetzen kann. Mollies reagieren sehr empfindlich auf schlechtes Wasser und zeigen das durch schaukelnde Schwimmbewegungen und Klemmen der Flossen an. Bei der angegebenen Fischdichte braucht kaum gefüttert zu werden. Die Mollies fressen Algen und anderen Aufwuchs, der sich schnell an den Scheiben und auf dem Boden bilden wird. Eine einmalige Fütterung täglich mit Trockenfutter, bei der nur so viel gefüttert wird, dass die Fische es binnen 5 min. restlos aufgefressen haben, reicht völlig aus.
Uca annulipes
Eine weitere Vergesellschaftung mit Fischen ist im Mangroven-Paludarium nur dann zu empfehlen, wenn man relativ kleine Krabbenarten, wie Winkerkrabben oder kleinbleibende Rote Mangrovekrabben pflegt. Die großen Cardisoma armatum und ähnliche Arten werden sich bei Gelegenheit nicht scheuen, einen Fisch als Zusatzmahlzeit zu sich zu nehmen. Auch bei den Mollies muss man damit rechnen, dass das eine oder andere Exemplar bei Nacht zum Opfer dieser ewig fressbereiten Krabben wird. Umgekehrt sind Kugelfische völlig ungeeignet zur Vergesellschaftung mit Krabben, denn diese Fische sehen in den Krabben eine Delikatesse. Auch großwüchsige Schlammspringer, wie der häufig im Handel befindliche Periophthalmus barbarus gehören nicht ins Krabben-Paludarium. Diese intelligenten Fische überfallen die Krabben vorzugsweise, wenn diese sich gehäutet haben und völlig wehrlos sind.
In jedem Zoofachgeschäft der Erde kann man sie kaufen. Es gibt sie in allen erdenklichen Farben und Flossenformen. Nach Goldfisch und Karpfen sind sie die ältesten Haustiere unter den Fischen. Doch ihre Herkunft liegt im Dunklen der Geschichte und niemand weiß ganz genau, wann und wo die Schleierkampffische erstmals gezüchtet wurden. Man weiß noch nicht einmal exakt, wie die Wildform dieser wundervollen Geschöpfe aussieht und ob es diese Wildform überhaupt noch gibt. Es ist gut möglich, dass reinblütige wilde Kampffische der Art Betta splendens (so der wissenschaftliche Name der Schleierkampffische) gar nicht mehr existieren.
Schleierkampffische werden nicht bei Wettkämpfen eingesetzt; da sie jedoch von Wettkampf-Bettas abstammen, ist der Kampfeswille bei ihnen stark ausgeprägt.
Bei der Gattung Betta, bei den Kampffischen also, beginnt man erst seit ca. 30 Jahren langsam zu verstehen, um welch einmalige und faszinierende Gruppe von Fischen es sich handelt.
Mit über 70 wissenschaftlich beschriebenen Arten ist die Gattung Betta ausgesprochen artenreich und noch längst nicht alle aquaristisch bereits bekannten Arten sind wissenschaftlich schon bearbeitet. Betta splendens ist nur eine dieser Arten und – insgesamt gesehen – noch nicht einmal eine besonders typische. Wegen ihrer enormen wirtschaftlichen Bedeutung (viele Familien in Südostasien leben ausschließlich von der Zucht dieser wunderschönen Fische für die Aquaristik) und weil Schleierkampffische die einzigen ständig verfügbaren Kampffische in den Zoofachgeschäften sind, kann man jedoch zu der irrigen Auffassung kommen, Schleierkampffische seien „die“ Kampffische schlechthin.
Allerdings muss man zugeben: Wenn es ums Kämpfen geht, so sind nur Betta splendens und auch hier nur spezielle Zuchtlinien derart erbitterte Kämpfer, dass ihr Name einigermaßen Sinn macht. Alle anderen Arten der Gattung Betta gehen vergleichsweise friedlich miteinander um. Jedenfalls sind sie nicht kämpferischer, als andere revierbildende Arten auch.
Ein wildfarbener, kurzflossiger Betta splendens ist noch lange kein Wildkampffisch.
Die Kampffischart Betta splendens wurde 1910 von dem bedeutenden Wissenschaftler C. T. Regan wissenschaftlich beschrieben. Aquaristisch und auch wissenschaftlich war die Art aber schon wesentlich früher bekannt, wurde aber als Variante der Art Betta pugnax (ursprünglich als Macropodus pugnax beschrieben) gesehen. Zu Betta pugnax: der Artname pugnax bedeutet „kämpferisch, kriegerisch“, der Erstbeschreiber Cantor glaubte also wirklich, einen Kampffisch vor sich zu haben, obwohl B. pugnax als maulbrütende Art vollkommen friedlich ist.
Der Artname Betta pugnax bedeutet „kriegerischer Kampffisch“. Dabei ist diese maulbrütende Art ganz friedlich.
Die Gattung Betta, in die Regan seine neue Art splendens (der Artname bedeutet „glänzend, gleißend“) stellte, wurde von P. Bleeker bereits 1850 für die Art B. trifasciata, einer auf Java vorkommenden Art, die heute als Synonym (Doppelbeschreibung) der Art B. picta gilt, aufgestellt. Der Name „Betta“ soll sich von der auf Java gebräuchlichen Bezeichnung „Wader bettah“ für B. trifasciata ableiten. Man merkt schon – bereits sehr früh gab es Kuddelmuddel bei der wissenschaftlichen Bearbeitung von Kampffischen. In Alkohol (und damals wie heute stehen Wissenschaftlern meist nur konservierte Exemplare zur Verfügung) sehen sich sehr viele Kampffischarten verflixt ähnlich, auch wenn sie gar nicht sonderlich nah miteinander verwandt sind. Erst seit spezialisierte Aquarianer oder Wissenschaftler lebende Exemplare von Expeditionen mitbringen, ist es möglich, einigermaßen zuverlässige Forschung an diesen Fischen zu betreiben. So erklärt es sich auch, dass bis Mitte der 1970er Jahre nur rund 20 Kampffischarten bekannt waren und es heute 73 wissenschaftlich beschriebene und etliche noch unbeschriebene Arten sind.
Doch zurück zu Betta splendens. Bereits im Typusmaterial, also den Exemplaren, denen die Artbeschreibung zugrunde liegt, befinden sich zwei Arten. Regan hatte Exemplare von Pinang (Malaysia) und Bangkok (Thailand) vorliegen. Erstere gehören, wie wir heute wissen, zur erst 1975 von W. Ladiges beschriebenen Art Betta imbellis. Der Artname bedeutet „friedlich“ und spielt darauf an, dass bei dieser Art mehrere Männchen gemeinsam gehalten werden können, ohne dass sie sich bis zum Tode bekämpfen. So kommt es zu dem Namensparadoxon „Friedlicher Kampffisch“.
Betta imbellis, der „friedliche Kampffisch“, hier ein Männchen der Population von Phuket.
Leider konnte Ladiges seinerzeit das Typusmaterial von Betta splendens nicht nachuntersuchen, sonst wäre ihm der Sachverhalt sicher aufgefallen. Stattdessen verließ er sich auf die textliche Beschreibung Regans. Da bei Regan jedoch bereits beide Arten vorhanden waren, ist klar, dass morphologische Abgrenzungen von B. imbellis gegen B. splendens aufgrund der Beschreibung allein nicht möglich waren. Bis heute fehlt es an einer soliden vergleichenden Bearbeitung der Gruppe – aus gutem Grund.
Die Tiere aus Bangkok, die Regan vorlagen, waren bereits Haustierzüchtungen und keine Wildtiere. Jedenfalls sind sie ausgesprochen bullig gebaut. Diese Fische aus Bangkok sind heute, nachdem D. Schaller und M. Kottelat 1989 bei der Nachuntersuchung der Typen von B. splendens feststellten, dass zwei Arten im Typusmaterial vorhanden waren, die sogenannten Lectotypen von Betta splendens. Ich will hier nicht mit spitzfindigen Details langweilen – nur so viel: Durch die Festlegung eines Lectotypus kann man in Fällen, wie eben geschildert, für klare Verhältnisse sorgen. In der Zoologie wird zwischen Haustieren und Wildtieren nicht unterschieden. Haustiere gehören – aus Sicht der Zoologen – definitionsgemäß zur gleichen Art, wie die Wildform, aus der sie gezüchtet wurde. Alle Hausrinder heißen demnach wissenschaftlich Bos primigenus, genau wie ihr ausgestorbener Urahn, der Auerochse. Alle Hunde sind Canis lupus, wie der Wolf und alle Koi Cyprinus carpio, wie der Karpfen. Wenn eine wissenschaftliche Artbeschreibung – wie vermutlich im Falle Betta splendens – auf einer Haustierzüchtung beruht, so geht dieser Name automatisch auch auf die Wildform über. Es sei denn, diese Wildform wurde bereits früher unter einem anderen Namen beschrieben. In diesem Fall gilt der neuere Name als Synonym und darf nicht benutzt werden.
Ein Betta splendens der Zuchtform, die für Wettkämpfe gezüchtet wird.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Für Schleierkampffische gilt der Name Betta splendens. Genetische Untersuchungen zeigten ferner, dass Schleierkampffische und wildlebende, nach gegenwärtiger Definition Betta splendens zuzuordnende Fische, sich bezüglich der DNS kaum unterscheiden. Aber wie die Wildform aussieht, das weiß man nicht genau. Denn spätestens seit Mitte der 1850er Jahre wurden Kampffische für Turnierkämpfe gezielt gezüchtet. Einen unbekannten Zeitraum vorher verwendete man wilde Tier aus den Naturgewässern (u. a. auch den „Friedlichen Kampffisch“, Betta imbellis) für diese Schaukämpfe. Es ließ sich jedoch nicht vermeiden (und es wurde auch gar nicht darauf geachtet), dass die domestizierten Tiere, die vor allem kräftiger und kämpferischer sind, auch in Wildgewässer entwichen. Viele der vom Menschen geförderten Eigenschaften erweisen sich, genetisch gesehen, als dominant. So ist es sehr unwahrscheinlich, im Gebiet einer Metropole wie Bangkok noch unverfälschte Wildformen von Betta splendens zu finden.
Ähnliche Phänomene findet man z.B. in Städten, wo sich buntgemischte Scharen verwilderter Haustauben (zoologisch gesehen alles Columbia livida, Felsentauben) oder scheckiger, verwilderter Hausenten (zoologisch Anas platyrhynchus, Stockenten) herumtreiben. Auch bei diesen Arten ist zu befürchten, dass die genetischen Eigenarten der Wildarten mit der Zeit verloren gehen, mit anderen Worten, dass die Wildarten aussterben.
Männchen einer Betta splendens-Wildform von Nonthanburi.
Entdeckt man neue Arten, so sollte man sie bei deren wissenschaftlicher Beschreibung gegen bereits bekannte Arten abgrenzen. Hier ist den Wissenschaftlern weitgehend freie Hand gelassen. Bei Fischen übliche Artabgrenzungen sind z.B. zählbare Eigenarten (Anzahl der Strahlen in den Flossen, Anzahl der Schuppen), messbare Eigenarten (ist die Art besonders schlank oder eher gedrungen, hat sie ein im Verhältnis zum restlichen Körper ein großes oder kleines Maul, etc.) oder auch Färbungsmerkmale. Im Falle Betta splendens ist jedoch kaum eine dieser Methoden anwendbar, denn wenn, was sehr wahrscheinlich ist, die Typen bereits Haustiere waren, unterlagen sie in keinem der genannten Punkte dem für Wildarten entscheidenden Selektionsdruck, den die Natur gnadenlos ausübt, und der letztendlich dafür sorgt, dass bei Wildarten alle Individuen einer Art untereinander sehr ähnlich sind. Mischt sich der Mensch ein und fängt an, zu züchten, so sind binnen weniger Generationen durch Auslese und Inzucht erhebliche Veränderungen möglich. Bei Fischen geht das schneller, als bei allen anderen Wirbeltieren, denn sie haben (zumindest die allermeisten) vergleichsweise gewaltig hohe Nachkommenzahlen. Ein Weibchen von Betta splendens kann leicht über 500 Eier alle drei bis vier Wochen legen. Zudem wird die Art von Natur aus nicht älter als 1-2 Jahre, wächst also rasant heran. Mit einigen Pärchen kann ein Züchter binnen weniger Monate zehntausende von Kampffischen heranziehen. Bedingt durch die große Anzahl der Nachkommen wächst die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne oder auch mehrere Tiere mit besonders erwünschten Eigenschaften darunter sind, die dann gezielt weiter gezüchtet werden.
Ein Pärchen der Kambodscha-Farbvariante (= heller Körper, rote Flossen) beim Ablaichen.
So nimmt es nicht Wunder, dass gerade die Wildformen der schaumnestbauenden Kampffische der engeren Verwandtschaft von Betta splendens den Wissenschaftlern bezüglich der Artabgrenzung erhebliches Kopfzerbrechen bereiten. Außer Betta splendens sind das noch die beschriebenen Arten B. imbellis, B. mahachaiensis, B. siamorientalis, B. smaragdina und B. stiktos.
Die wichtigste Quelle über den Prozess der Haustierwerdung (Domestikation) bei Betta splendens ist H. M. Smith. Er erforschte die Süßwasserfische Thailands intensiv und veröffentlichte 1945 sein epochales und bis heute sehr bedeutsames Werk „The Fresh-Water Fishes of Siam, or Thailand.“ Er schreibt zu Betta splendens: „Seit mehreren hundert Jahren wurde der Fisch lokal für Kämpfe benutzt und seit mehr als 90 Jahren wird er domestiziert und gezüchtet. Der Zuchtprozess hat die Tiere größer gemacht, die Farben intensiviert und die Kampfesqualitäten gesteigert.“ Und später: „Die bemerkenswertesten Farbformen, die erzüchtet wurden, zusätzlich zu den verstärkten Rot- und Blauanteilen in der Färbung, sind lavendelfarbene, glänzend grüne, kornblumenblaue, blau-weiße, sowie gelblich- und rötlich cremefarbene mit leuchtend roten Flossen. Die zuletzt genannten, die zuerst um 1900 erzüchtet wurden, sind bei den Siamesen als pla kat khmer (Kambodschanische Kampffische) bekannt, wahrscheinlich, weil sie ursprünglich in Zuchten aus Französisch Indo-China auftauchten. Gleichzeitig mit der Entwicklung und Intensivierung neuer Farben kam es zur Vergrößerung der unpaaren Flossen, was in eleganten, schleierhaften Effekten gipfelte, vergleichbar den Schleierschwänzen und anderen Hochzuchten japanischer Goldfische, so dass es nun Kampffische gibt, deren Schwanzflossen ungefähr so lang wie Kopf und Körper zusammen sind.“
Ein klassischer blauer Fahnenschwanz.
Diese zwei hintereinander angeordneten Sätze führten im deutschsprachigen Raum lange zu der irrtümlichen Vorstellung, mit mit „pla kat khmer“ seien Schleierkampffische allgemein gemeint.
Ein Wildfangmännchen von Betta stiktos aus Kambodscha in neutraler Färbung
Immerhin: kann es sein, dass die Domestikation von Betta splendens in Kambodscha stattfand? Heutzutage fehlt die Art dort, aber das muss ja nichts heißen. Der Artenkomplex um Betta splendens wird in Kambodscha durch Betta stiktos vertreten, eine Art, die Betta smargdina sehr ähnlich ist. Heutzutage züchtet man gelegentlich Hybriden zwischen dieser Wildform und Betta splendens und vermarktet sie unter der Bezeichnung „Pla Kat Alien“. Das sind hübsche Fische! Aber zurück zum Thema.
Die Domestikation des Betta splendens ist erst aus der Zeit des Königtums in Siam nach dem Untergang des Khmer-Empires ab ca. 1430 n. Chr. bekannt. Die Khmer hatten in der berühmten Tempelstadt Angkor Wat Steinreliefs, die viele Tierkämpfe zeigen (Hundekämpfe, Hahnenkämpfe, Widderkämpfe), aber keine Fischkämpfe. Die wichtigsten Fischarten des Khmer-Reiches sind ebenfalls in Angkor Wat dargestellt und zwar so naturgetreu, dass Tyson Roberts sie in einer Studie meist bis auf Artniveau bestimmen konnte. Kampffische fehlen dort; hätte man sich ihrer Domestikation gewidmet (fast alle Domestikationsprozesse von Tieren sind religiös motiviert), sie wären sch in Angkor irgendwo abgebildet worden.
Nein, Kambodscha kann man als Ursprung des Haus-Kampffisches ausschließen, er ist ein Zuchtprodukt der Thai. Der bereits erwähnte Thomas Cantor war Diplomat in britischen Diensten. Da das damalige Siam von Ausländern nicht betreten werden durfte, war er auf der Insel Penang vor der Küste Malaysias stationiert. Dort sammelte er auch die Fische, die er 1849 als Macropodus pugnax (heute Betta pugnax) wissenschaftlich beschrieb. Er bildete aber auch Betta splendens ab, den er für eine Variante von B. pugnax hielt. B. splendens wurde ja, wie oben erwähnt, erst über 60 Jahre später, 1910, von Regan beschrieben. Auf Penang gibt es keine Betta splendens. Wie kam Cantor an den Fisch? Cantor schreibt dazu:
Macropodus pugnax, Var.
Tafel II. Abb. 4.
Pla kat der Siamesen. (…)
Pla, Fisch; kat, ein Kämpfer. Die Varietät wurde von Lieut. Colonel Jas. Low notiert.
(…)
Wenn sich der Fisch in einem ruhigen Zustand befindet und die Flossen ruhen, sind die stumpfen Farben nicht bemerkenswert. Bringt man jedoch zwei in Sichtweite zueinander oder sieht es sein eigenes Abbild in einem Spiegel, wird das kleine Wesen plötzlich erregt, die aufgestellten Flossen und der ganze Körper leuchten in metallischen Farben von schillernder Schönheit, während die vorstehende Kiemenhaut, die sich wie eine schwarze Halskrause um den Hals windet, dem Gesamterscheinungsbild etwas Groteskes verleiht. In diesem Zustand stürzt er sich immer wieder auf seinen echten oder gespiegelten Widersacher. Beide werden jedoch sofort ruhig, wenn man sie aus dem Blickfeld des jeweils anderen nimmt. Die Beschreibung wurde 1840 in Singapur verfasst, wo ein Gentlemen vom König von Siam mehrere Exemplare geschenkt bekommen hatte. Sie wurden einzeln in Gläsern mit Wasser gehalten, mit Stechmückenlarven gefüttert und hatten so viele Monate gelebt. Die Siamesen sind in die Kämpfe dieser Fische ebenso vernarrt wie die Malaien in ihre Hahnenkämpfe und setzen beträchtliche Summen, manchmal auch ihre eigene Person und ihre Familien, aufs Spiel. Die Lizenz für die Vorführung von Fischkämpfen wird gezüchtet und bringt dem König von Siam eine beträchtliche jährliche Einnahme.“
Die Zeichnung von domestizierten Betta splendens aus Cantor, 1849
Hier ergibt sich endlich ein ernsthafter Hinweis, wo man die Ursprünge der Domestikation von Betta splendens suchen kann: in den Aufzeichnungen der Steuereinnahmen der Könige von Siam! Leider habe ich noch keinen Orientalisten gefunden, der mir bei der Suche nach den entsprechenden Quellen helfen könnte, aber ich bin ziemlich sicher, dass es diese Quellen gibt. Natürlich dokumentieren sie nicht den Anfang des Geschehens, aber man kommt der Sache näher.
Das ist der – heutzutage extrem seltene – Urtyp, wie ihn Cantor abbildete.Bei diesem Spadetail handelt es sich um eine Kreuzung mit Betta imbellis, wie die blauen Kiemendeckel verraten.
Sehr interessant ist die Tatsache, dass diese frühen Betta splendens-Kämpfer nicht viel mit den heutigen Kämpfern, die man „Pla Kat Luk Maw“ nennt, zu tun haben. Pla Kat Luk Maw heißt wörtlich übersetzt Beiß-Fische der Erdttöpfe. „Erdtöpfe“ bezieht sich auf die Tongefäße, in den die Zucht dieser Fische durchgeführt wird. Erstaunlich ist vor allem, dass diesen Tieren fast jegliches Rot in der Färbung fehlt. Auch die Kiemenhäute, die in Erregung abgespreizt werden, sind rabenschwarz, wie fast der gesamte Fisch. Es gibt Pla Kat Luk Maw vor allem in Blau, gelegentlich treten auch türkisfarbene Fische auf. Die frühen Pla Kat waren hingegen blau-rote Spitzschwänze, eine Zuchtform, die es auch heute noch gibt, jedoch sehr selten ist. Offenbar wollte man durch die Veränderung der Flossenform verhindern, dass sich jedermann mit Fischen aus dem Graben nebenan in das Geschäft einmischte.
Pla Kat Luk Maw
Eine bisher in der gesamten aquaristischen Literatur noch nicht beachtete Quelle über den Ursprung der Kampffischzucht fand ich eher zufällig in einem kleinen bibliophilen Goldfisch-Bändchen aus der Insel-Bücherei, erschienen 1935. Der Sinologe Franz Kuhn, der wegen seiner Übersetzung des teils erotischen Romans „Jin Ping Mei oder Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen“ (Leipzig, 1930) große Bekanntheit erlangte, kommentiert in dem Goldfisch-Bändchen, das hauptsächlich Reproduktionen der Tafeln des berühmten Goldfischbuches „Histoire naturelle des Dorades de la Chine“ von Francois Nicolas Martinet aus dem Jahr 1780 enthält, diese Tafeln und zitiert diverse wenig bekannte chinesische Quellen über die Kultur und den Kult um den Goldfisch. Dabei erwähnt er auch einen Bericht aus der Ming-Zeit (1368 bis 1644) des Gelehrten Tu Lung: „Aus dem „Reisebericht eines Mandarins“ erfahren wir, dass in einem Gebirgsbach bei San schan (Provinz Kiang su) kleine Fische gezüchtet werden, die gestreift und schwarzrot gemustert sind. Die Leute am Ort haben ihnen Hörner gezüchtet und sie auf regelrechten Kampf dressiert, wobei Wetten ausgetragen werden. Früher kannte man Tierkämpfe nur zu Lande. Wettkampf zwischen Fischen ist entschieden etwas Neues und muss eine große Sehenswürdigkeit sein.“ Natürlich hatten die Fische keine Hörner; damit sind zweifellos die in Erregung abgestellten Kiemendeckel der Tiere gemeint. Und Betta splendens lebt auch nicht in Bächen. Aber das ist alles nebensächlich: denn die Schilderung bezieht sich ohne jeden Zweifel auf Betta splendens! Und Bettas gibt es in der im Osten Chinas, wo die Provinz Jiangsu (wie Kiang su heute heißt) liegt, ganz gewiss nicht. Es müssen also importierte Tiere – nach aller Wahrscheinlichkeit domestizierte Stämme – von Betta splendens gewesen sein!
Heute erleben die Zuchten von Betta splendens eine Renaissance. Man züchtet neue Farben und neue Flossenformen, aber bezüglich der Frage, wann und wo genau Betta splendens domestiziert wurde, bin ich in vielen Jahre des Quellenstudiums nur kleine Schritte weiter gekommen. Es bleibt spannend!
Seit etwa 10 Jahren züchtet man die metallisch glänzenden Deckfarben, hier auf einem roten, kurzflossigen Halfmoon.
Kardinalbarsche kann man als ideale Meerwasserfische für Aquarien bezeichnen. Sie sind farbenfroh, zeigen ein interessantes Verhalten, bleiben handlich klein, sind wenig krankheitsanfällig, ignorieren sessile Wirbellose und sind von Haus aus Energiesparfische, da sie wenig Licht benötigen. Was will man mehr?
Zoramia leptacantha wird regelmäßig importiert. Man sollte sie, wie alle Arten, im Schwarm pflegen.
Meerwasseraquarianer und Süßwasseraquarianer sind oft sehr auf ihre Richtung der Aquaristik eingeschworen: Meerwasseraquarianer pflegen meist keine Süßwasseraquarien und umgekehrt. Dabei steht für sehr viele Süßwasseraquarianer nach wie vor das Argument, Meerwasserfische seien nicht oder nur mit großem Aufwand in Privataquarien nachzüchtbar, im Vordergrund. Und die Nachzucht ist für diesen Personenkreis nun einmal die Krönung der Fischpflege. Kardinalbarsche eignen sich als ideale Umsteigerfische, denn zumindest eine Art, Pterapogon kauderni, ist auch nicht schwieriger nachzuzüchten als ein einfach züchtbarer Süßwasserfisch und die Nachzuchten wird man zudem immer leicht absetzen können.
Kardinalbarsche – eine Übersicht
Meerbarbenkönig, Apogon imberbis, aus dem Mittelmeer.
Kardinalbarsche stellenen eine Familie der Barschartigen Fische dar, wissenschaftlich heißt die Familie Apogonidae. Man unterscheidet aktuell fast 350 verschiedene Arten, die sich auf 33 Gattungen verteilen. Die größte Art der Kardinalbarsche wird etwa 20 cm lang, doch bleiben die allermeisten deutlich unter 10 cm Gesamtlänge. Schon aus diesem Grunde eignen sich die meisten Arten gut für eine dauerhafte Pflege im Aquarium. Fast alle Kardinalbarsche leben im Meer; nur eine Gattung, Glossamia, mit 11 Arten, die allesamt auf Neu-Guinea und Australien beschränkt sind, lebt ausschließlich im Süßwasser. Es gibt auch einige wenige euryhaline Arten, also Fische, die sowohl im Meer wie auch im Süßwasser leben können; eine davon, nämlich Apogon amboinensis, wird gelegentlich, wenn auch sehr selten, als Aquarienfisch für Süßwasseraquarien importiert. Wir stellen Ihnen diese Art hier mit ausführlicher Bildunterschrift vor.
Die meisten Süßwasser-Kardinalbarsche leben in Australien und Neuguinea. Sie gehören zur Gattung Glossamia und werden nicht importiert. Eine Art der Gattung Apogon, der hier im Bild vorgestellte Apogon amboinensis, kommt aber sehr weit verbreitet in Ostafrika und Südostasien vor. Das Photo zeigt ein Tier aus Thailand. A. amboinensis ist eigentlich ein Brackwasserfisch, wird aber oft in reinem Süßwasser gefunden. Apogon amboinensis erinnert ein wenig an die im Aquarium recht beliebten Glasbarsche der Gattung Parambassis. Sein Maulbrüterverhalten lässt ihn aber viel interessanter erscheinen. Bis heute weiß man, wie bei den meisten Kardinalbarschen, praktisch nichts über Details der Lebensgeschichte dieser Art. Es gibt aber Vermutungen, dass A. amboinensis zu den Arten mit relativ wenigen, aber großen Eiern gehört. Dann wären von einem Zuchtpaar dieser etwa 7 cm lang werdenden Art zwischen 200 und 300 Jungtiere pro Brut zu erwarten.
Ihren deutschen Populärnamen haben die Kardinalbarsche von der einzigen ursprünglich im Mittelmeer heimischen Art, dem Meerbarbenkönig, Apogon imberbis. Sein rotes Fräcklein erinnerte offenbar sehr an die Tracht der kirchlichen Würdenträger. Sein individueller Populärname kommt von der legendenhaften Vorstellung, dieser Fisch sei der Herrscher über die Rote Meerbarbe (Mullus barbatulus), einem der begehrtesten Speisefische der alten Römer. Sogar der wissenschaftliche Gattungsname spielt auf diese Legende an, denn ”Apogon” bedeutet ”ohne Bartel” – eben im Vergleich zur Meerbarbe mit ihren zwei beweglichen Kinnbarteln. Kardinalbarsche kommen in allen warmen Meeren der Erde vor. Im Mittelmeer lebte ursprünglich nur die schon erwähnte Art A. imberbis, doch sind zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Arten über den Suez-Kanal vom Roten Meer in das Mittelmeer eingewandert, sind also so genannte Lessepssche Migranten (nach dem Ingenieur Lesseps, unter dessen Leitung der Suez-Kanal 1869 eröffnet wurde): Apogon queketti, A. smithi, Apogonichthyoides nigripinnis, A. pharaonis, A. taeniatus und Ostorhinchus fasciatus. Der Einfluss dieser Neubürger, der Fachausdruck lautet: Neozoen – auf die ursprüngliche Fauna des Mittelmeeres ist noch nicht bekannt. Allerdings ist der Pharaonen-Kardinalbarsch (Apogonichthyoides pharaonis) ein direkter Raumkonkurrent zu Apogon imberbis und die Bestände von A. pharaonis wachsen beständig an (Oral, 2010). Der Meerbarbenkönig gilt aber nach wie vor als häufige, nicht gefährdete Art; es bleibt abzuwarten, wie sehr sich A. pharaonis den niedrigen Temperaturen im westlichen Mittelmeer anpassen kann. Vorerst beschränkt sich sein Vorkommen auf das östliche Mittelmeer.
Ungewöhnliches Zusammenleben
DiademsseigelPterapogon kauderni, der Banggai-Kardinalbarsch, ist der vermutlich am leichtesten nachzüchtbare Meeresfisch überhaupt.
Von vielen Kardinalbarsch-Arten ist bekannt, dass sie mit anderen Tieren in engerer Gemeinschaft leben. So besiedeln etliche Arten die giftigen, langen Stacheln der Seeigel der Gattung Diadema. Besonders bekannt für diese Lebensgemeinschaft ist der schon mehrfach erwähnte Banggai-Kardinalbarsch (Pterapogon kauderni), doch am höchsten spezialisiert auf diesen Partner ist wohl Ostorhinchus chrysotaenia; dieser Kardinalbarsch wurde sogar dabei beobachtet, dass er den Seeigel putzte. Dabei handelt es sich also wohl um eine echte Symbiose zum gegenseitigen Vorteil, während man das Benutzen der Seeigel durch andere Kardinalbarsche, ohne dass der Seeigel etwas davon hat, als Kommensalismus bezeichnet. In der Karibik gibt es Kardinalbarsche (Astrapogon stellatus), die in der Mantelhöhle lebender Riesenschnecken der Art Lobatus gigas (früher: Strombus gigas) leben. Eine eng verwandte Art, Astrapogon puncticulatus, lebt in Schalen toter Schnecken, ähnlich wie man das auch von manchen Buntbarschen des Tanganjikasees kennt. Die Liste der kommensalischen Lebensgemeinschaften zwischen Kardinalbarschen und Wirbellosen ist lang: der karibische Apogon quadrisquamatus lebt wie Clownfische mit Anemonen, allerdings höhlen- und spaltenbewohnenden Arten. Die ebenfalls karibischen Arten der Gattung Phaeoptyx leben mit Seesternen und Gorgonenhäuptern, die indopazifische Arten der Gattung Siphamia mit den giftigen Dornenkronen-Seesternen und Seeigeln. Etliche Arten, darunter die häufig importierten Faden-Kardinalbarsche Zoramia leptacantha (früher: Apogon leptacanthus) leben auch zwischen Korallenstöcken. Als Korallenfische im eigentlichen Sinne, also Arten, die immer oder doch regelmäßig mit Korallenriffen assoziiert sind, gelten nur etwa 15 karibische Arten und rund 80 indopazifische Arten.
Höhlenbewohner
Apogon maculatus ist einer der häufigsten Fische der Karibik. Er sollte wegen seiner geringen Eizahl auch im Aquarium gut nachzüchtbar sein.
Ganz generell sind Kardinalbarsche als Tiere anzusprechen, die tagsüber bevorzugt in Höhlen oder anderen Unterständen leben. Erst in der Dämmerung entfernen sie sich weiter von ihren Verstecken. Dabei sind die Kardinalbarsche aber nicht sehr spezialisiert. Die beiden Arten der Gattung Sphaeramia, nämlich der Pyjama-Kardinalbarsch S. nematoptera und der Gürtel-Kardinalbarsch S. orbicularis, sind bekannt dafür, ihr Leben in der Mangrove zu verbringen. Die Tiere leben aber auch gerne in etwas trübem Wasser, etwa in Hafenanlagen.
Jungfische von Sphaeramia nematoptera sind wirklich wunderschön gefärbt….…. doch auch voll erwachsen (die Art wird etwa 8 cm lang) können sie sich sehen lassen.
Eine Anpassung an das Leben im trüben und dunklen Wasser ist auch die Symbiose mit Leuchtbakterien, die viele kleine Kardinalbarsche zeigen und die ihnen die Fähigkeit verleiht, im Dunklen zu leuchten (man nennt das Bioluminiszenz). Leider sind diese Arten (sie gehören zu den Gattungen Siphamia und Acropoma, darüber hinaus sind Arten der Gattungen Pempheris, Parapriacanthus, Archamia, Jaydia und Rhabdamia zu Bioluminiszenz ohne symbiontische Bakterien befähigt) meines Wissens noch nicht importiert worden. Ein Spezialaquarium mit diesen kleinen Fischen müsste nachts faszinierend aussehen! Kardinalbarsche tolerieren zwar die starke Beleuchtung moderner Riffaquarien, benötigen sie aber in keinster Weise. Darum kann man sie getrost als ”Energiesparfische” einstufen, denn die Aquarienbeleuchtung über einem Kardinalbarschaquarium richtet sich nur nach den Bedürfnissen des Pflegers, den Fischen ist sie ziemlich egal.
Sozialverhalten
Die Bestimmung von Kardinalbarschen ist oft eine kniffelige Angelegenheit. Viele Arten sehen sich außerordentlich ähnlich, hier z.B. Ostorhinchus sealei (oben) und O. chrysopomus (unten).
Grundsätzlich findet man die Mehrzahl der Kardinalbarsche in der Natur in größeren Gruppen. Besonders die kleinen Arten nutzen die relative Sicherheit des Schwarmes. Aus den Gruppen finden sich Paare, die zur Fortpflanzungszeit gemeinsam Wohnhöhlen beziehen. Im Aquarium halten die Paare, z. B. vom Banggai-Kardinalbarsch, viele Jahre zusammen und spielen sich in ihrem Fortpflanzungsverhalten immer besser aufeinander ein. Im Aquarium kann man auch oft beobachten, dass Weibchen nach dem Ablaichen sich weiter nahe beim brütenden Männchen aufhalten. In der Natur sind solche Beobachtungen aus naheliegenden Gründen nur sehr schwer möglich. Zumindest bei Apogon notatus bleibt das Weibchen nach dem Ablaichen in der Wohnhöhle, das brütende Männchen macht sich jedoch oft davon und schließt sich einem Schwarm von Artgenossen an. Das Weibchen lockt ein beliebiges anderes Männchen in die Wohnhöhle (das kann auch ein brütendes Männchen sein) und laicht mit diesem Männchen bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ab. Gattentreue scheint also eher ein Aquarienartefakt zu sein als eine typische Verhaltensweise – zumindest bei Kardinalbarschen.
Soweit bislang bekannt sind alle Kardinalbarsche Maulbrüter im männlichen Geschlecht. Aber selbstverständlich ist nur ein ganz kleiner Teil der existierenden Kardinalbarscharten auch wirklich so gut bekannt, dass man über ihr Fortpflanzungsverhalten überhaupt Aussagen machen kann. Selbst so spannende Details wie die Frage, wie die Befruchtung der Eiballen im Maul der Männchen stattfindet, sind bis heute nur unzureichend untersucht. Intensive Beobachtungen des Ablaichverhaltens des Meerbarbenkönigs im Aquarium von Monaco durch J. Garnaud in den 1960er Jahren wurden so interpretiert, dass die Tiere eine innere Befruchtung hätten. Denn die Weibchen der Kardinalbarsche legen ihre Eier auf einen Schlag in großen Ballen ab, die Männchen nehmen diese Eiballen binnen weniger Sekunden auf, ohne dass ein Befruchtungsakt zu beobachten wäre. Die wahrscheinlichere Erklärung besteht jedoch darin, dass die Männchen erst nach der Aufnahme der Eiballen ihre Spermien abgeben und dass das aufgeregte und auffällige Schwimmen der Weibchen nach der Aufnahme der Eiballen durch das Männchen um das Männchen herum dazu dient, das Atemwasser des Männchens so mit Spermien anzureichern, so dass die Befruchtung der Eier im Maul der Männchen erfolgen kann (Kuwamura, 1983). Auch wenn die Vermutung der inneren Befruchtung beim Meerbarbenkönig nach wie vor selbst in der aktuellsten Literatur zu finden ist bzw. als Tatsache geschildert wird, so deuten neuere Untersuchen doch eher darauf hin, dass diese These nicht aufrecht zu erhalten ist (Petersen et al. 2005), zumal die männlichen Kardinalbarsche über keinerlei anatomische Strukturen verfügen, die eine solche innere Befruchtung ermöglichen könnten.
Ostorhinchus parvulus sind entzückende Zwerge, sie werden nur etwa 3-4 cm lang.Der hübsche Ostorhinchus margaritophorus wird etwas größer, nämlich 6,5 cm
Fruchtbare Fische
Oben: Brütendes Männchen, unten: Weibchen von Zoramia leptacantha. Die Art wird etwa 6 cm lang.
Kardinalbarsche sind im allgemeinen sehr häufig und nicht nur weit verbreitet, sondern auch in individuenreichen Beständen vertreten. Dabei gibt es bezüglich der Nachkommenzahlen höchst unterschiedliche Strategien. Der nur 7-9 cm lange Apogon notatus hat z. B. Eiballen mit mehreren tausend Eiern, das andere Extrem stellt Pterapogon kauderni, der Banggai-Kardinalbarsch, dar, der durchschnittlich nur etwa 24 Jungtiere pro Gelege und 170 Jungtiere pro Jahr hervorbringt (Mai, 2004). Der Banggai-Kardinalbarsch hat aber auch eines der kleinsten natürlichen Verbreitungsgebiete eines tropischen Meeresfisches überhaupt, stellt also in fast jeder Hinsicht eine Ausnahme dar. Zwischen diesen beiden Fortpflanzungstypen gibt es allerlei Übergänge. Ostorhinchus rueppellii hat z. B. relativ große und damit wenige Eier (50-280). Hier eine Übersicht über die bislang publizierten Gelegegrößen (nach Neira, 1991): Apogon affinis, Größe der Elterntiere 5,5-9 cm, 21.000 Eier pro Laichballen; Apogon imberbis, Größe der Elterntiere nicht angegeben (die Art wird maximal 15 cm lang), 22.000 Eier pro Laichballen; Apogon lineatus, Größe der Elterntiere 5,5 – 8,5 cm, 3.200 -13.250 Eier pro Laichballen; Apogon maculatus, Größe der Elterntiere ca. 6 cm, 75-100 Eier pro Laichballen; Ostorhinchus rueppellii, Größe der Elterntiere 4,5 – 8,5 cm, 50-280 Eier pro Laichballen; Sphaeramia orbicularis, Größe der Elterntiere 7-9 cm, 6.100-11.700 Eier pro Laichballen; Vincentia conspersa, Größe der Elterntiere 9,5 cm, 150 Eier pro Laichballen. Bei manchen Arten, etwa Sphaeramia orbicularis, lässt sich in der Natur ein Zusammenhang des Fortpflanzungsverhaltens mit Mondphasen erkennen, bei anderen aber nicht. Die Brutdauer variiert von 8 Tagen (bei 27-30°C) bei Sphaeramia orbicularis bis zu 28 Tagen bei Pterapogon kauderni. Wenn man bedenkt, dass es wirklich sehr viele Arten von Kardinalbarschen gibt und wohl jede davon ihre speziellen Eigenarten hat, eröffnet sich hier ein weites Feld für experimentierfreudige Aquarianer mit Zuchtambitionen.
Kardinalbarsche im Aquarium
Ostorhinchus hartzfeldii ist mit maximal 12 cm Länge eine der größeren Arten der Kardinalbarsche.
Man kann Kardinalbarsche guten Gewissens als Einsteigerfische für Meerwasseraquarianer bezeichnen. Sie stellen keine besonders hohen Ansprüche an die Wasserqualität und sind nicht sonderlich anfällig für Krankheiten. Fast alle Kardinalbarsche fressen bevorzugt kleine Krebstiere. Mit Frostfutter (Mysis, Gammarus, Artemia etc.) kann man sie problemlos ernähren. Selbstverständlich fressen Kardinalbarsche auch mundgerechte kleine Fische und Garnelen, diesbezüglich muss man also Vorsicht bei der Vergesellschaftung walten lassen. Aber Korallen, Anemonen und alle weiteren festsitzenden (= sessilen) Wirbellosen sowie Stachelhäuter (Seesterne, Seeigel etc.) haben von Kardinalbarschen nichts zu befürchten. Am besten kauft man von vornherein einen Trupp von 8-12 Exemplaren. Ähnlich wie bei vielen anderen Barschartigen sind die innerartlichen Aggressionen in großen Gruppen wesentlich geringer als wenn man nur wenige Exemplare pflegt.
Geschlechtsunterschiede
Cheilodipterus quinquelineatus wird etwa 13 cm lang. Das Weibchen hat weniger Gelb am Schwanzstiel.
Natürlich ist es für eine erfolgreiche Zucht entscheidend, dass man Tiere beiderlei Geschlechts besitzt. Es gibt allerdings nur relativ wenige sichere Geschlechtsunterschiede bei Kardinalbarschen. In der Regel haben die Männchen größere Köpfe, eine größere Maulspalte und sind auch insgesamt etwas größer als die Weibchen. Für den Banggai-Kardinalbarsch wurde auch die Form der Genitalpapillen als Geschlechtsunterschied beschrieben (Mai, 2004). Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass man mit 10 Tieren nicht auch beide Geschlechter erwirbt. Paare, die sich aus einer Gruppe finden, züchten auch viel zuverlässiger, als willkürlich zusammengestellte Paare, das sagen zumindest die Züchter des Banggai-Kardinalbarsches.
Lebenserwartung
Apogonichthyoides pseudotaeniatus kann bis zu 14 cm lang werden.
Gewöhnlich ist die natürliche Lebenserwartung bei Kardinalbarschen an die Größe gekoppelt. Die kleinsten Arten leben kein Jahr, der Meerbarbenkönig etwa 5 Jahre. Im Aquarium werden aber Fische grundsätzlich viel älter als in der Natur. Der Banggai-Kardinalbarsch züchtet noch im Alter von 5 Jahren (Mai, 2004). Alles in allem: Kardinalbarsche sind ideale Aquarienfische für Meeresaquarianer und solche, die es werden wollen. Es gibt noch viel an ihnen zu entdecken und zu erforschen. Den Aquarianern kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Machen Sie mit!
Frank Schäfer
zitierte Literatur:
Kuwamura, T. (1983): Spawning behaviour and timing of fertilization in the mouthbrooding cardinalfish Apogon notatus. Japanese Journal of Ichthyology 30 (1): 61-71
Mai, W. (2004) in Brockmann, D. (Herausgeber): Nachzuchten für das Korallenriff-Aquarium. Bornheim. pp. 171-179
Neira, F. J. (1991): Larval developement of the oral brooding cardinalfish Apogon rueppellii (Teleostei: Apogonidae) in Western Australia. Rec. Wesr. Aust. Mus. 15 (3): 573-584
Oral, M. (2010): Alien fish in the Mediterranean – Black Sea Basin. J. Black Sea/Mediterranean Environment 16 (1): 87-132
Petersen, C. W., Mazzoldi, C., Zarrella, K. A. & R. E. Hale (2005): Fertilization mode, sperm characteristics, mate choice and parental care patterns in Artedius sp.. (Cottidae). Journal of Fish Biology 67: 239-254
Erneut wurde die Liste der als invasiv erachteten Tier- und Pflanzenarten, deren Handel, Pflege, Zucht und Transport EU-weit verboten sind, erweitert. Die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erfolgte am 13.7.2022 und die Verordnung trat 20 Tage später in Kraft, also am 3.8.2022. Die Erweiterung betrifft folgende Arten (in Fettdruck: Arten, die im Hobby vertreten sind):
Katzenwels, Ameiurus melas
Axishirsch, Axis axis
Finlayson-Hörnchen, Callosciurus finlaysonii
Rundblättriger Baumwürger, Celastrus orbiculatus
Amur-Schlangenkopffisch, Channa argus
Amerikanischer Rostkrebs, Faxonius rusticus
Killifisch (kein allgemein gebräuchlicher deutscher Name bekannt) Fundulus heteroclitus
Der Handel hat keinen Einfluss auf die Verbreitung des Katzenwelses (Ameiurus melas) in der EU. Die Art ist in der EU unausrottbar eingebürgert.
Erneut ruft diese Liste bei Fachleuten Kopfschütteln hervor. Für den Katzenwels ist der Handel z.B. als Ausbreitungsvektor vernachlässigbar, eine Ausrottung dieser seit 1880 in Europa heimischen Art ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Ähnliches gilt für die beiden Moskitokärpflingen (Gambusia), die so gut wie nie als Zierfisch gehandelt werden. Mehr Infos zu Gambusen findet man z.B. hier: https://www.aqualog.de/blog/franky-friday/franky-friday-urlaubsausgabe-notizen-aus-suedfrankreich-2/
Großer Krallenfrosch, Xenopus laevis
Vom Krallenfrosch gibt es lediglich eine Population in Frankreich; das Horrorszenario, das Wissenschaftler zeichneten, indem sie aufgrund der Klimaerwärmung die potentiellen Ausbreitungswege dieses Amphibs hochrechneten, ist unseriös, weil es sämtliche anderen ökologischen Faktoren außer Acht lässt. Die Kettennatter (Lampropeltis getula) ist ein besonders interessanter Fall. Diese beliebte Terrarienschlange hat sich auf Gran Canaria etabliert, wo sie als Beutegreifer vor allem der dort endemischen (also nur dort vorkommenden) Eidechsen unangenehm auffällt. Keine Frage, das sollte nicht sein. Es ist in diesem Fall wahrscheinlich, dass Terrarianer für die Verschleppung der Art nach Gran Canaria verantwortlich sind. Schande über uns! Andererseits: alle europäischen Schlangenarten stehen unter vollständigem Schutz, keine einzige darf zum Zweck der Terrarienhaltung gefangen werden. Angeblich deshalb, weil die Schlangen durch den Fang in ihrem Bestand gefährdet werden könnten. Nun wird auf einmal postuliert, eine auch nur spürbare Dezimierung der etwa 20.000 Kettennattern, die zur Zeit auf Gran Canaria vermutet werden, sei ein aussichtsloses Unterfangen. Das stimmt schon nachdenklich!
Lampropeltis getulus
Besonders ärgerlich ist die Aufnahme der Muschelblume in die neue Liste. Diese Art wird seit über 100 Jahren im Aquarium gepflegt, es gibt EU-weit keinen einzigen Fall, wonach sie eine freilebende stabile Population ausgebildet hätte, geschweige denn, dass sie invasiv geworden wäre. Es ist nicht anzunehmen, dass sich private Halter davon abhalten lassen, dieses schöne und nützliche Gewächs weiter zu kultivieren. Damit ist eigentlich die wichtigste alle Voraussetzungen, die an eine Geswetz oder eine Verordnung zu stellen ist, nicht erfüllt: die Durchsetzbarkeit. Wenn es aussichtslos ist, ein Gesetz oder eine Verordnung auch durchzusetzen und zu vollstrecken, sollte man sie tunlichst erst gar nicht erlassen.
Muschelblume, Pistia stratiotes
Bereits am 1. August 2017 trat eine erweiterte Liste der als invasiv eingestuften Arten in Kraft, deren Handel, Pflege, Zucht und Transport EU-weit verbotenen ist.
Diese Listenerweiterung der invasiven Tier- und Pflanzenarten betraf folgende Arten:
Die Nilgans darf nicht mehr gepflegt und gezüchtet werden, auch nicht in Zoos. Dabei sind Zoos die einzige Möglichkeit, breitere Kreise der Bevölkerung über die Gefahren, die von invasiven Art ausgehen, zu informieren.
Ich habe mich über die grundsätzliche Unsinnigkeit der ersten Liste bereits in Bookazine 1 ausführlich geäußert (https://www.aqualog.de/blog/invasive-arten-verboten/). Die erweiterte Liste setzt noch eins drauf: hier werden sogar Arten aufgeführt, die überhaupt nicht gepflegt und gehandelt werden! Nilgans, Bisamratte, Indisches Springkraut und Riesen-Bärenklau werden bereits seit Jahrzehnten ohne jeden erkennbaren Erfolg verfolgt und bekämpft. Es sind voll eingebürgerte, unausrottbare Tiere und Pflanzen. Haben die Verantwortlichen denn ihr eigenes Gesetz nicht gelesen? Hier steht doch klar und unmissverständlich:
„Da es sehr viele invasive gebietsfremde Arten gibt, ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Befassung mit der Untergruppe solcher Arten, die als von unionsweiter Bedeutung angesehen werden, Priorität erhält. Daher sollte eine Liste von denjenigen invasiven gebietsfremden Arten, die als von unionsweiter Bedeutung gelten (im Folgen den „die Unionsliste“), erstellt und regelmäßig aktualisiert werden. Eine invasive gebietsfremde Art sollte dann als von unionsweiter Bedeutung angesehen werden, wenn der Schaden, den sie in den betroffenen Mitgliedstaaten verursacht, so bedeutend ist, dass er die Annahme spezieller Maßnahmen rechtfertigt, die in der gesamten Union anwendbar sind, und zwar auch in diejenigen Mitgliedstaaten, die noch nicht betroffen sind oder sogar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht betroffen sein werden. Damit die Identifizierung der Untergruppe invasiver gebiets fremder Arten von unionsweiter Bedeutung in einem angemessenen Umfang bleibt, sollte die Unionsliste stufen weise erstellt und aktualisiert werden und sich auf diejenigen Arten konzentrieren, durch deren Aufnahme in die Unionsliste deren nachteilige Auswirkungen tatsächlich kosteneffizient verhindert, minimiert oder abgeschwächt werden. Da Arten derselben taxonomischen Gruppe oft ähnliche ökologische Erfordernisse haben und ein ähnliches Risiko darstellen können, sollte die Aufnahme von taxonomischen Gruppen von Arten in die Unionsliste, soweit angezeigt, gestattet werden.“ (Punkt 10 der VERORDNUNG (EU) Nr. 1143/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten).
Das ist bei Nilgans, Bisamratte, Indischem Springkraut und Riesen-Bärenklau völlig ausgeschlossen. Warum also solche Listen? Wer will da wem was beweisen?
Die Riesen-Bärenklau ist wegen ihres Hautverbrennungen auslösenden Saftes berüchtigt. Es gibt aber auch einheimische Arten der Gattung Heracleum, etwa den weit verbreiteten Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium), der ähnlich wirkt.
Wir stehen am Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts und erleben in vielen Teilen der Erde einen Rückfall der Menschheit in die Barbarei. Archaische, brutale Formen der Religionsausübung kommen ebenso wieder in Mode, wie ein rücksichtsloses Vorgehen gegen Kulturschaffende aller Art. Im Zuge dessen, werden von machtgierigen, mit enormen Geldmitteln ausgestatteten Vereinigungen auch die Tier- und Pflanzenhalter verunglimpft. Mit allen Mitteln wird derzeit u.a. versucht, die Aquaristik und die Terraristik grundsätzlich zu verbieten. Hierzu wird nun offenbar auch die an sich berechtigte Sorge um die Schäden durch invasive Tier- und Pflanzenarten genutzt.
Tier- und Pflanzenhaltung sind artspezifische, nur dem Menschen eigene, seinen evolutionären Erfolg maßgeblich beeinflussende Handlungen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es ohne diese Fähigkeit heute noch Menschen gäbe. Während das Interesse an der Haltung von Tieren und Pflanzen vielen Menschen angeboren ist, ist es die Fähigkeit, dies auch erfolgreich durchzuführen keineswegs. Ein Mensch muss im Gegenteil alles, was dazu erforderlich ist, von anderen Menschen erst erlernen. Ebenso wie bildende Künste, also das Malen oder das Musizieren, sind Tier- und Pflanzenhaltung darum höchste Kulturgüter des Menschen, deren Behinderung ein Verbrechen an der Menschheit. Denn wenn das Wissen um die richtige Pflege von Tieren und Pflanzen erst einmal verloren gegangen ist, dauert es unter Umständen viele Generationen, bis es wieder erworben werden kann.
Der Sonnenbarsch – Lepomis gibbosus – ist eine Art, die als Angelfisch 1877 aus Nordamerika nach Frankreich importiert wurde. Heutzutage gilt er in weiten Teilen Europas als ”Fischunkraut” und invasive Art.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr Was hat das alles mit Aquaristik und Terraristik zu tun? Unser schönes Hobby ist und bleibt viel mehr als ”nur” eine zutiefst sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Ausnahmslos alles, was wir heute über die freilebenden Fische, Amphibien und Reptilien wissen, verdanken wir letztendlich Aquarianern und Terrarianern. Dabei ist es völlig unerheblich, ob diese Forschungen von Wissenschaftlern oder Laien geleistet wurden. Mir ist kein einziger Fach-Wissenschaftler bekannt, der nicht schon als Kind ein großes Interesse an Tieren und Pflanzen hatte und somit letztendlich über das Hobby zur Profession fand. Und hier liegt ein großer Gefahrenpunkt in der aktuellen politischen Meinungsbildung: in der Gesellschaft werden absurde Vorstellungen gefördert, die häusliche Pflege von Fischen, Amphibien und Reptilien (und von Viehzeug aller Art, zunehmend auch von Pflanzen), sei moralisch verwerflich und würde „für die Freiheit geborene” Kreaturen zu einem tristen Dasein im Gefängnis verurteilen. Dadurch wird Kindern und Jugendlichen nämlich der Zugang zu Aquarien und Terrarien von den Eltern häufig unnötig erschwert. Es ist geradezu erschütternd, mit wie wenig Kenntnissen über kaltblütige Tiere heutzutage Kinder und Jugendliche durch das Leben gehen. Dabei sind es gerade die Kinder in ihrem angeborenen Forscherdrang, die die Fundorte von Fröschen kennen, wissen, wo es Fische gibt und an welchen Stellen Eidechsen wohnen. Dieses Wissen muss man als Kind erwerben, um als Erwachsener ein Gefühl für Umwelt- und Artenschutz entwickeln zu können. Und ja: es müssen einige arme Viecher daran glauben, damit bei Kindern ein Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit des Lebens und für die große Verantwortung ensteht, die damit einhergeht, Lebewesen in menschlicher Obhut zu pflegen.
Das Indische Springkraut – Impatiens glandulifera – wurde 1839 aus Indien importiert und vielerorts als Zierpflanze und Bienenweide angepflanzt. Es ist eine wunderschöne, stark invasive Art.
Keine falsche Romatik! Selbst bei ansonsten vernünftigen Menschen findet man heutzutage oft die absurde Vorstellung, einem wildlebenden Tier gehe in der Natur gut. Das ist natürlich völliger Unsinn: es geht einem Tier in der Natur weder schlecht noch gut, es hat überhaupt keine Vorstellung von diesen Dingen! Ein Tier überlebt in seiner natürlichen Umgebung oder es geht ein. Eine Wahlmöglichkeit hat es nicht. Und genauso ergeht es einem Fisch, Amphib oder Reptil im Aquarium oder Terrarium. Stimmen die Bedingungen nicht, so geht das Tier binnen kürzester Zeit ein. Stimmen die Bedingungen, so erlebt das Tier aus seiner Subjektiven einen idealen Lebensraum. Vorstellungen von Freiheit und Ungebundenheit gibt es bei Tieren nicht, jedenfalls bei keinen Tieren, die jemals von einem Menschen im Aquarium oder Terrarium gepflegt wurden. Freilebende Tiere sind Unmengen von lebensbedrohenden Gefahren ausgesetzt. Tagtäglich erleben Kleintiere in freier Natur mehrfach Todesangst. Weit über 99% der Kleintiere, die in freier Natur geboren werden, sterben vor dem Erreichen der Geschlechtsreife. Und die Todesarten, die sie dabei erleiden, sind aus menschlicher Sicht so grässlich, dass man die Natur nach dem deutschen Tierschutzgesetz mit sofortiger Wirkung für alle Zeiten schließen müsste.
Das Kleinblütige Springkraut (Impatiens parviflora) entwich 1835 aus botanischen Gärten in die freie Natur. Es gilt aber nicht als invasive Art, da es nicht in Konkurrenz zu heimischen Pflanzen tritt.
Der Mensch ist das Maß aller Dinge! Genauso falsch, wie die Forderung nach einer naturidentischen Unterbringung von Wildtieren in menschlicher Obhut, ist die Rechtfertigung von Wildtierhaltung durch das Scheinargument, den Tieren geht es in Gefangenschaft ja viel besser als in Freiheit. Beides ist Blödsinn. Eine erfolgreiche Tierhaltung ist bei einer naturidentischen Unterbringung gar nicht möglich, weil Tierhalter es sich nicht leisten können, so verschwenderisch mit Leben umzugehen, wie die Natur es tut. Und es wäre auch ethisch sehr fragwürdig, Tieren in menschlicher Obhut bei einem aus menschlicher Sicht zumindest manchmal grausamen Überlebenskampf untätig zuzusehen. Der Grund für die Pflege und Zucht von Wildtieren in menschlicher Obhut ist es doch nicht, die Natur zu imitieren! Sinn und Zweck von Pflege und Zucht von Wildtieren in menschlicher Obhut ist es, Erkenntnisse zu gewinnen! Welche Erkenntnisse, ist von Pfleger zu Pfleger unterschiedlich, jeder hat seine eigenen Motivationen. Am Anfang steht sicherlich stets, dass das betreffende Tier schön oder irgendwie ansprechend aussieht und beim Menschen der Wunsch entsteht, dieses attraktive Wesen bei sich in seiner unmittelbaren Umgebung zu haben, um sich stets daran erfreuen zu können. Auf dieser Stufe bleibt wohl der größte Teil der Aquarien- und Terrarienbesitzer stehen und geht niemals die Treppe des Erkenntnisgewinnes weiter nach oben. Dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden, denn selbst für diese sehr einfache Form der Wildtierhaltung bedarf es einiger Grundkenntnisse, die das Verständnis für die freilebenden Arten weckt und somit einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Artenschutz darstellt. Für diese Menschen ist das Angebot von Standardarten im Zoofachhandel völlig ausreichend, ihnen genügen 300 Arten Zierfische und vielleicht 30 Arten Reptilien und Amphibien vollkommen. Doch einem gewissen Prozentsatz genügt das nicht. Es sind fast immer die vorhin erwähnten Menschen, die schon als Kinder eine starke Affinität zu den Kaltblütern zeigten. Sie wollen wirkliche Forschungsarbeit leisten, die Lebensgeschichte einer Tierart erkunden, letztendlich verstehen – um es mit Goethe zu sagen – was die Welt im Innersten zusammen hält. Sie reizt es, neue Tierarten kennen zu lernen, sie zu züchten. Aus ihnen gehen Forscher hervor, die neue Arten entdecken und die in der Lage sind, Grundlagenforschung zu leisten, die einen Artenschutz in der freien Natur erst möglich macht.
Die Agakröte (Bufo marinus) wurde 1935 zur Schädlingsbekämpfung nach Australien eingeführt. Seither verbreitet sie sich rasend schnell und ist eine ernsthafte Bedrohung für in Australien einheimische Arten geworden. Eine Eindämmung der Ausbreitung der Aga gelingt kaum. Es zeigt sich an ihrem Beispiel übrigens sehr deutlich, dass eine Kleintierart nicht durch Besammlung gefährdet werden kann, wenn der Lebensraum ansonsten günstig für die Art ist.
Ein freier Tierhandel muss möglich bleiben! Damit all dieses stattfinden kann, muss ein einigermaßen freier Handel mit Wildtieren möglich sein. Selbstverständlich müssen bei diesem Handel die Belange des Artenschutzes und des Tierschutzes berücksichtigt werden, aber man muss auch ganz klar sagen, dass noch nie auch nur eine einzige Tierart ursächlich durch den Lebendhandel ausgerottet wurde, während konservative Schätzungen (Wilson, 1992) davon ausgehen, dass bereits seit Jahrzehnten jährlich weltweit etwa 17.500 Tier- und Pflanzenarten durch vom Menschen verursachte Umweltstörungen aussterben. Bei dieser Schätzung wird von fünf Millionen existierender Arten ausgegangen, ein Viertel davon sind Pflanzen. Die gegenwärtig wahrscheinlichsten Schätzungen gehen allerdings von fünf bis 30 Millionen existierender Arten aus, die Anzahl der jährlich aussterbenden Arten könnte also leicht sechsmal so groß sein und über 100.000 Arten betragen. Der Tierschutz ist beim Tierhandel selbstverständlich auch zu berücksichtigen, doch muss ganz allgemein festgehalten werden, dass schon aus rein wirtschaftlichen Überlegungen ein pfleglicher Umgang mit Tieren im Handel betrieben wird und betrieben werden muss, denn für tote oder todkranke Tiere wird niemand Geld ausgeben. Der größte Konflikt zwischen Tierschutz und Tierhandel beruht auf der Tatsache, dass der Fokus des Tierschutzes auf das Individuum gerichtet ist. Es ist sehr schwer, einen Konsens zwischen zwei Interessensgruppen zu finden, die sich beide im Recht fühlen: auf der einen Seite Tierschutzvereinigungen, die fordern, dass der Handel absolut sicherstellt, dass jedem einzelnen gehandelten Tier kein Unbill widerfährt und der Tierhandel auf der anderen Seite, der argumentiert, dass z.B. die Sterblichkeit unter den gehandelten Tieren weit unter der Sterblichkeitsrate einer vergleichbar großen Tiergruppe in freier Natur liegt. Dass ganz aktuell wieder einmal eine massive Einschränkung des internationalen Handels mit Tieren und Pflanzen gefordert wird, wird mit der Zunahme invasiver Arten begründet. Was sind invasive Arten?
Der Camberkrebs Faxonius (früher: Orconetes) limosus ist in Mitteleuropa eine invasive Art. Als Überträger der Krebspest richtet er erheblichen Schaden an. Nach Deutschland eingeführt und ausgesetzt wurde die Art 1890 – nicht von Aquarianern!
Invasive Arten Als invasiv wird eine Tier- oder Pflanzenart immer dann bezeichnet, wenn sie sich in einem Gebiet in dem sie ursprünglich (als Stichdatum gilt das Jahr 1492) nicht vorkam, massiv ausbreitet und dabei der ursprünglich heimischen Tier- und Pflanzen Welt der Lebensraum streitig macht. Der Begriff ”invasiv” ist dabei bewusst militärisch gewählt. Es sollen durchaus Emotionen geschürt werden, die invasiven Arten als unerwünschte, schädliche Eindringlinge gebrandmarkt werden. Im englischen Sprachgebrauch geht man noch weiter. Hier spricht man von ”pests”, also Schädlingen, die es zu bekämpfen gilt. Die Gefahren, die von solchen Fremdorganismen ausgehen, sind nicht zu unterschätzen und führten schon in vielen Fällen zum Aussterben ursprünglich heimischer Arten. Manchmal scheint das ein völlig natürlicher Prozess zu sein. So dringt seit ca. 1930 die Türkentaube (Streptopelia decaocto) aus Kleinasien nach Mitteleuropa vor. Als Standvogel, der ganzjährig vor Ort bleibt, hat sie gegenüber der ursprünglich heimischen Turteltaube (S. turtur), die ein Zugvogel ist, den Vorteil, die besten Brutplätze bereits besetzt zu haben, wenn die Turteltaube aus Afrika heimkehrt. Zusammen mit veränderten Ackerbaumethoden (die Turteltaube frisst besonders gerne Erdrauch, Fumaria sp., ein Ackerkraut, dessen Bestände stark rückläufig sind) und dem größeren Jagddruck, dem die Turteltaube auf ihrem Zug ausgesetzt ist, führte das dazu, dass die Bestände der Turteltaube in den letzten 25 Jahren um über 60% zurückgegangen sind. Doch fast immer sind unbedachte Aussetzungen des Menschen der Grund, weshalb Tiere oder Pflanzen zu invasiven Arten werden.
Jungtiere des Rotfeuerfisches (oben) sind wirklich wunderschöne Aquarienfische. Rotfeuerfische – im unteren Bild ein erwachsener Pterois volitans – kommen ursprünglich nur im Indo-Pazifik vor. Im tropischen Atlantik sind sie invasive Arten. Es ist nicht bekannt, ob die Feuerfische von Aquarianern ausgesetzt wurden, oder ob sie als Larven mit Ballastwasser von Frachtschiffen in den Atlanik kamen. Aber starke Interessensverbände versuchen, das Auftreten dieser invasiven Art als Vorwand für drastische Handelsbeschränkungen tropischer Aquarienfische zu nutzen.
Bei Tieren sind diese Aussetzungen oft absichtlich. Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die späten 1970er Jahre wurden alle möglichen Fische und Krebsarten nach Europa importiert und ausgesetzt, in der Hoffnung, wirtschaftlich nutzbare Arten auch in Gewässern erhalten zu können, in denen es keine einheimischen Nutzarten gibt. Dieser Schuss ging fast immer furchtbar nach hinten los. Die meisten Arten konnten sich glücklicherweise nicht halten und verschwanden wieder, andere (z.B. die Regenbogenforelle, Oncorhynchus mykiss, die aus Nordamerika stammt), können sich nur sehr lokal ohne Hilfe des Menschen fortpflanzen. Doch der Camberkrebs (Faxonius limosus) ist ein Beispiel für eine extrem erfolgreiche Einbürgerung einer gebietsfremden Art mit schrecklichen Folgen für die heimische Fauna. Denn dieser Krebs, den man als Speisekrebs in Gewässern nutzen wollte, in denen die ökologisch anspruchsvolleren heimischen Arten nicht überleben können, ist der Überträger einer tödlichen Seuche, der Krebspest, an der alle einheimischen Krebse sterben. Der Camberkrebs ist dagegen immun, er überträgt die Krankheit nur. Übrigens waren bereits vor Einführung des Camberkrebses große Teile der mitteleuropäischen Krebsbestände einer ebenfalls Krebspest genannten Seuche erlegen, die wahrscheinlich bakteriell verursacht wurde. Die dadurch frei gewordenen Lebensräume konnten von den Camberkrebsen besetzt werden, was ihren ökologischen Erfolg wohl erst möglich machte.
Die Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) kam um 1910 als Larve unabsichtlich mit Ballastwasser von Frachtschiffen nach Europa.
Ein anderer Krebs, die Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) kam um 1910 als Larve unabsichtlich mit Ballastwasser von Frachtschiffen nach Europa. Bis heute breitet sie sich extrem erfolgreich aus, frisst Fischernetze leer und durchlöchert Deiche und Dämme. Manchmal verwandeln sich invasive Arten ohne erkennbaren Grund wieder zu harmlosen Bestandteilen der Natur zurück. Ein gutes Beispiel hierfür ist die aus Nordamerika stammende Wasserpest (Elodea canadensis), die Mitte des 19. Jahrhunderts sämtliche Wasserwege so zu wucherte, dass eine Binnenschifffahrt kaum noch möglich war. Heute wächst die Art als ganz normale, heimisch gewordene Wasserpflanze und richtet keinen Schaden mehr an. Solche Lebewesen nennt man Neobiota (also ”neue Lebewesen”), aufgeteilt in Neozoen (neue Tiere), Neophyten (neue Pflanzen) und Neomyceten (neue Pilze). Neobiota ist der Begriff, den man bei den meisten eingebürgerten Spezies statt „invasiver Arten” benutzen sollte, denn der weitaus größte Teil der Neobiota übt keinerlei erkennbaren schädlichen Einfluss aus und selbst solche Arten, die andere verdrängen und ausrotten, trifft ja keine moralische Schuld. Es ist weder gerechtfertigt noch ethisch vertretbar, ihnen mit Abscheu oder Fremdenfeindlichkeit gegenüber zu treten. Die gegenwärtige politische Diskussion, die ein generelles Importverbot für alle potentiell invasiven Arten fordert, hat ihren Ursprung leider in einem tiefbraunen Sumpf. Es sollen generell Ängste gegenüber dem Fremden, Unheimlichen geschürt werden. Und Menschen, die wie die ernsthaften Aquarianer und Terrarianer dagegen aufklärend antreten, werden als Verräter und Nestbeschmutzer diffamiert – alles schon mal dagewesen.
Die Kanadische Wasserpest (Elodea canadensis) ist eine Aquarienpflanze aus Nordamerika, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland derart massiv wucherte, dass die Binnenschifffahrt fast zum Erliegen kam. Heute ist sie ein harmloser Neophyt. Warum manche Neobionten zur Plage werden und andere nicht, kann niemand voraussagen.
Wir tragen Verantwortung! Natürlich tragen auch wir Hobbyisten eine große Verantwortung. Niemals und unter keinen Umständen dürfen zu groß oder lästig gewordenene Kaltwasserfische, Krebse, Muscheln, Schnecken, Garnelen oder Wasserpflanzen in die freie Natur ausgesetzt werden. Das gleiche gilt für Reptilien oder Amphibien. Es gibt bereits Importverbote für den Ochsenfrosch (Rana catesbeiana oder Lithobates catesbeianus) oder die Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans), weil diese Tiere von verantwortungslosen Idioten ausgesetzt wurden und es so zu lokalen, wildlebenden Populationen kam. Wenn man Tiere, die man aus schwerwiegenden Gründen nicht weiter pflegen, nicht weiter geben, verfüttern oder selbst essen kann und wenn auch kein Tierheim bereit ist, sie aufzunehmen, so muss man sie leider abtöten. Aussetzen ist keine akzeptable Alternative! Im besten Falle stirbt das ausgesetzte Tier im ersten Winter, schlimmstenfalls bringt es aber Seuchen mit, die den wildlebenden Tieren einen qualvollen Tod bringen. Das Tierschutzgesetz verbietet es, Tieren ”ohne vernünftigen Grund” Leid zuzufügen oder sie zu töten. Man muss also gut abwägen, ob ein solcher ”vernünftiger Grund” wirklich vorliegt. Eine Laune, ein Unlustgefühl oder Bequemlichkeit dürfen selbstverständlich kein Vorwand sein, ein gesundes Tier abzutöten!
Die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) ist einer der wichtigsten Fische in der Aquakultur in Deutschland und gilt vielen als einheimische Art. In Wirklichkeit ist die Regenbogenforelle ein Neozoon und kann lokal sogar einheimische Arten bedrohen.
Keine Sippenhaft! Leider gehen manche Neobiota auf aus gesetzte Pfleglinge verantwortungsloser Aquarianer oder Terrarianer zurück. Das Aussetzen von Tieren und Pflanzen ist in Deutschland eine Straftat, keine Ordnungswidrigkeit. Es drohen Geld- und Haftstrafen. Aber ist das ein Grund, eine ganze Personengruppe undifferenziert in Sippenhaft zu nehmen? Auf gar keinen Fall! Ein Straftäter bleibt immer ein Einzeltäter, auch wenn die Person Aquarianer oder Terrarianer ist. Fast alle Aquarianer und Terrarianer handeln verantwortungsbewusst und richtig. Sie darf man nicht durch Importverbote oder Haltungseinschränkungen bestrafen. Auch so genannte Positivlisten, also Listen von Arten, deren Handel aufgrund der Expertise von Gott weiß wem erlaubt sein soll, sind strikt als Sippenhaft abzulehnen. Das Aussetzen von Tieren und Pflanzen ist verwerflich, daraus den Schluss zu ziehen, dass die Tier- und Pflanzenhaltung eingeschränkt werden muss, idiotisch. Niemand kommt auf den Gedanken, Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und sonstige Tiere für die Haltung zu verbieten, nur weil sie immer wieder von irgendwelchen verbrecherischen Menschen ausgesetzt werden. Ein freiheitlicher Rechtsstaat, der nicht brutaler Überwachungsstaat sein will, muss es aushalten, dass es gewissenlose Menschen gibt, die ein vermeintlich laxes Rechtssystem auszunutzen versuchen. Das gilt für ausnahmslos alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens. Verantwortungsvolle Politiker lassen sich nicht vor den rechtspopulistischen Karren spannen und fordern nicht, die Tierhaltung allgemein und die Aquaristik und Terraristik im Speziellen zu kriminalisieren.
Vom Marmorkrebs gibt es nur Weibchen. Ein einziges Exemplar reicht darum aus, eine neue Population aufzubauen. Leider gibt es bereits Funde wildlebender Tiere in Deutschland.
Wehret den Anfängen! Die stärkste Waffe des Rechtspopulismus, ob mit nationalistischem oder religiösen Hintergrund, ist, dass ihn anfangs niemand ernst nimmt. Keine Rentnerin mit Schoßhund käme auf den Gedanken, dass die Tierrechtler-Organisation, für die sie gerade spendet, um Tieren in Not zu helfen, nichts anderes will, als ihr ihren geliebten Hund weg zu nehmen, der in den Augen der Organisation eine geknechtete, unterdrückte Kreatur ist. Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grund, die bestehenden Artenschutzgesetze um irgendwelche Importeinschränkungen oder gar Haltungsverbote zu ergänzen. Gegen die unverantwortliche Aussetzung von ungewollten Heimtieren muss mit Aufklärungskampagnen vorgegangen werden, nicht mit Gesetzen, die von denjenigen, die sie treffen sollen, ohnehin ignoriert werden. Es gibt in Deutschland (noch) eine große Vereinsstruktur von Aquarianern und Terrarianern, die, wenn sie mit Geldmitteln und ideeler Unterstützung der öffentlichen Hand ausgestattet werden, in der Lage sind, die entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten. Leider überaltern die Vereine rasend schnell. Auch deshalb muss der Staat dringend dafür sorgen, dass seine Kulturschaffenden – und dazu zählen die Aquaristik- und Terraristik-Verbände unbedingt! – in der Öffentlichkeit wieder an Ansehen gewinnen, damit der Nachwuchs nicht ausbleibt. Noch ist Zeit dafür! Haltungsverbote hingegen nutzen überhaupt nichts und richten definitv mehr Schaden als Nutzen an.
Frank Schäfer
Literatur:
Wilson, E. O. (1992): The Diverisity of Life. Harvard University Press, Cambridge, MA. 464 pp.
Das Jahr 2016 ist das Jahr eines ungeahnten Höhepunktes bezüglich des behördlichen Natur- und Artenschutzwahnsinns, der darin besteht, dass ausgerechnet die am Natur- und Artenschutz am stärksten interessierten Bürger kriminalisiert und dadurch vom Natur- und Artenschutz ausgeklammert werden.
Männchen der roten Naturform von Procambarus clarkii. Die Art wurde 1972 nach Spanien eingeführt, um als Speisekrebs gezüchtet zu werden. Heute ist sie in praktisch ganz Europa unausrottbar verbreitet.
Eine Liste von invasiven, nach Einschätzung der Behörden die ursprüngliche Artenvielfalt (das Fachwort für „Artenvielfalt“ lautet „Biodiversität“) bedrohenden fremdländischen Tier- und Pflanzenarten wurde veröffentlicht. Und als wichtigste Maßnahme zur Vermeidung der weiteren Verbreitung dieser Arten fiel den Behörden nichts besseres ein, als die Pflege und Zucht dieser Tier- und Pflanzenarten zu verbieten! Statt das Fachwissen der Pfleger und Züchter solcher Arten zu nutzen und sich diese Menschen, die einzigen, die sich wirklich mit den „invasiven“ Arten auskennen, zu Verbündeten zu machen, werden vollkommen nutzlose, aus wissenschaftlicher Sicht geradezu alberne Gesetze fabriziert, deren Kernmaßnahme – also das Pflege- und Zuchtverbot solcher als invasiv bezeichneten Organismen – objektiv ungeeignet ist, die Ausbreitung dieser Arten auch nur einzuschränken, geschweige denn zu verhindern.
Lebewesen, die nach 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch die modernen Europäer) in Ländern heimisch wurden, in denen sie zuvor nicht vorkamen, bezeichnet man als Neobiota, die Tiere als Neozoen, die Pflanzen als Neophyten. Durchaus nicht immer, aber doch meistens brachte der Mensch die Neobiota in die neuen Gebiete. In den allermeisten Fällen können Neobiota ohne ständige Fürsorge des Menschen aber nicht überleben.
Doch manchmal finden Neobiota in ihrer neuen Heimat Bedingungen vor, die eine Massenvermehrung erlauben. Dann bezeichnet man sie als „invasiv“ oder als Landplage. Rein wissenschaftlich gesehen sagt das Wort „invasiv“ nichts über die Individuenzahl oder darüber aus, ob die Art in irgend einer Art und Weise negativen Einfluss auf irgend etwas nimmt. Das Wort wird aber inzwischen immer im negativen Sinne gebraucht, meint also tatsächlich wie miltärisch vorrückende, neue Gebiete besetzende und ursprünglich dort vorkommende Arten unterdrückende Spezies. Bis sich in der neuen Heimat Bedingungen eingestellt haben, die eine massenhafte, unbegrenzte Vermehrung verhindern (meistens Krankheitserreger, manchmal auch Fressfeinde), explodieren die Bestände geradezu. Dann bekommen sogar Menschen, die sich sonst kaum für die Natur interessieren, mit, dass etwas vorgeht. Dann schreien sie nach den Behörden und fordern, dass das „Gleichgewicht der Natur“ (etwas, das es nicht gibt und nie gab, sondern lediglich eine Wunschvorstellung von Romantikern ist) wieder hergestellt werden soll – und zwar per Gesetz! Denn dann kann man Schuldige benennen und Strafen verhängen, was zwar den Schaden nicht mindert und an der Situation nichts ändert, aber dem Gerechtigkeitsempfinden der Masse gut tut.
Der Blaubandbärbling, Pseudorasbora parva, wurde unbeabsichtigt mit Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) und Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) nach Europa importiert und verbreitet. Das geschah durch staatliche Stellen.
Man weiß bis heute nicht, wann und warum eine Art invasiv wird. Vorhersagen sind nicht möglich. Es war im 19ten und frühen 20ten Jahrhundert üblich und gesellschaftlich absolut akzeptiert, Ansiedlungsversuche mit fremdländischen Tier- und Pflanzenarten zu unternehmen, um die vorhandene Natur „zu bereichern“ und zusätzliche Beutetiere für Jagd und Fischerei oder Bäume, Sträucher und Blütenpflanzen wegen ihres interessanten Aussehens, ihres Holzes oder ihrer Früchte zu erhalten. Das ging übrigens fast immer schief, kaum eine Art hat sich dauerhaft etablieren lassen. Sie finden solche Ansiedlungsversuche schlecht? Recht haben Sie! Aber bedenken Sie bitte auch, dass keine einzige Haustierart und kaum eine Gartenpflanze je ursprünglich in Deutschland heimisch war. Deren Existenz geht selbst dann, wenn es die biologische Art in Deutschland gab oder gibt, auf Populationen zurück, die in ganz anderen Gebieten der Erde domestiziert wurden, oder sie wurden züchterisch so verändert, dass man sie als Laie kaum noch als Angehörige der gleichen Art erkennen kann. Obwohl fast alle Pflanzen, die in Städten und deren näheren Umgebung wachsen, auf Anpflanzungen zurückgehen und alles andere als natürlich sind, leben auf und bei ihnen viele wilde, heimische Kleintiere. Aber das sind nur Ersatzlebensräume, die ursprünglichen Biotope sind zerstört und aus urbanen Gebieten (das ist praktisch ganz Deutschland) verschwunden. Da kann es nicht verwundern, dass manchmal unter den (in der Neuzeit meist illegal) eingebürgerten Tieren – seien das nun Waschbären, Eichhörnchen, Papageien, Fische oder Krebse – Arten sind, die hier günstige Bedingungen in nahezu konkurrenzfreier Umgebung finden. Und schon haben wir – schwupps – eine neue, invasive Art.
Unter Biologen ist es eine unumstrittene Erkenntnis, dass das einzige, was eine Kleintierart wirklich gefährden kann, der Verlust des Lebensraumes ist (der Fachausdruck für „Lebensraum“ ist „Biotop“). Die direkte Verfolgung einer Kleintierart ist in intakten Biotopen eine unerhebliche Randerscheinung für den Bestand. Das merkt man immer wieder daran, dass es einfach unmöglich ist, eine Kleintierart oder Pflanze, die man zur unerwünschten Art erklärte (z.B. weil man sie für invasiv hält) auszurotten. So etwas ist noch nie gelungen. Man kann die Bestände reduzieren, das wohl, aber auslöschen – das klappt nicht.
Dieses alte Rotwangen-Mädchen (Trachemys scripta elegans) schaut in eine ungewisse Zukunft.
Diese Tier- und Pflanzenarten sind seit 2016 EU-weit verboten. Man darf sie nicht handeln. Bei vorhandenen Altbeständen muss die Vermehrung unmöglich gemacht werden.
Seit 1903 lebt die Prachtbarbe in unseren Aquarien. Nie ist sie verschwunden, selbst durch zwei furchtbare Weltkriege hindurch haben die Liebhaber sie unter erheblichen persönlichen Opfern erhalten und weiter gezüchtet. Die Prachtbarbe gehört ganz sicher in die Top 100 der beliebtesten Aquarienfische der Welt, ein Zoogeschäft ohne Prachtbarben ist undenkbar. Und dennoch umgeben diesen Fisch zahlreiche Geheimnisse…
Dieser Fisch schwimmt seit 1903 als ”Prachtbarbe” oder ”Rote Barbe” in unseren Aquarien.
Der schottische Arzt Francis Buchanan (1762 – 1829) diente von 1794 bis 1815 in Bengalen bei der East India Company, einer mächtigen Handelsgesellschaft, die z.B. die heutige Millionenmetropole Kalkutta (= Kolkata) in ihrer jetzigen Form gründete. In dieser Zeit katalogisierte und beschrieb der begnadete Naturforscher Buchanan u.a. Fische des Ganges. Er hatte einen hervorragenden Zeichner unter Vertrag, einen bengalischen Jugendlichen namens Haludar, dem er einen Gold-Mohur pro Monat bezahlte. Buchanan verließ sich vollständig auf die Zeichnungen, die Haludar anfertigte (und deren Genauigkeit bis heute begeistert). Eine Sammlung konservierter Tiere unterhielt Buchanan nicht. Als er 1815 Bengalen für immer verließ, nahm ihm sein Chef, der Generalgouverneur von Indien Marquis von Hastings (er nannte sich Earl of Moira zwischen 1793 und 1816), viele der Zeichnungen und auch einige Manuskripte ab. Wieder in England angekommen, nahm Buchanan den Geburtsnamen seiner Mutter – Hamilton – an, da er durch den Tod seiner älteren Brüder zum Oberhaupt des Hamilton-Clans wurde. Unter dem Namen Francis Hamilton publizierte er 1822 sein Buch über die Fische des Ganges, in dem 272 Arten wissenschaftlich beschrieben wurden, die meisten davon neu für die Wissenschaft. Doch nur von 98 Arten hatte Hamilton seine vollständigen Zeichungen und Notizen. So erklärt es sich, dass etliche der Artbeschreibungen schlecht ausfielen, darunter die der Prachtbarbe, der Hamilton mit Cyprinus (Puntius) conchonius ihren für alle Zeiten gültigen wissenschaftlichen Artnamen conchonius gab.
Heute wird die Prachtbarbe in der Gattung Pethia geführt, ihr vollständiger wissenschaftlicher Name lautet derzeit also: Pethia conchonius (Hamilton, 1822)
Von Anfang an babylonische Verwirrung Die wissenschaftliche Bestimmung der ersten importierten Prachtbarben stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Zeitgleich wurde nämlich die Zweipunktbarbe, Pethia ticto, importiert. Beide Arten wurden zur Bestimmung an ein wissenschaftliches Institut gegeben, dort auch durchaus richtig bestimmt, aber die Arten beim Empfänger nachträglich verwechselt! Also segelte die Prachtbarbe zunächst unter Barbus (so nannte man damals die Gattung) ticto und die Zweipunktbarbe unter B. conchonius.
Das Aquarell aus dem Jahr 1909 (Bade, Das Süßwasser-Aquarium, 3. Auflage, Tafel V) zeigt eindeutig den Fisch, der auch heute noch als Prachtbarbe in unseren Aquarien schwimmt.
Man merkte aber bald, dass da etwas nicht stimmen konnte. 1905 entbrannte ein hochpolemischer Disput in den Fachzeitschriften über die richtige Benennung der Barbe. Die erneute Nachfrage bei Wissenschaftlern hatte nämlich ergeben, dass die Prachtbarbe oder auch Rote Barbe (Barbus bzw. Pethia ticto ist unscheinbar silbrig gefärbt) von Dr. Reh in Hamburg als Barbus conchonius, von Dr. Pappenheim in Berlin aber als B. pyrropterus bestimmt wurde.
Nach allerlei fröhlichen wechselseitigen Beschimpfungen einigte man sich schließlich darauf, dass B. conchonius und B. pyrropterus (die Schreibweise mit Doppel-R ist ein Tippfehler in der Originalbeschreibung und wurde im Corrigendum zu pyropterus geändert, was jedoch häufig übersehen wurde) lediglich Varianten ein und derselben Art seien. Da Varianten keine wissenschaftlichen Namen tragen dürfen, galt das Prinzip der Priorität: der Name B. conchonius als der ältere sei der gültige Name. Und seither wird überall auf der Welt sowohl in der aquaristischen wie auch in der wissenschaftlichen Literatur die Prachtbarbe als Barbus oder Puntius oder neuerdings Pethia conchonius bezeichnet.
Weltweit: kaiserliche Prachtbarben!
Das natürliche Verbreitungsgebiet der Prachtbarbe wird mit Afghanistan, Bangladesch, Burma, Indien, Nepal und Pakistan angegeben – ein riesiges Areal! In den Handel kommen aber nahezu ausschließlich Nachzuchtexemplare, die in allen Fällen auf die ursprünglich einmal 1903 importierten Exemplare, deren genaue Herkunft unbekannt ist, zurückgehen. Auch wenn heutzutage die meisten Prachtbarben auf Sri Lanka, in Malaysia, Singapur und Thailand gezüchtet werden: auch diese Fische stammen, soweit man dergleichen überhaupt nachvollziehen kann, von ursprünglich im Deutschland der Kaiserzeit gezüchteten Tieren ab! Woher man das wissen kann? Nun, bis heute gibt es keinen einzigen Nachweis von Prachtbarben aus der Natur, die die rote Färbung der seit 1903 dokumentierten Fische aufweisen!
Schleierflossige Prachtbarbe, wildfarben. Es gibt auch von allen Zuchtformen schleierflossige Stämme.
Wildfänge aus Bengalen
Die in jüngster Zeit aus Bengalen (Umgebung von Kalkutta) importierten Tiere sind die einzigen Wildfänge, die jemals nach 1903 importiert und dabei auch dokumentiert wurden. Und siehe da: sie sehen völlig anders aus als unsere Aquarienprachtbarben und deren zahlreiche Zuchtformen. Diese wilden Bengalen werden bei der Balz nämlich schwarz und nicht rot! Und auch in neutraler Färbung gibt es einen augenfälligen Unterschied: die Männchen der wilden Prachtbarbe haben niemals eine schwarze Rückenflossenspitze. Bezüglich der übrigen Morphologie sind allerdings die wilden Prachtbarben aus Bengalen und die alten Aquarienprachtbarben aus Kaiser Wilhelms Zeiten einander sehr ähnlich.
Prachtbarben-Wildfänge aus Bengalen werden, wie dieses Männchen zeigt, während der Balz schwarz!Wildfangmännchen aus Bengalen.Wildfangweibchen aus Bengalen.
John McClelland
McClelland (1805–1883) war, wie Hamilton, Arzt und er diente, ebenfalls wie Hamilton, bei der East Indian Company, und er war, wie Hamilton, ichthyologisch interessiert. McClelland war 1835-36 mit einer Mission in Assam beauftragt und sammelte dort Arten, die Hamilton nicht beschrieben hatte. McClelland schrieb später ein sehr wichtiges Werk der Ichthyologie der indischen Fische, nämlich die „Indian Cyprinidae“. Im Zuge seiner Arbeit für dieses Werk gelang es ihm, die Zeichungen, die Lord Moira Hamilton weggenomme hatte, wiederzuentdecken. Die Karpfenfische davon publizierte McClelland in seinem Werk, so dass wir glücklicherweise wissen, was Hamilton mit seinem Cyprinus (Puntius) conchonius meinte. Diese Zeichnung zeigt einen Fisch, der unseren Aquarienprachtbarben nur sehr entfernt ähnelt. Vor allem sind die Schuppen erheblich viel größer. Neben dieser Rückbeschreibung der Art conchonius lieferte McClelland eine Originalbeschreibung einer ähnlichen Art ab, nämlich Systomus pyropterus. Und diese Barbe sieht unserer Aquarienprachtbarbe nun wirklich sehr, sehr ähnlich.
Dies ist die Originalzeichnung von Cyprinus (Puntius) conchonius, die Hamilton 1815 bei seiner Abreise aus Indien weggenommen wurde und die er nie wieder sah.Die Originalzeichnung von Systomus pyropterus. Diese Art sieht unserer Aquarien-Prachtbarbe viel ähnlicher als Pethia conchonius.
Was schwimmt nun im Aquarium?
Betrachtet man die wunderbaren Zeichnungen von P. conchonius und P. pyropterus, so kann überhaupt kein Zweifel daran aufkommen, dass die Aquarienstämme der Prachtbarbe eher zu der Art P. pyropterus als zu P. conchonius gehören. Die beiden Arten sind sicher kein Synonym zueinander! Es scheint mir unwahrscheinlich, dass Pethia conchonius (sensu Hamilton, 1822) überhaupt schon jemals im Aquarium gepflegt wurde. Vermutlich gibt es aber eine ganze Reihe von noch unerkannten, ähnlich aussehenden Arten, einen Artenkomplex. Zahlreiche Neubeschreibungen von Pethia-Arten aus Indien sind zudem in den letzten Jahren erfolgt, ohne dass die alten Arten hinreichend einer Revision unterzogen wurden. Das macht die Sache nicht einfacher.
Ich versuche seit Jahren, wilde Prachtbarben aus verschiedenen Teilen des Verbreitungsgebietes zu importieren, um die Systematik dieser Tiere endlich zu verstehen. Wird doch eigentlich auch Zeit, 200 Jahre nach der Erstbeschreibung und 119 Jahre nach dem Erstimport, oder? Aber die weltweite Corona-Krise macht das derzeit leider unmöglich und einfach so nach Indien fliegen und selbst nach Prachtbarben zu suchen ist aus dem gleichen Grund auch kaum zu realisieren.
Trotzdem: Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig Wildfänge in der Aquaristik sind, wenn es darum geht, die Artenvielfalt auf der Erde zu erforschen. Auch darum ist der Handel mit Wildfängen immer Artenschutz und sollte überall nach Kräften gefördert werden!
Im ersten Teil dieser Serie haben wir Sie mit den chemischen Grundlagen dessen vertraut gemacht, was man als die „Härte“ im Wasser bezeichnet.
Wie misst man die Härte?
Heutzutage ist das kein Hexenwerk mehr. Erstens können Sie diese Werte von Ihrem zuständigen Wasserwerk erfragen. Allerdings stellen Wasserwerke Trinkwasser und kein Aquarienwasser her und manchmal sind die Damen und Herren dort auch ein wenig kurz angebunden oder gar knurrig, wenn Aquarianer anrufen. Es ist darum ganz praktisch, wenn man selbst nachschauen kann, welche Gesamt- und Karbonathärte im Aquarium herrschen.
Regenbogenfisch-Biotop in Australien
Sehr bequem: Stäbchen
Es gibt Teststäbchen, die oft sogar gleich mehrere Wasserwerte anzeigen. Man taucht sie zur Messung einfach in die zu untersuchende Wasserprobe. Auf dem Stäbchen sind kleine Testfelder, die Chemikalien enthalten. Das Meßergebnis zeigt sich in der Färbung dieser Testfelder, sie werden rosa, rot, blau oder grün, je nachdem. Tropftests sind deutlich genauer, aber für eine orientierende Messung sind Teststäbchen sehr beliebt.
Tropftests
Die üblichsten Tests sind Tropftests. Dabei färbt man eine vorher exakt abgemessene Wasserprobe mit einer farbigen Flüssigkeit (Indikator-Flüssigkeit) und gibt dann tropfenweise eine andere Flüssigkeit (es handelt sich um einen so genannten Chelatoren) so lange hinzu, bis die Farbe plötzlich wechselt. Bei dem GH-Test von JBL etwa von kräftig rot nach kräftig grün. Aus dem Verbrauch der Tropfen bis zum Farbumschlag kann man dann die Härte errechnen, gewöhnlich entspricht 1 Tropfen verbrauchter Flüssigkeit 1°dH. Sehr bequem sind Tropftests, bei denen man nur eine Flasche braucht, in der Indikator und Chelator gemeinsam untergebracht sind. Bei sehr weichem Wasser (unter 3°GH) funktionieren diese 1-Flaschen-Sets aber nicht gut, weil der Farbumschlag fast sofort eintritt, bzw. man ihn nicht bemerkt, weil bei nur einem oder zwei Tropfen der Indikator nicht kräftig genug färbt. Dann weiß man zwar, dass man ein sehr weiches Wasser hat, aber wie weich, weiß man nicht. Dann braucht man einen Test, in dem Indikator und Chelator in verschiedenen Flaschen geliefert werden. Nun erhöht man einfach die Wassermenge um das 10-fache, gibt auch die 10-fache Menge Indikator hinzu und tropft nun mit dem Chelator bis zum Farbumschlag, wobei jeder Tropfen 1/10tel der eigentlichen Härte, die der Chelator anzeigt, entspricht. Wenn also z.B. 1 Tropfen Chelatorverbrauch normalerweise 1°Härte entspricht, entspricht in der verdünnten Wasserprobe 1 Tropfen Chelator nur 0,1°. So kann man auch bei sehr weichem Wasser noch exakt messen.
Stromschnellen am Rio Xingu in Brasilien, Lebensraum von L-Welsen, Buntbarschen und Salmlern.
Elektrische Leitwertmessung
Destilliertes Wasser leitet den Strom nicht (dringender Aufruf an alle Kinder: DAS FOLGENDE NICHT AUSPROBIEREN!). Tödliche Unfälle mit Föns in der Badewanne funktionieren nur dann, wenn im Wasser Ionen gelöst sind (siehe Teil 1 des Artikels; nicht „Wie bringe ich mein Gespons um die Ecke“, sondern „Was ist ein Ion“ ). Da die Gesamt- und die Karbonathärte in Ionen-Form im Wasser vorliegen, kann man sie indirekt elektrisch messen. Dabei wird ein Strom durch eine Elektrode geschickt, die man ins Wasser taucht. Je nachdem, wie viele Ionen im Wasser sind, wird dieser Strom besser oder schlechter geleitet. Man erhält ein Messergebnis in Microsiemens/Zentimeter (= µS/cm). Destilliertes Wasser hat den Wert Null, es leitet gar nicht. Je niedriger der Wert, desto weicher ist das Wasser. Im Malawisee beträgt der Leitwert etwa 200-260 µS/cm, in typischen südamerikanischen Schwarzwasserhabitaten etwa 20 µS/cm und im Rhein bei Düsseldorf am 21.11.2012 557 µS/ cm. ABER: der Leitwert misst alle im Wasser gelösten Ionen, also sämtliche Salze, nicht nur die Ionen, die für die Härte zuständig sind. Jedoch haben alle Süßgewässer der Welt eine recht angenehme Eigenschaft: das Verhältnis der darin gelösten Salze zueinander ist praktisch auf der ganzen Welt gleich, nur die Gesamtkonzentration ist unterschiedlich. Anders ausgedrückt: im Amazonas und im (unverschmutzten) Rhein und im Malawisee sind die gleichen Salze vorhanden, nur in unterschiedlicher Menge. Darum kann man normalerweise aus dem Leitwert einen guten Näherungswert an die Härte errechnen. Das Ganze funktioniert allerdings nur in reinem Süßwasser. Sobald Kochsalz ins Spiel kommt, kann man mit dem Ergebnis nichts mehr anfangen. Meerwasser etwa enthält ja ca. 33 g Salz pro Liter, rund 85% davon sind Kochsalz (NaCl), es hat einen Leitwert von etwa 53.000 µS/cm. Bei solchen Dimensionen spielt das bissel Härte keine Rolle mehr. Doch in reinem Süßwasser kann man grob rechnen, dass 100 µS/cm = 3°dGH sind.
Ein typischer Schwarzwasser-Tümpel im Regenwald, Lebensraum zahlreicher beliebter Aquarienfische.
Fiese Tricks
Manchmal kommt es zu ganz absurden Messergebnissen, deren mögliche Ursachen auch noch kurz erläutert werden sollen. Im ersten Teil der Reihe wurde schon erwähnt, dass die Nicht-Karbonathärte kaum einen Einfluss auf das Aquarium hat. Misst man die Gesamthärte, so sind davon in natürlichen Gewässern normalerweise 80% Karbonathärte. Also genügt es meist, die Gesamthärte zu messen und die Karbonathärte daraus zu errechnen. Das funktioniert aber nicht immer. Schuld daran ist meistens die Wasseraufbereitung für den Menschen. Denn die Karbonathärte lässt sich durch Erhitzen aus dem Wasser entfernen, dann fällt unlöslicher Kesselstein aus (s. Teil 1). Kesselstein sieht nicht nur unschön aus, er zerstört auch Wasch- und Spülmaschinenpumpen und setzt sich in Warmwasserleitungen ab, bis diese letztlich verstopfen. Darum wird das Wasser häufig enthärtet. In normalen Haushalten geschieht das oft durch so genannten Neutralaustausch. Dabei wird das Calcium-Ion des Calciumhydrogencarbonates (zur Erinnerung: das ist der Karbonathärtebildner) durch ein Natrium-Ion ausgetauscht. Es entsteht Natriumhydrogencarbontat, das hitzeunempfindlich ist und im Wasser gelöst bleibt. Was gut für die Waschmaschine ist, taugt aber noch lange nicht im Aquarium. Solches neutralausgestauschtes Wasser macht im Aquarium nur Probleme. Außerdem funktionieren die Testflüssigkeiten dabei nicht. Bei der Gesamthärtemessung werden Erdalkali-Ionen gemessen, in der Praxis ist das hauptsächlich Calcium; in der Karbonathärtemessung hingegen wird das Hydrogencarbonat gemessen. Da im Neutralaustausch alle Calcium-Ionen entfernt werden, die Hydrogencarbonate aber erhalten bleiben, ergibt sich plötzlich das Bild, dass die Karbonathärte höher ist als die Gesamthärte, was ja gar nicht geht, denn schließlich ist die Gesamthärte die Summe aus Nichtkarbonathärte und Karbonathärte und – so gut moderne Wassertests auch sind – Antimaterie lässt sich mit ihnen nicht nachweisen. Wer solches Wasser zuhause misst, hat ein Problem und muss sich nach brauchbarem Aquarienwasser umschauen. Misst man ein solch ungewöhnliches Ergebnis in einem Naturgewässer, so gilt Karbonathärte = Gesamthärte.
Der Shire River im Süden des Malawisees. Hier misst man KH größer als GH.
Was und womit testen?
Wenn man mit den Wassertests beginnt und verstehen möchte, was im Aquarium vor sich geht, sind Flüssigtests von Gesamt- und Karbonathärte am sinnvollsten. Dabei misst man am besten vor und nach einem Wasserwechsel das Aquarienwasser und zeitgleich einmal das Leitungswasser. So bekommt man ein gutes Bild davon, was aus der Leitung kommt und wie es sich im Aquarium verhält. Ist alles normal, d. h. sind Nichtkarbonat- und Karbonathärte im üblichen Verhältnis von etwa 20 : 80 % zueinander, kann man später bei Routinemessungen auf einen der beiden Tests verzichten. Wer ständig Wasser mischt, etwa um die Härte zu senken, und darum häufig messen muss, für den ist das Leitwertmessgerät langfristig eine sinnvolle Anschaffung. Wer unterwegs gerne mal unauffällig in Naturgewässern, Quellen oder bei dem widerwärtigen Vereinskollegen, bei dem alles klappt, was einem selbst misslingt einen Schnelltest machen will, ohne einen Volksauflauf zu riskieren, dem geben auch Stäbchentests einen guten ersten Hinweis.
Die Wasserhärte ist einer der wichtigsten chemischen Parameter im Aquarium. Da die Wasserhärte auch über die Aquaristik hinaus zuhause von großer Bedeutung ist, sollte eigentlich jeder wissen, was es mit ihr auf sich hat.
Pamukkale in der Türkei. Der aus dem Wasser ausgefällte Kalk bildet die herrliche, schneeweiße Wunderlandschaft.
Hartes Wasser – weiches Wasser
Wie kommt es eigentlich zu diesen Begriffen? Ein Bauchplatscher tut schließlich immer gleich weh, egal ob das Schwimmbad mit hartem oder weichem Wasser gefüllt ist! Die Begriffe „hart“ und „weich“ beim Wasser wurden im Zusammenhang mit dem Verbrauch von Seife erfunden. Brauchte man viel Seife, bis es zur Schaumbildung kam und war der Seifenschaum kleinblasig und „hart“, so sprach man von hartem Wasser, schäumte die Seife hingegen schnell und war der Schaum cremig-zart, so hatte man weiches Wasser. Das ist bis heute von großer praktischer Bedeutung, denn bei hartem Wasser braucht man viel mehr Waschpulver oder Seife, um einen Reinigungseffekt zu erzielen, als in weichem Wasser. Ob zuhause hartes oder weiches Wasser aus dem Wasserhahn fließt, sieht man sehr gut im Handwaschbecken. Bildet sich, wenn man die Hände regelmäßig mit Seife wäscht, schnell ein stumpfer Belag auf der Oberfläche der Waschschüssel, hat man hartes Wasser, bleibt das Waschbecken tagelang glatt und glänzend, obwohl man kein Ferkel ist, hat man weiches Wasser.
Malawibuntbarsche, hier Pseudotropheus sp. “Daktari”, gedeihen in mittelhartem bis hartem Wasser besser, da sie pH-Werte unter 8 kaum ertragen können.
Die Ursachen von hartem Wasser
Unser Trinkwasser, das aus der Leitung fließt, wird gewöhnlich aus Grundwasser gewonnen, manchmal handelt es sich auch um aufbereitetes Wasser aus einem großen, an der Erdoberfläche befindlichen Wasserkörper, also einem Fluss oder einem See. Immer hatte das Trinkwasser also Kontakt mit Erde und Gestein; und Erde und Gestein enthalten Bestandteile, die wasserlöslich sind, darunter Kalzium*- und Magnesium-Verbindungen. Und das sind die Härtebildner. Enthält ein Wasser also viele dieser Kalzium- und Magnesium-Verbindungen, so hat man hartes Wasser, sind nur wenige Kalzium- und Magnesium-Verbindungen darin, so hat man weiches Wasser. Wissenschaftlich korrekt ausgedrückt muss es heißen: die Gesamthärte gibt die Summe aller im Wasser gelösten Erdalkali-Ionen an.
*Das Wort „Kalzium“ wird im Deutschen mit „K“ geschrieben, wenn es sich um den Alltagsgebrauch des Wortes handelt, mit „C“ am Anfang, wenn das chemische Element gemeint ist – man kann also beide Schreibweisen verwenden.
Erdalkali-Ionen
Die Erdalkali-Metalle sind chemische Elemente. Sie heißen Beryllium (Be), Magnesium (Mg), Calcium (Ca), Strontium (Sr), Barium (Ba) und Radium (Ra). Von diesen kommen jedoch nur Calzium- und Magnesium-Ionen in so hoher Konzentration im Wasser vor, dass sie in der Praxis berücksichtigt werden müssen. Diese Ionen haben eine positive Ladung, es handelt sich also um Kationen. Die für die biologischen Auswirkungen der Härte im Wasser zuständigen, negativ geladenen Gegenstücke der Erdalkali-Ionen – die Anionen – sind Karbonate, das sind Molekül-Verbindungen aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.
Was ist ein Ion?
Apple-User mögen denken, es handele sich dabei um eine neue, geniale Erfindung aus der Ideenschmiede von Steve Jobs. Aber es schreibt sich nicht i-On, sondern Ion und ist nichts weiter als ein elektrisch geladenes Teilchen – Atom oder Molekül – das zusätzliche Elektronen aufgenommen oder ursprünglich vorhandene Elektronen abgegeben hat. Es erreicht dadurch einen chemisch stabileren Zustand. Hat ein Ion Elektronen abgegeben und dadurch eine positive Ladung angenommen, so heißt es Kation, ist das Ion durch die Aufnahme zusätzlicher Elektronen negativ geladen, so nennt man es Anion. Ein bekanntes Beispiel: warum löst sich Kochsalz in Wasser auf? Kochsalz besteht – chemisch gesehen – aus einer Verbindung von positiv geladenem Natrium- und negativ geladenen Chlor-Ionen. Gibt man Kochsalz in Wasser, so lagern sich um das positiv geladene Natrium-Ion und um das negativ geladene Chlor-Ion Wassermoleküle an. Wasser (H2O) besitzt vom Wasserstoff (H) nämlich eine positive Ladung, vom Sauerstoff (O) eine negative Ladung. Wie bei Magneten ziehen sich positive und negative Ladungen an. So lange es genug Wassermoleküle gibt, lagern sie sich an die Ionen des Kochsalzes an, das Salz löst sich auf. Irgendwann ist aber die Lösung gesättigt und es ist nicht mehr möglich, weiteres Salz aufzulösen: es rieselt unaufgelöst zu Boden des Gefäßes, in dem man den Versuch macht. Beim Auflösen von Kochsalz in Wasser wird Energie benötigt, weswegen sich die Lösung abkühlt.
Durch die Keilfleckbarbe erkannte man die Bedeutung der Wasserhärte für die Zierfischzucht.
Gesamthärte
Die Gesamthärte wurde bereits definiert: Sie ist die Summe aller Erdalkali-Ionen-Konzentrationen im Wasser. Gesamthärte heißt sie, weil sie sich aus zwei Komponenten zusammensetzt, der Karbonathärte und der Nicht-Karbonathärte. Diese beiden Begriffe werden gleich noch erläutert. Kalzium und Magnesium sind für den Körper sehr wichtig; ihretwegen trinken wir Mineralwasser, die sehr viel von diesen Kationen enthalten. Mit den waschaktiven Bestandteilen der Seifen, den Tensiden, bilden diese Erdalkali-Kationen jedoch wasserunlösliche Verbindungen, die Kalkseifen, die keinerlei Reinigungskraft haben. Die Tenside der Seifen sind nämlich anionisch. Darum braucht man in hartem Wasser so viel mehr Seife.
Karbonathärte
Die Karbonathärte beschreibt den Anteil der Gesamthärte, der durch das Anion Hydrogencarbonat gebildet wird. (Chemisch gesehen ist das falsch, denn eigentlich geht es auch hier um einen Teil der insgesamt die Härte ausmachenden Kationen Calzium und Magnesium, in der Praxis ist diese Unkorrektheit aber bedeutungslos, da beide Erdalkali-Ionen äquivalent zu dem Hydrogencarbonat-Ion vorhanden sind). Hydrogencarbonat steht mit Kohlendioxyd (bzw. Kohlensäure) in einem Gleichgewicht, das u.a. temperaturabhängig ist. Steigt die Temperatur, so sinkt die Löslichkeit für Kohlendioxyd im Wasser; das Kohlendioxyd entweicht und aus dem Hydrogencarbonat bildet sich Kesselstein, der als weißer, steinharter und praktisch wasserunlöslicher Belag ausfällt. Dieses Phänomen kennt ja jeder aus dem Haushalt in Form von Verkalken von Wasserkochern, Kochtöpfen oder Wasserhähnen.
Ist die Karbonathärte sehr hoch, dann „fängt“ das Hydrogencarbonat praktisch alles Kohlendioxyd ein; die Folgen sind ein hoher pH-Wert und hungrige Pflanzen.
Altum-Skalare, typische Weichwasserfische
Nichtkarbonathärte
Ein Teil der die Härte bildenden Erdalkali-Kationen hat als Gegenspieler-Anionen kein Hydrogencarbonat, sondern z.B. Sulfate (z.B. Gips), Chloride oder Nitrate. Da dieser Anteil der Gesamthärte nicht durch die Temperatur verändert werden kann, spricht man auch von der „bleibenden Härte“, im Gegensatz zur „vorübergehenden Härte“ der Carbonate. Die Nichtkarbonathärte hat erfahrungsgemäß nur einen relativ geringen Einfluss auf das Leben im Aquarium. Allerdings muss man auch einen ziemlichen Aufwand betreiben, um die einzelnen Komponenten der Nichtkarbonathärte zu bestimmen, weshalb solche Analysen im Hobby kaum gemacht werden.
Hartes Wasser ist für die erfolgreiche Pflege von Korallen unabdingbar, denn sie brauchen den Kalk zum Aufbau ihres Skelettes.
Warum ist die Härte des Wassers wichtig?
Die Karbonathärte ist von großer Wichtigkeit für den Betrieb eines Aquariums. Denn sie sorgt dafür, dass der gewünschte pH-Wert, egal ob sauer oder alkalisch, stabil eingestellt werden kann. In einem harten Wasser kann man keinen stabilen sauren pH-Wert einstellen, in einem weichen Wasser keinen stabilen alkalischen.
Im Aquarium entsteht z.B. ständig Kohlendioxyd durch die Atmung der Fische und Pflanzen, sowie durch die Tätigkeit der Bakterien und Pilze, es wird aber auch ständig Kohlendioxyd verbraucht, das die Pflanzen zur Bildung von Zucker durch die Photosynthese benötigen. Die Folge ist eine ständige Verschiebung des pH-Wertes in einem ungepufferten Wasser, da Kohlendioxyd in Wasser gelöst Kohlensäure ergibt und der pH-Wert (vereinfacht gesagt) anzeigt, wieviel Säure sich im Wasser befindet.
Außerdem bildet sich im Aquarium durch den Stickstoffabbau bei der chemischen Umwandlung der Verdauungsprokukte unserer Fische Salpetersäure. Diese Säure „frisst“ die Karbonathärte sozusagen auf, wodurch es irgendwann zu plötzlichen und drastischen pH-Wertstürzen kommen kann.
Empfindliche Fische nehmen schon bei verhältnismäßig geringen Verschiebungen des pH-Wertes Schaden. Ein stabiler pH-Wert gehört darum zu den wichtigsten Grundvoraussetzungen für die erfolgreiche Pflege und Zucht von Fischen, auch wenn die meisten Fischarten pH-Werte zwischen 6 und 8 zumindest zeitweise tolerieren.
Die Härte an sich, sowohl die Karbonathärte wie auch die Gesamthärte, ist den Fischen im großen und ganzen egal, denn auch so genannte Weichwasserfische wie Diskus, Neon oder Altum-Skalare werden in härterem Wasser nicht krank, aber die in der aquaristischen Praxis direkt an die Härte gekoppelte Stabilität des pH-Wertes (man nennt diese Stabilisierung des pH-Wertes durch das Hydrogencarbonat die „Pufferkapazität des Aquarienwassers“) ist für diese Fische von überlebenswichtiger Bedeutung. Wenn ich einen stabilen sauren pH-Wert im Aquarium einstellen möchte, so darf die Karbonathärte einen gewissen Wert nicht überschreiten, sonst geht das einfach nicht.
Der pH-Wert ist für viele Fischarten (durchaus nicht für alle) aus mehreren Gründen wichtig, doch das soll an anderer Stelle erörtert werden.
Manche Pflanzen können dem Hydrogencarbonat Kohlendioxyd entziehen. Dann fällt wieder unlöslicher Kalk (Kesselstein) aus, der sich auf den Blättern als weiße Kruste niederschlägt. Dieser Vorgang wird „biogene Entkalkung“ genannt. Die meisten unserer im Aquarium gepflegten Pflanzen können das aber nicht und verhungern schlichtweg in einem Wasser mit hoher Karbonathärte – ganz abgesehen davon, dass weiße Kalkablagerungen auf den Pflanzen dem ästhetischen Empfinden der meisten Aquarianer nicht entsprechen und der Lichtbedarf derart verkalkter Pflanzen stark ansteigt.
Ist die Karbonathärte sehr niedrig, dann besteht die Gefahr, dass zuviel freie Kohlensäure entsteht und der pH-Wert sprunghaft absackt. Ein solches Ereignis kann für Fische tödlich sein. Auch der umgekehrte Fall kann ist stark bepflanzten Aquarien mit zu niedriger Karbonathärte eintreten: Wenn nämlich morgens nach dem Lichteinschalten die Photosynthese so richtig losgeht, kann u. U. alles freie Kohlendioxyd verbraucht werden, mit der Folge, dass der pH-Wert nach oben schnellt.
Wie misst man die Härte und wie macht man weiches oder hartes Wasser?
Das erfahren Sie in der nächsten Woche von Franky Friday. Nicht verpassen!
Wir schreiben das Jahr 1820, es ist der 19. Dezember. Wir besuchen die Versammlung der Naturwissenschaftlichen Akademie in Philadelphia, Pennsylvania, USA. Der französische Naturforscher, Maler und Entdecker Charles Alexandre Lesueur, der durch seine Teilnahme an der französischen Baudin-Expedition zur Erforschung der australischen Küste (1800-1803) Weltruhm erlangte, lebt zu dieser Zeit in Philadelphia. Er hält einen Vortrag, in dem er neu entdeckte Fische vorstellt. Darunter ist ein ganz außergewöhnlicher, kleiner Fisch mit riesiger Rückenflosse. Lesueur stellt für ihn die neue Gattung Mollienesia auf, benannt zu Ehren des französischen Finanzministers Nicolas François, Count Mollien, einem – wie Lesueur sagt – Mann der Wissenschaft und Förderer des berühmten Peron.
Ein wildfarbener Segelkärpfling (Poecilia velifera) balzt vor einem Weibchen.
So fängt sie an, die Geschichte der Mollienser. Heute schwimmen sie in jedem Zooladen der Welt für wenig Geld herum und man nennt sie „Mollies“ oder ”Mollys”. Kaum jemand weiß noch, warum sie so genannt werden. Und nur wenige Menschen wissen Mollies – oder wollen wir sie nicht lieber doch Mollienser nennen? – wirklich zu schätzen. Man hält sie für einfache Anfängerfische, an denen es nichts Besonderes zu studieren gibt. Das ist jedoch völliger Unsinn!
Wieviele Arten gibt es?
Viele! Aber eine exakte Zahl kann man leider nicht nennen. Das liegt daran, dass die Mollienser sowohl körperlich wie auch farblich sehr variabel sind. Wie alle Dinge ist auch die Sichtweise darauf, was überhaupt eine „Art“ ist, einem ständigen Wandel unterworfen. Viele der im 19. Jahrhundert beschriebenen Arten wurden von späteren Bearbeitern wegen zu großer anatomischer Übereinstimmungen zu Synonymen erklärt. Heutzutage, da man die Biologie der lebenden Tiere besser studieren kann, neigt man wieder dazu, wieder mehr Arten anzuerkennen und beschreibt auch neue Arten. Von den kurzflossigen Molliensern, aus denen der bekannte Black Molly gezüchtet wurde, gibt es etwa 13 Arten. Von den eigentlichen Molliensern mit der riesigen, segelförmigen Rückenflosse beim Männchen, gibt es drei Arten: den Breitflossenkärpfling, M. latipinna, der im Südwesten der USA und im Norden Mexikos lebt, den Segelkärpfling, M. velifera, der auf der Halbinsel Yucatan in Mexiko lebt, und der Schwertmolly, M. kykesis (früher: M. petenensis), der in Mexiko vom östlichen Tabasco bis nach Guatemala (Umgebung des Sees Peten) lebt. Die Artunterscheidung ist nicht einfach und an den Grenzen der jeweiligen Verbreitungsgebiete kommt es wohl auch gelegentlich zu Hybriden. Die Gattung Mollienesia wurde 1960 als eigenständige Gattung eingezogen und gilt heutzutage nur noch als Untergattung zu Poecilia.
Gescheckte Exemplare (”Dalmatiner”) treten manchmal auch bei wildlebenden Molliensern auf.
Die eigentlichen Mollienser
Betrachten wir also zunächst diese Arten mit den segelartigen Flossen. Bei ihnen setzt die Rückenflosse vor der Bauchflosse an, daran kann man auch die Weibchen sofort von anderen Molliensern unterscheiden. Robert Rush Miller, der sich viel mit den Mollies Mexikos beschäftigte, gibt folgenden Bestimmungsschlüssel (aktualisiert und modifiziert):
1. 16 Schuppen um den Schwanzstiel (Wert unzuverlässig, wenn die Schuppen Regenerate sind); 12-16 Strahlen in der Rückenflosse….. Poecila latipinna
1a. 20 Schuppen um den Schwanzstiel (Wert unzuverlässig, wenn die Schuppen Regenerate sind); 12-21 Strahlen in der Rückenflosse….. 2
2. 16-21 Strahlen in der Rückenflosse, selten 15, gewöhnlich 17-19; gewöhnlich 26 oder 27 Schuppen in der Seitenlinie; Körper kurz und gedrungen; die Flossenmembranen zwischen den Flossenstrahlen der Rückenflosse beim Männchen unterhalb der Flossenkante mit länglichen, dunklen Flecken; die vorderen zwei Drittel der Flosse mit vielen, runden, leuchtend blauen Punkten …. Poecilia velifera
2a. 12-16, gewöhnlich 14, gelegentlich 15 Strahlen in der Rückenflosse; gewöhnlich 28 oder 29 Schuppen in der Seitenlinie; Körper schlanker, gestreckter; die Flossenmembranen zwischen den Flossenstrahlen der Rückenflosse beim Männchen in der Mitte der Flosse mit einer Reihe ovaler Flecken; untere Hälfte der Flosse mit dunklen, wellenartigen Strichen oder Mustern, ohne blaue Punkte….. Poecilia kykesis
Golden-albinotische Zuchtform des Segelkärpflings
Jede dieser drei Arten kann fast 10 cm Länge erreichen (ohne Schwanzflosse), sie gehören also zu den größten Lebendgebärenden Zahnkarpfen. Die gelegentlich in der aquaristischen Literatur genannten „bis zu 20 cm“ sind aber wohl stark übertrieben. Die Tiere leben gewöhnlich in Küstennähe. Dort findet man sie in Süß-, Brack- und Meerwasser. Im Aquarium stellen alle drei Arten höchste Ansprüche an das Können des Aquarianers. Jede Verschlechterung der Wasserverhältnisse im Sinne von organischer Verschmutzung oder bakterieller Belastung quittieren die Fische mit Flossenklemmen. Schaukelnde Bewegungen zeigen dann ihr Unwohlsein an. Die dauerhafte Zucht über Generationen hinweg dürfte unter Innenraum-Bedingungen bisher kaum je geglückt sein. Ganz anders sieht das aus, wenn die Tiere wenigstens für einige Wochen im Jahr im Freiland gepflegt werden können. Dann entwickeln sich auch im Aquarium die prächtigen Riesenflossen der Männchen, während unter Zimmerbedingungen oftmals schon in zweiter oder dritter Generation nur noch früh geschlechtsreif werdende Zwergmännchen die Regel darstellen.
Selbstgezüchtete Segelkärpflings-Männchen bleiben leider oft mickrige Frühmännchen.
Allerweltsfische?
Diese Aussagen scheinen in krassem Gegensatz dazu zu stehen, dass zumindest P. latipinna und P. velifera fast ständig und zu billigen Preisen im Zoofachhandel zu erstehen sind. Und es gibt sogar eine Menge Zuchtformen dieser Tiere, schwarze, goldene, silberfarbene, schokoladenbraune mit roten Augen, gescheckte und alle diese in der Natur nicht vorkommenden Spielarten auch noch mit lyraförmiger Schwanzflosse. Wie kann das sein? Nun, zwar sind alle diese Tiere Nachzuchtexemplare (es gibt sie in der Natur ja gar nicht), aber die Nachzucht erfolgt in großem Stil in Freilandteichen in den Tropen. Hier leben diese Tiere wie in freier Natur unter freiem Himmel. Berühmte Zuchtzentren sind SriLanka, Thailand, Singapur und Malaysia. Von dort kommen die herrlichen Fische dann per Flieger zu uns in die Aquarien. Hier muss man sie sorgfältiger behandeln als Wildfänge. Denn Wildfänge sind von Natur aus robust, 99% aller in der Natur geborenen Tiere sterben bekanntlich vor Erreichen der Geschlechtsreife. Wer da durchkommt, ist stabil und nicht sonderlich empfindlich. Anders die „verwöhnten“ Nachzuchttiere. Hier werden so viel Jungtiere wie nur möglich großgezogen, Krankheiten behandelt und Feinde ferngehalten. In den Teichen Asiens leben die Mollienser wie im Paradies. Und bei uns? Hier werden sie oft sehr dicht gesetzt, das heißt: viele Fische auf wenig Wasser. Das fördert Krankheiten. Und so muss man frisch gekaufte Mollienser wirklich wie die berühmten rohen Eier behandeln und sehr sorgfältig aufpeppeln. Ein kräftiger Salzzusatz (ca. 5 Gramm Meersalz/Liter) tut dabei oft gute Dienste. Man muss aber ein solches salziges Aquarium erst einige Wochen ohne Fische betreiben, damit die wichtigen Filterbakterien sich an den erhöhten Salzgehalt anpassen können. Wer ein Seewasseraquarium (oder einen Bekannten mit Seewasseraquarium) hat, kann diese Zeit sehr abkürzen: einfach die schmutzige Filterwatte des Seewasseraquariums im Mollienser-Aquarium kräftig ausschwenken. Nach ein bis zwei Tagen, wenn das Wasser wieder kristallklar ist, können die Mollienser einziehen.
Gold Lyra
Das Wasser
Salzzusatz muss nicht unbedingt sein. Das Wasser für Mollienser sollte aber hart sein, mindestens 15° GH, und der pH-Wert sollte stabil knapp über 8 liegen. Säurestürze vertragen diese Fische überhaupt nicht! Viel Licht ist angesagt, damit sich Algen entwickeln. Denn Algenkost brauchen sie, die Mollienser. Ohne Algen werden sie fett und kränkeln. Nachts sollte man den Heizer ausschalten. Eine Temperaturschwankung von 3-4°C imTag-Nacht-Rhythmus tut den Tieren sehr gut. Obwohl Mollienser es allgemein warm mögen (sie leben in der Natur meist in flachem Wasser), stellt man immer wieder fest, dass Tiere, die man im Herbst aus der Sommerfrische holt, auch bei 16-18°C noch sehr fit und beweglich sind. So etwas darf man natürlich nicht mit frisch erworbenen Exemplaren machen, die hält man die ersten 6-8 Wochen unbedingt bei 28-30°C, auch, weil sich bei diesen hohen Temperaturen viele Krankheitserreger der Fische nicht wohl fühlen. Während der Eingewöhnung sollte man das Wasser auch kräftig durchlüften. Bei hohen Temperaturen kann es sonst leicht zu Sauerstoffmangel kommen.
Der Silbermolly, eine Zuchtform von Poecilia latipinna, ist wohl die am häufigsten in Handel erhältliche Form der großflossigen MollienserDie Rückenflosse bei der siberfarbenen Zuchtform des Breitflossenkärpflings (Poecilia latipinna) ist kürzer im Vergleich zum Segelkärpfling (Galerie unten) und kann auch in höchster Erregung nicht über einen Winkel von ca. 90° zur Rückenlinie hinaus Richtung Kopf gedehnt werden.
Auch vom Segelkärpfling gibt es eine silberfarbene Zuchtform
Immer nur einen Mann!
Mollienser sind Kämpfer. Lassen Sie sich bloß nicht täuschen, wenn Sie etliche Männchen im Zooladen friedlich beieinander schwimmen sehen. Zuhause ginge das auf Dauer nicht gut. Wenn Sie mehrere Aquarien betreiben, ist es praktisch, wenn Sie drei Männchen und eine Gruppe Weibchen kaufen. Die Tiere werden zusammen eingewöhnt. Wenn dann die Kämpfe losgehen, fischen Sie die unterlegenen Männchen ab und bringen sie als Backup für den Fall, dass dem Pascha etwas passiert, in anderen Aquarien unter. Gegenüber anderen Fischen sind die Mollienser absolut friedlich nur andere Mollies dürfen es nicht sein und auch Schwertträger (Xiphophorus hellerii und Konsorten) sind keine gute Wahl. Aber Salmler, Barben, Welse, Zwergbuntbarsche und Labyrinther haben nichts von Molliensern zu befürchten.
Segelkärpfling ”Roter Leopard”
Mollienserinnen ohne Kerl
Kaum eine zweite Fischgruppe hat es in Sachen Emanzipation so weit gebracht wie die Mollienser. Hier gibt es tatsächlich eine Art, den Amazonenmolly (Poecilia formosa), die ausschließlich aus Weibchen besteht! Amazonenmolly-Damen brauchen den Sex nur noch, damit sich die Eier entwickeln. Sie gebären ausschließlich Töchter und die Töchter sind Klone der Mutter, haben also vom genetischen Material des Vaters rein gar nichts mitbekommen. Als Samenspender kann jeder x-beliebige Mollienser dienen, da sind die Amazonenmollies nicht wählerisch. In der Natur sind es wohl in erster Linie P. latipinna und der kurzflossige P. mexicana, den P. formosa benutzen. Aus diesen beiden Arten hat sich der Amazonenmolly ursprünglich wohl als Hybrid entwickelt. Die genetischen Grundlagen einer solchen „nur-Weibchen-Art“ sind kompliziert und die wissenschaftliche Literatur darüber umfasst viele hundert Seiten. Es würde an dieser Stelle viel zu weit führen, sie zu erläutern. Leider sind diese Amazonenmollies nicht im Hobby vorhanden. Sie sehen einfach zu fad aus.
Die kurzflossigen Mollienser
Die Pflege und Zucht der kurzflossigen Black Mollies, Gold Dust, Marble & Co. sind wesentlich einfacher als bei den Großflossern. Aber auch über sie gibt es eine Menge spannender Geschichten.
Moderner Black Molly, Männchen
Widmen wir uns nun dem Black Molly!
Allerdings: gibt es ihn überhaupt, ”den” Black Molly? Oder ist es nicht vielmehr so, dass es eine ganze Reihe von schwarzen Molliensern gibt, mit ganz unterschiedlichen Stammeltern?
Letztere Situationsbeschreibung trifft sicher eher zu, als ”den” Black Molly als ”schwarze Zuchtform des Spitzmaulkärpflings, Poecilia sphenops” zu definieren, wie es in zahlreichen Aquarienbüchern gehandhabt wird.
Zahlreiche Wildarten
In der Wissenschaft gibt es, wie überall, Modeerscheinungen. Die Erforschung kleiner Süßwasserfische ist eine recht junge Disziplin der Biologie. Ernsthaft beschäftigt man sich damit erst seit etwa 200 Jahren. In dieser Zeit veränderte sich die Welt radikal. Setzen wir eine menschliche Generationsfolge einmal mit 35 Jahren an, so haben sich in nur rund 6 Generationen die Staatsformen von Monarchien zu Demokratien gewandelt; erst vor 3 Generationen begann sich der Gedanke des Darwinismus durchzusetzen; etwa zeitgleich entstand die Aquarienkunde als Folge der industriellen Revolution und der damit einhergehenden Sehnsucht des Menschen nach der Natur; erst in unserer, der 6ten Generation derer, die sich mit kleinen Fischen beschäftigen, ist ein Blick auf die biologischen Ursachen des Wandels der Arten – also des fortwährenden Aussterbens existierender Arten und des darauf folgenden Entstehens neuer Arten – durch die Molekulargenetik möglich geworden.
Es ist nur logisch, dass sich vor diesem Hintergrund das Verständnis dessen, was eine ”Art” überhaupt ist, mehrfach geändert hat – und noch oft ändern wird! Die alten Gelehrten, die die ersten Mollienser beschrieben und damit der Welt zur Kenntnis brachten, glaubten noch an die Unveränderlichkeit der von einem Schöpfergott hervorgebrachten Arten. Mit dem Darwinismus – der übrigens ganz entscheidend davon geprägt wurde, dass man sah, wie stark sich Tiere und Pflanzen verändern können, wenn der Mensch sie planmäßig züchtet – wurde vieles anders. Man glaubte jetzt bei vielen zuvor beschriebenen Arten, es handele sich dabei nur um Varianten und erklärte sie zu Synonymen. Große Expeditionen ermöglichten später tiefere Einblicke in die natürliche Variation und führten zu einer Fülle neuer Beschreibungen bzw. dazu, dass alte Arten wieder für gültig erklärt wurden. Heutzutage geht der Trend dahin, als interessanteste biologische Einheit nicht mehr die Art zu sehen, sondern die Population und innerhalb der Population – also einem lokal umgrenzten Vorkommen einer Art – genetische Trends und Anpassungen zu studieren.
So kam es, dass in dem genannten Zeitraum von ca. 200 Jahren 33 Molly-Arten vom Black-Molly-Typ (Artenkreis Poecilia sphenops) beschrieben, teils synonymisiert und teils wieder in Artrang erhoben wurden. Als sich die Aquarianer um 1905 mit diesen Fischen zu beschäftigen begannen, achteten sie nicht so sehr darauf, woher ihre ”Spitzmaulkärpflinge” kamen. Sie kreuzten – teils absichtlich, teils in Unkenntnis der natürlichen Verhältnisse – die Tiere, die ihnen gerade zur Verfügung standen.
Black Molly, Weibchen einer Zuchtlinie aus Vietnam.
Der erste Black Molly
Welcher Art oder Population die Stammeltern der ersten Black Mollies zugehörten, ist darum nur schwer nachvollziehbar. Allerdings wurde über den schönen Fisch ausführlich publiziert, so dass im Gegensatz zu vielen anderen Haustierformen einiges über die Entstehungsgeschichte bekannt ist. Kurt Jacobs fasst die bekannten Fakten in seinem klassischen Standardwerk ”Die lebendgebärenden Fische der Süßgewässer”, Edition Leipzig, 1969, zusammen: 1912 und 1929 wurden schwarze Mollienser-Wildfänge nach Deutschland importiert. Diese Tiere waren aber NICHT die Ureltern der Black Mollies. Black Mollies wurden erstmals 1930 nach Deutschland aus den USA exportiert. Entwickelt hatte den Ur-Black Molly der Züchter Crescenty aus New Orleans, angeblich in 7-jähriger Auslesezucht aus ”Mollienisia formosa”. Diese ersten Black Mollies waren kleinwüchsig (Männchen 4-5 cm, Weibchen 5-6 cm) mit flacher, eckiger Rückenflosse; sie warfen immer nur wenige, meist 2-20, selten bis 60 Jungtiere. Die Tiere galten als äußerst empfindlich und schwierig in der Zucht. Durch Kreuzung mit dem ”Liberty Molly”, einer in der Natur wild vorkommenden Molly-Form, erzielte man den ”Liberty Black Molly”, der ähnlich in Größe und Wurfzahl war, jedoch grün glänzende Schuppen und eine abgerundete Rückenflosse besaß.
Wildform des ”Liberty Molly”, Poecilia salvatoris. Manche Wissenschaftler halten P. salvatoris für ein Synonym von P. gillii, andere für eine Unterart von P. gillii, wieder andere für eine gültige Art.
Mollienisia formosa (Girard, 1859)
Heutzutage versteht man unter diesem Namen den ”Amazonen-Molly”, eine Art, die ausschließlich aus Weibchen besteht (siehe oben). Zur Erinnerung: diese Amazonen brauchen artfremde Männchen, um sich fortzupflanzen. Deren Sperma regt jedoch nur die Entwicklung der Eizellen an, das Erbgut der stets weiblichen Nachkommen der Amazonen ist identisch mit dem der Mutter; alle Amazonen sind also Klone.
Früher, genauer gesagt ab 1904 bis 1933, verstand man unter M. formosa aber eine zweigeschlechtliche Molly-Form, die aus Mexiko importiert wurde; nun ist Mexiko groß. Aber in einer alten Aquarienzeitschrift, in den ”Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde”, Band 25, Jahrgang 1914 bekommen wir einen Hinweis von Arthur Rachow, wo die Stammeltern des Black Molly gefunden worden sein könnten. Er schreibt nämlich, dass er schwarz gescheckte Mollienser, die C. T. Regan, damals Kurator für Fische in London und die führende Autorität, als ”Mollienisia formosa” bestimmt hatte, aus Panama erhalten hatte. Rachow wusste sogar den genauen Fundort, nämlich Gatun, Kolon. Der Gatun-See ist ein Stausee am atlantischen Ende des Panama-Kanals, Kolon heißt heute Colón, es handelt sich um eine Hafenstadt nahe des Gatun-Sees. Der Gatun-See wiederum wird vom Rio Chagres gespeist. Der Gatun-See ist Typen-Fundort von zwei Arten der Spitzmaulkärpflinge: Poecilia gillii (Kner, 1863) und P. boucardii Steindachner, 1878. Beide werden gegenwärtig für Synonyme zueinander gehalten, der gültige Name ist P. gillii. Eine schwarz gescheckte Variante von Gills Kärpfling könnte also der Fisch gewesen sein, woraus Crescent seinen ersten Black Molly erzüchtete. Allerdings ist es sehr fraglich, ob wir darüber jemals endgültige Gewissheit bekommen, denn der ursprüngliche Black Molly ist heutzutage wohl ausgestorben.
Poecilia gillii, MännchenMännchen des Fisches, den Arthur Rachow für ”Mollienisia formosa” hielt. Photo: H. Geidies-Cassel, aus Rachow, 1914
Black Molly – ein Problemfisch?
Seit jeher gelten Black Mollys als empfindliche Tiere. Sie sind wärmeliebend (24-28°C) und brauchen gereiftes (”altes”) Wasser mit sehr niedrigem Gehalt an Bakterien und Stickstoffverbindungen. Das Wasser sollte zudem relativ hart (über 15° GH) und leicht salzig sein (ein Teelöffel jodfreies Kochsalz oder Meersalz auf 10 Liter Wasser). Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Wenn in einem Gesellschaftsaquarium die Wasserwerte in den suboptimalen Bereich zu kommen drohen, sind es die Black Mollies, die als erste durch Flossenklemmen und Körperschaukeln darauf aufmerksam machen. Man könnte sie geradezu als Bioindikatoren für gutes Wasser bezeichnen, jedenfalls für gutes Wasser in den chemischen Bereichen, in denen sich die Black Mollies wohlfühlen. All das spricht tatsächlich dafür, dass Gills Molly bei der Entstehung des Black Molly zumindest stark beteiligt war; denn Gills Molly gilt fast schon als Brackwasserfisch, obwohl er grundsätzlich alle Gewässertypen von der Mündung bis ins Bergland (1200 m) besiedeln kann. Alle Brackwasserfische zeigen bei Abwesenheit von Salz eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Nitrit und Nitrat. Und sie können pH-Werte unter 8 nur schwer ertragen. Noch ein interessantes Detail spricht für Gills Molly als Stammvater des Black Molly: in Brackwasserbereichen werden Gills Mollies bis zu 10 cm lang (Männchen bleiben immer kleiner), was auch Rachow von seinen Tieren sagt. In reinem Süßwasser bleiben sie hingegen deutlich kleiner, genau wie die frühen Black Molly-Stämme!
Als ”Marble Ancient” (= marmorierte Urform) wird dieser Molly in Singapur gezüchtet. Es gibt derartig gefärbte Tiere auch in freier Natur, z.B. im Rio Grijalva in Mexiko.Marble Ancient, Weibchen
Heutzutage gibt es allerdings Black-Molly-Stämme, die diese Empfindlichkeit kaum noch aufweisen. Die Züchtereien waren diesbezüglich nicht untätig. Welchen Ursprung diese ”süßen” Black Mollies haben, ist nicht bekannt. Vermutlich sind Poecilia mexicana und P. sphenops an ihrer Entstehung beteiligt, vielleicht aber auch reine Süßwasserpopulationen von P. gillii.
Quallen kennen die meisten Menschen nur aus dem Meer. Hier sind diese Tiere durchaus unbeliebt, denn manche Arten können mit ihren Fangfäden, an denen Nesselzellen sitzen, schwere Vergiftungen bis hin zum Tode verursachen. Kaum jemand weiß aber, dass es auch im Süßwasser Quallen gibt. Die sind allerdings vollkommen harmlos für den Menschen.
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Erstmals erschien die Süßwasserqualle in Europa im Jahr 1880 im Regent´s Park in London. Hier tauchte das zarte, nur etwa 2 cm im Durchmesser erreichende Tier in einem Becken für tropische Seerosen auf. Zu dieser Zeit war das Interesse an Tieren viel größer als heute und die Süßwasserqualle machte weltweit Schlagzeilen. Noch im Jahr der Entdeckung wurde die bis dahin erste und einzige bekannte Süßwasserqualle wissenschaftlich beschrieben und zwar gleich zweimal: als Craspedacusta sowerbii Lankester, 1880 und als Limnocodium victoria Allmann, 1880. Der erste Name erschien jedoch etwas früher und hat darum Gültigkeit. Die Süßwasserqualle heißt also wissenschaftlich Craspedacusta sowerbii.
Detektivarbeit
Aber wo kam dieses Tier so plötzlich her? Es war schon damals bekannt, dass Quallen nur die der sexuellen Vermehrung dienende Erscheinungsform eines Polypen sind. Quallen gehören zu den Nesseltieren, ihre nächsten Verwandten sind die Seeanemonen und Korallen. Die eigentliche Erscheinungsform einer Qualle sieht darum wie eine kleine Seeanemone aus. Man kann das vielleicht am besten mit Pilzen vergleichen. Der eigentliche Pilz ist ein Geflecht von Fäden, die unterirdisch leben. Was wir oberirdisch sehen und zu leckeren Pilzgerichten verabeiten (wenn es sich nicht gerade um Giftpilze handelt) sind nur die Fruchtkörper, nicht die Pilze selbst.
Süßwassermeduse, Craspedacusta sowerbii. Der Schirm der Qualle ist etwa 2 cm breit.
Man vermutete also schon von Anfang an, dass die Qualle in der Polypenform, angeheftet an Seerosen, in das Gewächshaus gelangte. Da das Gewächshaus im Regent´s Park der Königin aller Seerosen, der Victoria regia aus Südamerika gewidmet war (darum auch der Name Limnocodium victoria), vermutete man die Urheimat der Süßwasserqualle in Südamerika. (Wer mehr über diese größte Seerose der Welt wissen möchte, erfährt das hier: https://www.aqualog.de/blog/die-groesste-und-die-kleinste-unter-einem-dach/)
Der Polyp wird entdeckt
Man suchte also nach einem unbekannten Polypen im Seerosenbecken des Regent´s Parks und wurde tatsächlich auch fündig. Ein winziger, nur 2 mm großer Polyp wurde entdeckt. Er sieht ein wenig wie ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Männchen mit Strubbelkopf aus. Manchmal vereinigen sich 2 bis 4 Polypen zu einer kleinen Kolonie, die dann 5-8 mm groß wird. Die Qualle entsteht, indem sich der Kopf des Polypen zu einer kleinen Kugel aufbaut, die, wenn sie sich vom Polypen ablöst, unten offen ist, also eine Glockenform aufweist. Im Laufe des Wachstums wird die Glocke zu einer immer flacheren Scheibe. Die fertige, ausgewachsene Qualle – ein anderes Wort dafür ist Meduse – ist schließlich ca. 2 cm breit. 1885 fand man den Polypen auch in Philadelphia, erkannte aber nicht, dass es sich um den Polypen von Craspedacusta sowerbii handelte und beschrieb ihn als neue Art, Microhydra ryderi. Die ersten Quallen wurden erst 12 Jahre später, im August 1897 in Philadephia gefunden.
Eine kleine Polypenkolonie von Craspedacusta. Nach Jankowski et al., 2008, verändert
Weltweite Verbreitung
Heutzutage findet man die Süßwasser-Meduse auf allen Kontinenten der Welt mit Ausnahme der Antarktis. Dabei ist nach wie vor unverstanden, wieso sich diese Art so massiv ausbreitet. Immerhin scheint das Rätsel um die ursprüngliche Herkunft geklärt. Das Tier stammt mit einiger Sicherheit aus dem Jangtse-Einzug in China. Dort leben auch 2-3 weitere Arten der Gattung Craspedacusta. Über die wirklich existierende Artenzahl von Süßwasser-Medusen herrscht Unklarheit. Wissenschaftlich beschrieben sind über 20 Arten von Süßwasserquallen, doch sind davon wohl nur 3-5 Arten Craspedacusta und 2-6 Arten Limnocnida gültig. Letztere Gattung kommt übrigens häufig im Tanganijkasee vor. Doch zurück zu Craspedacusta sowerbii. 1905 tauchte sie in Deutschland auf (bei München), 1969 in Schweden, 2002 in Litauen. Auffällig sind allerdings nur die Medusen, der winzige Polyp wird wohl fast immer übersehen.
Die fotografierte Süßwassermeduse wurde von unserer Verlagspraktikantin Michelle Gerner in einem Teich in der Nähe von Darmstadt entdeckt.
Quallen nur bei Hitze
Man hat die Biologie der Süßwasser-Meduse inzwischen so intensiv studiert, dass man weiß, warum das Quallenstadium nur so selten und dann meist überraschend auftritt. Die Medusen entwickeln sich nämlich nur bei Wassertemperaturen ab 25°C. Das ist in unseren Breiten keineswegs jedes Jahr gegeben. Das Polypenstadium kann also schon viele Jahre in einem Gewässer gelebt haben, bevor es in einem warmen Sommer plötzlich zur Quallenbildung kommt. Das erklärt auch, warum sich Süßwasserquallen manchmal in Warmwasseraquarien ”aus dem Nichts heraus” entwickeln.
Diese nette Karikatur des Künstlers Hartmuth Pfeil (1893-1962) zeigt einen Ausschnitt einer Ausstellung der Hottonia, des Darmstädter Aquarienvereins. Der Text lautet: ”So, und da haben wir also die Meduse – und das ist eine Süßwasserqualle. Ganz seltene Sache übrigens.” Darauf der Besucher (übersetzt aus dem Heinerdeutsch): ”Sieh an, und die gibt es bei uns? Jetzt weiß ich auch, worauf ich neulich im Badesee getreten bin..”
Nur Weibchen
Eigentlich dient das Medusen-Stadium der sexuellen Vermehrung. Männliche und weibliche Quallen geben ihre Geschlechtsprodukte frei ins Wasser ab. Befruchtete Eier setzen sich ab und aus ihnen entwickeln sich Polypen. Die Polypen vermehren sich durch Teilung. Seltsamerweise gibt es aber zumindest in Europa nur weibliche Tiere. Eine sexuelle Fortpflanzung ist damit ausgeschlossen und offenbar sind alle Süßwasserquallenvorkommen außerhalb Chinas Klone der 1880 im Regent´s Park erstmals aufgetretenen Tiere!
Im Aquarium Süßwasserquallen kann man leicht im Aquarium pflegen. Sie fressen Artemia Nauplien und leben etwa 2-3 Wochen. Vermehren kann man sie hierzulande aber nur über die Polypen. In China hingegen gibt es ein patentiertes Verfahren zur Süßwasserquallenzucht speziell für Aquarien! Exportiert werden sie aber nicht, denn als Meduse sind sie dafür zu empfindlich.
In seiner Farbzusammenstellung – samtschwarzer Körper mit leuchtend roter Schwanzflosse – erscheint der Feuerschwanz eher ein Korallenfisch als ein Süßwasserfisch zu sein. Diese herrlichen Farben machen den Feuerschwanz zu einem extrem beliebten Aquarienfisch, der jederzeit und für wenig Geld im Zoofachhandel erstanden werden kann. Nur die wenigsten Aquarianer wissen aber, dass der Feuerschwanz in freier Wildbahn schon seit Jahrzehnten so gut wie ausgestorben ist.
Der Feuerschwanz wurde 1921 von Malcolm Smith entdeckt und 1931 unter dem Namen Labeo bicolor von Hugh M. Smith beschrieben. Typuslokalität ist ein kleiner Zufluss des Menam Chao Phya (heute: Chao Phraya) nahe Paknampo in Zentral-Thailand, wo das Tier in einer Fischrutsche gefangen wurde. H. M. Smith schreibt zu seiner neuen Art: ”Dieser Fisch ist im Borapet-Sumpf, Zentral- Siam, und den daraus abfließenden Strömen nicht selten. Es ist berichtet worden, dass er manchmal bei Hangkraben, oberhalb von Ayuthia, sehr häufig ist und er kommt auch im Menam Chao Phya vor, südlich bis Bangkok. Seine Maximallänge scheint bei 12 cm zu liegen.”
Epalzeorhynchos bicolor, der Feuerschwanz, jugendliches Tier
Es dauerte bis in die 1950er Jahre, bis dieser außergewöhnlich schöne Fisch seinen Weg in die Aquarien fand. Die anfängliche Euphorie über den Neuimport schwand bald, da sich der Feuerschwanz als sozial schwierig erwies. Feuerschwänze können wahre Tyrannen im Aquarium sein, sind aber manchmal auch ausgesprochen friedfertig.
Wenn der Feuerschwanz also bei passionierten Aquarianern ambivalent gesehen wurde und wird, so war und ist er wegen seiner schönen Färbung ein ausgesprochener Verkaufsschlager. Bereits 1927 wurde am Bung Boraphet, also dem Borapet-Sumpf, ein Damm gebaut, um das Wasser zu einem See zu stauen und mehr Fisch fangen zu können (Chaichana & Choowaew, 2013). 1970 folgte ein weiterer Dammbau, der 1993 auf 24 m Höhe erweitert wurde (Sriwongsitanon et al., 2007).
Geschlechtsreifes Männchen des Feuerschwanzes.Laichvolles Feuerschwanz-Weibchen.
Wann genau der Feuerschwanz in dem Gebiet verschwand ist nicht dokumentiert, doch der Handel ist schon seit vielen Jahrzehnten ausschließlich auf Nachzuchttiere angewiesen. Erst kürzlich wurde wieder ein Exemplar im unteren Maeklong gefangen (Kulabtong et al, 2014), doch ist nach wie vor unklar, ob es noch freilebende Populationen des Feuerschwanzes gibt, er gilt als kritisch gefährdete Art. Bei dem im Maeklong gefundenen Exemplar kann es sich auch um ein ausgesetztes Aquarientier gehandelt haben.
Gegenwärtig ist der uneingeschränkte Handel mit Feuerschwänzen das wirksamste und gleichzeitig einzige Instrument, das zur Verfügung steht, um die Art vor dem Aussterben zu bewahren.
Albino-Zuchtform des Feuerschwanzes.
Wer sich ernsthaft für die Pflege von Feuerschwänzen interessiert, der sollte dies nach den Regeln für felsbewohnende Buntbarsche des Malawisees (Mbunas) tun. Sie brauchen also möglichst große Aquarien die reich strukturiert und versteckreich sind (am besten in Form von Felsaufbauten mit zahlreichen Höhlen und Verstecken) und sollte unbedingt in möglichst großen Gruppen ab 15-20 Exemplaren gepflegt werden. Dann bilden sie eine Rangordnung untereinander aus und zeigen ein vielfältiges Verhalten. Feuerschwänze sind Freilaicher ohne Brutpflege. Die Geschlechter sind bei erwachsenen Tieren (ab ca. 8 cm Länge) recht gut zu unterscheiden, wie man auf den Bildern sieht. In den Berufszüchtereien in Südostasien stimuliert man die Fische hormonell, so wie man das bei uns mit Speisefischen tut; Feuerschwänze laichen aber auch ohne diese Maßnahme, doch muss man dazu fleißig Wasserwechsel mit weichem, kühlen Wasser machen, bis die Fische davon überzeugt sind, dass die Regenzeit eingesetzt hat.
Frank Schäfer
Literatur:
Chaichana, R. & S. Choowaew (2013): Ecological importance and biological resource conservation of Boraphet marsh, Thailand. Science Asia 39: 105-110
Kulabtong, S., Suksri, S., Nonpayom, C. & Y. Soonthornkit (2014): Rediscovery of the critically endangered cyprinid fish Epalzeorhynchos bicolor (Smith, 1931) from West Thailand (Cypriniformes Cyprindae). Biodiversity Journal 5 (2): 371.373
Sriwongsitanaon, N., Surakit, K., Hawkins, P. R. & N. Chandrasena (2007): Decision Support Tools for Water Resource Management: A Case Study of Bung Boraphet Wetland, Thailand. Journal of Developments in Sustainable Agriculture 2: 17-26
Smith, H. M. (1931): Descriptions of new genera and species of Siamese fishes. Proceedings of the United States National Museum v. 79 (no. 2873): 1-48, Pl. 1.
Wohin gehst Du? Die Terraristik steht an einem Scheideweg, so viel ist sicher. Wohin die Reise gehen wird ist allerdings fraglich.
Unde venis, Terraristik? Woher kommst Du? Die Terraristik ist, genau wie ihre Schwester, die Aquaristik, ein Kind der industriellen Revolution und der damit einhergehenden sozialen Umbrüche. Mit der Erfindung der Dampfmaschine Mitte des 18. Jahrhunderts setzte ein Prozess ein, der unsere Welt bis heute nachhaltig beeinflusst. Die Menschen gingen in die Städte, um in den neu entstandenen Industrieanlagen zu arbeiten, die Naturwissenschaften blühten auf, da die zu Geld gekommenen Industriellen ihren Wert für ihr Gewerbe erkannten und in Wissenschaftler investierten. Industriearbeiter, die zunächst nichts anderes als Lohnsklaven waren und unter schlimmeren Bedingungen lebten und starben, als viele echte Sklaven, erkämpften nach und nach Stückchen sozialer Gerechtigkeit.
Halsbandleguane sind beliebte Terrarientiere. Sie und ihre Pfleger blicken in eine sehr ungewisse Zukunft.
Tierhaltung ist eine artspezifische Eigenschaft des Menschen. Nur die Spezies Homo sapiens ist dazu in der Lage. Und nicht nur das. Für viele Menschen macht die Möglichkeit zur Tierhaltung den Unterschied zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Dasein. Ohne Tierhaltung gäbe es die Menschheit höchstwahrscheinlich nicht mehr, aber rationale Gründe sind es nicht, die uns zur Tierhaltung treiben. Es ist vielmehr ein zutiefst in uns verwurzelte Trieb. So wie ein Musiker niemals froh werden kann, ohne Musik zu machen und kein Künstler ein erfülltes Dasein führen kann, wenn er seine Kunst nicht ausüben darf, so kann ein tieraffiner Mensch nicht glücklich sein, ohne Tiere zu halten.
Für Schlangen gab es vor der Terraristik nur ein mögliches Schicksal: erschlagen werden! Bis ins 20. Jahrhundert zahlten Staaten Prämien für erschlagene Schlangen. Erst die Terraristik führte durch Aufklärung dazu, auch in Schlangen schützenswerte Mitgeschöpfe zu sehen. Dies ist eine Kornnatter (Pantherophis guttata).
Die Schwierigkeiten, die bei der Domestikation von Pferd, Esel, Rind, Kamel, Dromedar, Lama, Schaf, Ziege und Schwein, von Huhn, Gans, Ente, Pute und Perlhuhn zu überwinden waren, sind kaum vorstellbar. Selbst heutzutage bereiten der Wildfang und die erfolgreiche Eingewöhnung der Ahnen all dieser Tiere (sofern sie nicht ausgestorben sind) erhebliche Schwierigkeiten und sind nur den erfahrendsten Fachleuten vorbehalten. Eine Domestikation auf breiter Ebene ist darum ausschließlich mit religiösen Motiven zu erklären; nur die Religiosität setzt genug Fanatismus frei, um die schier unendlichen Schwierigkeiten zu überwinden, die mit der Domestikation eines Wildtieres verbunden sind. Die Psychologie lehrt uns, dass Menschen grundsätzlich nicht bereit sind, über ihre Grenzen zu gehen, wenn es nur um die eigenen Interessen geht. Erst wenn der Mensch einem übergeordneten Ideal folgt – sei es nun ein Gott, ein Anführer, ein Staatswesen oder eine Weltverbesserungsidee – erst dann kann er zum echten, sich selbst verleugnenden Fanatiker werden. Und hier liegt auch der Schlüssel zum Verständnis der Tierschutzbewegung, die letztendlich jede Form der Tierhaltung ablehnt. Jede religiöse Kultur erschafft zwangsläufig auch eine Gegenbewegung. Kein Gott kann ohne Teufel existieren und vize versa.
Die Domestikation der Ziege muss ein Kraftakt gewesen sein. Bis heute gelten Wildziegen (dies ist die Bezoarziege, Capra aegagrus cretica) als schwierige Pfleglinge, die vor allem zu parasitären Erkrankungen neigen.
Mit zu den ersten sozialen Errungenschaften des geknechteten Proletariats gehörte die Möglichkeit zur Kleintierhaltung. Anfangs war das eine Kombination aus Nutz- und Hobbyhaltung. Man denke an Kaninchen, Tauben und weiteres Geflügel. Heutzutage ist das schon wieder undenkbar, wer könnte schon ohne Erlaubnis des Vermieters einen Taubenschlag bauen oder im Grüngürtel des Hochhauses seine Hühner scharren lassen. In dieser Hinsicht haben die Tierhalter schon viele bereits errungene Freiheiten wieder verloren. Und die Reichen? Die frönten der Tierhaltung natürlich auch, in Form von Gestüten, Rassehunde-Zucht und dergleichen. Und die Superreichen unterhielten Menagerien, in denen exotische Tiere unterschiedlichster Art gepflegt wurden.
Tauben sind bis heute ein wichtiges Hobbytier des “kleinen Mannes”. Nicht grundlos ist eine der Hochburgen von Aquaristik und Terraristik der Ruhrpott.
Einer der ersten Terrarianer in diesem Sinne war übrigens der Sonnenkönig Ludwig XIV, natürlich lange vor der industriellen Revolution, aber der kurze Exkurs sei erlaubt. Der Louvre in Paris ist eines der bedeutendsten Museen für Kunst auf der Welt. Seine Sammlungen enthalten auch etliche herrliche Zeichnungen, die der niederländische Künstler Pieter Boel (1622 – 1674) in der Menagerie von Ludwig XIV anfertigte. Neben den üblichen Arten, die man in einer solchen Sammlung erwartet, also Huftieren, Affen, Dickhäutern, kleineren Raubtieren, Großkatzen und einer Vielfalt an Vögeln findet sich hier auch das Europäische Chamäleon und die Smaragdeidechse (Lacerta viridis)! Ich finde das sehr, sehr erwähnenswert, denn als „schön“ empfanden die Menschen des 17. Jahrhunderts solche Kriechtiere im allgemeinen nicht. Die Zeichnungen Boels sind so naturgetreu, dass man anhand der Zeichnungen den in der Menagerie gepflegten Tieren einen ausgezeichneten Gesundheitszustand attestieren kann. Das ist wiederum alles andere als selbstverständlich, da der Begriff „Hygiene“ selbst für Menschen dieser Zeit ein absolutes Fremdwort war. Aber den Tieren ging es offenbar gut, ihre Körperhaltung zeigt, dass sie entspannt und an ihrer Umgebung interessiert sind. Tierquälerisch war die Haltung in der Menagerie von Ludwig dem XIV sicher nicht.
Bereits der Sonnenkönig pflegte in seiner Menagerie Chamäleons. Ihre dauerhafte Haltung galt bis vor wenigen Jahrzehnten als kaum möglich, heutzutage werden etliche Arten planmäßig gezüchtet.Dies ist ein Europäisches Chamäleon.
Dennoch dürften die Chamäleons nicht allzu lange dort gelebt haben, denn ein erwachsenes Chamäleon hat nur eine natürliche Lebenserwartung von etwa zwei Jahren. Vor allem die Überwinterung dürfte bei dem damaligen Wissensstand kaum geglückt sein, aber wer weiß? Unterlagen dazu sind nicht überliefert und es ist immerhin vorstellbar, dass man die Tiere in der kalten Jahreszeit in die Orangerien verbrachte, wo sie durchaus überwintern könnten.
Zurück in die Neuzeit. Mitte des 19ten Jahrhunderts gab es in den Industrienationen ein breites Bildungsbürgertum und auch viele Proletarier hatten es zu einem guten Auskommen gebracht. In dieser Zeit wurde die Aquaristik erfunden. In Deutschland war der prominenteste Befürworter der häuslichen Pflege von Wassertieren und -pflanzen Emil Adolf Rossmäßler. Die ursprüngliche Intention der Propagierung von Aquarien war der Bildungsanspruch. Es ging nicht um Tierliebe – die setzte man voraus. Es ging auch nicht um Exotik. Die ursprüngliche Idee ging dahin, etwas über die Aquarientiere, deren Lebensgeschichte man auch bei noch so sorgfältiger Naturbeobachtung nicht ergründen kann, durch die Beobachtung im Aquarium zu erforschen. Die Terraristik kam dabei sozusagen durch die Hintertür. Wer Wasserkäfer, Schnecken, Fische und dergleichen tümpelte, der kam auch in Kontakt mit Molchen, Fröschen, Ringelnattern und Sumpfschildkröten. Schnell merkte man, dass diese Tiere eine von der Wassertierpflege abweichende Fürsorge bei der häuslichen Pflege brauchten. Die Terraristik war entstanden.
Ringelnattern begegnet man oft beim Tümpeln.
Aber noch waren Aquaristik und Terraristik untrennbar miteinander verbunden. In den 1860er bis 1880er Jahren erlebten beide einen gewaltigen Aufschwung. Und der Wunsch Rossmäßlers ging auf! Bis heute wissen wir über die Biologie von Kleintieren, die noch nicht im Aquarium oder Terrarium gepflegt wurden, praktisch nichts – und über die, die sich unter den Aquarianern und Terrarianern Freunde schaffen konnten, sehr viel. Man verwechsle hier nicht Henne und Ei. Dass heutzutage Feldforschung bei Kleintieren möglich ist, ist auf die vorhergehende Schulung des Forschers in Aquarien- und Terrarienkunde zurückzuführen. Es gibt keine guten Feldherpetologen, die nicht auch Terrarianer wären.
Die Terraristik als Spielball der Politik Es gibt keinen objektiven Anlass, die Terraristik massiv einzuschränken oder gar zu verbieten. Aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen geschieht das trotzdem. Die Ursachen für das vehemente Vorgehen gegen die Terraristik, das staatliche und private Organisationen gegenwärtig an den Tag legen, liegt in dem oben geschilderten Fanatismus der Tierhaltungsgegner. Sie sind davon überzeugt, dass die Terraristik wesentlich für den Rückgang der weltweiten Amphibien- und Reptilienbestände mit verantwortlich ist und dass der Tierhandel mit Reptilien und Amphibien an Grausamkeit kaum zu überbieten ist. Stimmt das? Natürlich nicht. Seit fast 40 Jahren ist z. B. der Handel mit Wildfängen von Reptilien und Amphibien, die in Europa vorkommen, grundsätzlich verboten, ganz egal, ob die Art im einzelnen bedroht ist oder nicht, gleiches gilt für private Fänge. Wären der Tierhandel oder private Fänge zum Zwecke der Lebendhaltung ein wesentlicher Faktor beim Artenschutz, so gäbe es in der europäischen Herpetofauna keine bedrohten Arten. Das Gegenteil ist der Fall, die europäische Herpetofauna gehört im weltweiten Kontext zur bedrohtesten überhaupt! Die Ursachen für den Rückgang dieser Tiere ist ausschließlich in massiven Störungen der natürlichen Lebensräume zu suchen. Der Schutz dieser Lebensräume kann von staatlicher Seite nicht erfolgen, weil den staatlichen Organen die notwendigen Fachkenntnisse dazu fehlen und keine überbehördliche Stelle sich um Artenschutzbelange kümmert. Als 1979 die Berner Konvention beschlossen wurde, in der u.a. das vollständige Handelsverbot mit allen wildlebenden in Europa vorkommenden Kleintieren beschlossen wurde, haben Ökologen bereits vor der Unsinnigkeit dieses Aktes gewarnt. Diejenigen, die als einzige über die Kenntnisse verfügen, um Artenschutz betreiben können, nämlich die vor Ort ansässigen Naturliebhaber (und das sind im Zusammenhang mit Reptilien und Amphibien immer auch Terrarianer) wurden im Zuge der Umsetzung der Berner Konvention nach und nach aus dem Artenschutz verdrängt, genau wie es vorhergesagt wurde.
Zauneidechsen darf man seit den 1980er Jahren nicht mehr für die Terrarienpflege fangen. Auf die wildlebenden Bestände hat das keinerlei Einfluss.
Den Gipfel des Unsinns stellte die nachfolgende FFH-Gesetzgebung dar. FFH – das steht für Fauna-Flora-Habitat. 1992 beugten sich die politisch Handelnden den dringenden Vorstellungen der Naturwissenschaftler, dass der durch die Berner Konvention beschlossene Individuenschutz bei Kleintieren völlig nutzlos ist. Um das Artensterben zu bremsen, das sich freien Fall befand, sollte endlich der Lebensraumschutz her. Man benannte besonders charakteristische Tier- und Pflanzenarten, die nur in extrem bedrohten Lebensräumen vorkommen als Indikator-Arten. Ziel war es selbstverständlich, dass nun diese Lebensräume wirkungsvoll geschützt werden sollten. Aber die gesetzliche Umsetzung der FFH-Richtlinie war ein Desaster und ein Boxschlag in das Gesicht des Artenschutzes. Statt die Lebensräume bedrohter Arten zu schützen und durch Korridore miteinander zu vernetzen, damit genetischer Austausch zwischen räumlich isolierten Restpopulationen stattfinden kann, wurden die Lebensräume fröhlich weiter vernichtet und die Anzeigerarten – dank FFH-Gesetzgebung nun einfach unter noch strengeren Individualschutz gestellt! Dieser Wahnsinn führt nun dazu, dass riesige Geldsummen dafür ausgegeben werden, FFH-Arten umzusiedeln, wenn die Lebensräume zerstört werden und „Ersatzlebensräume“ zu schaffen.
Der Europäische Laubfrosch (Hyla arborea) ist als FFH-Art besonders streng geschützt. Nutzen tut das den wildlebenden Beständen nichts. Im Terrarium kann man ihn ausgezeichnet pflegen und sehr effektiv nachzüchten.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Umsiedlungen von Eidechsen, Fröschen, Kröten oder Molchen erfolgreich sind oder auch nur sein könnten. Das ist auch vollkommen logisch, denn entweder ist ein Biotop, in das die „geretteten“ Individuen umgesiedelt werden, für sie als Lebensraum geeignet: dann gibt es sie dort auch schon und die umgesiedelten Tiere stellen eine massive Bedrohung der bodenständigen Population dar (in der Regel gehen sie allerdings einfach nur ein); oder der Lebensraum, in den umgesiedelt wird, eignet sich eben nicht für die „geretteten“ Tiere. Dann sterben sie auf jeden Fall.
Das Umsiedeln von Mauereidechsen und anderen Reptilien oder Amphibien ist ein sinnfreies Unterfangen.
Für diesen Quatsch werden alljährlich Millionen ausgegeben! Und die Schaffung von Ersatzlebensräumen? Wie soll die vonstatten gehen? Sie kann doch nur darin bestehen, die Lebensräume anderer Arten zu zerstören, die sich dann nahtlos in den Strudel der untergehenden Spezies einreihen. Die Folge dieses allen wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegen sprechenden politischen Handelns sind dann die Horrormeldungen vom dramatischen Insektensterben und dem steten Vordringen invasiver Arten; letztere können – so jedenfalls der aktuelle Stand der Forschung – nur in massiv gestörten Lebensräumen gedeihen. Und der Gipfel des Wahns: dafür werden dann auch noch die privaten Tier- und Pflanzenhalter verantwortlich gemacht. Zieht man nüchtern Bilanz des politischen Handelns gegen das weltweite Artensterben, so kann man nur feststellen, dass ein vollkommener Rückzug der Politik und Gesetzgebung aus dem Bereich des Artenschutzes aller Voraussicht nach die wirkungsvollste Artenschutzmaßnahme wäre, zu der die politisch Handelnden fähig sind.
Manche Reptilienarten sind in der Natur so selten geworden, dass nur die Nachzucht sie vor dem Aussterben retten kann. Dass die Nachzucht überhaupt möglich ist, ist ein Verdienst der Terraristik. Dies ist Cyclura lewisi.
Terraristik als Instrument des Artenschutzes Handelsbeschränkungen und Haltungsverbote haben auch durchaus etwas Positives: sie zwingen die Halter zur Zucht, da der Nachschub aus der freien Wildbahn ausbleibt. Ökologisch gesehen ist die Zucht solcher Tiere zwar kritisch zu betrachten, da eine Bedrohung auf Individual-Niveau kaum jemals besteht und die aufzuwendende Energie für die Zucht zu einer negativen Öko-Bilanz führt. Aber nichtsdestotrotz wurden aus der Notwendigkeit heraus Zuchttechniken entwickelt, die es heute ermöglichen, so ziemlich jede Reptilien- oder Amphibien-Art, bei der das notwendig erscheint, in großem Maßstab durch Nachzucht verfügbar zu machen. Dass das bisher nicht bei allen Arten umgesetzt wird, liegt vor allem an der zu geringen Nachfrage. Von den weltweit existierenden rund 11.000 anerkannten Reptilien-Arten und ca. 7.000 Amphibien-Arten sind weniger als 500 (ca. 3%) von allgemeinem Interesse für Hobby-Halter, schätzungsweise über 70% der weltweit existierenden Arten sind vermutlich noch nie in nennenswerter Zahl im Terrarium gepflegt worden.
Rund 180 Arten Echter Agamen kennt man. Keine 10 davon wurden oder werden regelmäßig im Terrarium gepflegt. Dies ist eine unbestimmte Art der Gattung Agama aus dem Senegal.
Wenn wirklich ernsthafte Bedenken bestehen, dass die Lebendentnahme zum Zwecke der privaten Tierhaltung bei irgend einer Art so hohe Ausmaße annimmt, dass die natürlichen Bestände dadurch rückläufig wären, so wäre es doch die leichteste Übung, im natürlichen Verbreitungsgebiet der Arten Zuchtfarmen dafür einzurichten. So schafft man Arbeitsplätze in strukturarmen Gegenden und bringt Devisen ins Land. Allein die Tatsache, dass dieses Modell praktisch nirgendwo zur Anwendung kommt (es gibt ein paar Ausnahmen) zeigt schon, dass im Weltmarkt kaum Nachfrage besteht. Wieso sind dann trotzdem Reptilien und Amphibien in dem Abkommen, das den weltweiten Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen regelt (CITES) aufgenommen? Es handelt sich dabei nahezu ausschließlich um Arten, die zu Speisezwecken, zur Ledergewinnung oder zu medizinischem Gebrauch genutzt werden. Bei den ganz wenigen Arten (keine 100), die für den Lebendhandel so attraktiv sind, dass es zu einer Übersammlung kommen könnte, weil sie eine Kombination aus geringer existierender Individuenzahl, langsamer Vermehrung und kleinem Verbreitungsgebiet aufweisen, gäbe es auch andere Mittel, als die Terrarianer unter den Generalverdacht zu stellen, sich nicht an Schutz- und Schonmaßnahmen zu halten. Statt die Terraristik zu kriminalisieren, sollte der Artenschutz die tiefgreifenden Kenntnisse der Terrarianer für sich nutzen. Es liegt kein Sinn darin, die einzigen Menschen, die sich ernsthaft für den Artenschutz von Reptilien und Amphibien interessieren – die Terrarianer! – vom Artenschutz auszuschließen. Und es ist doppelt unsinnig, die Hilfestellungen, die diese Personengruppe beim Artenschutz leisten könnte, zu ignorieren. Statt irgendwelcher Theoretiker sollten sich Praktiker mit Erhaltungszuchtprogrammen beschäftigen, dann wären sie auch von Erfolg gekrönt. Die Politik muss endlich die Terraristik als Verbündeten, nicht als zu bekämpfenden Gegner sehen, dann klappt es auch mit dem Artenschutz!
Pyxis arachnoides erfüllt alle Voraussetzungen, die eine Handelskontrolle sinnvoll erscheinen lassen: kleines Verbreitungsgebiet, geringe Fortpflanzungsrate und hohe Attraktivität.
Welchen Weg werden wir gehen? Eingangs wurde gesagt, die Terraristik befände sich an einem Scheideweg. Da ist auf der einen Seite ein ungeheures Knowhow, mit dem professionell Zuchtformen von Reptilien und Amphibien für einen Heimtiermarkt produziert werden, der mit klassischer Terraristik nicht mehr viel zu tun hat.
Die Zeiten, da Reptilien als schwer züchtbar galten, sind längst vorbei. Heutzutage züchtet man planmäßig alle möglichen Farbspielarten, die in der Natur nicht vorkommen, hier eine Kornnatter “Aztek Albino”.
Auf der anderen Seite stehen Berufs- und Amateur-Herpetologen, die dieses Knowhow sehr gerne für die engagierte Nachzucht von durch Habitatszerstörung bedrohte Arten nutzen möchten, aber von einer schier undurchdringbaren Bürokratie daran gehindert werden.
Wegen der paar Hansels, die Kobras im Terrarium pflegen möchten, brauchen sie nicht in CITES gelistet zu werden. Das tut man, weil die Kobras zu Millionen zur Ledergewinnung getötet werden.
Und dazwischen befinden sich Terrarianer, die einfach nur Freude und Erkenntnis aus der Beobachtung von Terrarientieren schöpfen möchten und überhaupt keine Lust haben, sich dafür von Behörden oder Tierschützern anzicken zu lassen. Wandert darum die breite Masse der Terrarianer bald in den Untergrund ab, wie er heute schon für die Vogelhaltung besteht? Verweigern die Terrarianer künftig die Zusammenarbeit mit Behörden? Oder gelingt es den Vereinen und Verbänden, die sich für die Heimtierhaltung stark machen, doch noch die Terraristik aus der Schmuddelecke zu holen, in die sie derzeit von populistischen Fanatikern gesteckt wird?
Pfeilgiffrösche sind ideale Terrarientiere und wurden bereits über dutzende Generationen gezüchtet.
Wird die Terraristik wieder das, als das sie entstand: ein Instrument der Volksbildung statt der Volksverdummung? Das wird sich vor allem daran entscheiden, ob es gelingt, die Interessen der Terraristik durch eine gute Lobbyarbeit zu vertreten. Terrarianer sind Individualisten, das macht die Sache kompliziert. Sie widmen sich lieber ihren Tieren als der Politik. Und sie lassen sich leicht einschüchtern. Schnell wird ihnen mit Beschlagnahme der Tiere gedroht oder mit empfindlichen Geldbußen, wenn sie aufmucken. Dabei beruht die Argumentation der Aggressoren meist auf wissenschaftlich unzureichenden Mitteln, vorzugsweise irgendwelchen Gutachten. Für einen Anfangsverdacht, um Ermittlungen einzuleiten, mag ein Gutachten genügen. Aber ein Gutachten ist aus wissenschaftlicher Sicht keine wissenschaftliche Publikation, da ihr Wahrheitsgehalt nicht von einem unabhängigen Wissenschaftsgremium („Peers“) überprüft wurde. Letztendlich geht es in solche Fällen also einfach darum, ob man die Meinung der Gutachter teilt oder nicht und nicht um objektive, im Experiment ermittelte und reproduzierbare Erkenntnisse.
Pflege und Zucht der Rotwangen-Schmuckschildkröte sind europaweit verboten, weil ausgesetzte Exemplare sich als invasiv erweisen könnten.
Ob die Terraristik also zu einer Untergrund-Kultur wird oder zu einem Instrument der Volksbildung, wird neben der Lobbyarbeit ganz wesentlich davon abhängen, wieviel Zivilcourage die Terrarianer aufbringen können und wie vehement sie in Musterprozessen darauf bestehen, dass die Ausübung Terraristik durch den Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes (Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt) garantiert ist. Nur wissenschaftlich fundierte, in einer Publikation mit Peer-Review Verfahren veröffentlichte Studien, die beweisen (nicht vermuten), dass von der Terraristik propagierte und/oder von einzelnen Terrarianern praktizierte Haltungsbedingungen unausweichlich zu Schäden an den Tieren oder ihre Pflege im Terrarium zu ihrem Aussterben in der Natur führen, sind als Gründe für eine staatliche Einmischung in die private Tierhaltung akzeptabel – alles andere nicht oder höchstens als Übergangslösung, bis eine solche Studie vorliegt.
Ich wünsche mir sehr, dass die Radikalisierung aller Lager – der Tierhalter, der Behörden und der Tierschützer, die Tierhaltung generell ablehnen – wieder aufhört. Auf der Basis der freiheitlich-rechtlichen Demokratie und ihres großartigen Grundgesetzes ist ein friedliches Zusammenleben aller nämlich möglich.
Gelegentlich tauchen Tierarten im Handel auf, über die so gut wie nichts bekannt ist. Dann liegen oft weder wissenschaftliche Untersuchungen zu den Tieren vor, noch kann man auf fundierte Erfahrungen von Hobbyisten zurückgreifen. Sollte man deshalb die Finger von solchen Arten lassen? Aber nein! Wissenslücken sind dazu da, geschlossen zu werden!
Die Art, um die es hier geht, bringt alle Voraussetzungen mit, die ein Tier haben muss, um unbekannt zu bleiben. Sie ist ziemlich klein (etwa 30 cm lang, dabei nicht viel dicker als ein Bleistift), lebt unterirdisch und ist ohne jegliche wirtschaftliche Bedeutung für den Menschen. Dabei wurde sie der Wissenschaft schon früh bekannt: Isopachys gyldenstolpei wurde bereits 1916 von Lönnberg beschrieben.
Die Gattung
Isopachys werden im Englischen als „Worm Skink“, also Wurmskink, bezeichnet. Vier Arten kennt man insgesamt, die alle aus Thailand und dem angrenzenden Burma kommen. Isopachys gehören zu den Skinken; auf den ersten Blick könnte man allerdings auch meinen, eine Verwandte der Blindschleiche (Anguis fragilis) oder eine Blindschlange (Typhlops u. ä.) vor sich zu haben. Mit ersteren haben Isopachys das glatte Schuppenkleid und die allgemeine Körperform, mit letzteren den vorspringenden Nasenschild gemeinsam. Dennoch sind Schleichen, Skinke und Blindschlangen nicht nahe miteinander verwandt. Ihre Übereinstimmung im Körperbau beruht auf einer ähnlichen Lebensweise, nicht auf einem gemeinsamen Vorfahren. Innerhalb der Skinke zählt man Isopachys zu der Unterfamilie Lygosominae, die mit über 70 Gattungen und etwa 900 beschriebenen Arten eine kaum überschaubare Formenfülle repräsentiert.
Vorkommen
Die Kenntnis der Herkunft eines Tieres ist für die Haltung oft von ausschlaggebender Bedeutung. Isopachys gyldenstolpei wurde aus dem Süden Thailands beschrieben. Typusfundort ist „Kho Lak“ in der Provinz Prachuap Khiri Khan, ein Ort, den die letzten Bearbeiter der Gattung, M. Lang und W. Böhme, nicht lokalisieren konnten. Immerhin sind aus Museumssammlungen zwei weitere Fundorte in der genannten Provinz bekannt, nämlich Hua Hin und Nong Kae. Der dritte Fundort, der für I. gyldenstolpei bekannt wurde liegt etwas weiter nördlich, nämlich bei Kanchanaburi in der gleichnamigen Provinz. Damit ist die Aufzählung der gesicherten Fundorte auch schon erschöpft! Kein Wunder, dass Isopachys gyldenstolpei in der Roten Liste der bedrohten Tierarten geführt wird. Man weiss nichts über sie und durch Unwissenheit werden tagtäglich Tierarten vom Menschen ausgerottet, indem die Lebensräume der Tiere vernichtet werden.
Naturgeschichte
Es dürfte nach all dem Gesagten kaum verwundern: man weiß so gut wie gar nichts über das Leben dieser Skinke. Doch gibt es immerhin einige wichtige Hinweise, die es ermöglichen, die Tiere im Terrarium zu pflegen. So wurden z. B. alle Exemplare von Isopachys anguinoides, I. gyldenstolpei und I. roulei in trockenen, sandigen, lockeren Böden nahe bei verrottendem pflanzlichen Material gefunden. I. anguinoides und I. gyldenstolpei wurden schon sympatrisch gefangen, genau wie I. anguinoides und I. roulei. Im Gegensatz hierzu ist die erst 1990 wissenschaftlich beschriebene Art I. borealis ein Bewohner von feuchteren und erdigen Böden. Sie wurde meist auf Süßkartoffel- oder Ananasfeldern gefunden, kann also als Kulturfolger gelten. Zur Fortpflanzung ist nichts Gesichertes bekannt, doch nimmt an, die Skinke seien eierlegend. Während für die drei südlichen sandbewohnenden Arten keine Angaben vorliegen, enthielt der Magen mehrerer untersuchter I. borealis Termiten und Regenwürmer.
Terrarienhaltung
Es liegt auf der Hand, dass an dieser Stelle nur recht allgemeine Empfehlungen gegeben werden können. Dazu gehört, dass die Skinke am besten in einem trocken Terrarium untergebracht werden, dessen Boden aus feinem, weichen (abgerundete Körnchen, kein gemahlener Bausand!) und relativ staubfreien Sand bestehen sollte. Darin leben die Tiere. Ideal wäre vermutlich ein relativ hoher Bodengrund von etwa 20 cm, damit man den Sand in den untersten Schichten leicht feucht halten kann. In der Praxis bewährt sich dieses theoretisch hübsche Modell jedoch nicht. Denn die Skinke verlassen niemals freiwillig ihre unterirdische Behausung. Um wenigsten gelegentlich eine Kontrollmöglichkeit zu haben, muss man sie leicht ausgraben können. Daher sollte der Sandboden nur wenige Zentimeter dick sein. Die sonstige Einrichtung kann spartanisch sein. Ein Stein als Häutungshilfe genügt. Strahlungsheizung brauchen diese Wühlechsen nicht. Die Temperatur sollte tagsüber 28°C nicht überschreiten, nachts darf sie deutlich (um etwa 10°C) abfallen. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Isopachys-Skinke Wasser inhalieren, wie man das z. B. von Apothekerskinken (Scincus scincus) kennt. Eine flache Wasserschale sollte daher ins Terrarium gestellt werden und stets frisches Wasser enthalten. Untereinander sind die Wurmskinke friedlich. Geschlechtsunterschiede sind keine bekannt, doch ist bei manchen beinlosen Skinken anderer Gattungen das Männchen deutlich kleiner als das Weibchen – vielleicht auch bei Isopachys gyldenstolpei? Glücklicherweise sind die Echsen bezüglich der Ernährung wenig wählerisch. Alle Futtertiere passender Größe werden ganz gerne angenommen, also Heimchen, Mehlwürmer, Buffalo-Würmer.
Die Tiere sind zwar nur äußerst selten im Handel, doch wurden z.B. Ende Dezember 2006 einige Tiere, die übrigens aus Zentralthailand stammen sollten, angeboten. Von einem dieser Tiere wurden auch die Aufnahmen gemacht.
Literatur:
Lang, M. & W. Böhme (1990): Description and phylogentic position of a new species of Isopachys from central Thailand and southern Burma (Squamata: Scincidae). Bulletin de l´instute Royal des sciences naturelles de Belgique; Biologie, 60: 231-240.
Fast jeder hat schon einmal von ihm gehört: vom Indischen Lotos. Seit dem klassischen Altertum, in dem Homer den Odysseus auf die ”Lotophagen”, die ”Lotosfresser” treffen ließ, ist die Pflanze auch im europäischen Schriftum verbreitet. Darstellungen kennt man aber auch von viel älteren ägyptischen Quellen sowie aus der asiatischen Kultur. Seit geraumer Zeit beschäftigen sich die Biophysiker mit der Pflanze, um dem ”Lotoseffekt” genau zu verstehen, der Wasser und Schmutz einfach abperlen lässt…
Lotosblüte
Als Aquarienpflanze eignet sich der Lotos nicht, dazu wird er viel zu mächtig, doch auch in Mitteleuropa kann man im Sommer einen Versuch mit ihm am Gartenteich oder in einem Kübel machen. Manchmal erfriert die Pflanze zwar im Winter, doch gelingt sogar in Deutschland häufig die mehrjährige Kultur im Freien. Der Trick ist ein ausreichend tiefes Gefäß in geschützter Lage – eine Garantie, dass das gut geht, kann aber niemand übernehmen. Obwohl der Indische Lotos, wie der Name schon andeutet, ursprünglich aus Asien kommt, ist er z.B. in Südrussland und Norditalien auch verwildert, woran man die relative Härte der Pflanze ganz gut ermessen kann.
Der Lotos kann ausgedehnte Bestände entwickeln.
Ein hungriges Gewächs
Wie die meisten Seerosen liebt auch Nelumbo nucifera, so ihr wissenschaftlicher Name, einen fetten Boden als Substrat. Ist er zu arm an Nährstoffen, bleibt die Pflanze klein und kümmerlich und blüht vor allem nicht. Empfohlen wird eine Mischung aus Moorerde, Lehm, Sand und verottetem Kuhdung – nun ja, etwas Alchemie gehört bei der Zubereitung eines perfekten Seerosensubstrates einfach dazu. Man kann heutzutage aber auch fertige Erdmischungen kaufen, was aber nicht ganz so romantisch ist.
Die Kultur lohnt
Selbst wenn es nur für einen Sommer sein sollte: Es macht einfach unheimlichen Spaß, Wasser auf die mächtigen, blaugrünen Blattschirme zu träufeln und zu beobachten, wie die Tropfen abperlen wie Wasser auf der heißen Herdplatte. Und wer einen Nelumbo hat, der kann ziemlich sicher in einer lauen Sommernacht ”Na, meine süße kleine Lotosblüte?!” säuseln, ohne eine Abfuhr zu riskieren.