Der Madras-Hechtling vor 95 Jahren und heute

Das erste Advent-Wochenende 2017 verbrachten wir auf der Fisch & Reptil in Sindelfingen. Ich war kaum durch das Menschengetümmel bis zum Aqualog-animalbook-Stand vorgedrungen, als mich schon mit dem typisch verschmitzten Lächeln Günther Schau (Zierfischzüchterei Schau) begrüßte. Wir kennen uns schon lange. Günther hatte einen Karton in seinen Händen und überreichte ihn mir mit der Bitte, den Inhalt in Ehren zu halten. Der Inhalt bestand aus alten Aquarienzeitschriften, darunter einige Hefte der Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde aus dem Jahr 1927. Natürlich, lieber Günther, halte ich die in Ehren! Und nochmal vielen Dank!

Wie es der Zufall so will, ist unter den Wochenschriften auch Heft 52 vom 27. Dezember 1927. Da die alten Schätzchen doch ziemlich mitgenommen sind, scanne ich sie zum Lesen ein. Denn der Inhalt ist natürlich heute noch so lesenswert wie damals, auch wenn wir bis heute natürlich mehr Erkenntnisse sammeln konnten.

Für alle Interessierten haben wir die PDF des gesamten Heftes in der Aqualog-Datenbank  „wissenschaftliche Texte“ zur Einsicht eingestellt: https://www.aqualog.de/news-bookazine/wissenschaftliche-texte/

Der Aufmacher von Heft 52 1927 behandelt den Madrashechtling, damals als Panchax parvus bezeichnet. Bis heute besteht bezüglich der Identität der Zwerghechtlinge Südindiens und Sri Lankas Uneinigkeit unter den damit beschäftigten Wissenschaftlern und Aquarianern. Formell beschrieben sind Aplocheilus blockii, A. parvus und A. kirchmayeri. Alle kommen im Süden des Subkontinents vor, A. blockii in Kerala und weiter östlich bis Madras, A. parvus auf Sri Lanka und A. kirchmayeri in Goa. In allen Habitaten müssen sich die Zwerge gegen ihrer größeren Gattungsgenossen durchsetzen. Auf dem Festland sind es die verschiedenen Populationen des Streifenhechtlings, A. lineatus, auf Sri Lanka A. dayi und A. werneri. Warum der Gemeine Hechtling, A. panchax, der sonst so weit verbreitet und anpassungsfähig ist, im Süden Indiens fehlt, ist unklar. Seine Verbreitungsgrenze liegt an der indischen Südostküste etwa dort, wo die Koromandelküste beginnt.

Hier der Original-Bericht von Leopold Beyer aus Wien aus dem Jahr 1927:

„Im Spätsommer vorigen Jahres konnte ich unter anderen Haplochilen auch ein Paar des grünen Haplochilus, häufiger Madraskärpfling, auch Zwergkärpfling (parvus lat. = klein), genannt, erwerben, von dessen Farbenpracht ich derart entzückt war, daß ich den Entschluß faßte, mich in Zukunft hauptsächlich mit der Zucht und Pflege dieses überaus schönen Haplochilen zu befassen. Er ist nur, wie alle aus dem Wunderlande Ostindien stammenden Aquarienfische, ziemlich wärmebedürftig.

Ich schritt zu einer möglichst naturgetreuen Einrichtung des Behälters: Ein größeres Becken war bald zur Stelle. Die Bodenschicht, welche aus gewaschenem Sande bestand, wurde eingebracht und nach der Lichtseite zu beträchtlich erhöht. Diese Stelle wurde mit einigen Cryptocorynen, sowie mit den beiden Ambuliaarten und mit der als Neuheit bezeichneten reizenden Blyxa echinospera, die mit ihren seidengrünen, dünnen Blättchen sich prächtig ausnimmt, bepflanzt. Der übrige Teil des Behälters blieb pflanzenfrei,  um den Tieren einigermaßen Gelegenheit zum Ausschwimmen zu geben. Das so eingerichtete Heim wurde alsbald von meinen Lieblingen bezogen. Scheinbar gefiel es ihnen vortrefflich, denn die durch den weiten Transport ziemlich mitgenommenen Fischchen (die Sendung stammte aus Berlin), die anfänglich noch blaß und scheu waren, änderten alsbald ihre Farbe, so daß das herrliche, wie mit tausend goldenen Pünktchen übersäte, flimmernde Farbenkleid erst so recht zur Geltung kam.

Wildfang-Männchen eines Importes aus dem Jahr 2000
Pärchen aus dem gleichen Import, im Vordergrund das Weibchen.

Die zuerst verschmähten Futtertiere, wie Daphnien, Tubifex usw. wurden jetzt mit lebhaftestem Appetit verzehrt. Selbstverständlich ist, daß ich die Temperatur der Heimat der Tiere gemäß stets auf etwa 25°C hielt und der Behälter so zur Aufstellung gelangte, daß er möglichst viel Sonne erhielt. Würde diesem Fisch überall soviel Sorgfalt entgegengebracht werden wie bei mir, würden die vielen Klagen über starke Degeneration der Tiere gar bald ein Ende haben. Diese ist meiner Ansicht nach nur darauf zurückzuführen, daß man die Tiere bei viel zu niederen Temperaturen hält, wodurch deren Organismus unglaublich geschwächt wird.

Wie schon die sehr weit nach hinten gestellte Rückenflosse zeigt, ist der Madraskärpfling, wie die meisten anderen Haplochilen, ein ausgesprochener Oberflächenfisch, der aufgescheucht wohl für einige Zeit tiefere Wasserschichten aufsucht, wohin er, nebenbei bemerkt, auch dem Futter folgt, jedoch bald wieder zum Wasserspiegel zurückkehrt. Meine Tiere hielten sich mit Vorliebe in dem Dickicht der üppig wuchernden Riccia auf, und nur ein besonderer Anlaß konnte sie dazu bewegen, diesen Lieblingsplatz zu verlassen.

Als in den letzten Tagen des Februar die langersehnte Frühlingssonne in das Becken meiner Lieblinge zu scheinen begann, war es mit der erbaulichen Ruhe der Haplochilen vorbei, denn auch sie wollten Frühling feiern. Das Weibchen, dessen Leibesumfang von Tag zu Tag sichtlich zunahm, wurde ständig von dem in den leuchtendsten Farben erstrahlenden Männchen verfolgt. Kein Hindernis konnte letzteres von seinem reizenden Liebeswerben abhalten, keine Pflanze war dicht genug, um das Weibchen vor dem manchmal stürmisch werdenden Gesellen zu beschützen.

Ueberall wurde es aufgestöbert und vor ihm ein feines Liebestänzchen aufgeführt. Das Weibchen jedoch schien hiervon nicht sehr erbaut zu sein. Es zog sich meist bei Annäherung des Männchens in die Pflanzen zurück, oder aber es griff dieses, wie ich einigemale beobachten konnte, direkt an. Als einige Tage verstrichen waren, sah ich mir wieder einmal meine Pfleglinge genauer an, und siehe da, das Weibchen schien nun doch seinen Eigensinn gelassen zu haben. Willig folgte es dem mit eigentümlich tänzelnden Bewegungen lockenden Männchen in das Ricciadickicht. Hier schmiegten sich die beiden Tiere unter Vibrieren des ganzen Körpers eng aneinander. Ein jäher Ruck, und der austretende Laich wurde in die Schwimmpflanzen geschleudert. Derselbe blieb vom Männchen ziemlich unbehelligt, während das Weibchen sich hie und da mit sichtlichem Wohlbehagen ein Ei zu Gemüte führte. Da sich das Laichgeschäft der meisten Haplochilen über mehrere Tage hinzieht, beließ ich das Zuchtpaar im gleichen Behälter und suchte nur von Zeit zu Zeit die Pflanzen nach Laich ab. Dieser war glasklar (verpilzte Eier konnte ich nicht bemerken) und hatte die Größe eines Mohnkörnchens. Ich übertrug ihn samt den unmittelbar anhaftenden Pflanzen, die mit ihm förmlich gespickt waren, in ein kleines Aquarium mit niederem Wasserstande, in welchem sich die weitere Entwicklung desselben vollziehen sollte. Als ich nach einigen Tagen Nachschau hielt, konnte ich bereits einige winzige Jungfischchen feststellen. Doch ich sollte nicht das Glück haben, diese aufzuziehen und Besitzer eines Schwarmes prächtiger Madraskärpflinge zu werden. Infolge Raummangels mußte ich einige inzwischen eingetroffene, ziemlich seltene Fische in genanntem Behälter unterbringen. Das Schicksal der kleinen Madraskärpflinge war somit besiegelt.

Der Madraskärpfling hat nach der neuen Systematik der Zahnkarpfen Panchax parvus Raj zu heißen. Er ist einer unserer schönsten Aquarienfische, stellt an den Pfleger nicht allzu große Ansprüche und macht die aufgewandte Mühe durch seine leichte Züchtbarkeit und vor allem durch seine wunderbare Farbenpracht (siehe Wenzels Bibliothek Nr. 16) wett.“

Was vor 95 Jahren als selbstverständliches Wissen bei den Aquarienfreunden vorausgesetzt werden konnte, bedarf heutzutage der Erläuterung. Als „Haplochilen“ bezeichnete man damals Killifische. Die Bezeichnung geht auf den für die ersten importierten Arten (das waren Hechtlinge und Reiskärpflinge) verwendeten Gattungsnamen „Haplochilus“ zurück; dabei handelt es sich um eine ungültige „Verschlimmbesserung“ des von John McClelland 1838 aufgestellten Gattungsnamens Aplocheilus durch Louis Agassiz im Jahr 1846. Der von Herrn Beyer verwendete Gattungsname Panchax wurde 1846 von Cuvier & Valenciennes begründet, er gilt heute als Synonym zu Aplocheilus.

Unter Ostindien verstand man damals auch etwas anderes als heute. Der Madras-Hechtling stammt aus dem Süden Indiens. Aber der Herr Beyer meinte nicht den Osten des indischen Subkontinents, sondern das Gegenstück zu „Westindien“ (also der Karibik), „Ostindien“ meinte also ganz allgemein die tropischen Regionen Asiens.

Wildfang-Männchen aus Sri Lanka, diese Form wird meist Aplocheilus parvus zugeordnet.
Das dazugehörige Weibchen.

Unter einem „größeren“ Becken verstand er ein 15-20 Liter fassendes Aquarium. Für die Pflege und Zucht derart kleiner Fische wie des Madrashechtlings, der ja nur 2-3, maximal 4 cm lang wird, sind wesentlich größere Aquarien auch heutzutage wenig geeignet, da die Fischzwerge sich dort der Kontrolle entziehen und schlicht untergehen.

Was man auch bedenken sollte: Aquaristik war damals noch weitgehend stromfrei. Es gab bereits elektrische Heizer, aber es wurden nach wie vor Gasheizer und Krudeheizer (bei letzteren heizte man mit glühenden Kohlen, bei ersteren mit einer Art Bunsenbrenner, beides war unter dem Aquarium angebracht) eingesetzt. Filter und Belüfter? So etwas nutzte man kaum, wenn, dann wurden sie an den Wasserhahn angeschlossen und mit Wasserdurchlauf betrieben. Und Aquarienbeleuchtung war fast völlig unbekannt, dazu nutzte man das Sonnenlicht, das Aquarium musste eben geschickt an einem Fenster platziert werden.

So war das also in den 1920ern. Welchen aquaristischen Stellenwert hat der Madrashechtling heute? Leider kaum einen. So kleine Fische sind und bleiben Fische für Spezialisten, die sich der Mühe unterziehen, sie in einem kleinen Artenaquarium oder sparsam besetzten Gesellschaftsbecken mit anderen Zwergarten zu pflegen. In normalen Zoofachgeschäften sind die dort scheuen und blassen Tierchen Ladenhüter. Aber jeder Aquarianer, der Madrashechtlinge einmal hatte, wird sie immer wieder gerne pflegen.

Ich las das erste Mal von den Tieren in einem meiner ersten Aquarienbücher. Das Buch war von Hans Frey und hieß „Aquarienpraxis kurz gefasst“. Das war 1972. Im Zooladen bin ich dem Madrashechtling nie begegnet, obwohl ich danach suchte. Das erste Mal gesehen habe ich das herrliche Fischchen 1998 bei meiner ersten Indienreise auf der Farm von Deepak Nopany in Kalkutta, Exporteur und Inhaber der Firma „East India Aquariums“.

Gerade habe ich wieder Madrashechtlinge schwimmen, die mein alter Freund Deepak Aquarium Glaser bei einem Import aus Indien mitschickte. Sie gehören einfach zu den Arten, für die ich immer irgendwo ein Becken freimache, wenn wir uns begegnen.

Frank Schäfer


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Kaisersalmler – wunderschöne Kolumbianer

Im Jahr 1958 entdeckte der in Bitaco, Kolumbien ansässige Zierfischexporteur William A. Kyburz einen wunderschönen, bis dahin noch nie lebend gesehenen Salmler. Die Art konnte als Nematobrycon palmeri (Eigenmann, 1911) identifiziert werden. Kyburz exportierte die Art 1960 in die Vereinigten Staaten und stellte sie erstmals in der Zeitschrift ”The Aquarium” vor. Er gab ihr den Namen ”Kaisertetra”. Es begann ein Siegeszug des Fisches um die ganze Welt…

Ein Wildfangmännchen des Kaisertetras.

Die ersten Kaisertetras sammelte Kyburz in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren in der Choco-Region in Kolumbien. Leider wissen wir nicht, wo exakt Kyburz sammelte, denn als die Wissen­schaftler Stanley H. Weitzman und William L. Fink 1970 eine weitere Art Kaiser­tetra wissenschaftlich beschreiben wollten und diese Informationen zu erlangen suchten, war Kyburz bereits verstorben. Immerhin: sein Name wird weiterleben, so lange es Menschen gibt, denn eine weitere Salmler-Art, die sogar relativ eng mit den Kaisertetras verwandt ist, wurde ihm zu Ehren benannt: Pseudo­chal­ceus kyburzi (Schultz, 1966).

Pseudochalceus kyburzi wurde zu Ehren des Entdeckers der Kaisersalmler benannt. Die Art ist eine ausgesprochene Rarität im Aquarium.

Ideale Aquarienfische

Was macht eigentlich einen idealen Aquarienfisch aus? Er muss schön aussehen, friedlich sein, klein bleiben, leicht zu ernähren sein, keine Wasserpflanzen fressen und leicht zu pflegen sein. Alles Attribute, die uneingeschränkt auf die nur vier bis fünf Zentimeter lang werdenen Kaisersalmler zutreffen. Da auch die Zucht kein großes Problem darstellt, kann der Weltbedarf an Kaisersalmlern jederzeit leicht befriedigt werden.

Zwei rivalisierende Männchen
Männchen in Balzfärbung

Wieviele Arten?

Die Gattung Nematobrycon wurde 1911 von Carl H. Eigenmann aufgestellt. Typusart ist Nematobrycon palmeri, die Eigenmann un­mit­tel­bar im Anschluss an die Gattungs­be­schreibung aufstellte. Als Gattungsdefintion nennt Eigenmann die innerhalb der Familie der Salmler (Characidae) einzigartige Kom­bination aus dreizipfeliger Schwanz­flosse und dem Fehlen der sonst für die Salmler so typischen Fettflosse. Die Beschreibungs­exemplare von N. palmeri waren 8-20 mm lang, von Herrn M. G. Palmer (einem Natura­liensammler, der für das Britische Mu­se­um auch Reptilien und Amphibien sammel­te) bei Condoto am Rio Condoto und Novita am Rio Tamana, beides im Südwesten Kolum­biens gelegen, gesammelt. Bereits drei Jahre später beschrieben Eigenmann und sein Kollege Charles Wilson die Art Nematobrycon amphiloxus. Diese Art sei N. palmeri sehr ähnlich, aber robuster gebaut. Zusätzlich unterscheide sie sich dadurch, dass das dunkle Längsband zum Rücken hin nicht durch ein scharf abgesetztes helles Längsband begrenzt sei, sondern eher diffus auslaufe. In der Erstbeschreibung werden 79 Exemplare aufgeführt, die zwischen 14 und 54 mm Länge aufwiesen. Typuslokalität ist Boca de Raspadura, je ein Tier stammte von Tambo, Manigru und Istmina. Als 1961 eine weitere Nematobrycon-Art von Kyburz lebend exportiert werden konnte, nahm er an, es handele sich dabei um eben diesen N. amphiloxus. Die zweite, lebend importierte Art der Kaisersalmler hat im Leben leuchtend rote Augen und kann so am besten von dem blau-äugigen N. palmeri unterschieden werden. Bis zu Beginn der 1970er Jahre war dieser wunderschöne Kaisertetra, der auch als Regenbogen-Kaisersalmer bezeichnet wurde, im Hobby als N. amphiloxus verbreitet. Erst dann untersuchten die beiden schon eingangs erwähnten Wissenschaftler Weitzman und Fink die Sache genauer. In detektivischer Kleinarbeit fanden sie heraus, das der rotäugige Regenbogen-Kaiser­salmler in Wirklichkeit eine wissen­schaftlich neue Art war, den sie zu Ehren des Zier­fischzüchters Rosario La Corte, Elizabeth, New Jersey, Nematobrycon lacortei nannten. Da die Beschreibungsexemplare bereits Nachzuchtexemplare waren und der ursprüngliche Sammler, Kyburz, 1970 nicht mehr lebte, konnten Weitzman und Fink den ursprünglichen Sammelort nur aufgrund von Indizien (persönlicher Korrespondenz von Kyburz mit La Corte und Leonard P. Schultz) angeben. Er lag wohl im Oberlauf des Rio Calima. Was aber war nun Nematobrycon amphi­loxus? Bereits unter den Wildfangnach­zuchten der ersten Importtiere von N. palmeri tauchten plötzlich sehr dunkel gefärbte Exemplare auf. La Corte vermehrte sie gezielt weiter. Es gibt sie heute noch unter der Bezeichnung ”Nematobrycon palmeri Black”, wenngleich die aktuellen Stämme noch dunkler als die ursprünglichen Exemplare sind – das Ergebnis fortwährender züchterischer Bemühungen. Weitzman und Fink konnten zeigen, dass es eben solche dunkel gefärbten Exemplare sind, die der Beschreibung von Nematobrycon amphiloxus zugrunde lagen. Daher gilt heutzutage Nematobrycon amphiloxus nur noch als Synonym zu N. palmeri.

Zwei rivalisierende Männchen der schwarzen Form des Kaisertetra.
Weibchen der schwarzen Form des Kaisertetra.

Geografische Isolation

Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die Kaisersalmler sich gegenwärtig in einem Stadium der Artbildung befinden und der dunkle ”amphiloxus” bereits im Begriff war, sich zu einer eigenständigen Art zu entwickeln. Alle Kaisersalmler leben in kleinen Waldtümpeln, die nur zu Überschwemmungszeiten in Kontakt mit den Oberläufe von Flüssen in der kolumbianischen Region Choco kommen. Bei N. palmeri ist das der Einzug des Rio San Juan und Rio Atrato und bei N. lacortei der Rio Calima. Der San Juan und der Calima vereinigen sich zwar irgendwann, aber die Hauptflüssen sind für Waldtümpelbewohner unüberwindbare Hindernisse. Sie können nicht zueinander kommen. Einst waren wahrscheinlich auch die Populationen von typischen N. palmeri und den dunklen N. amphiloxus derart voneinander getrennt. Doch die spanischen Kolionalherren haben in historischer Zeit einen Kanal zwischen den Rio Atrato und den Rio San Juan gegraben. Man kann sich gut vorstellen, dass ein solcher Kanal, der ja ruhiges, fast stehendes Wasser aufweist, kein ernstliches Hindernis für eine Art wie den Kaisersalmler darstellt. Und so haben sich die ursprünglich isolierten Populationen des Atrato und des San Juan durch den Einfluss des Menschen wohl wieder vermischt. Es kann als sicher gelten, dass die bislang wissenschaftlich beschriebenen Kaisersalmler sehr eng miteinander verwandt sind. Im Aquarium bestehen keine Kreuzungsbarrieren zwischen N. palmeri und N. lacortei. Wer das Glück hat, Wildfänge zu ergattern, sollte solche Stämme unbedingt reinblütig weiterzüchten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es noch unbekannte Nematobrycon-Populationen im Einzug der zahlreichen Flüsse im Südwesten Kolumbiens gibt.

Der Regenbogen-Kaisertetra, Nematobrycon lacortei, unterscheidet sich am deutlichsten durch das rote Auge von N. palmeri.

Überraschung!

Aber auch außerhalb Kolumbiens gibt es zumindest eine Salmlerart, die zu den Kaiser­salmlern zu rechnen ist. Das wissen­schaftlich noch unbeschriebene Tier stammt aus Brasilien (leider sind keine genaueren Angaben verfügbar). Die Fettflosse fehlt, wie bei Nematobrycon, aber die mittlere Verlängerung des Schwanzflosse ist nicht vorhanden. Die Schwanzflosse ähnelt eher Inpaichthys, dem Königssalmler, der sich von Nematobrycon eben durch die Schwanzflosse unterscheidet, jedoch eine Fettflosse besitzt.

Dieser wissenschaftlich noch nicht bestimmte Fisch aus Brasilien hat viele Merkmale einer Nematobrycon-Art (Import Aquarium Glaser 2009)
Diese wissenschaftlich noch unbeschriebene Art wird im Hobby als Inpaichthys sp. Yellow Devil bezeichnet. Leider habe ich kein besseres Bild der Art, die sehr attraktiv sein kann.

Der Königssalmler

Um die Entdeckung des Königssalmlers rankt sich eine nette Geschichte, von der wir nicht wissen, ob sie stimmt, die es aber wert ist, erzählt zu werden: Im Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (INPA), Manaus, Brasilien, wurden in einem Aquarium Wasserpflanzen gepflegt. Fische waren eigentlich nicht darin. Aber auf einmal erschienen, wie aus dem Nichts, niedliche Babyfische, offenbar Salmler. Als die Tiere herangewachsen waren, begeisterten sie durch die leuchtend blaue Farbe der Männchen. Zudem stellte sich heraus, dass es sich um eine der Wissenschaft noch nicht bekannte Gattung und Art handelte. So zog man los in das Gebiet, in dem die Wasserpflanzen gesammelt worden waren, denn offensichtlich waren die Fische als Eier, angeheftet an die Wasserpflanzen, in das Aquarium gekommen. Im Norden des Bundesstaates Mato Grosso, im Rio Aripuanã (einem Zufluss des oberen Rio Madeira) wurde man fündig. Beschrieben wurde die Gattung dann zu Ehren des Institutes: Inpaichthys, also Fisch der INPA. Der Artname kerri ehrt den damaligen Direktor des Institutes, Warwick Estevam Kerr.

Der Königssalmler ist ein sehr hübscher, kleinbleibender (3-4 cm) Salmler. Bei der Stammform wird nur das Männchen blau im Rücken. Die Weibchen (erkennbar an der roten Fettflosse, die beim Männchen blau ist) haben bei der Stammform einen beige-braunen Rücken. Super Blue färbt nicht nur früher aus als die Wildform (schon bei ca. 2 cm), sondern auch die Weibchen bekommen einen blauen Rücken.

Im Aquarium

Die Pflege von Nematobrycon-Arten ist leicht und gelingt auch Einsteigern. Die Tiere lieben reich strukturierte Aquarien mit vielen Pflanzen. Der Bodengrund sollte dunkel sein, dann erstrahlen die Farben der Fische am leuchtendsten. Untereinander sind Kaiser­salmler etwas territorial. Sie schwimmen zwar ganz gerne mal im losen Trupp, aber gerade Männchen verteidigen auch kleine Laichreviere. Man pflegt diese Fische darum am besten im Trupp ab 10 Exemplaren in Aquarien ab etwa 50 bis 60 cm Länge. Zur Zucht genügen auch schon ganz kleine Becken von wenigen Litern Inhalt. Wenn man die Tiere regelmäßig ablaichen lässt, kann die Nachzucht sehr effektiv sein und leicht über 150 Junge pro Paar und Laich­gang bringen. Wenn die Fische nicht regel­mäßig ablaichen, sind viele Eier nicht ent­wicklungsfähig. Gegenüber anderen Arten sind Kaisersalmler friedlich. Härte und pH-Wert sind – außer zur Zucht – unwesentlich. Jegliches übliche Zierfischfutter wird gerne angenommen. Alles in allem sind Kaisersalmler nicht nur schöne, sondern auch sehr interessante Fische. Der Einsteiger wird sie sicher zunächst hautsächlich des gefälligen Äußeren wegen anschaffen, aber auch der fortgeschrittene Aquarianer kann viele inter­essante Studien an ihnen vornehmen.

Kaisertetra oder Kaisersalmler?

Beides ist richtig! Im Deutschen bezeichnet man diese Fische allerdings meist als Salmler. Diese Name rührt daher, dass sehr viele Arten eine kleine, strahlenlose Fettflosse auf dem Schwanzstiel tragen. Eine solche Fettflosse kannte man in Deutschland früher vor allem von Forellen und Lachsen, die auch Salmen oder Salmoniden bekannt sind (abgeleitet von der lateinischen Bezeichnung Salmo). Als Ende des 19ten Jahrhunderts die ersten Aquarienfische aus der Familie Characidae importiert wurden, erfand man für sie die Bezeichnung ”Salmler”, was so viel wie ”kleiner Lachs” bedeutet. Der Name ”Tetra” ist im englischen Sprach­raum verbreitet. Er ist die Verballhornung des wissenschaftlichen Gattungsnamens Tetra­gonopterus. Zu dieser Gattung stellte man früher die meisten im Aquarium gepflegten Salmlerarten.

Frank Schäfer

Literatur:

Weitzman, S. H. & W. L. Fink (1971): A new species of characid fish of the genus Nematobrycon from the Rio Calima of Colombia (Pisces, Characoidei, Characidae). Beaufortia 19 (248): 57-77

Weitzman, S.H. & W.L. Fink (1973): Nematobrycon amphiloxus of aquarists reidentified. Aquarium Hobbyist, 2 (2): 2-6, 46.


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Der Zebrawels (L46, Hypancistrus zebra) jetzt international geschützt

Was Halter und Züchter beachten müssen

Auf der letzten CITES-Konferenz in Panama (Ende November 2022) wurde nach einigem hin und her beschlossen, der Zebrawels oder L46 in Anhang 2 des internationalen Abkommens zum Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen aufzunehmen. Dadurch wird es für Halter und Züchter dieser Fische wichtig, einige gesetzliche Grundlagen zu kennen, um sich künftig nicht strafbar zu machen.

Zur Geschichte des Zebrawelses

Ende der 1980er Jahre wurde im Rio Xingu in Brasilien ein Harnischwels entdeckt, der wegen seiner absolut einzigartigen Färbung und geringen Größe zu einer der aquaristischen Sensationen des folgenden Jahrzehntes wurde. Zunächst waren die Preise geradezu schwindelerregend! Aber bald gelang die Nachzucht und es stellte sich außerdem heraus, das die Art keineswegs selten ist. Sie lebt allerdings im Stromschnellenbereich und so tief, dass sie nur von Tauchern mit Pressluft gefangen werden kann. Da dieser Fisch zudem in Steinsspalten lebt, muss jedes Tier einzeln per Hand gefangen werden. So erklärt es sich zwanglos, warum dieser auffällige Fisch in dem an sich wissenschaftlich ganz gut untersuchten Gebiet bis dahin völlig unbekannt gebieben war. Das holten die niederländischen Welsspezialisten Han Nijssen und Isaäc Isbrücker nun schnellstens nach und beschieben den Sensationsfund als Hypancistrus zebra. Sie stellten für den ungewöhnlichen Wels damit sogar eine neue Gattung auf.

Hypancistrus zebra, der Zebrawels oder L46

In den Folgejahren spezialisierten sich viele Zierfischfänger aus der Stadt Altamira am Rio Xingu darauf, diesen heißbegehrten Wels zu fangen. Er gehörte bald zum Standardangebot des Zoofachhandels. Obwohl die Zucht relativ leicht gelingt, dominierten Wildfänge den Markt, denn Zebrawelse haben nur vergleichsweise kleine Gelege (meist nur 10-15 Eier) und vor allem wachsen die Jungtiere sehr langsam und brauchen Monate, bis sie Verkaufsgröße haben. Das machte die Nachzucht unwirtschaftlich und gegenüber dem Wildfang teuer. Diese Situation änderte sich drastisch, als die brasilianische Regierung beschloss, am Rio Xingu ein großes Wasserkraftwerk zu bauen. Der dazu notwendige Staudamm bei Belo Monte (ca. 40 km flussabwärts von Altamira aus gesehen) wird die Stromschnellen oberhalb der Staumauer langfristig vernichten – und damit den Zebrawels ausrotten, soviel ist klar. Umweltschützer liefen Sturm gegen das noch immer im Bau befindliche Projekt, kaum speziell wegen des Zebrawelses, aber gegen die Vernichtung einer einzigartigen Flora und Fauna und die Vertreibung von bis zu 40.000 indigenen Menschen des Gebietes. 

Der Zebrawels wurde in Brasilien formell unter Schutz gestellt, sein Fang und Export als Zierfisch verboten. Das stieß bei den betroffenen Fischern in Altamira auf wenig Verständnis. Ihrer Meinung nach gab es genug Zebrawelse. Und auch die Zierfischfreunde in Asien, Amerika und Europa taten sich schwer mit dem Verbot, da die Art doch ohnehin aussterben wird, wenn der Staudamm gebaut wird. Wenngleich sich der seriöse Zierfischhandel an das Handelsverbot mit wild gefangenen Zebrawelsen hielt (bei Bedarf konnte man ja auf Nachzuchten ausweichen, auch wenn diese teuer waren) kam es, wie es kommen musste. Es entstand ein Schwarzmarkt für Wildfang-Zebrawelse, für die auf einmal wieder irrsinnige Preise bezahlt wurden. Diese Tiere wurden von Brasilien aus nach Kolumbien oder Peru geschmuggelt und von dort aus „ganz legal“ exportiert, denn weder in Peru noch in Kolumbien steht H. zebra unter Schutz. Wozu auch, er kommt dort ja nicht vor. Es war jedoch ein offenes Geheimnis, woher die angebotenen Tiere stammten. Auch hier machte der seriöse Zierfischhandel nicht mit, aber wie das nunmal mit verbotenen Früchten ist: manche finden sie gar zu köstlich. So richtig verstehen kann man den Hype um Wildfänge von L46 allerdings nicht, es gibt keinerlei optisch erkennbare Unterschiede zu Nachzuchtexemplaren. Aber wie gesagt, mit rationaler Herangehensweise ist menschliches Verhalten nicht immer zu erklären.

In Südostasien entstanden Züchtereien, die sich auf Zebrawelse spezialisierten und zehntausende von Exemplaren pro Monat produzieren und Brasilien setzte zunächst durch, dass der Zebrawels auf Anhang 3 von CITES gesetzt wurde (was das bedeutet, wird gleich erklärt). 

Bei der Vorbereitung der CITES-Konferenz in Panama wurde der Antrag gestellt, den Zebrawels in Anhang I aufzunehmen. Dieser Antrag wurde zunächst abgelehnt, da bei Hypancistrus zebra die dafür notwendigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vorlagen, die eine solche Aufnahme rechtfertigen würden. Aber schließlich setzten sich die Befürworter der Listung doch durch, allerdings nur in Anhang II. Dabei ist relativ klar, dass es nicht darum geht, den Schmuggel von Wildfängen zu unterbinden (der ist ja bereits illegal und könnte, entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt, jederzeit gestoppt werden). Vielmehr wollen rechts-außen Hardliner den internationalen Handel mit Nachzuchten aus Südostasien verhindern. Sie argumentieren: auch zu den Zeiten, als der Zebrawels noch völlig legal aus Brasilien exportiert werden durfte, wurde damit nie die Genehmigung Brasiliens erteilt, sie auch im Ausland nachzuzüchten und diese Nachzuchten zu vermarkten. Wer dies dennoch tue, bereichere sich am geistigen und kulturellen Eigentum des brasilianischen Volkes und betreibe Bio-Piraterie. Mit anderen Worten: nur weil man gemeinsam im Sandkasten spielt, darf man noch lange nicht alle Förmchen benutzen, auch wenn der Eigentümer der Förmchen etwas ganz anderes tut und sich für seine Förmchen nicht im geringsten interessiert.

Man kann davon halten, was man will: der Zebrawels ist jetzt auf Anhang 2 von CITES gelistet und damit der erste Zierfisch von Bedeutung, mit dem so etwas passiert. Terrarianer, Vogel- und Kleinsäugerhalter sind es gewohnt, mit CITES-gelisteten Tieren umzugehen, Aquarianer sind das nicht. Darum soll hier Klarheit geschaffen werden, wie das geht. Zunächst noch:

Was ist CITES, was die Anhänge?

Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre nahm die Naturzerstörung infolge des ungebremsten und absolut rücksichtslosen Wirtschaftswachstums weltweit noch nie dagewesene Ausmaße an. Damit einher ging ein katastrophales Artensterben. Die Erkenntnis, das bis zu 40% der bekannten Tier- und Pflanzenarten akut bedroht sind (manche Schätzungen liegen noch weit höher!) ist nicht neu, sondern über 50 Jahre alt. Prominente wie Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann, Horst Stern u.v.m. traten im Fernsehen und der Presse an, um bei der breiten Bevölkerung ein Bewusstsein für diesen Wahnsinn zu schaffen. Mit Erfolg! Schließlich kamen die politisch Verantwortlichen nicht mehr darum herum, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, zumal die Umweltverschmutzung auch den Rahmen der Wirtschaftlichkeit sprengte. Man bedenke: in den 1970er Jahren war der Rhein so vergiftet, dass kein Fisch mehr darin leben konnte. Als Kinder durfte meine Generation nicht in Bächen und Flüssen spielen, die Gefahr, sich dabei Schaden durch Giftstoffe zuzuziehen, war zu groß. Der Bodensee drohte, biologisch umzukippen. Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung war in ernster Gefahr. Also musste Natur- und Artenschutzgesetze geschaffen werden. Und diese mussten international gültig sein, denn Tierarten kümmern sich genauso wenig um Staatsgrenzen wie Flüsse oder die Luft. Als Grundlage für den Artenschutz nahmen die Politiker die Jagdgesetzgebung. Schließlich wurden Millionen von Krokodil- und Schlangenhäuten und Großkatzenfellen, Tonnen von Elfenbein und hunderttausende von harpunierten Großwalen gehandelt. Für diese prominenten Tierarten war der Ansatz auch ganz richtig, für die überwältigende Mehrheit der betroffenen Arten aber nicht. Wie Biologen von Anfang an immer wieder betonten: der einzige wirksame Artenschutz auf breiter Basis ist der Biotopschutz, also der uneingeschränkte Schutz der Lebensräume. Das ging den politisch Handelnden dann aber doch zu weit, denn das hätte bedeutet, dass große Areale Naturraum vor dem Zugriff des Menschen wirksam hätten bewahrt werden müssen. 

Als Ergebnis kam es 1979 zur Berner Konvention in der EU (offizieller amtlicher Titel: Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume), die im Wesentlichen den Handel mit wildlebenden Arten Europas unterbindet. Die Weiterentwicklung der Berner Konvention auf weltweiter Basis ist CITES. CITES bedeutet Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (= Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen). In CITES werden gefährdete Arten gelistet, die von hoher Attraktivität sind (sei es äußerlich, sei es wegen Inhaltsstoffen) und bei denen darum befürchtet werden muss, dass ein unkontrollierter Handel mit ihnen zu einem bedrohlichen Bestandsrückgang führen könnte. Diese Arten werden in drei Anhängen aufgeführt: Anhang 1 enthält Arten, deren Bestand in der Natur bedroht ist und für die ein gewerblicher Handel mit Naturentnahmen darum grundsätzlich verboten ist. Nur zu wissenschaftlichen Zwecken dürfen Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Anhang 2 enthält Arten, die in der Natur noch nicht gefährdet sind, bei denen aber zu befürchten ist, dass sie gefährdet werden könnten, wenn ein unkontrollierter Handel mit ihnen erlaubt wird. Und Anhang 3 enthält Arten, deren Handel man unter Beobachtung halten möchte, um im Falle eines übermäßigen Anstieges schnell handeln zu können.

Zuchtform eines Asiatischen Gabelbartes

Zierfische sind in Anhang 1 nur mit einer Art vertreten, dem Asiatischen Gabelbart (Scleropages formosus und einige sehr eng verwandte Formen, deren Artstatus umstritten ist). Diese bis zu 60 cm lange Art wird in Europa und Amerika zwar kaum gepflegt, ist jedoch im ostasiatischen Raum ein begehrter Glücksbringer. Es gibt Farmen, die sich auf Scleropages spezialisiert haben und die schon zahlreiche in der Natur nicht existierende Zuchtformen entwickelt haben. Scleropages hat vergleichsweise riesige Schuppen, weshalb jedes einzelne Tier, das in den Handel gelangt, unsichtbar mit einem Mikrotransponder gechippt ist. Zu jedem Fisch existiert ein Zertifikat – vergleichbar einer Geburtsurkunde in Verbindung mit einem fälschungssicheren Personalausweis – das beim Verkauf mitgegeben wird. So ist sichergestellt, dass keine Wildfänge in den Handel gelangen können (für die im übrigen auch gar kein Bedarf besteht). Alle anderen Fischarten in Anhang 1 sind nur für Zoos oder Schauaquarien interessant und können darum an dieser Stelle vernachlässigt werden.

Pfauenaugen-Stechrochen

Bei Anhang 2-Arten werden jedes Jahr Quoten festgelegt, wieviele Exemplare aus welchem Land für kommerzielle Zwecke aus der Natur entnommen werden dürfen. Um hier Missbrauch zu verhindern – etwa durch Bestechlichkeit – muss nicht nur eine Genehmigung des ausführenden Staates, sondern auch eine Genehmigung des importierenden Staates vorliegen. So kann – als Beispiel – Deutschland die Einfuhr bestimmter Arten verbieten, wenn die zuständigen Behörden den Eindruck gewinnen, der exportierende Staat erteile zu viele Ausfuhrgenehmigungen. In Anhang 2 stehen eine Reihe von Fischen, die für Meerwasseraquarianer interessant sind, etwa alle Seepferdchen (Hippocampus). Das ist zwar ärgerlich, da die Aquarienkunde rein gar nichts damit zu tun hat, dass Seepferdchen auf Anhang 2 stehen, sondern deren millionenfacher Gebrauch (bzw. Missbrauch) als getrocknete traditionelle Medizin, aber Meerwasseraquarianer sind ja generell höhere Preise gewohnt als ihre Süßwasserkollegen und da fallen die Mehrkosten für CITES nicht weiter in Gewicht. Aquaristisch bedeutsame Süßwasserfische standen bislang noch nie auf CITES 2. Das ist nun anders: Hypancistrus zebra und einige attraktive Süßwasser-Rochen, darunter Potamotrygon motoro (Pfauenaugen-Stechrochen) und die schwarzen Rochen (P. henlei, P. leopoldi) sowie P. wallacei, P.albimaculata, P. jabuti, P. marquesi und P. signata

Und was bedeutet das nun im Klartext?

Ich fragte konkret beim zuständigen Bundesamt für Naturschutz nach:

Guten Tag,

in der aktuellen CITES-Konferenz (CITES CoP-19) wurde u.a. beschlossen, Hypancistrus zebra (Zebrawels, L46) in Anhang II von CITES aufzunehmen. Damit ist erstmalig eine Süßwasser-Zierfischart in CITES gelistet. Da Zierfischzüchter keine Erfahrung im Umgang mit CITES-Arten haben, herrscht nun große Verunsicherung und ich erhalte viele Fragen hierzu, die ich in meinem Blog (www.aqualog.de) gerne allgemeingültig beantworten möchte. Insbesondere folgende Fragen bitte ich Sie, mir hierzu rechtsverbindlich zu beantworten:

1. Genügt es als Vorerwerbsnachweis die Tiere jetzt behördlich zu melden, auch wenn sie formell ja noch gar nicht auf Anhang II stehen?

2. Ab wann ist mit den offiziellen neuen CITES-Anhängen zu rechnen?

3. Ab wann werden diese in EU-Recht übernommen?

4. Ab wann wird das in Bundesrecht übernommen?

5. Welche Übergangsfristen gelten?

Herzlichen Dank im voraus,

mit freundlichen Grüßen,

Frank Schäfer

Und dies ist die Antwort:

Sehr geehrter Herr Schäfer,

wie Sie richtig festgestellt haben, wurde die Art Hypancistrus zebra bei der WA Vertragsstaatenkonferenz im November 2022 von Anhang III WA auf Anhang II WA hochgestuft.

Diese Änderung tritt international am 23.02.2023 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt gelten folgende Regelungen:

Für die Einfuhr in die EU ist ein CITES-Exportdokument vom Versendungsland zwingend erforderlich. Sollte zum Zeitpunkt der Einfuhr die Listung in der EU noch nicht rechtlich umgesetzt sein, können keine Einfuhrgenehmigungen erteilt werden, da hierfür die Rechtsgrundlage fehlt. In diesem Fall sollten die Einführenden das Original des CITES-Exportdokumentes der EU-Einfuhrzollstelle übergeben, die das Dokument an das BfN weiterleiten wird. Die Einfuhr wird registriert und dem Einführenden schriftlich bestätigt, dass sie rechtmäßig nach internationalem Inkrafttreten der Listung, aber vor Inkrafttreten der EU-Anhangsänderungen und somit ohne Einfuhrgenehmigung in die EU erfolgte.

Das ist für den weiteren Handel innerhalb der EU sowie für eventuelle Wiederausfuhren wichtig.

Für Aus- oder Wiederausfuhren aus der EU sind ab dem völkerrechtlichen Inkrafttreten der Listungsänderung Genehmigungen bzw. Bescheinigungen erforderlich. Die Tiere können ohne diese Dokumente nicht in das Bestimmungsland eingeführt werden. Auf dem Antragsformular ist in diesem Fall das Feld „EU-Anhang“ frei zu lassen.

Nachweisführung bei Vorerwerb

Für die Art Hypancistrus zebra besteht nach Unterschutzstellung für Händler eine Buchführungspflicht nach § 6 Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) und für private Halter eine Meldepflicht nach § 7 BArtSchV. Bitte kontaktieren Sie daher vor dem 23.02.2023 Ihre örtlich zuständige Artenschutzbehörde, um den Vorerwerb (Bestand vor dem 23.02.2023) feststellen zu lassen. Die lokalen Behörden sind für die Umsetzung und Kontrolle dieser Pflichten zuständig.

Eine Übersicht, in welchem Bundesland, welche Behörde zuständig ist, finden Sie unter https://www.bfn.de/zustaendigkeiten-im-artenschutzvollzug.

Nachzuchten können innerhalb der EU mit einem Zuchtnachweis (Muster in den Vollzugshinweisen zum Artenschutz, S. 197 https://www.bfn.de/regelungen#anchor-3400) weitergegeben werden.

Für weitere Informationen schauen Sie auch auf unsere Homepage unter https://www.bfn.de/thema/cites, die bei Änderungen zeitnah aktualisiert wird.

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag

Corinna Bertz

Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Bundesamt für Naturschutz

Résumé

Es ist also allen Haltern und Züchtern (m/w/d) DRINGEND anzuraten, ihre Tiere VOR dem 23.2.2023 bei ihrer zuständigen Behörde anzumelden und damit zu legalisieren. Nur so haben sie einen Rechtsanspruch, diese oder deren Nachzuchten später abzugeben. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die Tiere verschenkt oder verkauft werden.

Skorpione mit Familiensinn: Heterometrus cf. cimrmani aus Thailand

Skorpione gelten allgemein als Einzelgänger – zu Recht, sehen doch viele in ihren Artgenossen nur eine unnütze Belästigung oder eine willkomene Zwischenmahlzeit. Aber die eingeschworene Gemeinde der Skorpion-Fans weiß auch um die friedvollen, großen schwarzen Arten. Besonders beliebt sind deswegen die Kaiserskorpione (Pandinus imperator) aus Afrika. Die Schwestergattung Heterometrus aus Asien beeinhaltet jedoch auch pracht­volle, große schwarze Arten.

Heterometrus cf. cimrmani aus Thailand

Im Handel werden die großen schwarzen Arten meist als Heterometrus scaber bezeichnet. Diese Art kommt aber nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur in Indien vor und fehlt in Thailand und Vietnam – den Hauptexportnationen für solche Tiere für den Tierhandel. Aufgrund der besonders glatten und glänzenden Scherenoberseiten glaube ich, dass die hier besprochene Art zu Heterometrus cimrmani zu stellen ist. Leider wurden die Tiere nicht konserviert und eine Bestimmung nur nach Photos ist immer etwas unzuverlässig.

Äußerlich unterscheiden sich die ”Schwarzen Thaiskorpione”, wie sie um­gangs­sprachlich genannt werden, kaum von ihren Vettern aus Afrika. Heterometrus cimrmani wird etwa 12 cm lang und ist einfarbig lackschwarz gefärbt. Die Scheren sind groß und eindrucksvoll.

Der Kaiserskorpion, Pandinus imperator aus Westafrika ist Heterometrus cimrmani sehr ähnlich

Giftig oder nicht?

Grundsätzlich sind natürlich alle Skorpione giftig, d.h. sie besitzen am Schwanzende eine giftgefüllte Blase, die in einem Stachel endet. Die Giftwirkung eines Stiches auf den Menschen ist jedoch bei den einzelnen Arten sehr unterschiedlich. Es gibt Arten, wie den südamerikanischen Tityus serrulatus, mit dem es alljährlich zu einigen tödlich ver­laufenden Unfällen kommt und Arten, deren Stichwirkung in etwa der eines Bienenstiches ähnelt, also vergleichsweise harmlos ist. Wenn man aber andererseits bedenkt, dass Bienenstiche wegen allergischer Reaktionen der Gestochenen zu mehr Todesfällen führen, als etwa Giftschlangenbisse, relati­viert sich diese Aussage wieder etwas. Man sollte grundsätzlich jedes Gifttier vorsichtig behandeln und bei der Pflege jedes unnötige Risiko vermeiden.

Heterometrus cf. cimrmani von vorne gesehen

Es gibt bei Skorpionen kein äußeres Merkmal, das gefährliche von ungefährlichen Arten unter­scheidet. Aber es gibt einen Hinweis: Nahezu alle sehr giftigen Arten haben schwache, dünne Scheren, während nahezu alle vergleichsweise harmlosen Arten dicke und kräftige Scheren besitzen. Unser Hetero­metrus cf. cimrmani hat solche kräftigen Boxer­fäuste uns – siehe da – der Stich der Art gilt als harmlos.

Männchen von Heterometrus cf. cimrmani

Gruppenhaltung möglich

Auch bezüglich seines Sozialverhaltens ist Heterometrus cf. cimrmani – wie eingangs schon erwähnt – eine angenehme Art. In aus­reich­end großen Becken (ab 60 x 40 cm Bo­den­fläche) kann man sie in kleinen Gruppen pflegen. Da die Geschlechter nicht leicht auseinander zu halten sind (die Scheren sind bei Männchen und Weibchen unterschiedlich proportioniert) erhöht sich bei der Gruppenhaltung auch die Wahrscheinlichkeit, beide Geschlechter zu besitzen und somit züchten zu können. Nicht immer gelingt eine Vergesellschaftung (siehe den Kommentar zu einer früheren Version dieses Blogs von Dr. Heimann). Die Ursachen sind nicht bekannt, jedoch könnte es daran liegen, dass unabsichtlich unterschiedliche Arten zusammen gesetzt wurden. Die verschiedenen Heterometrus– und Pandinus-Arten sehen sich außerordentlich ähnlich und es können sogar im gleichen Import zwei oder mehr Arten enthalten sein. Im Terrarium werden artfremde Skorpionen gewöhnlich nicht toleriert!

In der Natur bewohnen Heterometrus cf. cimrmani feuchte Wälder und Grasland. Sie stören sich nicht an der Gegenwart des Menschen, ohne indes direkte Kulturfolger zu sein. Aber es fand sich z.B. ein Exemplar unter einem zu einer Hütte gehörigen Brett, das als Fuß­abtreter fungier­te, in einer Urwaldlodge in Süd-Thailand, das wir am Abreisetag zufällig anhoben. 10 Tage waren wir täglich über das stattliche Exemplar hinweg­getreten, ohne davon zu wissen!

Wanderer im Reich von Heterometrus

Wie alle Skorpione ist auch der Schwarze Thaiskorpion ein nachtaktives Tier. Den Tag verbringt es in Höhlen, unter Steinen, totem Holz etc. Im Terrarium bietet man den Tieren leicht feuchte Gartenerde als Bodensubstrat, die man 5-10 cm hoch ein­füllt. Einige flache Steine und Holzstücke werden zu Versteckmöglichkeiten gebaut, wobei man darauf achten muss, dass die kräftigen Skorpione etwaige Steinaufbauten weder unterwühlen noch zum Einsturz bringen können.

Heterometrus laoticus ist ein schlanker Vertreter der Gattung

Eine spezielle Heizmög­lichkeit ist nicht nötig, Raumtemperatur genügt. Umgekehrt sollte die Temperatur 28°C möglichst nicht überschreiten. Wichtig ist, dass immer eine flache Schale mit frischem Trinkwasser zur Verfügung steht. Gefressen werden alle Insekten passender Größe. Da Skorpione reine Fleischfresser sind, kann man das Terrarium beliebig bepflanzen.

Treusorgende Mama

Die Paarung ist bei Skorpionen, die über keine Kopulationsorgane verfügen, eine komplizierte Angelegenheit. In einem verzwickten ”Hochzeitstanz”, bei dem sich die Partner bei den Scheren gepackt halten, synchronisieren sich die Tiere. Das Männ­chen klebt schließlich einen Behälter, der die Spermien enthält, eine sog. Sperma­tophore auf dem Boden fest und führt das Weibchen über die Sperma­tophore, das sie mit ihrer auf der Bauchseite gelegenen Geschlechts­öffnung aufnimmt. Eine über die Paarung hinaus gehende Paarbindung besteht nicht.

Das kammförmige Organ ist allen Skorpionen eigen. Dies ist ein Weibchen von Heterometrus cf. cimrmani.

Während der Trächtigkeit nimmt das Weibchen erheblich an Umfang zu. Anders als z. B. Krebse, die einen rundum geschlosse­nen Panzer besitzen, der sich nicht dehnen kann, ist der Chitinpanzer der Skoprione an den Flanken weich und dehnbar, so dass nach einer ausgiebigen Mahlzeit oder auch während der Schwanger­schaft ein Skorpion deutlich runder als zuvor aussieht. Die Jungen werden lebend geboren und sind schon ziemlich groß. Im hier fotografierten Fall waren es 27 Stück. Sie sind zunächst schneeweiß und sehen den Erwachsenen nicht sehr ähnlich. Die Kinder versammeln sich auf dem Rücken der Mama und zehren hier von ihren Dottervorräten. Bis zur ersten Häutung nehmen sie keine externe Nahrung auf. Nach der ersten Häutung sind sie immer noch weiß, aber bereits Minaturskorpione. Bei den meisten Skor­pions­arten erlischt nun der Brutpflegetrieb, die Jungen verlassen Mutters Rücken und verstreuen sich in der Umgebung. Oft entwickelt Mama sogar kannibalische Gelüste und verzehrt ihren Nachwuchs.

Dieser Heterometrus cf. cyaneus hatte eine üppige Mahlzeit, wie man an den Flanken gut erkennen kann. Diese Art hat im Gegensatz zu H. cf. cimrmani deutlich granulierte Scheren.
H. cf. cimrmani: die Schar der neugeborenen Jungtiere wird auf dem Rücken der Mutter umhergetragen.

Nicht so bei Heterometrus cf. cimrmani. Die Brut bleibt geschlossen bei dem Muttertier. Bis zur zweiten Häutung suchen sie nach wie vor den Rücken der Mutter auf, die den noch weichen und kleinen Skopionen sogar größere Beutetiere erlegt und zerkleinert, so dass die Jungen daran fressen können. Nach der zweiten Häutung sind die Jungtiere hell beige gefärbt. Nun ist mit dem Rücken der Mutter endgültig Schluss, doch unter ihr ver­kriechen sich die Kleinen immer noch gerne. Obwohl die Mutter in dem hier geschil­derten Fall 4 Monate ihre Jungen um sich duldete und sie nicht fraß, dezimierten sich die Jungen untereinander jedoch ab der vierten Häutung beträchtlich. Es bedarf noch weiterer intensiver Beobachtungen, um zu erforschen, ob der Geschwister­kanniba­lis­mus nur Folge von einem zu geringen Nahrungsangebot war, oder regelmäßig auftritt.

Alles in allem sind Skorpione der Gattung Heterometrus faszinierende Terrarientiere, an denen es noch viel zu beobachten und zu erforschen gibt.

Frank Schäfer

Literatur:

Kovařík, F. (2004): A review of the genus Heterometrus Ehrenberg, 1828, with descriptions of seven new species (Scorpiones, Scorpionidae). Euscorpius, 2004 (15), 1-60.


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Polypterus senegalus – ein Geisterfisch ?!

Seit einiger Zeit findet man im Zoofachhandel seltsame, schneeweiße bis elfenbeinfarbene, zigarrenförmige Fische mit rubinroten Augen. Um was es sich dabei wohl handelt?

In Asien werden Albinos des Senegal-Flösselhechtes kommerziell als Aquarienfische gezüchtet.

Es sind Albinos einer der ältesten Fisch­arten dieses Planeten, eines so genann­ten lebenden Fossils: des Senegal-Flössel­hech­tes, Polypterus senegalus. Angeb­lich hat  man Fossilfunde dieser Art entdeckt, die 60 Millionen Jahre alt sein sollen. Zu dieser Zeit beherrschten noch die Dinosau­rier die Erde!

Erfinder der Gentechnik

Halbwüchsiger Wildfang des Senegal-Flösselhechtes aus Nigeria.

Die Dinosaurier sind gegangen, geblieben sind die Flösselhechte. Ihre Existenz – zur Zeit unterscheidet man 13 Arten – ist ein Rätsel. Warum haben sie so lange überlebt, obwohl doch ganze Tierklassen in viel kürzeren Zeit­räumen für immer von diesem Planeten ver­schwanden? Und wie passen sie sich den immer wieder drastisch wechselnden Um­welt­bedingungen an? Zumindest auf die letzte Frage geben DNS-Untersuchungen eine Antwort: durch Hybridisierung! Die Erbsubstanz beweist eindeutig, dass sich ver­­schiedene Arten von Flösselhechten immer wieder einmal miteinander gekreuzt haben. Zwar sind die Hybriden, die aus sol­chen Kreuzungen hervorgehen, untereinan­der nicht fortpflanzungsfähig (zumindest gibt es keinen Hinweis darauf, dass derarti­ges in der Natur vorkäme), aber sie können sich mit den Elternarten paaren. Bei Haus­tieren spricht man in solchen Fällen von Rück­kreuzungen. Dabei wird dann neues genetisches Material in die Population ein­ge­schleust, dass offen­bar fit macht für den Überlebenskampf. Man sieht, Gentechnik ist keine Erfindung des Menschen, manche Fische praktizieren sie bereits seit Jahrmillionen.

Überlebenskünstler

Ein voll erwachsenes Wildfang Männchen von etwas über 25 cm Länge.

Hinzu kommt aber sicher auch das sagen­hafte Überlebenspaket, das die Natur für die Flösselhechte geschnürt hat. Ihre Konstruk­tion ist derart bewährt, dass es scheinbar kaum etwas zu verbessern gibt. So atmen diese Fische nicht nur durch Kiemen, sondern auch durch Lungen. Ihren Körper umgibt ein Kettenhemd aus rautenartigen Knochenplatten, den so genannten Ganoid-Schuppen, die die Fische fast unverletzbar machen (jedenfalls verglichen mit den zarten Schuppen der meisten anderen Fische). Flösselhechte sind reine Fleisch­fresser und als wechselwarme Tiere, die nicht – wie wir Menschen – den größten Teil der mit der Nahrung aufgenommenen Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertempe­ratur verbrauchen, kommen sie mit wenig Nahrung lange aus. Für Fressfeinde sind die Flösselhechte ihrerseits wenig attraktiv. Ihre einzelnen Rückenflösschen, die so genann­ten Flössel, sind rasiermesserscharf – das kratzt ordentlich beim Schlucken! Noch ist die Humanmedizin nicht auf die Flössel­hechte aufmerksam geworden, aber es ist sehr zu vermuten, dass diese Überlebens­künstler sogar über Mittel verfügen, Krebs und krankmachende Viren zu besiegen.

Kleine Drachen

Diese Zwergform des Senegal-Flösselhechtes wird nur knapp 10 cm lang.

Im Aquarium sind Flösselhechte sehr gut haltbare und interessante Studienobjekte. Da es sich allerdings um Raubfische handelt, werden sie in Mitteleuropa hauptsächlich von Spezialisten gepflegt. In Asien hingegen sind sie sehr populär. Sie erinnern an den Drachen, ein glückbringendes Fabeltier. Und aus Süd­ostasien kommen auch die Albino-Nach­zuch­ten von Polypterus senegalus. Albi­no­tische Tiere üben nicht nur in Asien, son­dern auch in unserer Heimat eine große Fas­zi­na­tion auf den Menschen aus. Man denke nur an die Mythen und Legenden, die sich um weiße Hirsche drehen. Einhörner werden immer als weiße Tiere dargestellt. Und Herman Melville wählte in seinem Roman „Moby Dick“ einen weißen Pottwal als Sinn­bild für die unbezwingbare Natur, gegen die sich aufzulehnen immer Verderben bringt.

In diesem Kontext sind auch die albino­ti­schen Zuchtformen zu sehen, die die Aqua­ria­­ner in zwei Lager spalten: die, die sie als über­flüssige Kunstkreaturen ablehnen und die, die von ihrer reinen weißen Farbe fasziniert sind.

Fakten zum Senegal-Flösselhecht

Eine sehr seltene, platinfarbene Mutante des Senegal-Flösselhechtes mit schwarzen Augen.

Polypterus senegalus ist weit im westliche und zentralen Afrika verbreitet. Importe von Wild­fängen kommen gewöhnlich aus Nigeria. Farblich variiert die Art kaum, sie sieht im Wesentlichen überall gleich aus: grau mit wenigen, winzigen schwarzen Tüpfeln. Die Flossen sind weißlich-grau. Nur eine Zwerg­form aus Nigeria, die bereits mit etwa 10 cm Länge Geschlechtsunterschiede auf­weist, hat gelbliche Flossen. Die Maximal­länge des Senegal-Flösselhechtes liegt bei etwa 30 cm, anders­lautende Literatur­angaben beruhen auf Verwechslungen mit anderen Flössel­hecht-Arten. Die Ge­schlechts­reife setzt bei einer Länge von etwa 20 cm im Alter von rund zwei Jahren ein. Die Männchen sind kleiner und schlanker als die Weibchen und haben eine stark vergrößerte Afterflosse, die bei der Paarung schüsselför­mig von unten um das Weibchen ge­schlungen wird. Darin werden die hirse­korn­großen Eier aufge­fangen und befruchtet. Die Larven, die aus den Eiern schlüpfen, sehen ganz anders als die Eltern aus und erinnern eher an Molchlarven, denn sie haben äußere Kie­men­büschel. Ganz junge Senegal-Flössel­hechte sind zudem braun-weiß längs ge­streift, doch verliert sich diese Kinder­zeich­nung bereits bei einer Länge von etwa vier Zentimetern.

Ganz junge P. senegalus sind gestreift und haben Außenkiemen wie Molche.

Aus dem Kongo wurde eine Unterart beschrieben, Polypterus senegalus meridionalis. Der Unterschied zur Nominatform soll in der Dauer liegen, während der die äußeren Kiemen erhalten bleiben. Ich habe die Typusexemplare von meridionalis im Afrika-Museum in Tervueren nachuntersucht. Zumindest an den konservierten Exemplaren sind keinerlei Unterschiede zu normalen P. senegalus aus Nigeria festzustellen. Die Unterart hat also keine Gültigkeit, P. s. meridionalis ist ein Synonym zu P. senegalus.

Diese beiden Bilder zeigen den in Paris hinterlegten Holotypen von Polypterus senegalus, oben die Totale, darunter der Kopf von oben. Der Holotyp ist das namentragende Exemplar, auf dem die Art beruht. Das Exemplar hat die Sammlungsnummer MNHN 5765.
Diese beiden Bilder zeigen eines der Typenexemplare (ein Holotyp wurde nie festgelegt, es existieren etliche einander gleichwertige Syntypen) von P. s. meridionalis. Es ist im Afrikamuseum in Tervueren, Belgien, deponiert und hat die Sammlungsnummer MRAC 20656. Es gibt, wie man sehen kann, keinerlei Unterschied zu P. senegalus, weshalb der Name Polypterus senegalus meridionalis ein ungültiges Synonym darstellt.

Senegal-Flösselhechte im Aquarium

Dieses alte Weibchen wurde im Laufe der Jahre im Aquarium fast schwarz.

Die Pflege von Polypterus senegalus ist sehr leicht. An die chemische Wasserzusammensetzung wer­den keinerlei Ansprüche gestellt, man kann sie in jedem Wasser pflegen, das auch als Trink­wasser für den Menschen taugt. Unter­einander und gegen Fische, die nicht als Futter in Frage kommen, sind Senegal-Flösselhechte vollkommen friedlich. Am besten pflegt man sie in einer kleinen Gruppe von 4-6 Exem­plaren. Das Aquarium sollte dafür rund 120 cm lang sein. Die Einrichtung ist für die Flösselhechte ohne Belang, man sollte den etwas steifen Tieren allerdings genug freien Schwimmraum lassen und das Becken nicht zu dicht bepflanzen. Eine mäßige Strömung, ein weicher, sandiger Boden, gedämpftes Licht (Flösselhechte sind dämmerungs- und nachtaktiv) und eine Wassertemperatur von 24-28°C (zeitweise zur Zucht-Stimulation auch niedriger, unter 18°C sollte die Tem­peratur aber besser nicht sinken) sorgen bei Senegal-Flösselhechten für Wohlbefinden. Als Futter eignet sich am besten grobes Frost­futter (Muscheln, Shrimps, Stinte, Tinten­fisch etc.), dazu reicht man gelegentlich Le­bend­futter in Form von Regenwürmern, auch Mehlkäferlarven (Mehlwürmer) werden sehr gern gefressen. Wöchent­lich tauscht man ca. 25% des Wassers aus. Zur Zucht setzt man einige Wochen mit dem Wasserwechsel aus und senkt während dessen die übliche Pflege­temperatur. Dann führt man kurz hinter­einander (im Abstand von 1-2 Tagen) mehrere große Wasserwechsel durch (80-90% des Beckeninhalts), wofür man mög­lichst etwas weicheres Wasser ver­wen­det. Anschließend erhöht man die Temperatur auf ca. 28°C. Die Männchen treiben recht heftig und balzen mit weit gespreizter Afterflosse, der Laich wird frei im Becken verstreut. Je nach Größe des Weibchens können es viele hundert Eier sein. Eine Brutfürsorge üben Flösselhechte nicht aus, eher werden sie dem Laich durch Fressen gefährlich. Die Aufzucht der Jungtiere ist leicht, sie fressen von Anfang an Artemia-Nauplien und gewöhnen sich bald an eine Fütterung mit Granulat.

Im Aquarium werden Senegal-Flösselhechte ziemlich alt und können deutlich über ein Jahrzehnt leben. Sie sind nicht krankheitsanfällig, aber eine Besonderheit sollte hier trotzdem Erwähnung finden. Wildfänge kommen, wie bereits erwähnt, meist aus Nigeria. Manchmal kommen die Tiere mit starkem Parasitenbefall an, verursacht durch den Saugwurm Macrogyrodactylus polypteri. Das ist ein Verwandter der im Aquarium häufig vorkommenden, sehr lästigen Gyrodactylus und Dactylogyrus-Würmer. Wie diese stellt er keine unmittelbare Gefahr für den befallenen Fisch dar, der Parasit schwächt jedoch sein Opfer und die Saugstellen sind Eintrittspforten für bakterielle und Pilzinfektionen.

Frisch importierter Polypterus senegalus mit starkem Befall durch Macrogyrodactylus polypteri, einem Haken-Saugwurm.

Macrogyrodactylus polypteri ist, soweit bekannt, wirtsspezifisch, lebt also nur auf Flösselhechten und dem Flösselaal. Im Senegal wurden vor wenigen Jahren weitere Macrogyrodactylus-Arten identifiziert. Dort kann Polypterus senegalus von bis zu drei Arten befallen sein! Zwei Arten dieser Monogenea wurden auch auf einem anderen Wirt nachgewiesen, nämlich Clarias anguilloides, einem Froschwels, wo sie Haut und Kiemen parasitierten. Die aus aquaristischer Sicht gute Nachricht ist: Macrogyrodactylus polypteri ist lebendgebärend. Das ist darum günstig, weil man sie dadurch gut bekämpfen kann. Eierlegende Haken-Saugwürmer (Dactylogyrus) sind hingegen eine Heimsuchung, ihre Bekämpfung ein klassischer Kampf gegen Windmühlen, denn ihre Eier sind praktisch unangreifbar. Da die Eier tage-, wochen- oder monatelang liegen können, bis sie schlüpfen, weiß man nie, ob man die Plagegeister wirklich los geworden ist. Ob die Fische am Ende an einer Schwächung durch Wurmbefall sterben oder an den ständigen Medikamenten, die ja auch alles andere als harmlos sind, ist letztlich egal. Aber wie gesagt, Macrogyrodactylus polypteri ist legendgebärend und in aller Regel genügt eine klassische Wurmkur, um sie dauerhaft loszuwerden.

Frank Schäfer


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Die Panzerwelse aus Kolumbien und Venezuela

Die Gattung Corydoras ist mit 230 nominalen Arten, von denen 166 allgemein als anerkannt gelten (fishbase, 2022), ungeheuer artenreich. Und es ist allgemein bekannt, dass noch längst nicht alle Arten wissenschaftlich erfasst und bearbeitet sind. Das C-Nummern-Register – im Jahr 1993 von Hans-Georg Evers analog zu den L-Nummern ins Leben gerufen – umfasst 159 Nummern, von denen aktuell 33 wissenschaftlich beschrieben sind. Als die C-Nummern bei der DATZ eingestellt wurden, führte Ian Fuller das Prinzip, nur unsicher oder gar nicht bestimmbare Corydoradinae mit einem Zahlencode zu versehen, fort. Man kann das CW-Nummern-Register auf Ians Homepage einsehen: https://www.corydorasworld.com
Aktuell sind 182 CW-Nummern vergeben, von denen 10 wissenschaftlich beschriebenen Arten zugeordnet werden konnten und eine als Hybrid erkannt wurde. Bleiben also 297 Phänotypen (C- und CW-Nummern), die potentiell neue Arten sein könnten. Und es gibt noch mehr, die man nur von Photos kennt. Zusammengenommen – also C-, CW-Nummern und beschriebene Arten – bedeutet das, das man einen zu bestimmenden Panzerwels gegenwärtig mit 463 anderen Panzerwelsen vergleichen muss, um (hoffentlich) zu einem Ergebnis zu kommen.

Die erste Corydoras-Art überhaupt, die wissenschaftlich bekannt wurde, ist C. punctatus (Bloch, 1794) aus Surinam. Die Gattung Corydoras gab es damals noch nicht. Es hat sich viel getan in der Zwischenzeit.


Es ist darum von Zeit zu Zeit angezeigt, einen Überblick über die aquaristisch bekannten Corydoras-Arten zu liefern, entweder in Form von phänisch (= im äußeren Erscheinungbild, ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche Beziehungen) ähnlichen Arten/Unterarten/Lokalvarianten oder in Form von geografisch orientierten Checklisten. 1980 publizierten Han Nijssen und Isaac Isbrücker die erste moderne Gesamtübersicht über die bis dahin bekannten Corydoras-Arten. Sie wiesen auf die großen taxonomischen Probleme innerhalb dieser Gattung hin und unterschieden letztendlich 99 Arten und Unterarten, die sie fünf Großgruppen zuordneten: 31 Arten in einer punctatus-Gruppe, 11 in einer barbatus-Gruppe, 25 in einer aeneus-Gruppe, 8 in einer elegans-Gruppe und 19 in einer acutus-Gruppe. Diesem Gesamtüberblick ließen die beiden Autoren 1983 eine Übersicht über die Corydoras-Arten Kolumbiens (ohne die Amazonas-Arten des Landes) folgen; sie erfassten 12 Arten für das Land, zwei davon (Corydoras delphax und C. loxozonus) waren neu für die Wissenschaft. Ebenfalls den kolumbianischen Arten widmete Castro (1987) eine Studie, in der 24 Arten, darunter ebenfalls zwei neue (C. cortesi und C. esperanzae) für das Land gemeldert wurden, also schon doppelt so viele wie fünf Jahre vorher (wobei Castro allerdings auch amazonische Arten berücksichtigte). Die aktuellste Checkliste der Fische Kolumbiens (DoNascimiento et al., 2017) führt 20 amazonische und 15 Arten aus dem Orinoko auf, also 35 Arten insgesamt. Da es mir wenig sinnvoll erscheint, den Orinoko und seine Zuflüsse in Kolumbien und Venezuela aufzuteilen, will ich an dieser Stelle die beiden Orinoko-Staaten Kolumbien und Venezuela ichthyofaunistisch zusammenfassen, bin mir dabei aber durchaus darüber bewusst, dass die Aufnahme der amazonischen Arten ein wenig willkürlich ist, da sie auch in Ecuador und/oder Peru und/oder Brasilien vorkommen können.

Der Orinoko und der Amazonas sind durch den natürlichen Casiquiare-Kanal miteinander verbunden; es gibt also keine scharfe zoogeografische Trennung zwischen den Fischfaunen der beiden größten Flüsse Südamerikas. Dennoch gibt es in Kolumbien und Venezuela endemische Arten, also nur dort vorkommende Arten, die in den angrenzenden Staaten Ecuador, Peru und Brasilien fehlen. Dabei handelt es sich ausschließlich um Arten des Orinoko-Einzugs, während alle amazonischen Arten Kolumbiens und Venezuelas auch in Nachbarstaaten vorkommen. Die Karte oben zeigt links die Gesamtheit von Orinoko- und Amazonas-Becken und rechts im Detail die Verbindungen des Casiquiare. Corydoras-Arten gibt es nur östlich der Anden.
nach Laraque, A., Lopez, J. L., Yepez, S. & P. Georgescu (2019): Water and Sediment Budget of Casiquiare Channel Linking Orinoco and Amazon Catchments, Venezuela. Water 2019, 11, 2068; doi:10.3390/w11102068

Im kommenden Bookazine #13 wird ein großer Teil des Inhalts den Panzerwelsen dieser Region gewidmet. Leider hat auch mich das Corona-Virus letztendlich noch erwischt. Durch die Erkrankung wird sich das Erscheinen des Bookazines, das eigentlich im Dezember 2022 herausgegeben werden sollte, auf Januar oder Februar 2023 verzögern. Ich bitte dafür um Verständnis und Entschuldigung. Dieser Franky Friday bringt einige Teile der Einleitung des Artikels, um die Wartezeit etwas zu überbrücken.

Ein gewaltiges Problem bei der Zuordnung von Corydoras-Arten besteht darin, dass sie über einen sehr generalisierten Körperbau verfügen, weshalb es nur ganz wenige anatomische Merkmale gibt, anhand derer man Arten gegeneinander abgrenzen kann. Zwar gibt es anatomisch definierte Gruppen, von denen Aspidoras, Brochis und Scleromystax auch auf Gattungsebene unterschieden werden, aber bei anderen Gruppen, für die verfügbare Gattungsnamen existieren, wie Gastrodermus Cope, 1878 für die Arten der C. elegans-Gruppe, Hoplisoma Swainson, 1838 für den Komplex um C. punctatus/ julii/ trilineatus, Microcorydoras Myers, 1953 für C. hastatus und Osteogaster Cope, 1894 für C. eques & Co., schreckt man gegenwärtig noch aufgrund der gewaltigen Formenfülle davor zurück, diese Gattungsnamen „offiziell“ zu gebrauchen. Freilich ist es nur eine Frage der Zeit, bis man es tun wird. Denn eine ganz ähnliche Situation lag bei den mittelamerikanischen „Cichlasoma“ oder den asiatischen „Puntius“ vor und siehe da: die Welt ging nicht unter, als man sie provisorisch erst mal grob vorsortierte und den Feinschliff dann erst nach und nach vornahm. Momentan behilft man sich noch mit einem Provisorium, das darin besteht, einen zu besprechenden Panzerwels „Linien“ (auf englisch: „lineages“) zuzuorden, diese Linien aber nicht zu benennen, sondern nur zu numerieren. Dabei ist eine Linie oder eine Klade (Klade: Ein Vorfahre (ein Organismus, eine Population oder eine Art) und alle seine Nachkommen (International Society for Phylogenetic Nomenclature)) nichts anderes als eine Gattung, nämlich eine als monophyletisch angenommene Einheit. Mit anderen Worten: in eine Klade zusammengefasste Arten haben einen gemeinsamen Vorfahren (zumindest nimmt man das an) und sind untereinander enger verwandt als mit Vertretern anderer Kladen. Die Abgrenzung der Kladen erfolgt aufgrund anatomischer Gemeinsamkeiten oder Unterschiede und neuerdings auch anhand von genetischen Untersuchungen (DNS); hinzu kommen Färbung und Verhalten. Es bleibt dabei aber immer schwierig, zufällige Parallelentwicklungen (so genannte Analogien) von tatsächlich auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführende Eigenschaften (sogenannte Homologien) zu trennen. Und auch die Genetik ist kein Allheilmittel. DNS-Untersuchungen zeigen lediglich den Verwandtschaftsgrad zweier untersuchter Individuen, nicht aber, ob es sich dabei um verschiedene Arten oder gar um verschiedene Gattungangehörige handelt. Diese Entscheidung trifft immer der Forscher, meist aufgrund statistischer Abschätzungen. Komplex wird es immer bei Artengruppen, in denen Hybridisierungen häufig sind (und das kommt in der Natur deutlich öfter vor, als es noch vor wenigen Jahren möglich schien).

Brochis splendens aus Peru. Diese Art kommt auch in Kolumbien vor.

Manchmal ist auch die angewandte Methode offenkundig ungeeignet und führt dann zu schrägen Interpretationen. Das geschah z.B. bei Brochis. Es gibt keinen Zweifel, dass die Abgrenzung von Brochis Cope, 1871 gegen Corydoras Lacepède, 1803 (s. str., also im engeren Sinne, dass sind bestimmte Langschnäuzer aus dem engeren Verwandtschaftskreis um C. geoffroy, der Typusart der Gattung Corydoras) gerechtfertigt ist. Bereits das Merkmal der langen Rückenflosse (kein Corydoras s. str. hat mehr als 7 Weichstrahlen in der Rückenflosse, kein Brochis weniger als 9) reicht dafür aus, es gibt weitere Merkmale. Man könnte mit mehr Berechtigung die drei akzeptierten Brochis-Arten (B. britskii, B. multiradiatus und B. splendens) in jeweils monotypische Gattungen stellen, als sie mit Corydoras zu lumpen (also zu vereinigen). Auch die vorliegenden DNS-Untersuchungen zeigen, dass Brochis eine gemeinsame Entwicklungslinie darstellen. Der Grund, die Gattung einzuziehen, bestand darin, dass die drei Brochis bei einen Stammbaum, der alle (oder sehr viele) Panzerwelsarten umfasst, inmitten anderer Corydoras „eingenistet“ sind. Nur wenn man postuliert, dass alle beschriebenen Corydoras auch weiterhin in eine einzige Gattung zu stellen sind, ist es gerechtfertigt, Brochis zum Synonym von Corydoras zu erklären. Da es jedoch völlig ausgeschlossen ist, dass die Gattung Corydoras im weitesten Sinne monophyletisch ist, ist die Synonymisierung von Brochis mit Corydoras jedoch ein unnötiger Schritt rückwärts und wird auf breiter Ebene nicht akzeptiert. Anders als bei Artnamen, die von späteren Bearbeitern höchsten grammatikalisch dem Geschlecht des Gattungsnamens angepasst werden (und auch das nur, wenn sie Adjektive darstellen), ansonsten aber angewendet werden müssen (es sei denn, man möchte sich lächerlich machen), gibt es keine allgemein verbindlichen Gattungszuordnungen. Auf dieser Ebene trifft jeder damit befasste Wissenschaftler seine persönliche Entscheidung, in die sich niemand einmischen darf. Die Aussage z.B. „Brochis splendens heißt jetzt Corydoras splendens“ ist darum in dieser Form falsch. Richtig muss es heißen: „Nach Auffassung einiger Wissenschaftler reichen die Unterschiede zwischen den traditionell zu Brochis gestellten Arten gegenüber der Formenvielfalt, die derzeit in der Sammelgattung Corydoras zusammengefasst wird, nicht aus, um den Status einer eigenständigen Gattung zu rechtfertigen. Da jedoch innerhalb von Corydoras im weitesten Sinne die Brochis-Arten eine gut abgrenzbare Klade darstellen und die Gattung Corydoras im weitesten Sinne unumstriten polyphyletisch ist und somit der Aufteilung in natürliche, monophyletische Einheiten bedarf, wird der Gattungsname Brochis von in einer Vielzahl von Publikationen weiterhin verwendet.“
Folgende Kladen werden gegenwärtig in Anlehnung an das Modell von Nijssen & Isbrücker (1980), Britto (2003), modifiziert durch Fuller (2022, online-Version) und schließlich modifiziert durch Schäfer (2022, diese Arbeit) unterschieden:

Corydoras geoffroy, die Typusart der Gattung Corydoras. Nur die engsten Verwandten dieser ungewöhnlichen Art aus Französisch Guiana werden langfristig in der Gattung Corydoras verbleiben.


Linie 1: Corydoras sensu stricto, also im engeren Sinne. Das sind sattelschnäuzige Panzerwelse, die im Habitus der Typusart von Corydoras, C. geoffroy, entsprechen. Corydoras geoffroy ist erst in den letzten Jahren etwas besser bekannt geworden und unterscheidet sich von allen anderen Arten dieser Klade durch die enorm verlängerten Brustflossenstacheln geschlechtsreifer Männchen. Ähnliches findet man sonst nur bei einigen Arten der Linie 3 (Scleromystax). Folgende Arten ordnet man gegenwärtig Linie 1 zu (Arten die aus Kolumbien und Venezuela bekannt sind, werden fett gedruckt):
C. acutus, C. amapaensis, C. approuaguensis, C. areio, C. aurofrenatus, C. blochi, C. cervinus, C. coriatae , C. desana, C. fowleri, C. fulleri, C. geoffroy, C. heteromorphus, C. maculifer, C. narcissus, C. negro, C. orcesi, C. ourastigma, C. oxyrhynchus, C. pastazensis, C. saramaccensis, C. sarareensis, C. semiaquilus, C. stenocephalus, C. septentrionalis, C. serratus, C. simulatus, C. solox, C. spilurus, C. treitlii, C. vittatus, C. zawadzkii, sowie die C-Nummern 8, 16, 24, 28, 29, 38, 42, 47, 51, 53, 61, 63, 77, 78, 86, 92, 94, 95, 99, 109, 124, 127, 145, 149, 153, 155 und die CW-Nummern 12, 53, 55, 59, 66, 73, 75, 80, 120, 128, 149, 156

Aspidoras-Arten werden der Klade 2 zugeordnet. Sie kommen nur im südlichen Südamerika vor und werden darum an dieser Stelle nicht weiter berücksichtigt. Das Bild zeigt Aspidoras albater (Syn.: A taurus).


Linie 2: Aspidoras; auf eine Aufzählung der Arten verzichte ich, da diese Klade im besprochenen Gebiet nicht auftritt.

Scleromystax – dies ist ein Männchen von S. barbatus – sind im besprochenen Gebiet ebenfalls nicht vertreten, auch diese Gattung ist auf das südliche Südamerika beschränkt.


Linie 3: Scleromystax; auch hier verzichte ich auf eine Artaufzählung, kein Scleromystax kommt in Kolumbien oder Venezuela vor.

Corydoras pygmaeus aus Kolumbien.


Linie 4: Microcorydoras; hierzu zählt man gemeinhin C. guapore, C. hastatus, C. marmore, C. paucerna, C. pygmaeus.

Corydoras elegans aus Kolumbien
„Aspidoras“ pauciradiatus kommt aus dem zentralen Rio-Negro-Gebiet. Er wird nur etwa 3 cm lang. Seltsamerweise wurden die der wissenschaftlichen Beschreibung zugrunde liegenden Exemplare angeblich im Rio Araguaia nahe der Stadt Aruana, etwa 2.000 km von den üblichen Fangplätzen der Art entfernt, gesammelt. Dort konnten sie seither nicht wieder gefunden werden. Diese Art ist so speziell, dass für sie mit Sicherheit eine monotypische Gattung aufgestellt werden muss. In der aktuellen Revision der Gattung Aspidoras durch Tencatt et al. (2022) wurde die Art provisorisch in Corydoras gestellt, wo sie allerdings ebenso deplatziert wie in Aspidoras ist.


Linie 5: Gastrodermus: die C. elegans-Gruppe, sie umfasst C. bilineatus, C. elegans, C. gracilis, C. latus, C. nanus, C. napoensis, C. nijsseni, C. undulatus. Manchmal wird auch Aspidoras pauciradiatus hier untergebracht, eine Ansicht, die ich aber nicht teile. Dieser Panzerwels ist so einzigartig, dass er m. E. in eine monotypische Gattung gehört. Es bestehen deutliche Bezüge von Linie 5 zu Linie 8c. Ich sehe Corydoras geryi und C. pantanalensis eher in Linie 5 als als dort. Zu Linie 5 gehören die C-Nummern 41, 88, 89, 123, 126, 132 und die CW-Nummern 8, 18, 19, 22, 29, 33, 44, 48, 56, 64, 87, 96, 100, 105, 110, 123, 131, 144

Corydoras paleatus, ein Vertreter der Klade 6a
Corydoras habrosus aus Kolumbien, Klade 6c
Corydoras reynoldsi aus Kolumbien, Klade 6e.


Linie 6: Eine sehr uneinheitliche Klade, die im Wesentlichen die Corydoras paleatus-Gruppe abdecken sollte, m. E. viel zu weit gefasst ist und der Unterteilung bedarf:
Linie 6a: C. carlae, C. diphyes, C. ehrhardti, C. flaveolus, C. froehlichi, C. gryphus, C. longipinnis, C. micracanthus, C. paleatus, C. petracini, C. steindachneri, C114.
Linie 6b: C. albolineatus, C. potaroensis.
Linie 6c: C. benattii, C. cochui, C. habrosus.
Linie 6d: C. baderi, C. nattereri.
Linie 6e: C. ortegai, C. reynoldsi, C. tukano

Metallpanzerwels, moderner Aquarienstamm.
Wildfangexemplar eines Metallpanzerwelses aus Kolumbien, Orinoko-Einzug, eventuell artgleich mit CW28.


Linie 7: Osteogaster, die Metallpanzerwelse. Hier finden sich C. aeneus, C. eques, C. hephaestus, C. macrosteus, C. melanotaenia, C. rabauti, C. schultzei, C. venezuelanus, C. zygatus und die CW-Nummern 7,9,10, 14, 16, 23, 26, 41, 78, 84, 93, 97

Gelegentlich werden aus Kolumbien auch Brochis multiradiatus exportiert; man erkennt die Art leicht an der sattelförmigen Schnauze und der – verglichen mit B. splendens – anders geformten Rückenflosse. B. multiradiatus kommt jedoch nach gegenwärtigem Kentnissstand nicht auf dem Territorium von Kolumbien vor, sondern wird in Peru gefangen. Klade 8a.
Corydoras sodalis, Klade 8c


Linie 8: Eine Monsterklade, in der viel zu viele Arten zusammengefasst sind und die sicher nicht monophyletisch ist. Sie wird daher bereits von Fuller stark unterteilt, dem ich hier weitestgehend folge.
Linie 8a: Brochis, mit den Arten B. britskii, B. multiradiatus, B. splendens, sowie den CW-Nummern 34, 132, 136
Linie 8b (starke Bezüge zu Linie 6a! Meines Erachtens sind 6a und 8b identisch): C. difluviatilis, C. garbei
Linie 8c: Corydoras reticulatus und C. sodalis sowie die C-Nummer 81 und die CW-Nummer 61. C. geryi und C. pantanalensis stelle ich, wie oben dargestellt zu Linie 5 (Gastrodermus).

Die Kladen 8 und 9 sind immer noch ein polyphyletisches Sammelbecken. In Klade 8 stehen die langschnäuzigen Arten, z.B. der oben abgebildete Corydoras sp. C39 aus dem Komplex um C. imitator.


Linie 8d: Eine sehr große, weit gefasste Klade mit spitzschnäuzigen Arten, den Langschnäuzern. Sie sind m. E. sicher polyphyletisch, die Betrachtung der Arten im Einzelnen würde aber den Rahmen, den ich mir gesteckt habe, bei weitem sprengen. Ich gebe daher nach Fuller hier die zugeordneten Arten an (leicht modifiziert):
C. agassizii, C. amandajanea, C. ambiacus, C. arcuatus, C. bifaciatus, C. brittoi, C. condiscipulus, C. crimmeni, C. crypticus, C. delphax, C. ephippifer, C. gomezi, C. haraldschultzi, C. imitator, C. incolicana, C. isbrueckeri, C. lamberti, C. leopardus, C. melanistius, C. noelkempffi, C. ornatus, C. orphnopterus, C. pavanelliae, C. pinheiroi, C. pulcher, C. robineae, C. robustus, C. seussi, C. spectabilis, C. sychri, C. virginiae, die C-Nummern 9, 10, 13, 18, 34, 39, 49, 52, 66, 68, 71, 74, 75, 80, 87, 97, 98, 101, 102, 103, 110, 117, 122, 128, 130, 131, 135, 138, 140, 141, 143, 152, 156, 157, 159 und den CW-Nummern 2, 6, 13, 20, 40, 57, 58, 70, 72, 74, 82, 98, 99, 101, 106, 113, 116, 117, 130, 134, 135, 138, 143, 150, 151, 155, 157, 160, 161.

Corydoras trilineatus, Klade 9a
Corydoras armatus aus Venezuela, Linie 9b.


Linie 9: in dieser Klade wird derzeit der gesamte Rest der rundschnäuzigen Panzerwelse untergebracht. Ich halte es für unglücklich, hierfür pauschal den Gattungsnamen Hoplisoma zu verwenden, denn diese Gattung umfasst eine gut abgenzbare Gruppe innerhalb der Linie 9 und sollte auf diese Arten beschränkt bleiben. Ich schlage daher folgende Unterteilung vor:
Linie 9a (monophyletisch): Hoplisoma, mit den Arten C. acrensis, C. copei, C. cruziensis, C. julii, C. punctatus, C. trilineatus
Linie 9b (polyphyletisch): C. adolfoi, C. amphibelus, C. apiaka, C. araguaiaensis, C. armatus, C. atropersonatus, C. axelrodi, C. benattii, C. bertoni, C. bicolor, C. boehlkei, C. boesemani, C. bondi, C. breei, C. brevirostris, C. burgessi, C. caudimaculatus, C. concolor, C. coppenamensis, C. davidsandsi, C. duplicareus, C. evelynae, C. eversi, C. gladysae, C. gossei, C. granti, C. griseus, C. guianensis, C. kanei, C. knaacki, C. lacrimostigmata, C. leucomelas, C. loretoensis, C. loxozonus, C. lymnades, C. melini, C. metae, C. multimaculatus, C. oiapoquensis, C. osteocarus, C. panda, C. paragua, C. parallelus, C. petracinii, C. polystictus, C. sanchesi, C. schwartzi, C. similis, C. sipaliwini, C. sterbai, C. surinamensis, C. urucu, C. weitzmani, C. xinguensis. C3


Soweit es die Corydoras-Arten aus Kolumbien und Venezuela betrifft werde ich die Sammelgruppen 8 und 9 bezüglich der im besprochenen Gebiet vorkommenden Arten bei den Artenportaits noch etwas aufdröseln. Die fett gedruckten Arten werden im Bookazine #13 ausführlich portraitiert.

Raritäten für das Meerwasseraquarium

Korallenriffe gelten vielen Fischbegeisterten als der Inbegriff der Artenfülle unter den Fischen. Das täuscht etwas. In Wirklichkeit gibt es ”nur” ca. 2.000 Arten echte Korallenfische. Insgesamt kennt man bis heute ca. 36.400 Fischarten, von denen rund die Hälfte im Meer lebt. Von den 2.000 Korallenfisch-Arten werden nur etwa 200 regelmäßig gehandelt, der Rest gilt als Rarität im Handel. Einige dieser Raritäten stelle ich Ihnen heute vor.

In der Natur sind die meisten dieser Raritäten aber nicht selten in dem Sinne, dass es nur wenige Exemplare davon gäbe. So etwas kommt bei kleinen Fischarten, die im Meer leben, grundsätzlich nicht vor, denn jeden Tag werden ja welche gefressen und das müssen die Populationen schließlich verkraften. Hinzu kommt noch, dass die allermeisten Zierfische aus logistischen Gründen nur in einem relativ eng begrenzten Gebiet rund um Versandflughäfen gefangen werden können (sonst werden sie unfassbar teuer – zu teuer!), aber ein im Vergleich hierzu wahnsinnig großes Gesamtverbreitungsgebiet haben. Da praktisch alle Korallenfische die gleiche Fortpflanzungsstrategie haben, nämlich riesige Nachkommenzahlen zu produzieren, von denen weniger als 0,001% ein Revier finden und erwachsen werden, bleiben unbesetzte Reviere nie lange leer. Grundsätzlich stellt der Fang von lebenden Fischen für das Aquarium – egal ob Süß- oder Seewasser – keinerlei Bedrohung für die natürlichen Bestände dar, obwohl in sehr speziell gelagerten Ausnahmenfällen Fangbeschränkungen sinnvoll sein können. Das betrifft aber weniger als 20 Arten weltweit. Es muss auch an dieser Stelle noch einmal wiederholt werden: obwohl die Experten der gerade (Dezember 2022) in Montreal stattfindenden UN-Biodiversitätskonferenz schätzen, dass täglich (!) ca. 150 Arten aussterben und somit unwiederbringlich von unserem Planeten verschwinden, ist noch KEINE EINZIGE Tierart jemals durch den Lebendtierhandel ausgerottet worden.

Chaetodontoplus conspicillatus


Dieser Kaiserfisch kommt weit abseits der Gebiete vor, in denen normalerweise Zierfischfänger unterwegs sind: beschrieben wurde er von den Lord Howe-Inseln, von dort aus erstreckt sich sein Areal bis nach Neu-Kaledonien und das Große Barriereriff vor Australien. Dort ist der Zierfischfang streng reguliert, dadurch kommen immer nur wenige Exemplare in den Handel, die natürlich auch entsprechend teuer sind. Als Gebrauchsname wird für die Art manchmal ”Kragen-Samtkaiserfisch” angegeben, doch spricht sich das mindestens so kompliziert aus, wie der wissenschaftliche Name. Ich finde, ”Brillen-Kaiser” passt viel besser. Der Brillen-Kaiser wird etwa 20-25 cm lang und gehört damit zu den mittelgroßen Kaiser fischen. Bezüglich der Nahrungsaufnahme macht er gewöhnlich wenig Probleme und man muss im Riff-Aquarium immer damit rechnen, dass er sich an Wirbellosen vergreift.

Holacanthus clarionensis


Vieles, was beim Brillen-Kaiser gesagt wurde, gilt auch für H. clarionensis: auch er hat ein begrenztes, abseits liegendes Verbreitungsgebiet (östlicher Zentral-Pazifik: südlicher Zipfel von Baja California, Mexiko; außerdem von Clarion und der Revillagigedo Gruppe an der Westküste von Mexiko und von Clipperton Island) und kommt darum nur sehr selten in kleinen Stückzahlen zu uns. Seit 2017 steht H. clarionensis unter der internationalen Handelsbeschränkung CITES, Anhang2. Das bedeutet, dass er nur mit Ausfuhrgenehmigung des Exportstaates und mit Einfuhrgenehmigung der EU importiert werden darf. Die Art steht auch als Nachzucht zur Verfügung. Wichtig ist bei der Pflege, dass die Temperatur möglichst 22°C nicht auf Dauer überschreitet, denn diese Art stammt aus den Subtropen! Die Maximallänge liegt bei etwa 20 cm.

Centropyge interrupta und Centropyge-Hybriden

Zwergkaiserfische sind ideale Aquarienfische, die oft im Aquarium ablaichen. Im Gegensatz zu den großen Kaisern lassen sie Korallen in der Regel in Ruhe, da sie an Plankton als Nahrung angepasst sind. C. interrupta kommt aus Japan und den nordwestlichen Hawaii-Inseln. Für einen ”Zwergkaiser” wird die Art recht groß, nämlich 15 cm. Große Tiere sind immer Männchen. Auch diese Art mag es kühler. Geradezu sensationell sind die diversen Hybriden, die wir Ihnen hier zeigen können. Alle Fische stammen übrigens von de Jong Marinelife in Holland. Die Überlebenschance eines jungen Zwergkaiserfisches in der Natur ist nur verschwindend klein. Hybrid-Verpaarungen kommen zudem nur sehr selten vor. Dass davon auch noch Fische erwachsen werden, ist sehr erstaunlich. Jeder, der ein solches Tier pflegt, kann ziemlich sicher sein, ein Unikat im Aquarium zu haben.

Anampses femininus


Dieser prächtige Lippfisch, der etwa 25 cm lang werden kann, kommt vor Australien, Neu-Kaledonien und bis zu den Osterinseln vor. Auch hier sind die großen Tiere immer Männchen, wie die Zwergkaiserfische machen Lippfische fast immer eine Geschlechtsumwandlung vom Weibchen zum Männchen durch.

Cirrhilabrus lineatus


Dieser herrliche Zwerglippfisch wird ungefähr 12 cm lang. Seine Verbreitung ist nahezu identisch mit der des Brillenkaisers.

Macropharyngodon choati


Noch kleiner bleibt dieser australische Lippfisch: nur etwa 8 cm wird das Tierchen lang. Wichtig bei allen Lippfischen: es muss wenigstens eine kleine Sandfläche vorhanden sein, in der sich die Tiere nachts eingraben können.

Pseudanthias calloura und Pseudanthias aurulentus

Pseudanthias aurulentus


Die Fahnenbarsche sind enge Verwandte der großen Zackenbarsche. Wie diese beginnen sie ihr Leben als Weibchen. In einem gewissen Alter wandeln sie sich in Männchen um, die bei den Fahnenbarschen sehr prachtvoll aussehen. Eine der schönsten Arten überhaupt ist der rare P. calloura. Leider war das fotografierte Männchen nicht in Balzstimmung, dann sind sie geradezu atemberaubend schön. P. calloura wird rund 10 cm lang und kommt nur bei Palau vor. Pseudanthias aurulentus kommt aus Australien und wird nur 5-6 cm lang. Ein wunderschönes Kleinod, aber zumindest anfangs sehr scheu und eine Herausforderung für den Fotografen. Alle Fahnenbarsche muss man 5-6 mal täglich und möglichst abwechslungsreich füttern.


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Chelydra serpentina – sind Schnappschildkröten Monster?

Es geschah im heißen Sommer 2013. Am Montag, dem 5.8. wurde einem achtjährigen Jungen beim Baden im Oggenrieder Weiher, der zur Gemeinde Irsee (Landkreis Ostallgäu) gehört, eine schwere Verletzung am Fuß zugefügt, bei der die Achilles-Sehne zweifach durchtrennt wurde. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit soll eine Schnappschildkröte diese Verletzung verursacht haben.

Noch niemand hat die ominöse Schild­kröte gesehen – auch der verletzte Junge nicht. Die Vermutung, dass es sich um den Biss einer Schnappschildkröte handele, kommt laut Presse (Kreisbote vom 11.8.2013) vom behandelnden Arzt und von nicht näher genannten Experten vom Zoolo­gischen Institut in München. Wie man den Biss einer Schnappschildkröte allerdings erkennen will, bleibt unklar: es gibt nämlich keinen einzigen dokumentierten Fall welt­weit, bei dem eine Schnappschildkröte einem Menschen eine so schwere Ver­letzung zugefügt hätte, es fehlt also schlicht an Vergleichsmöglich­keiten. Aber das Tier bekam einen Namen: Lotti. Und damit wurde eine PR-Maschine vom Feinsten losgetreten!

Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, im Aquarium fotografiert.

Weltweites Aufsehen

Wer einen Namen hat, kommt in die Presse. Am 12. August berichteten die BBC Europe und die kanadische CBC online über den Fall, nahezu überall in Deutschland waren Lotti und Irsee im Blätterwald vertreten. Niemand erwartet von der Tagespresse naturwissen­schaftliche Akkuratesse. Aber dass wirklich kein einziger Redakteur einmal auf die Idee kam, diesen Nonsens zu hinterfragen, stimmt doch nachdenklich. Statt dessen wurde im „Buch der Übertreibungen“ ge­blättert und aus einer im Grunde genom­men harmlosen Schildkröte, deren Gefähr­lichkeit für den Menschen jedenfalls weit hinter der eines Dackels liegt, wurde ein bis zu 100 kg schweres Monster, dessen Aus­setzen im beliebtesten Naherholungsgebiet der Regi­on durch einen gesetzes- und ge­wissenlosen Tierhalter nichts als Unver­ständnis und Kopfschütteln bei der armen geschundenen Badesee-Besucherschaft her­vorrief.

Schnappschildkröten sind gut getarnt. Sehen Sie die drei großen Tiere am Teichboden? Im unteren Bild sind sie weiß umrahmt.

Was sind Schnappschildkröten?

Schnappschildkröten bilden eine eigenständige Familie, die Chelydridae, die es seit der Kreidezeit gibt. Damals hatten die Tiere eine weite Verbreitung In Asien, Europa und Nordamerika. In Europa gab es sie noch bis vor ca 5 Millionen Jahren. Heute gibt es fünf bis sechs Arten von Schnappschildkröten: die Alligator-Schnappschildkröte Chelydra serpentina, die in zwei Unterarten (Nominatform und C. s. osceola) Kanada, praktisch die ge­samten USA und Teile Mexikos besiedelt; die sehr ähnliche, Mittel- und Südamerika be­woh­nende C. acutirostris; die rein mittel­ameri­kanische C. rossignonii; und schließlich die Geierschildkröte Macrochelys temminckii, die die in den Golf von Mexiko entwässernden Flüsse der USA von Texas bis Florida besiedelt. Von der Geierschildkröte wurden 2015 die Suwannee-Geierschildkröte (Macrochelys suwanniensis, endemisch im Einzug des Flusses Suwannee in Florida und Georgia) und M. apalachicolae abgegrenzt, jedoch ist nur M. suwannensis allgemein anerkannt worden.

Obwohl also ein riesiges natürliches Verbrei­tungsgebiet von diesen Schildkröten be­wohnt wird, gibt es keinen einzigen ver­bürgten Bericht über einen unprovozierten Angriff eines dieser Tiere auf einen Badenden. Und da soll ausgerechnet im Allgäu eine ausgesetzte Schildkröte so völlig aus der Art schlagen? Wohl kaum…

War es eine Schnappschildkröte?

Die Schnappschildkröten scheiden bei der geschilderten Verletzung als Übeltäter von vornherein aus. Betrachten wir jedoch zunächst die Geierschildkröte, den bezüglich Größe und Beißkraft wahr­schein­lichsten Kandidaten. Sie ist ein Lauerjäger, deren Zungenspitze zu einem wurm-artigen Fortsatz umgebildet ist. Mit offenem Maul liegt diese Schildkröte im Wasser und lockt mit ihrer Zunge Fische an, von denen sie sich ernährt. Zwar ist die Geierschildkröte mit bis zu 90 cm Länge und 80 kg Gewicht die größte Süßwasserschildkröte der Erde. Würde sie jedoch zubeißen (was sie aus­schließlich zur Abwehr täte) gäbe es um­laufende Bissmarken in Form von Rillen bzw. Schnitten um den gesamten Knöchel des Kindes. Einen Fuß abbeißen kann sie nicht. Aufgrund der Maulstruktur kann keine Schnappschildkröte und somit auch keine Geierschildkröte lediglich ein Stück der Achillessehne herausbeißen.

Die beiden mittel- und südamerikanischen Arten können es schon deshalb nicht ge­we­sen sein, weil sie als zoologische Raritäten prak­tisch nicht gehalten werden. Bleibt die nordamerikanische Alligator-Schnapp­schild­­­kröte, Chelydra serpentina. Sie darf überall auf der Welt gehalten werden, außer in Deutschland. Hierzulande macht sich Vater Staat so große Sorgen um die Ge­fährdung der Öffentlichkeit durch wilde Monster, dass 1999 vorsorglich die Pflege und Zucht von allen Schnappschildkröten verboten wurde. Somit ist es durchaus vorstellbar, dass irgendwer sich ein Schnapp­schild­kröten­baby im Ausland gekauft hat und dass diese Person sich des schließlich lästig gewordenen Tieres durch Aussetzen entledigte – verkaufen oder an einen Zoo abgeben kann man es ja nicht, da die Haltung illegal ist – man würde sich selbst ans Messer liefern. Es werden leider auch immer wieder ausgesetzte Schnapp­schild­kröten aufgefunden, allerdings nahezu aus­schließ­lich von Anglern, denn Alligator-Schnapp­schildkröten sind nicht wählerisch im Futter und gehen auch an Fischköder. Doch selbst wenn es Lotti gibt und selbst wenn Lotti eine Alligator-Schnapp­schild­kröte ist, so hat sie mit Sicherheit nicht die Achilles-Sehne eines Jungen durchgebissen! Denn eine wissen­schaftlich belegte Tatsache spricht dagegen: Alligator-Schnapp­schild­kröten verbeißen sich, wenn sie denn zubeißen, in ihren Angreifer und lassen ihn nicht mehr los – siehe den Fall eines dämlichen Tierhalters in den USA (siehe Link am Ende des Blogs: when turtles attack). Dabei verur­sachte eine ca. 12-14 kg schwere Schnapp­schildkröte, die sich in die Wange eines 16-jährigen Jünglings verbissen hatte, nur so geringe Hautver­letzungen, dass sich eine Behandung der­selben erübrigte.

Die Geierschildkröte, Macrochelys temmickii, ist die größte Süßwasserschildkröte überhaupt.

Fakten über Alligator-Schnappschild­kröten

Die Art Chelydra serpentina wird im weiblichen Geschlecht 24-36 cm lang, Männchen werden mit 24 bis 39 cm geringfügig größer. Die größte je gefundene Alligator-Schnappschildkröte war 47 cm lang. Die Tiere werden gewöhnlich 15-20 kg schwer, der Rekord liegt bei 31 kg. Diese Schildkröten können über 75 Jahre alt werden, wenn man sie lässt, doch liegt das Durchschnittsalter um die 30 Jahre. Noch nie ist ein Mensch durch Alligator-Schnapp­schildkröten zu Tode gekommen, doch jähr­lich werden unzählige der Tiere vom Men­schen aus reinem Vergnügen oder zu Speise­zwecken getötet. Alligator-Schnappschild­kröten vermehren sich durch Eier, die in einer Grube an Land abgelegt werden. Pro Ablage werden 10-30 Eier produziert, aus denen nach 9-18 Wochen die Jungtiere schlüpfen. Sie sind dann vier bis fünf Zentimeter lang. Trotz der Verfolgung durch den Menschen sind die Schnappschildkröten wegen ihrer An­pa­ssungsfähigkeit nicht im Bestand gefährdet.

Im Wasser sind Schnappschildkröten völlig harmlos. Sie weichen dem Menschen aus, sie greifen ihn niemals an.

Sie sind nicht böse

Immer wieder wird das freche Haltungs­verbot von Schappschildkröten in Deutsch­land mit der Gefahr begründet, die angeb­lich von ihnen ausgeht. Es kann keinen Zweifel geben, dass größere Exemplare einem Menschen Bissverletzungen (in den Auswirkungen ver­gleich­­bar Hundebissen einer kleineren Hunderasse) zufügen können. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass sogar ein Finger abgetrennt werden kann. Aber zu solchen Verletzungen kann es aus­schließlich bei unvorsichtigen Mani­pu­la­tionen kom­men. Niemals und unter keinen Umständen greift eine Schnapp­schildkröte unprovoziert einen Menschen an.

Die Handhabung großer Schnappschild­kröten will freilich geübt sein. Ein stabiler, möglichst engmaschiger Käscher ist für alle Alligator-Schnappschildkröten das beste Instrument zum Umsetzen. Man beachte einfach immer, dass der Kopf der Schildkröte vom Körper des Menschen weg weist, dann kann überhaupt nichts passieren. Sehr große Geierschildkröten kann man alleine nicht handhaben, doch sind solche Staats­exem­plare sehr teure Kostbarkeiten. Menschen die sie besitzen, brauchen von uns keine Belehrungen.

Untereinander und gegen andere Schild­kröten sind Schnappschildkröten der Gattung Chelydra übrigens gewöhnlich friedlich, Macrochelys gilt als zänkisch. Ihre Pflege macht insgesamt relativ wenig Schwierigkeiten, ist allerdings, wie gesagt, in Deutschland verboten. Schade, denn wenn mehr Menschen Schnappschildkröten pflegen würden, statt sie sinnentleert zu verteufeln, könnten derartig unsinnige und wissenschaftlich unhaltbare Meldungen kaum in die Presse gelangen. Schnappschildkröten sind weder gut noch böse, weder harmlos noch gefährlich. Es sind einfach Tiere, die sich instinktgebunden verhalten und dabei amoralisch vorgehen – denn Moral kennt nur der Mensch. Es kann durch jedes Tier ausreichender Größe zu Verletzungen kommen, sei es durch Bisse, durch Kratzer oder durch Schläge. Zu ernsthaften Verletzungen durch freilebende Schnappschildkröten ist es noch nie gekommen, derartiges ist auch – abgesehen von der Gefahr von Sekundärinfektionen einer eventuellen Bisswunde – weder zu erwarten oder auch nur vorstellbar.

Schnappschildkröte an Land. Wie man sieht, kann das Tier sich nur teilweise in den Panzer zurückziehen. Es verteidigt sich darum durch Bisse.

Lotti – ein reiner PR-Gag?

Die gute Nachricht ist: dem Jungen geht es wieder gut. Was auch immer zu seiner Ver­letzung führte (vermutlich eine Glas­scher­be oder ein Draht), Lotti war es nicht. Der Weiher wurde abgelassen, Lotti nicht gefunden. Die Fische aus dem Weiher wurden umgesetzt, denn die Deutschen sind tierlieb. Bis heute ist Lotti immer mal wieder in der Presse zu finden und weil 1000 €  Belohnung auf ihre Ergreif­ung ausgesetzt wurden, finden sich auch immer wieder Besucher des Weihers, die hoffen, die mysteriöse Lotti vielleicht doch wenigstens zu sichten. Bei den erstmal grundsätzlich verdächtigen Exotenhaltern der Gemeinde wurden Hausdurch­suchungen durch­ge­führt, die zwar ergeb­nislos verliefen, die dem Pack aber hoffentlich eine Lehre sind, niemals auf den Gedanken zu kommen, solch ab­scheuliche Monster zu pflegen. Doch bei allem Verständnis dafür, dass Verantwortliche kaum jemals Sachver­ständige sind, muss man sich doch fragen – wer, um Himmels willen, hat die Leute beraten? Noch gibt es jede Menge lebender Menschen in Deutschland, die vor 1999 Schnapp­schildkröten privat gepflegt haben und die den Verantwortlichen vor Ort sinnvolle Ratschläge hätten geben können. Es gibt außerdem kompetente Tierhalter­verbände wie die DGHT (Deutsche Gesell­schaft für Herpetologie und Terrarienkunde) und zoologische Gärten, die sich mit Schnapp­schildkröten auskennen. Statt des­sen wurden offenbar wieder einmal aus­schließlich Einwohner von Dummbach zur Vorgehens­weise bei Lotti befragt. Oder sollte Lotti vielleicht doch nur ein verdammt cleverer PR-Gag sein?

Die Maulform der Geierschildkröte macht es ihr unmöglich, Stücke aus einem Körper herauszubeißen.

Frank Schäfer

Quellen zu Lotti:

https://www.tz.de/welt/alligator-schildkroete-treibt-weiter-unwesen-zr-3052125.html

http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-23664554

http://www.cbc.ca/news/world/germans-hunt-snapping-turtle-after-reported-attack-on-boy-1.1330393

Quellen zu wissenschaftlich belegten Bissen von Schnappschildkröten

http://epmonthly.com/article/when-turtles-attack/

http://epmonthly.com/article/when-turtles-attack-part-ii/


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Pseudacanthicus pirarara und P. pitanga: Große Kaktuswelse

Die Kaktuswelse der Gattung Pseudacanthicus tragen ihren Populärnamen sehr zu Recht. Der gesamte Körper, die Flossenstrahlen und die Zwischenkiemendeckel sind mit nadelspitzen Hautzähnen, so genannten Odontoden, übersät. Zwei Arten der Kaktuswelse, die beide etwa 40 cm lang werden, sind wegen ihrer pracht­vollen Färbung bei den Besitzern großer Aquarien sehr begehrt: L24 (Pseudacanthicus pitanga) und L25 (P. pirarara). Aquarium Glaser konnte auch schon einen Kaktuswels importieren, der farblich wie L24 aussieht, jedoch bezüglich des Verbreitungsgebietes eigentlich ein L25 sein müsste.

Ein wunderschönes Exemplar von L25, Pseudacanthicus pirarara

L-Welse?

Zunächst möchten wir zur Einleitung nochmal in Erinnerung rufen, was es mit den L-Nummern auf sich hat. Ende der 1980er Jahre begann man, die wundervolle Vielfalt der Harnischwelse aquaristisch zu entdecken. Harnischwelse kannte man zwar bereits seit Beginn der Aquarienkunde, erste Importe von z.B. Ancistrus-Arten (Antennenwelse), Hypostomus (Saugwelse) oder auch Rine­loricaria-Arten (Hexenwelse) erfolgten schon Anfang des 20sten Jahrhunderts. Doch gal­ten diese Fische wegen ihrer wenig attrak­tiven Färbung und versteckten Lebensweise eher als Tiere für Spezialisten, die das Skurrile lieben. Erst in den 1950er bis 1960er Jahren gewannen einige Arten als „Algenfresser“ an Beliebtheit. Dabei sind die Harnischwelse mit derzeit etwa 870 be­kann­ten Arten, die sich auf über 100 Gattungen verteilen, die artenreichste Welsfamilie überhaupt.

Bei den großen Kaktuswelsen sind jüngere Tiere nicht so schön gefärbt

Die Geburt der L-Welse

Nun kam es also zu immer häufigeren Im­porten immer neuer Harnischwelse. Ange­sichts der kaum überschaubaren wissen­schaft­lichen Literatur zu den Tieren, die zudem ausschließlich von ausgebleichten Museumsexemplaren bekannt waren, er­schien eine auch nur halbwegs gesicherte Bestimmung der Importe kaum möglich. So kamen der in München ansässige Importeur Arthur Werner, der Chefredakteur des Maga­zins DATZ Rainer Stawikowski und der fischbegeisterte Biologe Uli Schliewen (heute leitender Ichthyologe an der Zoologischen Staatssammlung in München) auf die geniale Idee, neu im­portierte oder im Feld entdeckte Harnisch­welse einfach zu fotografieren, mit einer fortlaufenden Nummer zu versehen und Foto samt Nummer in der DATZ zu ver­öffentlichen, so dass den Aquarianern auch ohne eine wissen­schaftliche Benennung eine einheit­liche Bezeichnung für die Fische zur Verfügung stand. Die Idee setze sich im Hobby sofort durch, der Handel zog dankbar mit. Das „L“ steht dabei einfach für die wis­sen­schaftliche Bezeichnung der Harnisch­welse: Loricariidae. Heute haben bereits 519 Harnischwelse eine L-Nummer bekommen. Das heißt nicht zwangsläufig, dass es auch 519 unterschiedliche Arten sind. Aber es sind unterschiedlich aussehende Fische oder Populationen. Einige konnte in der Zwi­schen­zeit auch wissenschaftlich identifiziert werden. Die Mehrzahl ist jedoch bis heute entweder noch nicht sicher zu benennen oder sogar mit Sicherheit noch wissen­schaftlich unbekannt.

L25, Import aus dem Jahr 1998, als die L-Welse boomten.

Zierfischfang bedroht keine Arten

Zu den frühesten L-Nummern, die vergeben wurden, gehören L24 und L25. In Datz 5/1989 bekamen die Scarlets oder Rotflossen-Kaktuswelse ihren unter Aquarianern geläufigen Code. Die stets vergleichsweise teuren Tiere waren seit der Ersteinfuhr mehr oder weniger regelmäßig im Handel, wenngleich eine vorübergehende Auslistung aus der Positivliste der IBAMA (der brasilianischen Artenschutzbehörde; Brasilien gibt eine regelmäßig revidierte Positivliste für Zierfischarten heraus. In den Export dürfen nur Arten gelangen, die dort gelistet sind) vor einigen Jahren zu einem enormen Preisanstieg führte. Eine Angebotsverknappung führt zu steigenden Preisen, das ist ein Grundgesetz der Marktwirtschaft. Durch den Fang als Zierfisch sind aber weder L24 noch L25 noch sonst irgend ein Fisch in seinem Bestand bedroht.

Ungewöhnlich hell gezeichnetes Exemplar von L25; das Tier ist 145 mm lang (ohne Schwanzflosse).

Staudamm-Bau – ein Fluch!

Das bestätigen auch die Wissenschaftler, die L25 vor kurzem als Pseudacanthicus pirarara formell beschrieben (Chamon & Sousa, 2016). Hingegen kann auch bei L25 der Bau des Belamonte-Staudamms zum Aussterben ganzer Sub-Populationen führen, denn der Scarlet lebt in strömungsreichen Kanälen im zentralen Teil des Flussbetts und wird überall verschwinden, wo dieser Lebensraum zu einer Stillwasserzone wegen des Staudamms wird. Die Beschreiber zitieren Befunde über den nahe verwandten L24 (Pseudacanthicus pitanga) aus dem Rio Tocantnis. Der Bau des dortigen Tucurui-Damms führte zur dramatischen Bestandsabnahme von 22 Fischarten, darunter P. pitanga. Die in Flussabschnitten lebenden Populationen von P. pitanga, die nicht vom Dammbau betroffen waren, waren auch von diesem Bestandsrückgang nicht betroffen und stellen bis heute eine wertvolle Resource für die lokalen Fischergemeinschaften dar. Die großen Pseudacanthicus sind offenbar stationäre Fische, die keine weiträumigen Laichwanderungen unternehmen, was Chamon & Sousa auch für P. pirarara angeben.

Pseudacanthicus pitanga L24 aus dem Rio Tocantins

Somit ist der Gesamtbestand von L25 (Pseudacanthicus pirarara) nicht unmittelbar gefährdet, denn die Art ist weit im Rio Xingu und seinen Nebenflüssen – etwa dem Rio Iriri – verbreitet. Die Beschreiber diskutieren die farbliche Varianz, die dieser Scarlet zeigt. Im Hobby ist gut bekannt, dass z.B. Exemplare aus der Umgebung von Sao Felix do Xingu oft erheblich mehr Rot in den Flossen zeigen, als Exemplare von anderen Fangplätzen. Besonders begehrt sind Exemplare mit flächig roten Flossen. Chamon & Sousa bestätigen diese grundsätzliche Beobachtung der Aquarianer, auch die, dass Exemplare aus dem Rio Iriri besoders häufig extrem gefleckte Flossen haben, aber sie stellen auch unmissverständich fest, dass man in jeder bislang daraufhin untersuchten Sub-Population jeden Färbungstyp finden kann, wenngleich in unterschiedlicher Häufigkeit. Ein Scarlet mit flächig roten Flossen ist also im Rio Iriri zwar erheblich seltener als bei Sao Felix do Xingu, es gibt sie aber auch dort.

L25a aus dem Oberlauf des Rio Xingu (Sao Felix).

Es besteht darum nach wissenschaftichem Kenntnisstand keinen Grund zu der Annahme, dass Pseudacanthicus pirarara Unterarten oder lokale Standortformen ausbildet. Die Artdiagnose von P. pirarara beruht im Wesentlichen auf Farbunterschieden zu den anderen sieben derzeit beschriebenen und als gültig anerkannten Pseudacanthicus-Arten (P. fordii, P. histrix, P. leopardus, P. major, P. pitanga, P. serratus und P. spinosus), da der Körperbau innerhalb dieser Gattung sehr generalisiert ist. Es gibt jedoch auch ein paar osteologische Merkmale, die es im Zweifelsfall erlauben, ausgebleichte Museumsexemplare unbekannter Herkunft oder fossile Reste P. pirarara zuzuordnen – oder die Artgleichheit auszuschließen.

L25 aus der Umgebung von Altamira am Rio Xingu.

Scarlets

Wegen ihrer prächtigen roten Beflossung erhielten L24 und L25 schnell auch einen zusätzlichen Populärnamen: Scarlets, also „die Scharlachroten“. Allerdings sind in diesem speziellen Fall nur große Fische schöne Fische. Die Jungtiere von L24 und L25 sind ziemlich unscheinbar, klassische graue Mäuse. Bei denen muss man schon wissen, was daraus wird, wenn man sie kaufen soll. Bei den meisten Harnischwelsen ist das umgekehrt, da sind die Jungfische schön und kontrastreich gefärbt, während die erwachsenen Tiere eher in freundlichen Braun- und Schwarztönen daherkommen. Große Fische sind aber teure Fische, denn beim Transport brauchen sie viel Platz und Wasser. Auch die Fische selbst kosten in Brasilien, wo sie herkommen, schon ihr Geld. Darum kamen nie sehr große Stückzahlen der Scarlets in den Handel, denn für große und zudem teure Fische gibt es naturgemäß nur einen begrenzten Markt. Um so leiden­schaft­licher lieben die Aquarianer die Scar­lets, wenn sie die Möglichkeit haben, sie zu pflegen.

Eine weitere Variante von L25, voll ausgewachsenes Exemplar

L24 und L25 unterscheiden sich also bezüglich ihrer Herkunft und bezüglich ihrer Färbung. L24 – er wurde 2015 als Pseudacanthicus pitanga beschrieben – kommt aus den Flüssen Tocantins und Araguaia und hat einen zeichnungslosen Kopf und gewöhnlich auch zeichnungslose Flossen. L25 kommt aus dem Rio Xingu und hat kräftige, dunkle Punkte am Kopf und meist auch in den Flossen. Beide Arten sind aber hochvariabel gefärbt, am Körper kön­nen L24 Punkte haben oder auch nicht, die Rottöne in den Flossen sind auch innerhalb einer Population erheblich unterschiedlich. Bei L25 unterscheiden Aquarianer  eine flachere, kontrastreicher gefärbte Form aus dem Oberlauf des Xingu bei Sao Felix und eine hochrückigere Form aus dem Unterlauf. Aber das sind nur gene­relle Richtlinien, auch die Körperform kann bei diesen Tieren recht unterschiedlich aus­fallen. Man darf ja nicht vergessen, dass die Tiere meist als erwachsene Wildfänge ge­handelt werden. In der Natur ist oft Schmal­hans Küchenmeister und je nachdem, wie die Nahrungssituation im Laufe des indivi­duellen Lebens gerade war, sind die Fische halt auch dick oder dünn.

Eher orangefarbenes Exemplar von L25.

Als einzige Vertreter der Gattung Pseuda­canthicus haben die Scarlets übrigens eine silberfarbene Iris. Das macht es manchmal wenig erfreulich, sie zu fotografieren, denn das Blitzlicht wird von der Iris stark reflektiert; gleichzeitig reagiert die Pupille auf das helle Licht natürlich dadurch, dass sie sich zusam­men zieht. In Folge dessen sehen fotogra­fierte Scarlets auf Bildern oft aus, als hätten sie ein Matschauge. Das ist aber kaum jemals der Fall.

Ein neuer L25 in der Färbung eines L24

Vor einiger Zeit konnte Aquarium Glaser Kaktuswelse dieser Gruppe aus dem Ober­lauf des Rio Itacaiúna importieren. Das Quell­gebiet dieses Flusses ist das gleiche wie das des Rio Frisco, der ein Zufluss des Rio Xingu ist. Darüber hinaus sind der Rio Itacaiúna und der Rio Frisco zur Regenzeit über ein überschwemmtes Savannengebiet mitei­nan­der verbunden. Somit würde man aus dem Rio Itacaiúna eigentlich L25 erwarten und so wurden die Tiere auch vorläufig auf der Stockliste von Aquarium Glaser bezeichnet: L25b Pseuda­canthicus sp. New Itacaiúna. Farblich ent­sprechen die schönen Tiere allerdings eher L24. Es wurden schon DNS-Proben an ein wissenschaftliches Institut in Brasilien gege­ben. Es ist durchaus möglich, dass L24 und L25 doch lediglich Farbformen oder Unterarten der gleichen Art sind, immerhin kennt man aus dem Tocantins und dem Araguaia schon mindestens vier Varianten von L24 und im Xingu, wie oben schon detaillierter beschrie­ben, mindestens zwei Varianten von L25. Allerdings konnten sich (s.o.) die damit befassten Wissenschaftler bislang nicht dazu durchringen, diese Unterschiede als artrelevant zu betrachten.

Scarlets im Aquarium

Abgesehen von der stattlichen Größe, die die Fische erreichen können, sind es ver­gleichs­weise einfache Pfleglinge. Weder an die Wasserzusammensetzung noch an die Nahrung werden besondere Ansprüche gestellt. Ein wirklich groß dimensionierter Filter ist allerdings die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Pflege, denn die großen Fische fressen viel und wer viel frisst, der sch…, nun, der setzt auch viel Kot ab. Pseudacanthicus-Arten sind Fleischfresser, die hauptsächlich Frost- oder Kunstfutter zu sich nehmen, pflanzliche Kost wird weit­gehend verschmäht. Allerdings kann man, wenn man die Tiere in Gesellschaft anderer, pflanzenfressender Arten pflegt, sie auch schon mal an Gurke, Zucchini und Co. naschen sehen. Ob sie das brauchen oder ob sie nur aus Futterneid an das Gemüse gehen, ist allerdings noch nicht erforscht.

Wie man an den Zähnen von L25 erkennen kann, sind es keine Aufwuchs- sondern Fleischfresser.

Gegen­über anderen Fischen sind Scarlets gewöhn­lich friedlich, nur mit Rochen sollte man sie nicht gemeinsam pflegen, sie können die Rochen übel zurichten. Auch gegenüber Artgenossen können Scarlets eklig werden, weshalb man sie meist nur paarweise pflegt, große Gruppen brauchen wahnsinnig große Aquarien, damit unterlegene Tiere Ausweichmöglichkeiten haben. Bei gut eingewöhnten Exemplaren ist die Ge­schlechtsbestimmung nicht sehr schwierig, soweit es um die Männchen geht. Denn die haben nicht nur einen spitzeren Kopf und schlankeren Leib, sondern auch viel längere Odontoden am Brustflossenstachel. Freilich kann man sich bei frisch importierten Tieren nie ganz sicher sein, ob ein vermeintliches Weibchen nicht doch einfach nur ein wohlgenährtes Männchen ist, das gerade nicht in Fortpflanzungsstimmung ist. Denn außerhalb der Brutzeit können sich die Odontoden schnell zurückbilden.

In der Draufsicht kann man, wenn man mehrere etwa gleich große Exemplare zum Vergleich zur Verfügung hat, gut die Form der Bauch­flossen zur Geschlechtsbestimmung heran­ziehen, die bei den Männchen immer ver­gleichsweise länger und spitzer ausgezogen sind als bei den Weibchen. Aufgrund der bereits beschriebenen Variationen sollte man immer versuchen, sich ein Pärchen aus einem gemeinsam erfolgten Import heraus­zusuchen, damit minimiert man das Risiko, versehentlich verschiedene Populationen miteinander zu verpaaren und unnütze Mischlinge zu produzieren.

Kann man so große Fische züchten?

Ja, man kann. Allerdings ist die Zucht von Scarlets noch weit davon entfernt, Routine zu sein. Zur Zeit dürfen Scarlets wieder aus Brasilien exportiert werden, das war einige Jahre verboten. In dieser Zeit kümmerte man sich verstärkt um die Zucht. Die Geschlechtsreife ist bei Fischen grundsätzlich altersbedingt und nicht von der Größe abhängig, aber als Faustregel kann man sagen, dass bei Pseudacanthicus pirarara und P. pitanga Exemplare ab etwa 15 cm Länge geschlechtsreif sind. Die Zucht wird jedoch eher selten versucht, da dazu sehr große Aquarien und ein entsprechender Aufwand nötig sind. Ohne automatische Wasserwechselanlage bekommt man jedenfalls eher einen Bandscheibenvorfall als junge L24 oder L25. Scarlets sind typische Höhlenbrüter, bei denen das Männ­chen den Laich pflegt und bewacht. Die Gelege sind sehr groß, 300-500 Eier keine Seltenheit. Bei der Paarung geht es sehr ruppig zu, die Weibchen sehen anschließend oft aus, als hätte man sie mit einer Draht­bürste behandelt. Eine gute Wasserhygiene und Huminstoffe im Aquarium (Erlenzäpf­chen, Laub, Torf) sorgen dafür, dass das Weibchen sich schnell wieder erholt. Die Laichröhre muss an einem Ende geschlossen sein. Für so große Fische gibt es keine Fertigprodukte im Fachhandel, da muss man selbst aktiv werden. Die Laichröhre sollte etwa so lang wie der Fisch und geringfügig schmaler und niedriger als das Tier mit ab­ge­spreizten Flossen sein. Leider ist die Aufzucht von Kaktuswelsen allgemein noch problem­behaftet (siehe Seidel, 2013). Dennoch können neuerdings von Zeit zu Zeit, wenn auch selten, Nachzuchtexemplare von L25 erworben werden. Große Stückzahlen an Nachzuchttieren braucht man jedoch auch nicht, der Markt ist leicht über Wildfänge zu bedienen, was der Natur und den Menschen in Brasilien sehr zugute kommt.

Weibchen von L24, Population vom oberen Rio Tocantins
Männchen von L24, Population vom oberen Rio Tocantins.
Dies ist ein Jungfisch von L25 aus deutscher Nachzucht.

Literatur

Chamon, C. C. (2015): Pseudacanthicus pitanga: a new species of Ancistrini (Siluriformes: Loricariidae: Hypostominae) from rio Tocantins Basin, north Brazil. Zootaxa 3973 (no. 2): 309-320

Chamon, C. C. & L. M. Sousa (2016): A new species of the leopard pleco genus Pseudacanthicus (Siluriformes: Loricariidae) from the Rio Xingu, Brazil. Journal of Fish Biology: 1-14

Schraml, E. & F. Schäfer (2004): Aqualog Loricariidae: alle L-Welse / all L.numbers. Verlag A.C.S. (Aqualog), Rodgau, 272 pp

Seidel, I. (2013): Kaktuswelse – stachelige Schönheiten. Aquaristik Fachmagazin 233: 4-15

Seidel, I. (2013): Probleme bei der Aufzucht von Jungfischen von Kaktuswelsen. Aquaristik Fachmagazin 233: 16-21


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Plauderei über Wabenkröten (Pipa)

Die Wabenkröten gehören zu den Zungenlosen Fröschen (Pipidae), rein wasserlebenden Amphibien, die es in Südamerika und Afrika gibt. In der Neuen Welt gibt es nur die Wabenkröten (Gattung Pipa), In Afrika mehrere Gattungen der Krallenfrösche.

Portrait der großen Wabenkröte, Pipa pipa, Exemplar aus Kolumbien.

Wabenkröten haben bei weitem nicht die Bedeutung der Krallenfrösche in der Forschung oder die Beliebtheit der Zwergkrallenfrösche und Krallenfrösche in der Aquaristik erreicht. Nur vergleichsweise selten, mit viel Glück und zu ziemlich hohen Preisen wird man einmal die Gelegenheit bekommen, eine der sieben  Arten in einem normalen Zoofachgeschäft käuflich erwerben zu können. Mir persönlich sind in über 40 Jahren intensiver aquaristischer und terraristischer Tätigkeit nur zwei Arten begegnet, beide habe ich selbst einige Zeit pflegen können. Wer sich unter Südamerikanern immer die Temperamentbolzen vorstellt, den werden die Zungenlosen aus Südamerika etwas enttäuschen. Die meisten Verteter der Wabenkröten (Pipa) haben, verglichen mit ihren afrikanischen Vettern, ein ausgeprägt phlegmatisches Wesen. Zunächst eine kleine Übersicht über die existierenden Arten:

Gattung Pipa – Wabenkröten

Pipa arrabali: Nördliches Südamerika und Panama. Ca. 8 cm.

P. aspera: Venezuela (Südosten), Guyana, Surinam, Brasilien (Bundesstaaten Amazonas und Pará). Ca. 6 cm.

P. carvalhoi: Brasilien (Bundesstaaten Pernambuco, Ceará, Espirito Santo, Bahia, Minas Gerais, Paraiba). Ca. 6 cm.

P. myersi: Panama (Provinz Darien: Rio Chucunaque-Ebene), Kolumbien (Rio Zulia). Ca. 6 cm.

P. parva: Kolumbien (Nordosten), Venezuela (Nordwesten). Ca. 3 cm.

P. pipa: Bolivien, Kolumbien, Guyana, Surinam, Peru, Ekuador, Brasilien, Trinidad. Ca. 20 cm.

P. snethlagae: Brasilien (Bundesstaat Pará). Ca. 20 cm.

Leider wurden, wie gesagt, bislang m.W. nur drei Arten einigermaßen regelmäßig gepflegt: Pipa pipa, Pipa carvalhoi und Pipa parva. Von den übrigen Arten gibt es nicht einmal brauchbare Bilder. Falls doch einmal diese Tiere angeboten werden sollten, hier eine kurze Beschreibung. Pipa arrabali und Pipa aspera erinnern aufgrund ihrer warzigen Haut etwas an zu groß geratene Zwergkrallenfrösche. P. arrabali ist mattbraun bis ockergelb am Rücken gefärbt, daruf stehen die dunklen Warzen wie Punkte. Der Bauch ist orangebraun und dunkelbraun punktiert. P. aspera ist eher rotbraun am Rücken gefärbt. Der Bauch ist dunkelbraun gefleckt, die Kehlregion einheitlich dunkelbraun. P. myersi ist P. carvalhoi ähnlicher, also relativ glatt. Der Rücken ist graubraun und dunkel gefleckt (nur gelegentlich marmoriert bei P. carvalhoi), der Bauch ist grau mit ockerfarbenen Flecken (grau und oft dunkel gesprenkelt bei P. carvalhoi). Pipa snethlagae schließlich ist der Großen Wabenkröte sehr ähnlich, unterscheidet sich von dieser farblich durch die Bauchzeichnung. Bei Pipa pipa ist der Bauch charakteristisch mit einer Kreuzzeichnung versehen. Diese fehlt bei P. snethlagae. Vom Augenhinterrand bis zum Mundwinkel zieht sich bei P. snethlagae ein dunkler Strich, der bei Pipa pipa fehlt.

Selbstverständlich unterscheiden sich die Arten der Wabenkröten in erster Linie durch anatomische Merkmale voneinander, wie Beinlänge, Kopfbreite, Form und Vorhandensein des inneren Mittelfußhöckers und dann vor allem durch die Ausprägung der charakteristischen Fingerspitzen.

Sensible Tiere

Auf diesem Photo der Kleinen Wabenkröte (Pipa parva) sind die Fingerspitzen gut zu erkennen.

Zusätzlich zu den Sinnen, die auch uns zu eigen sind, also sehen, hören, riechen, schmecken und tasten, haben die Wabenkröten sehr sensible, mehrfach aufgesplittete Fingerspitzen, die hochempfindliche Tastsinnesorgane darstellen. Dies ist wohl eine Spezialanpassung an die oft trüben Wohngewässer dieser Zungenlosen. Auf die übrigen anatomischen Artunterschiede will ich hier nicht weiter eingehen, sie sind nur unzureichend verbal zu umschreiben und daher wenig nützlich, um lebende Tiere zu bestimmen. Nur eine weitere anatomische Besonderheit sei noch erwähnt: das Seitenlinienorgan. Dieses Organ besitzen wasserlebende Amphibien, wie Molchlarven, Axolotl etc. und Fische. Auch die Wabenkröten verfügen über ein Seitenlinienorgan. Das ist ein ungeheuer sensibles Organ, mit dem selbst geringste Druckunterschiede im Wasser wahrgenommen werden können. Zusätzlich dient es wohl auch als Wahrnehmungsorgan, mit dem elektrische Reize, wie sie z.B. durch die Muskelbewegungen eines Wurmes entstehen, geortet werden können.

Sybilla Merian und die Wabenkröte

Die erste Abbildung einer Wabenkröte aus Sybilla Merians Buch „Metamorphosen“, 1719

Die ersten detaillierten Berichte über die Große Wabenkröte (Pipa pipa) erreichten die naturkundlich Interessierten bereits im 1719 in der 2. Ausgabe ihres weltberühmten Buches “Metamorphosen” durch Maria Sybilla Merian. Die außergewöhnliche Frankfurterin veröffentlichte einen detaillierten Stich mit einem Weibchen mit reifen Jungen. Die Berichte, dass aus dem Rücken der Tiere lebendige Junge hervorkommen, lösten ungläubiges Staunen aus. Freilich hatte Merian falsche Vorstellungen davon, wie die Eier in den Rücken des Muttertieres kommen; sie dachte, die Gebärmutter der weiblichen Kröte befände sich auf dem Rücken und dort würde der Samen des Männchens direkt die Eier befruchten. Bei falschen Vorstellungen blieb es auch zunächst. So behauptete Fermin 1764/65, das Weibchen wälze sich rückwärts auf den an Land abgelegten Eiern bis sie am Rücken haften blieben. Erst dann würden sie besamt. Pure Fantasie, wie wir heute wissen. Die wahren Vorgänge wurden freilich erst 1960 geklärt, immerhin fast 250 Jahre nach der Publikation Merians. Das ist um so erstaunlicher, als das die Wabenkröte bei den Einheimischen in Surinam als Leckerbissen gilt und als Kulturfolger alles andere als selten ist. Bereits 1896 gelang in London, genauer gesagt im Londoner Society´s Garden, die Zucht. Man fand ein Weibchen mit Eiern auf dem Rücken vor, bei dem die Legeröhre blasenartig vergrößert war. Zu dumm, dass sich Wabenkröten vorzugsweise nachts paaren. Die wirklichen Vorgänge wurden daher nicht beobachtet. Dafür wurde kräftig spekuliert. Man erklärte sich die Sache so, dass das Weibchen die Legeröhre so weit ausdehnt, dass es sich die Eier selbst auf dem Rücken plazieren kann.

Salto sexuale

Paarungsumklammerung (Amplexus) bei Pipa carvalhoi.   Photo: H.-J. Herrmann

Auch diese These erwies sich als falsch. In Wahrheit machen es die Wabenkröten ganz ähnlich wie ihre kleinen Vettern aus Afrika, die Zwergkrallenfrösche: Mit einem Salto rückwärts. Allerdings werden die Eier nicht frei an der Wasseroberfläche abgelegt, wie bei Hymenochirus, sondern werden bei der Abwärtsbewegung ausgestoßen. Tatsächlich sorgt zwar die vergrößerte, ausgestülpte Legeröhre der Weibchen dafür, dass die Eier auf dem Rücken landen, mehr aber auch nicht. Während der Abwärtsbewegung hebt das Männchen seinen Körper ab, ohne dabei jedoch die Hüftklammer zu lösen. Sind die Eier ausgetreten, macht das Männchen kreisende Bewegungen mit den Füßen, möglicherweise um die Samenflüssigkeit besser zu verteilen. Dann drückt das Männchen die Eier mit seinem Bauch fest. Noch sind die Eier jetzt ziemlich weit hinten, am Körperende. Das Männchen schiebt die Eier mit den Hinterfüßen weiter nach vorne, so dass nachfolgende Eier auf dem Rücken Platz finden können.

Nach erfolgtem Laichgeschäft löst das Männchen seinen Klammergriff. Sein Job ist getan, es geht nun wieder seinen Privatangelegenheiten nach. Auf dem Rücken des Weibchens befindet sich das Gelege noch gut sichtbar. Doch im Verlauf der folgenden acht Tage sinken die Eier vollständig in die Rückenhaut des Weibchens ein, wo sich die komplette Entwicklung bis zum fertigen Jungfrosch vollzieht. Die dauert (das ist temperaturabhängig, scheint aber auch individuell etwas zu variieren) 2,5-3,5 Monate (105-145 Tage). Bereits bevor die Jungtiere den Rücken endgültig verlassen, schauen sie oft mehrere Tage aus der Rückenwabe heraus und fressen in dieser Zeit sogar! Im Gegensatz zu den Afrikanern, die man als große Liebhaber des eigenen Kaviars und der Kaulquappen kennt, sind die Muttertiere von Pipa pipa keine Kannibalen! In Anbetracht des großen Wertes jeden Tieres separieren Züchter “trächtige” Weibchen ohnehin. Tatsächlich beobachtete man, dass die Weibchen sogar ihre Jungen wieder ausspuckten, wenn sie versehentlich ins Maul geraten waren. Die Aufzucht junger Großer Wabenkröten ist die einfachste unter den Zungenlosen.

Mittlere Wabenkröten

Pipa carvalhoi   Photo: H.-J. Herrmann

Die Große Wabenkröte hat einige Nachteile: Sie wird ziemlich groß, bei Weibchen muss man gut 20 cm einkalkulieren, und hat entsprechenden Platzbedarf. Ein Aquarium für Große Wabenkröten sollte nicht kleiner als 120 x 60 x 60 cm sein. Außerdem sind Pipa pipa ziemlich teuer, so dass die Zusammenstellung von Zuchtgruppen eine kostspielige Angelegenheit ist. Doch als hätte Mutter Natur auch an diese Problemchen gedacht hat sie uns mit Pipa carvalhoi sozusagen die Wabenkröte des kleinen Mannes beschert. Leider habe ich persönlich noch nicht das Vergnügen gehabt, sie kennenzulernen.

Diese Art wird nur rund 6 cm lang und ist daher in einer kleinen Zuchtgruppe (2 Männchen, 2 Weibchen) auch schon in handelsüblichen Aquarien von 60 x 30 x 30 cm unterzubringen. Die Männchen bleiben, wie bei allen Zungenlosen, kleiner als die Weibchen und können Rufen. Dies ist eine Kunst, die den Weibchen versagt bleibt. Der Ruf wird als langgezogener Triller beschrieben, der immer schneller wird und schließlich in einem Summton endet. Für Pipa pipa wird beschrieben, dass bei wohlgenährten Exemplaren (Vorsicht: Die Tiere verfetten leicht und sind dann zur Zucht nicht mehr zu gebrauchen) die Kloake bei den Weibchen dicker und runder ist und ihre Öffnung schräg nach oben zeigt. Die Öffnung zeigt bei den Männchen nach unten. Außerdem sind bei den Männchen die Arme dicker. Die Wasserchemie ist wohl ohne Belang für die Zucht.

Das Ablaichverhalten bei Pipa carvalhoi ist wie bei Pipa pipa, allerdings geht nach dem Ablaichen alles schneller. Die Eier versinken schon 24 Stunden vollständig im Rücken des Weibchens. Dies ist in der Praxis ein großer Vorteil. Denn die Eier der Großen Wabenkröte sind während des langsamen Einwachsprozesses reichlich Gefahren ausgesetzt und hier treten auch oft ärgerliche Verluste auf, z.B. durch Schnecken, die die Eier anfressen, oder durch Abstreifen von Eiern, wenn sich das Weibchen erschreckt. Bereits nach 14 Tagen beginnt der Schlupf der Jungtiere bei Pipa carvalhoi. Allerdings sind es hier nicht fertige Jungfröschchen, die den Rücken der Mutter verlassen, sondern Kaulquappen von 12 mm Länge (3 mm Körper- und 9 mm Schwanzlänge). Ihr Aussehen erinnert stark an das der Krallenfrosch-Kaulquappen, doch fehlen ihnen die Barteln. Auch sie sind frei im Wasser schwimmende Filtrierer. Allerdings sind sie in der Lage, deutlich größere Futterpartikel aufzunehmen als die Xenopus-Kaulquappen. Dadurch gestaltet sich ihre Aufzucht wesentlich einfacher, sie kann mit staubfeinem Trockenfutter, wie es für junge Aquarienfische angeboten wird, erfolgen. Etwa 6 Wochen brauchen die Kaulquappen zur Entwicklung zum Frosch. Achten Sie bei der Zucht der Wabenkröten darauf, dass die Wasseroberfläche nicht völlig mit Schwimm­pflanzen verkrautet ist. Die Kaulquappen aller Zungenlosen müssen nach dem Schlupf die Wasseroberfläche durchstossen, um schwimmfähig zu werden. Das kann unter Umständen durch zu viele Pflanzen verhindert werden und führt zu ärgerlichen Verlusten.

Zwergwabenkröten

Zwergwabenkröte aus der Umgebung des Maracaibo-Sees

Als ich kurz nach der Jahrtausendwende die ersten Zwergwabenkröten, Pipa parva, sah, dachte ich: “Oh je, jetzt züchten die schon Hymenochirus in Venezuela”. Erst beim näheren Hinsehen fiel mir auf, dass die Tierchen keine schwarzen Krallen an den Hinterfüßen hatten, dafür jedoch die für Wabenkröten typischen Verästelungen der Fingerspitzen. Tatsächlich, es waren Wabenkröten. Diese kleinste aller Arten kam aus der Umgebung des Lake Maracaibo zu uns.

Die Valencia-Zwergwabenkröte

Männchen der Valencia-Zwergwabenkröte
Männchen der Valencia-Zwergwabenkröte

Im Juni 2004 importierte Aquarium Glaser aus der Umgebung von Valencia erstmals eine Wabenkrötenart, die zuvor wohl noch nie nach Europa gelangte. Die Bestimmung der Art ist noch immer nicht gesichert, denn diese bizarre Species vereinigt die Merkmale zweier Arten in sich: Die der Kleinen Wabenkröte (Pipa parva) und die der Gelben Wabenkröte (Pipa arrabali).  Während anatomische Merk­male (die Verzweigung der Fingerspitzen) P. parva gleichen, wird die Art mit 6-7 cm Länge viel größer als die Zwergwabenkröte, deren Maximallänge bei nur 4 cm liegen soll. Bis zur Klärung dieser Frage (es könnte sich auch durchaus um eine wissenschaftlich noch unbeschriebene Art handeln) sollte man diese Wabenkröte besser als Pipa cf. parva be­zeich­net. Das Kürzel ”cf.” steht für ”confer”, ein latei­nisches Wort, das ”vergleiche mit” be­deutet. Man setzt es immer dann ein, wenn berechtigte Zweifel an der Bestimmung einer Art bestehen.

Auch hier: spannendes Fortpflanzungsverhalten

Die ”Geburt” der Valencia-Zwergwabenkröte erfolgt mit dem Schwanz voran.

Kaum jemand wird Wabenkröten ihres attraktiven Äußeren wegen halten.  Sie sind nämlich ausgesprochen häßlich, wenn man menschliches Schönheitsempfinden der Beurteilung der Frösche zugrunde legt.  Aber es reizt ungemein, die Fortpflanzung solcher Tiere zu beobachten. Wabenkröten brüten, wie oben ausführlich dargestellt, ihre Eier in der Rücken­haut des Weibchens aus. Am weit­esten fortgeschritten sind in dieser Hinsicht die Große Wabenkröte (Pipa pipa) und die eng verwandte P. snethlagae. Bei ihnen verlassen, wie gesagt, fertig entwickelte Jungfrösche die Mama. Bei den fünf anderen Arten müssen die Nachkommen bereits als Kaulquappen zuhause ausziehen und sich von da an alleine durchs Leben schlagen.

Filtrierer

Kaulquappe der Valencia-Zwergwabenkröte im Alter von 24 Stunden.

Anders als viele andere Kaulquappen ernähren sich die der Zwerg-Wabenkröten nicht von Aufwuchs, den sie von einem Substrat abschaben, sondern filtern feinste Futter­partikel (Algen, Einzeller, etc.) aus dem Wasser – genau wie bei der Mittleren Wabenkröte bereits beschrieben.  Das hier gezeigte Weibchen der Valencia-Wabenkröte entließ 129 Kaul­quap­pen aus der Rückenhaut! Wie man auf dem Foto erkennt, werden sie mit dem Schwanz voran geboren. Sie streben anschließend sofort an die Wasseroberfläche und schnap­pen Luft, die sie in ein Gleichge­wichtsorgan pressen, das es ihnen er­möglicht, ohne Kraftaufwand im Wasser zu schweben.  In diesem Fall schafften 23 Quappen es nicht, ihre „Schwimmblase”  zu füllen und starben binnen zwei Tagen. Der Rest war bei hohen Wassertemperaturen (30°C) und üppiger Fütterung mit dunkelgrüner Algenbrühe sehr raschwüchsig. Binnen einer Woche hatte sich die Körpermasse bei den größten Quappen schon vervierfacht und die ersten Ansätze der Hinterbeinchen wurden sicht­bar. Die Metamorphose erfolgte bereits nach vier Wochen.

Luftatmer

Die Kaulquappen sind offenbar an miese Wasserbedingungen und den durch  das Massen­auftreten von Mikroorganismen fast zwangsläufig eintretenden Sauerstoff­man­­gel gut angepasst. Sie decken ihren Sauer­stoffbedarf nicht durch Kiemen­atmung, sondern schnappen bei Bedarf Luft von der Wasseroberfläche. Die verbrauchte Luft wird ausgeschieden und bildet an der Wasser­oberfläche Bläschen. Ein Aufzucht­aquarium für Valencia-Wabenkröten sieht daher aus, als hätte ein Labyrinthfisch ein gewaltiges Schaumnest angelegt!

Nachzuchtexemplare des gegenwärtig im Hobby vorhandenen Stammes von Pipa parva.

Frank Schäfer


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Schachbrettcichliden – ganz besondere Zwergbuntbarsche

Es sind mehrere Arten Schachbrettcichliden (Gattungen: Crenicara und Dicrossus) im Handel. Die meisten dieser Arten sind nicht nur wunderschön, sondern gehören auch zu den ausgesprochenen Raritäten. Grund genug, sie hier etwas näher vorzustellen.

Oben Männchen, unten Weibchen von C. punctulatum aus Guyana, von wo die Art 1863 wissenschaftlich beschrieben wurde.

Entdeckungsgeschichte

1758, Stockholm – Der schwedische Naturforscher Karl von Linné (der sich selbst, wie unter den Gelehrten damals üblich, den lateinischen Namen Carolus Linnaeus gab) veröffentlicht die 10. Auflage seines Buches „Systema naturae“, in dem alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Tier- und Pflanzenarten benannt und klassifiziert wurden. Seither gibt es erst­mals in der Menschheitsgeschichte ein welt­weit von allen Wissenschaftlern akzeptiertes einheitliches Konzept zur Benennung von Tier- und Pflanzenarten, das bis heute Gültigkeit hat.

1863, London – Das naturhistorische Museum in London ist das Zentrum der wissenschaftlichen Welt ge­wor­den. Die Kuratoren haben eine monu­mentale Sammlung von Typusexemplaren zusammengetragen. Nach Linné merkte man nämlich schnell, dass es sinnvoll ist, eine Tier- oder Pflanzenart auf beispielhaften, typischen Exemplaren zu begründen. Diese gelten als „Typen“ (Singular: Typus) der Art und sind, streng genommen, die einzigen 100%ig sicher bestimmten Angehörigen ihrer Spezies. Albert C. L. G. Günther ist Fischkundler am Londoner Museum. In diesem Jahr beschreibt er eine Bunt­barschart aus Guyana als Acara punctulata, basierend auf drei Exemplaren aus dem Essequibo River in Guyana.

1875, Wien – Franz Steindachner beginnt mit der Pub­likation einer großen Übersicht über die Buntbarsche des Amazonas, inspiriert durch die reichhaltige Sammlung von Louis Agassiz aus der Thayer-Expedition (1865-1866). Steindachner beschreibt zwei neue Gattungen, Crenicara und Dicrossus mit jeweils einer neuen Art, Crenicara elegans (gesammelt aus der Thayer-Expedition bei „Gurupa, Cudajas und Curupira“) und Dicrossus maculatus (ebenfalls Exemplare der Thayer-Exepdition, gesammelt im „Lago Maximo und José Assu sowie in Neben­armen des Amazinenstromes bei Tocantins, im Rio Hyavary und im Rio Tapajuru“).

1905, London – Charles Tate Regan ist jetzt der Ichthyologe des naturhistorischen Museums. Er über­arbeitet die Buntbarsche Südamerikas und findet heraus, dass Günthers Acara punctu­lata auf zwei verschiedenen Arten basiert. Er legt ein Exemplar als gültigen Typen fest (die beiden anderen gehören zu der Art, die wir heute als Nannacara anomala oder Glän­zenden Zwergbuntbarsch kennen) und entdeckt, dass diese Art mit Steindachners Crenicara elegans identisch ist. In solchen Fällen gilt der ältere, also zuerst geprägte Namen (punctulata). Regan vereinigt zudem Crenicara und Dicrossus in einer gemein­samen Gattung. Dabei ändert er „Crenicara“ in das sprachlich bessere „Crenacara“ um, ein Akt, der jedoch unzulässig ist. Es gibt nun also zwei Crenicara-Arten, C. punctulata und C. maculata.

1935, Santarem – Der Aquarianer Walter Praetorius beschreibt Pflege und Zucht einer Crenicara-Art, wobei der Redakteur der Zeitschrift (Hugo Weise) aus Versehen (er glaubte, die wissen­schaf­tliche Erstbeschreibung durch Ernst Ahl sei bereits erfolgt) die wissenschaftliche Be­nennung als Crenicara praetoriusi vor­nimmt.

Abbildung zur versehentlichen Erstbeschreibung von ”Crenicara praetoriusi” aus der Zeitschrift ”Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde”, 1936. Die Zeichnung stammt von Walter Praetorius, der sie 1933 in Santarem anfertigte, der Text von Hugo Weise.

1936, Berlin – Ernst Ahl vom Zoologischen Museum beschreibt Crenicara praetoriusi als neue Art auf der Basis von drei Tieren, die er konserviert von Praetorius 1934 aus dem Igarapè Irurà-Mapiry (Amazonas-Einzug, Pará, Brasilien) erhalten hatte.

1958, Hamburg – Anhand von zwei Exemplaren aus dem Zierfischimport-Handel beschreibt Werner Ladiges die neue Art Crenicara filamentosa. Die Herkunft der Tiere ist ihm nicht bekannt, er vermutet, sie stammten vom oberen Ama­zonas. Seine neue Art ist u.a. dadurch unter­schieden, als dass das Männchen eine zwei­zipfelig ausgezogene Schwanzflosse besitzt. Ladiges nennt 1959 auch erstmals den Liebhabernamen für die neue Art: Schach­brett-Cichlide, basierend auf dem ameri­kanischen Populärnamen „checker­board cichlid“.

1986, Stockholm – Sven O. Kullander, Fischkundler und diesbe­züglich aktueller Nachfolger von Linné in Stockholm, stellt fest, dass der von Stein­dachner gewählte Gattungsname Crenicara gültig ist und sein Geschlecht neutrum, da er sich aus den griechischen Worten krene (Quelle) und kara (Gesicht) zusammensetzt und nicht, wie Regan 1905 annahm, aus krene und dem indianischen Tupi-Wort Acara (für Buntbarsch), mit weiblichem Geschlecht. Es muss also bei aus Adjektiven gebildeten Artnamen das grammatikalisch richtige Geschlecht gebildet werden, also Crenicara punctulatum (statt des weiblichen C. punctulata). Kullander stellt fest, dass es mindestens 3 wissenschaftlich noch unbe­schriebene Crenicara-Arten gibt.

1990, Stockholm – Kullander trennt Crenicara und Dicrossus wieder voneinander, zu Crenicara zählt jetzt nur noch C. punctulatum, zu Dicrossus D. maculatus und D. filamentosus.

1990, Stockholm, Berlin, Paris – Kullander und Wolfgang Staeck, Buntbarsch-Kenner aus Berlin, beschreiben eine zweite Crenicara Art: C. latruncularium. Sie ist C. punctulatum sehr ähnlich, jedoch geo­grafisch scharf von der anderen Art getrennt, nirgendwo kommen sie gemeinsam vor. C. latruncularium kennt man nur aus dem Grenzgebiet zwischen Bolivien und Brasilien, im Einzug der Flüsse Guaporé und Marmoré, C. punctulatum hat hingegen ein riesiges Verbreitungsgebiet in Brasilien, Kolumbien, Peru, Ekuador und Guyana.

2008, Berlin – Ingo Schindler und Wolfgang Staeck beschreiben eine neue Dicrossus-Art aus dem Einzug des Rio Atabapo in Kolumbien als Dicrossus gladicauda. Die Männchen der neuen Art haben eine Verlängerung nur in der oberen Hälfte der Schwanzflosse. Entdeckt wurde D. gladicauda 2002 durch Zierfischimporte.

2010, Dresden – Ein Wissenschaftler-Team, bestehend aus Uwe Römer, Ingo J. Hahn und Pablo M. Vergara beschreiben formell zwei Dicrossus-Arten, die bereits seit 1981 bzw. 1992 aquaristisch bekannt sind. Während erstere Art – sie erhält den Namen Dicrossus foirni – unter der Bezeichnung „sp. Doppelfleck“, „sp. Rio Negro“ oder ”sp. Rotflossen” durch den Import­handel bekannt wird, entdeckt Kullander 1990 die zweite Art in Museums­material. Frank Warzel reist zwei Jahre später nach Brasilien, fängt die Art im Rio Tapajós, bringt sie nach Deutschland und züchtete sie hier auch nach. Sie erhält den provi­sorischen Namen „sp. Tapajós“ und wird nun, 18 Jahre später, von Römer et al. als Dicrossus warzeli beschrieben.

2013, Berlin – Schindler und Hans-Joachim Paepke ver­öffentlichen eine Arbeit über die Typus­exemplare südamerikanischer Buntbarsche im Museum für Naturkunde in Berlin, da­runter auch die drei Exemplare von Crenicara praetoruisi, die Ahl 1936 als Grundlage zur Beschreibung dienten. Schindler und Paepke bestätigen die von vielen früheren Bear­beitern bereits angenommene Art­gleichheit von Crenicara praetoriusi mit Dicrossus maculatus.

Es dauerte von 1863 bis 2013, um den heutigen Wissensstand über die Arten der Schachbrettbuntbarsche zu erreichen. Aquarianer und Zierfischhändler hatten daran maßgeblichen Anteil. Und noch immer sind bezüglich der Artenanzahl Fragen offen, die der Klärung bedürfen (siehe weiter unten bei Dicrossus filamen­tosus). Auf jeden Fall stellen die Schachbrett­buntbarsche ein wunderbares Beispiel dafür dar, wie wichtig ein freier Handel und eine uneingeschränkte Möglichkeit zur Pflege und Zucht durch Liebhaber sind, um die Lebewesen auf diesem Planeten kennen und schützen zu lernen. Denn man kann nur schützen, was man kennt!

Schachbrettcichliden im Aquarium

Zuerst wurde Crenicara punctulatum nach Europa eingeführt. Der sehr schöne Fisch hat leider einen entscheidenden Nachteil: er ist fast immer sehr scheu. Darum konnte er sich aquaristisch nie so richtig durchsetzen, ob­wohl es nur wenige Buntbarscharten gibt, die derart friedlich und damit ausgezeichnet für ein Gesellschaftsaquarium geeignet sind, wie eben dieser Cichlide. Ein Gesell­schafts­aquarium ist ideal zur Pflege dieser Art geeignet, da die anderen Fische den Schach­brett-Cichliden etwas von ihrer Scheu nehmen. Vielleicht ist es diese Scheu von Crenicara punctulatum, die viele Aquarianer davon abhält, es einmal mit diesen schönen Tieren zu versuchen.

Voll erwachsenes Männchen von Crenicara punctulatum aus dem oberen Rio Guaporé. Es kam als Frau zur Welt.
Oben Männchen, unten Weibchen von C. punctulatum aus Brasilien. Diese Tiere haben eine auffällige Kopfbeschuppung.

Aber auch um Dicrossus-Arten ranken sich wenig schöne Mythen: sie gelten als äußerst empfindlich und hinfällig. Meist werden dafür die extremen Wasserwerte ver­antwortlich gemacht, die diese Arten in der Natur vorfinden: eine Härte ist dort kaum nachweisbar, der pH-Wert liegt unter 5. Das bedingt eine extreme Keimarmut. Und ge­gen eine hohe Bakteriendichte sind Schach­brett-Cichliden tatsächlich empfindlich. Aber die Hauptschwierigkeiten scheinen in der früher wohl ziemlich unzureichenden Hälter­ung in den Ursprungsländern gelegen zu haben. Es kamen dadurch viele stark vor­geschädigte Tiere in den Handel, die nur unter großen Schwierigkeiten eingewöhnt werden konnten. Heute ist das anders und Wild­fänge von Dicrossus stellen einiger­maßen geübte Aquarianer vor keine nen­nens­werten Probleme mehr. Für die Pflege sind die Wasserwerte von untergeordneter Bedeutung, eine Gesamthärte bis etwa 20° dH und ein pH-Wert zwischen 5 und 7,5 sind gut geeignet. Weder Pflanzen, noch andere Fische werden von Schachbrett-Cichliden behelligt. Die Wassertemperatur wähle man lieber etwas höher als üblich, zwischen 26 und 30°C sollten wenigstens während der Eingewöhnungszeit geboten werden. Gefressen wird jedes übliche Zierfischfutter, egal ob Lebend-, Frost- oder Trockenfutter.

Dicrossus filamentosus ist wunderschön und wird regelmäßig im Zoofachhandel angeboten.

Der allerwichtigste Faktor für eine erfolg­reiche Pflege von Schachbrett-Cichliden ist aber der Bodengrund: es müssen unbedingt Flächen mit feinem Sand zur Verfügung stehen! Dieser wird ständig nach Nahrung durchsucht. Ohne Sand lassen sich Schach­brett-Cichliden auf die Dauer nicht erfolg­reich pflegen.

Crenicara punctulatum

Oben Weibchen, unten Männchen der gegenwärtig am häufigsten importierten Form von Crenicara punctulatum aus Peru. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass all´die verschiedenen Populationen in ganz Amazonien tatsächlich zur gleichen Art gehören.
Nur wenn die Tiere beunruhigt sind, zeigen Crenicara punctulatum (hier Exemplare aus Peru) das namengebende Schachbrettmuster. Im Normalfall sehen sie aus, wie das Paar, das oben abgebildet ist.

Crenicara punctulatum wird im männlichen Geschlecht ca. 12 cm lang, ist also kein eigentlicher Zwergbuntbarsch mehr. Aber da diese Art sehr friedlich ist, fällt das nicht weiter ins Gewicht. Crenicara punctulatum gehört zu den ganz wenigen Arten unter den Süßwasserfischen, bei denen ein echter Geschlechtswechsel stattfinden kann. Soweit bekannt kommen alle C. punctulatum als Weibchen zur Welt. Man erkennt sexuell aktive Weibchen aller Schachbrett-Cichliden sehr leicht an den intensiv orangefarbenen Bauchflossen. Befindet sich kein Männchen im Becken, wandelt sich das kräftigste Weib­chen von einem funktionsfähigen Weib­chen zu einem funktionsfähigen Männchen um. Man nennt dieses Phänomen, das bei Korallenfischen sehr verbreitet ist, proto­gynen Hermaphrodismus. Die Pflege von C. punctulatum ist leicht. C. punctulatum ist ein Offenbrüter mit Harems­bildung, ein Männchen verpaart sich also mit mehreren Weibchen und bewacht das Re­vier, während die Weibchen für die Eier und Jungfische zuständig sind.

Crenicara latruncularium

Crenicara latruncularium ist von C. punctulatum am leichtesten durch die Gesichtsfärbung zu unterscheiden.

Diese Art ist C. punctulatum extrem ähnlich, man kann sie an zwei Merkmalen erkennen: nur 15 Stachelstrahlen in der Rückenflosse (16-17 bei C. punctulatum) und zwei grün­lich-irisierenden Streifen unter dem Auge. Pflege und Zucht gleichen C. punctulatum, allerdings wurde die Geschlechtsum­wand­lung bei C. latruncularium bislang nicht beschrieben; es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sich C. latruncularium in dieser Hinsicht nicht von C. punctulatum unterscheidet.

Dicrossus filamentosus

Weibchen von Dicrossus filamentosus. Die Bauch­flossen färben sich nach dem ersten Ablaichen intensiv rot.
Die Schwanzflossenzeichnung der Männchen von Dicrossus filamentosus ist je nach Her­kunft unterschiedlich. Oben: Population aus Kolumbien. Unten: Population aus Brasilien.

Dies ist die einzige Art Schachbrett-Cichlide, die wirklich fast immer im Handel zu finden ist. Sie kommt weit verbreitet in Brasilien, Kolumbien und Venezuela vor und gehört zu den Zwergcichliden: Männchen werden etwa 9 cm, Weibchen 6 cm lang. Der Lebens­raum entspricht in etwa dem der Neonfische Paracheirodon axelrodi und P. simulans (Roter und Blauer Neon). Die Pflege ist nicht schwierig, die Zucht aber hohe Schule der Aquaristik. Die Eier können sich nur bei sehr saurem, fast destilliertem Wasser entwickeln. Auch dieser Schachbrett-Cichlide ist ein Offenbrüter mit Haremsbildung, allerdings verteidigen die Männchen kaum ein Revier. Diese Art ist vielleicht der friedlichste Buntbarsch überhaupt. Es gibt mindestens zwei Farbformen, die sich an der Schwanz­flossenfärbung der Männchen unter­scheiden. Möglicherweise handelt es sich dabei um verschiedene Unterarten. Da man die Weibchen nicht unterscheiden kann, sollte man niemals Tiere unterschiedlicher Herkunft miteinander verpaaren.

Dicrossus maculatus

Auch die Dicrossus-Art gehört zu den Zwergcichliden – und zwar zu den schönsten überhaupt! Männchen werden rund 9 cm, Weibchen 5 cm lang. Im Aquarium gehört die Art zu den absoluten Raritäten. Die Zucht ist ähnlich anspruchsvoll wie bei D. filamen­tosus, aber D. maculatus ist ein Weißwasser­bewohner und kommt nur im unteren Amazonas in Brasilien vor.

Dicrossus gladicauda

Dicrossus gladicauda, Männchen.
Dicrossus gladicauda, Weibchen.

Die Entdeckung dieses Schachbrett-Cichliden war eine echte Überraschung. Die kolumbianische Art unterscheidet sich von D. filamentosus nur durch die Schwanz­flossen­form, die Männchen haben ein unverwechselbares Obenschwert. Jungtiere und Weibchen sind allerdings nicht von D. filamentosus zu unterscheiden. Da Schach­brett-Cichliden fast ausschließlich als Jungtiere von 2-3 cm Länge importiert werden, bei denen die Schwanzflosse noch nicht ausgewachsen ist, ist jede Sendung aus Kolumbien ein Überraschungspaket. Übri­gens: Die Männchen von D. gladicauda finden Weibchen von D. filamentosus sehr sexy…

Dicrossus foirni

Dominates Männchen von Dicrossus fiorni

Im Hobby war diese Art seit ca. 1980 als „Rotflossen-Schachbrett-Cichlide“ oder Dicrossus sp. Rio Negro bekannt. Alte Männ­chen können fast 10 cm lang werden, damit ist D. foirni die größte aller Dicrossus-Arten. Und eine der schönsten! D. foirni ist ziemlich pflegeleicht, wären da nur nicht die Pro­bleme bei der Zucht… Auch diese Art braucht extrem weiches, saures Wasser, um sich erfolgreich fortpflanzen zu können. Von Zeit zu Zeit gibt es stabile Wildfang-Importe im Handel.

Dicrossus warzeli

Dicrossus warzeli, Männchen.
Dicrossus warzeli, Weibchen.

Dieser Schachbrett-Cichlide wurde bislang nur sehr selten importiert. Unseres Wissens ist er zur Zeit nicht im Handel erhältlich, wenn überhaupt, kann man ihn nur bei spezi­alisierten Zwergbuntbarsch-Lieb­ha­bern erstehen. D. warzeli kommt nur im Rio Tapajós in Brasilien vor.

Noch etwas schüchtern, aber kerngesund: gestern sind endlich wieder einmal einige Dicrossus warzeli eingetroffen!

Ganz aktuell (10. November 2022) kamen 30 Exemplare bei Aquarium Glaser an. Vielleicht gelingt es ja mit ihnen, einen dauerhaften Stamm aufzubauen. Verdient hätte es die schöne Art!

Frank Schäfer


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Sternguckerwelse: Astroblepus

Die L-Welse oder Loricariidae aus Südamerika gehören zu den beliebtesten und begehrtesten Welsen für das Aquarium. Doch selbst erfahrene Aquarianer hatten bislang kaum jemals die Gelegenheit, einen lebenden Vertreter der Gattung Astroblepus zu Gesicht zu bekommen.

Es handelt sich dabei um die einzige Gattung der Familie Astroblepidae, den engsten Verwandten der Loricariidae, die sich von letzteren durch ihren nackten Körper unterscheiden. Die Loricariidae ha­ben im Gegensatz dazu einen Knochen­panzer, der den Leib umhüllt. Dennoch wurden die Astroblepidae noch von Regan (1904) nur als hochspezialisierte Unterfami­lie zu den Loricarii­dae geführt, so stark sind die sonstigen Übereinstimmungen der bei­den Wels­grup­pen. Aquarium Glaser, Rodgau, gelang erstmals 2011 die Einfuhr dieser aqua­ristischen Raritäten aus Peru, wenngleich nur in sehr kleiner Stückzahl.

Tafel mit verschiedenen Astroblepus-Arten aus Regan, 1904. Der von Regan verwendete Gattungsname „Arges“ ist ein ungültiges Synonym.

Die Gattung Astroblepus

Es gibt aktuell (Stand: November 2022) 71 allgemein akzeptierte Arten der Gattung Astro­blepus und sie sind seit über 100 Jahren nicht mehr vergleichend wissenschaftlich bear­beitet worden. Allein in den letzten 11 Jahren hat der kolumbianische Wissenschaftler C. A. Ardila Rodriguez 27 neue Arten aus Kolumbien und Peru beschrieben! Da ist leicht einzusehen, dass eine Bestimmung einer Art sehr schwierig ist, zumal praktisch gar keine aquaristische Literatur über diese Fische existiert.

Die größte bislang bekannt gewordene Art von Astroblepus ist A. grixalvii aus Kolumbien (Rio Magdalena-Becken), der etwa 30 cm lang werden kann. Die meisten Arten scheinen jedoch deutlich kleiner zu bleiben. Egal ob groß oder klein: das Fleisch der Astroblepidae gilt als sehr schmackhaft und in ihren Vorkommensgebieten wird ihnen darum eifrig nachgestellt. Die Bestimmung der 2011 ein­geführten Tiere wäre kaum möglich gewesen, ohne dass der Lieferant das Fanggebiet preisgegeben hätte (danke, Carlos!). So wissen wir aber, dass die Fische aus dem Einzug des oberen Rio Ucayali stammen, was die Anzahl der in Frage kommenden Arten deutlich einschränkt. Auch wenn naturge­mäß die Bestimmung auf diese Art und Weise nicht 100%ig sicher sein kann, sind die Fische den be­schriebenen Arten Astroblepus mancoi und A. taczanowskii zumindest sehr ähnlich. Die ohne Zweifel attraktivere Art ist A. mancoi mit einem variablen Tigermuster. A. tacza­nowskii ist hingegen mehr oder weniger orange­braun mit einer feinen Marmo­rie­rung. Beide Arten erreichen eine Länge von etwa 8 cm.

Astroblepus mancoi kann sehr variabel gezeichnet sein. Neben solch getigerten Exemplaren, wie sie …
… 2011 importiert wurden, gibt es auch einfarbige Exemplare.

Ganz aktuell – diese Woche – gelang Aquarium Glaser erneut ein Import dieser interessanten Tiere. Diesmal kamen sie aus Kolumbien, aber ohne Herkunftsangabe. Das bedeutet, dass sie noch nicht einmal zwingend in Kolumbien gefangen worden sein müssen, denn die kolumbianische Stadt Leticia am Amazonas liegt im Dreiländereck Brasilien-Peru-Kolumbien und ist einer der Hauptumschlagplätze für Zierfische aller drei Staaten. Rein optisch kann man bei dem Neuimport vier Farbformen unterscheiden, aber ob das auch verschiedene Arten sind? Ich stehe mit den Recherchen noch ganz am Anfang und weiß noch nicht, wohin der Weg mich führen wird. Fest steht jetzt schon folgendes: ein ganz wichtiges Bestimmungsmerkmal bei Astroblepus-Arten ist die Struktur des Fettkiels (obere Rückenkante hinter der Rückenflosse) und der Fettflosse. Bei den beiden Peruanern st die hintere Kante der Fettflosse mit der Schwanzflosse verwachsen, die Adipose (so die wissenschaftliche Bezeichnung der Fettflosse) setzt bei A. taczanowskii unmittelbar an der Hinterkante der Rückenflosse an, bei A. ancoi erst etwas weiter hinten. Alle vier Kolumbianer haben hingegen eine winzige, freie Fettflosse, die aber einen Stachelstrahl hat und davor liegt ein langer, flacher Fettkiel. Unterschiede sieht man in der Bezahnung, die beiden kontrastreich gezeichneten Phänotypen haben rote, kleine Zähne im Oberkiefer, der einfarbig gelbliche Fisch hat kleine weiße Zähne im Oberkiefer und der einfarbig braune deutlich größere, wiederum rotgefärbte. Es deutet also alles auf mindestens drei Arten, vielleicht auch vier hin. Die Größe der Fische liegt aktuell bei 5-6 cm.

Lebensweise

Astroblepus steigen hoch in die Berge der Anden auf und wurden noch in Höhen von 4.000 m über dem Meeresspiegel nach­gewiesen. Allerdings gibt es auch Arten, die nur wenige 100 m über dem Meeresspiegel leben. Es gibt jedoch auch eine echte Höh­len­art, nämlich A. pholeter, die völlig farblos ist und reduzierte Augen hat. Sie findet sich nur im Inneren einer einzigen Höhle, die im Westen Ecuadors liegt, etwa 300 m bis zu 2 km vom Höhleneingang entfernt. Diese Art hat stark verlängerte Flossenfilamente. Sie lebt extrem versteckt und ist deshalb nur unter großen Schwierigkeiten zu fangen. Die Nahrung dieser Art scheint aus Insektenlarven zu bestehen. Gewöhnlich leben Astroblepus aber in mehr oder weniger rasch fließenden Gewässern, wo sie recht lebhaft unterwegs sind. Be­obachter schildern ihr Verhalten als ver­gleichbar dem von Kaulquappen.

Die Unterseite von Astroblepus mancoi. Gut zu erkennen: das Saugmaul und der Haftapparat am Bauch.

Astroblepus sind fantastisch an stark strö­mendes Wasser angepasst und haben dazu nicht nur ihr Saugmaul, sondern auch noch einen beweglichen Haftapparat am Bauch. Beides ermöglicht den Tieren, sogar reißen­de Wasserfälle gegen die Strö­mung zu überklettern. Es gibt die Schilderung eines Minen­inge­nieurs, der einen Fluss staute, um eine Ver­tiefung im Flussbett zu untersuchen, die da­durch trockengelegt wurde. Als das Wasser, das im Kolk ursprünglich rund 7 m tief war auf weniger als 1 m abgesunken war, be­gannen die Astroblepus (es handelte sich um die kolumbianische Art A. chotae) aus dem Kolk herauszuwandern, indem sie mittels ihres Saugmaules und des Haft­apparates am Bauch die nassen Wände des Kolkes em­porklettetten. Sie klettetten dabei jeweils etwa 30 cm in die Höhe, erholten sich kurz, und kletterten dann weiter. Auf diese Art und Weise gelang es den Tieren, aus dem trockengefallenen Kolk zu entrinnen. Die an­schließende genauere Untersuchung ergab, dass sie dabei eine Wand von fast 6 m Höhe überwunden wurde, die senkrecht oder sogar um bis zu 30° überhängend war. Zu­dem war die Wand reichlich mit Algen bewachsen. Damit sie trotz angesaugten Maules noch atmen können, haben die Astroblepidae oberhalb der Kiemendeckel eine loch­för­mige Öffnung.

Die zweite 2011 aus Peru importierte Art ist Astroblepus taczanowskii.
Die Maul- und Zahn-Struktur von Astroblepus taczanowskii erinnert an Ancistrus-Arten.

Die allermeisten Astroblepus-Arten sind Aufwuchs­fresser, ihre Maul- und Zahnstruktur ähnelt stark der von vielen Loricariiden, besonders der der Ancistrus-Arten.

Geschlechtsunterschiede und Fortpflanzung

Äußerlich unterscheiden sich die Ge­schlechter, so weit man das weiß, nur durch die unterschiedliche Form der Genital­pa­pillen, die bei den Männchen stark ver­längert ist, was schon zu Speku­lationen führ­te, die Tiere könnten eine in­nere Be­fruchtung vollziehen. Über das Fortpflanzungsverhalten der Astroblepus-Arten ist so gut wie nichts be­kannt. Der bereits zitierte Ingenieur – er hieß übrigens R. D. O. Johnson – be­obachtete an der Unterseite von großen Steinen einzeln angeheftete Eier, die er als zu Astroblepus gehörend ansah. Diese Steine befanden sich am Grund der tiefsten Kolke im Fluss­bett.

Pflege im Aquarium

Im Aquarium sollte man diese fas­zi­nie­renden Welse kühl (18-22°C) und mit starker Strömung pflegen. Die sonstige Pflege entspricht der von Antennenwelsen (An­cistrus). Die importierten Tiere haben sich bislang als untereinander sehr friedlich erwiesen. Leider sind sie echt empfänglich für die Pünktchenkrankheit (Ichthyo­ph­thirius), was man ja auch von anderen schup­penlosen Fischen kennt, etwa der Pracht­schmerle (Chromobotia macra­canthus). Man sollte die Tiere daher während der Einge­wöhnung sorgfältigst beobachten, um gleich bei den ersten Anzeichen der Er­krankung reagieren zu können.

Frank Schäfer

Lexikon

Astroblepus: aus dem altgriechischen, bedeutet „Sternengucker“. mancoi: Widmungsname für den Inka Ayar Manco, der Cuzco kolonisierte und als „Moses der peruanischen Indianer“ bekannt wurde. Er führte um 1100 v. Chr. den Exodus von Tampu-tocco an (Eigenmann & Allen, 1942). taczanowskii: Widmungsname für den ehemaligen Kurator des Warschauer Museums.

Vorschlag deutscher Gebrauchsnamen: Astroblepus mancoi: Tiger-Sternenguckerwels; A. taczanowskii: Orangener Sternenguckerwels

Literatur

Burgess, W. E. (1989): An Atlas of Freshwater and Marine Catfishes. A Preliminary Survey of the Siluriformes. T.F.H. Publications, Neptune City, New Jersey, U.S.A. 1-784, Pls. 1-285.

Cuvier, G. & A. Valenciennes (1840): Histoire naturelle des poissons. Tome quinzième. Suite du livre dix-septième. Siluroïdes. Histoire naturelle des poissons. v. 15: i-xxxi + 1-540, Pls. 421-455.

Eigenmann, C. H. & W. R. Allen (1942): Fishes of Western South America. I. The intercordilleran and Amazonian lowlands of Peru. II.- The high pampas of Peru, Bolivia, and northern Chile. With a revision of the Peruvian Gymnotidae, and of the genus Orestias. University of Kentucky. i-xv + 1-494, Pls. 1-22.

Regan, C. T. (1904): A monograph of the fishes of the family Loricariidae. Transactions of the Zoological Society of London v. 17 (pt 3, no. 1): 191-350, Pls. 9-21.


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Ein Paradies für Tierliebhabende: Die TIERisch gut am 12. und 13. November 2022 in Karlsruhe!

Am zweiten Novemberwochenende öffnet die TIERisch gut wieder ihre Türen in den Hallen der Messe Karlsruhe in Rheinstetten: Rund 190 Ausstellende präsentieren neben einem vielfältigen Sortiment aus Futter- und Pflegemitteln, Accessoires und Zubehör auch Angebote rund um die Gesundheit sowie das Reisen mit Hund und Katze.
Besuchende können sich zudem auf ein abwechslungsreiches Show- und Rahmenprogramm in den Themenbereichen Hund und Katze freuen:

Auf Hundefans warten unter anderem die beiden Internationalen Rassehunde-Ausstellungen des Landesverbands Baden-Württemberg für Hundewesen e.V., ein Mischlingshundewettbewerb, ein Segnungsgottesdienst für Mensch und Tier sowie verschiedene Shows und Live-Vorführungen im Ehrenring. Im Themenbereich Katze feiert der Deutsche Edelkatzenzüchter-Verband sein 100. Jubiläum mit vielfältigen Programmpunkten: Dazu zählt die Edelkatzenausstellung, eine Sonderfläche zum Thema „Katzengerechtes Wohnen“, Junior Richten und Fachvorträge rund um den Kauf und die Haltung von Katzen.

Die TIERisch gut hat an beiden Messetagen von 9 bis 18 Uhr geöffnet und auch wir werden wieder mit einer tierverliebt-Buchlounge vertreten sein. An unserem Messestand können Sie die größte Auswahl an Büchern zum Thema Hund und Katze bewundern – wir laden Sie hiermit zum ausgiebigen Schmökern ein!


Weitere Informationen zur Messe: www.tierischgut-karlsruhe.de Direkt zu den Tickets geht’s hier.

© Bilder von Jürgen Rösner

Die Chinesische Streifenschildkröte

Es sieht nicht gut aus für die freilebenden Schildkrötenbestände Ost- und Südostasiens. Die Tiere gelten in China als Delikatesse und dafür wird ein anachronistischer Raubbau an den Beständen betrieben. Als Folge dessen stehen nur noch wenige Arten für die Terraristik zur Verfügung, obwohl der Tierhandel zu Haltungszwecken keinen nennenswerten Einfluss auf die Wildbestände hat. Die Chinesische Streifenschildkröte, Mauremys (früher: Ocadia) sinensis wird in großer Stückzahl auf Farmen gezüchtet und ein Teil der Schlüpflinge kommt in den Tierhandel. Allerdings gilt die Population von Taiwan, wo sich die Zuchtfarmen befinden, als möglicherweise eigenständiges Taxon; diese Population gilt derzeit als „nicht gefährdet“ (IUCN, abgerufen 28. Oktober 2022). Die Festlandpopulation von China ist hingegen „gefährdet“, während die relativ kleine Population von Vietnam als „verletzlich“ eingestuft wird.

Erwachsenes Männchen der Chinesischen Streifenschildkröte

Vor- und Nachteile von Nachzuchttieren
Es ist eine grundsätzliche philosophische Entscheidung, ob man lieber Wildfänge oder Nachzuchtexemplare pflegt. Das immer wieder vorgebrachte Argument, Nachzuchttiere seien einfacher in der Pflege, weil sie bereits an die Gefangenschaftsbedingungen gewöhnt seien, ist Unsinn. Eine Schildkröte ist ein Wildtier und ohne Einsicht in ihre Lebensumstände. Das Umsetzen einer Schildkröte von einem Terrarium in das nächste ist aus der subjektiven Sicht der Schildkröte nichts anderes, als das Umsetzen aus der Natur in ein Terrarium. Richtig ist, dass die Elterntiere von Nachzuchtexemplaren sich offenbar unter den beim Züchter herrschenden Bedingungen sehr wohl fühlten und dort zur Fortpflanzung schritten. Somit sind die Anforderungen an die Terrarieneinrichtung und das Klima für diesen speziellen Stamm bekannt, was die Pflege erheblich erleichert, wenn denn diese Angaben exakt weitergegeben werden. Umgekehrt sind eingewöhnte Wildfangtiere gewöhnlich robuster und weniger krankheitsanfällig, besonders wenn sie etwas älter sind, denn man darf ja nicht vergessen, dass in der Natur 70-90% der Jungtiere vor dem Erreichen der Geschlechtsreife sterben (Krankheiten, Verhungern, negative Umwelteinflüsse, Fressfeinde). Wer diese Selektion übersteht, ist schon sehr robust.
Grundsätzlich eignen sich Wildfänge besser für erfahrene Pfleger als für Einsteiger, da der unvermeidbare negative Stress, der durch Fang, Transport, Nahrungsumstellung etc. auftritt, die Tiere schwächt und dadurch Krankheiten auftreten können. Es gehört nun einmal viel praktische Erfahrung dazu, einer Schildkröte anzusehen, wie fit sie ist. Bei den Chinesischen Streifenschildkröten stellt sich die Frage aber gar nicht, denn es gibt ausschließlich Nachzuchtexemplare im Handel. Die Chinesische Streifenschildkröte unterliegt keinerlei gesetzlichen Regelungen bezüglich des Handels innerhalb der EU, allerdings ist sie im Anhang III des Washingtoner Artenschutzabkommens für China gelistet. Das bedeutet, dass bei der Einfuhr in die EU die Anzahl der Tiere erfasst und gespeichert wird, um ggf. verlässliche Zahlen zu haben, die eine Höherstufung im Schutzstatus rechtfertigen könnten.

Alle Chinesischen Streifenschildkröten im Handel sind Nachzuchten.

Babys benötigen besondere Pflege
Das gilt für Schildkröten ebenso wie für jedes andere Tier. Dem entsprechend muss die Pflege optimal sein, damit die Tiere gedeihen. In den Handel kommen gewöhnlich Schlüpflinge mit etwa 3-4 cm Panzerlänge. Sie werden am besten in einem 50-60 cm langen Aquarium untergebracht. Der Wasserstand sollte bei etwa 10 cm liegen, da die kleinen Tiere sonst leicht ertrinken können. In allen vier Ecken des Terrariums müssen zumindest während der Eingewöhnungszeit Klettermöglichkeiten vorhanden sein, die den kleinen Schildkröten den Ausstieg ermöglichen. Denn eine Schildkröte, die das Wasser verlassen will, schwimmt im Aquarium immer die Ecken an. Chinesische Streifenschildkröten sind Sumpfschildkröten. Das bedeutet, dass die Tiere exzellente Schwimmer und Taucher sind, die im Wasser ihre Nahrung suchen und dorthin vor ihren Feinden flüchten, die jedoch immer einen trockenen Platz an Land brauchen, an dem sie sich aufwärmen und abtrocknen; erwachsene Weibchen legen zudem ihre Eier an Land ab.
Der wohl am häufigsten gemachte Fehler bei der Pflege von Sumpf- und Wasserschildkröten ist der, dass die Grundregeln der Aquaristik nicht oder nur unzureichend beachtet werden. Der Wasserteil des Schildkrötenterrariums ist ein Aquarium und ein Aquarium braucht eine biologische Filterung, sonst reichern sich Giftstoffe im Wasser an, vor allem Nitrit. Es ist darum wichtig, dass die neu erworbenen Schildkröten in ein Aufzuchtaquarium mit eingefahrenem Filter kommen. Ideal eignet sich ein Hamburger Mattenfilter, über die Rückwand des Beckens gebaut, für die Aufzucht von Babyschildkröten. Der langsam laufende Filter ist sehr effektiv, bietet eine gute Ausstiegsmöglichkeit für die Kleinen und es besteht keine Gefahr, dass die Kleinen Schildkröten angesaugt werden und unter Umständen ertrinken, weil sie vom Filtersog nicht mehr freikommen. Einige kleine, flinke Fische (Guppys, Kardinalfische, Zebrabärblinge) sollten immer mit im Aquarium schwimmen. Geht es den Fischen gut, ist das Wasser auch für die Schildkröten in Ordnung. Wie für jedes Aquarium gilt: eine Einlaufphase von 3-6 Wochen ist notwendig, bevor die Tiere eingesetzt werden!
Besonders neigen Streifenschildkröten-Babys zu Verpilzungen, die sehr schnell schlimme Ausmaße annehmen können. Ist diese Krankheit erst einmal ausgebrochen, sind die Schildkröten kaum noch zu retten. Vorbeugen ist hier Mittel der Wahl! Ein gut eingefahrener Filter ist schon die halbe Miete, Catappa-Blätter, Erlenzäpfchen und Laub von Eiche, Rotbuche, Birke und Erle sorgen für ein biologisch funktionierendes Wasser, in dem die Schildkröten kaum erkranken werden. 

Eine derart massiv erkrankte Schildkröte ist kaum noch zu retten.

Temperatur und Licht
Hier werden die meisten Fehler in der Haltung gemacht. Die Wassertemperatur darf zwischen 16 und 26°C (Optimum: 20-24°C) liegen. Viel wichtiger als die gerade herrschende Wassertemperatur ist aber, dass die Lufttemperatur immer 2-3 °C höher sein muss, als die Wassertemperatur. Andernfalls kommt es sehr leicht zu schwerwiegenden zu Atemwegserkrankungen. Also das Wasserteil bei Zimmerhaltung niemals heizen! Die höhere Lufttemperatur entsteht automatisch, da die Schildkröten einen Sonnenplatz brauchen. Diesen richtet man ein, indem man eine Korkinsel auf dem Wasser teiben lässt, die man mit einer Schnur unter einer Wärmelampe fixiert. Die Wärmelampe ist so anzubringen, dass direkt unter ihr an der wärmsten Stelle 35°C gemessen werden. Man bedenke, dass die Schildkröten aufgrund ihrer Körperhöhe etwas näher an der Strahlungsquelle sind! Wenn die Tiere heranwachsen, ist deshalb nach und nach ein größerer Lampenabstand zu wählen. Mauremys sinensis sind tagaktive Schildkröten. Das Becken ist also so zu beleuchten, dass den Tieren Tageslicht simuliert wird. Es empfiehlt sich, nach der Faustregel 0,5Watt Neonlampenlicht pro Liter Nettofassungsvermögen des Beckens (nicht nur des Wasserteils!) zu beleuchten. Es sollte etwa 12 Stunden am Tag beleuchtet werden.
UV-Licht schadet nicht, ist aber zur gesunden Aufzucht der Chinesischen Streifenschildkröte auch nicht zwingend notwendig. Ich empfehle es aber grundsätzlich. 

Futter
Mauremys sinensis ist ein Gemischtköstler. Bei der Futterversorgung wird oft der Fehler gemacht, sie vornehmlich mit tierischen Futtermitteln zu versorgen. Man sollte 3-4 mal pro Woche Salate, Löwenzahn und Wasserpflanzen, 1 mal pro Woche Rote Mückenlarven (als Zierfischfutter tiefgekühlt im Zoofachhandel erhältlich), 1 x pro Woche ganze Stinte (tiefgekühlt als Futterfische im Zoofachhandel) und 2-3x pro Woche Fertigfuttersticks für Wasserschildkrötenbabys reichen. So gepflegt, erreichen die Tiere in 4-6 Jahren ihre Maximalgröße von 20-30 cm (je nach Population), die Männchen bleiben grundsätzlich kleiner (15-25 cm). Erwachsene Tiere erhalten weiter Pflanzenkost, dazu Stinte, Bachflohkrebse (Gammarus) und Sticks.

Verträglichkeit
Grundsätzlich sind Mauremys recht friedlich und zumindest Weibchen können gut in der Gruppe gehalten werden. Manche geschlechtsreifen Männchen können allerdings durch ihre dauerhafte Paarungwut sehr lästig werden und müssen dann einzeln bzw. immer nur zeitweise mit den Weibchen gepflegt werden. Für eine Gruppe von drei erwachsenen Tieren reicht ein Becken von etwa 150 x 50 x 50 cm Größe aus. Einzelne Männchen sind gut in Becken von etwa 100 x 40 x 40 cm unterzubringen.
Von Mai bis September eignen sich Chinesische Steifenschildkröten gut zur Pflege in ausbruchsicheren (!) Freilandbecken. Je nach Population können sie auch kalt überwintert werden, grundsätzlich empfiehlt sich das aber nur mit mindestens zweijährigen Tieren. 

Am Rio Atabapo

Da ich gerade auf dem Weg nach Hamburg bin, um beim BSSW einen vortrag zu halten, kommt heute mal ein Gastbeitrag über den Rio Atabapo, einen Nebenfluss des Orinoco, im Territorio Amazonas und die Entdeckung eines bis 1988 unbekannten Großcichliden der bis dahin für Venezuela nicht nachgewiesenen Gattung Uaru:

Ufer des Rio Atabapo. Photo: Uwe Werner

Im Jahr 1973, es war meine 2. Reise nach Venezuela, flog ich, ausgestattet mit einem Sammelauftrag für die Zoologische Staatssammlung München und begleitet von einem Freund, in meine heutige Wahlheimat. Allerdings ahnte ich damals noch nicht, dass es jemals dazu kommen würde und noch weniger, dass meine Faszination für dieses Land mehr als 23 Jahre andauern könnte. Durch die Hilfe von Pedro Trebbau Milowitsch (ein Neffe von „Willi“) damals Direktor des zoologischen Gartens EL PINAR in Caracas, wurden Kontakte zu MAC und MARN (Landwirtschafts- und Umweltministerium) hergestellt. Wir wurden den Herren Torres und Villaroel, Repräsentanten des jeweiligen Ministeriums vorgestellt, und schon nach zwei Tagen konnten wir mit ihnen und einer zweimotorigen Maschine einen Flug nach San Fernando de Atabapo antreten.

Die sprachlichen Barrieren waren relativ schnell überwunden, obwohl unser Englisch gleichermaßen schlecht und weder Spanisch noch Deutsch dieses Defizit ausgleichen konnten. Doch erstaunlicherweise klappte die Verständigung mit Hilfe eines deutsch-spanischen Wörterbuches während unseres einwöchigen Aufenthaltes am Atabapo relativ gut. Wir waren alle Freunde geworden.

Der Rio Atabapo übertraf alle Vorstellungen, die wir uns von einem südamerikanischen Schwarzwasserfluss gemacht hatten. Sein kaffeebraunes Wasser mit seinen schneeweißen Uferregionen war etwas für uns bis dahin nie Vorstellbares. Mit Hilfe unserer spärlichen Fangausrüstung brachten wir es innerhalb einer Woche auf immerhin 109 Arten aus verschiedenen Fischfamilien. Ein Teil unseres konservierten Materials blieb bei der Universidad Central in Caracas (UCV) und alles andere wurde der ­Zoologischen Staatssammlung München übergeben. Lebende Fische konnten wir, außer einigen Exemplaren, die wir der Gattung Peckoltia zuordneten, nicht mitnehmen, da uns noch weitere Reisen bevorstanden.

Es ist an dieser Stelle nicht möglich, alle Arten, die wir damals fingen, aufzuzählen. Als steter Cichlidenliebhaber möchte ich aber wenigstens diese Familie hervorheben: 2 Arten der Gattung Cichla, 2 Arten Crenicichla, 3 Arten Aequidens, je 1x Pterophyllum, Biotodoma, Acaronia, 3 Arten Geophagus (heute allerdings 1x Geophagus, 2x Satanoperca), 4 Arten Cichlasoma (heute Mesonauta, Heros, Hoplarchus und Hypselecara). Über Sinn oder Unsinn stetiger Revisionen und andauernder Umbenennung eingebürgerter Gattungs- und Artnamen darf man sicher diskutieren. Das soll aber an dieser Stelle kein Thema sein.

Diese Aequidens-Art aus dem Rio Atabapo ist wissenschaftlich noch unbeschrieben.
Pterophyllum altum, der Hohe Segelflosser, ist ein begehrter Aquarienfisch aus dem Rio Atabapo.

Die Gattung Uaru schien bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls auf Brasilien (eventuell sogar monotypisch) beschränkt zu sein.

Von 1975 bis 1987 reiste ich mehr als zehn Mal zu meinem Rio Atabapo. Dieser Fluss hatte es mir angetan. Seine Schönheit und seine reiche Fischfauna waren immer eine neues Erlebnis. Viele der dort lebenden Menschen und Fischer kannte ich bereits sehr gut. Sie fischten teilweise mit Netzen, häufiger mit Fischspeeren, aber auch mit Pfeil und Bogen.

Eines Abends im April 1988, als sie mit ihrer Beute heimkehrten, sah ich in einem Bongo einen kleinen Haufen gespeerter Fische. Er bestand hauptsächlich aus Heros, Hypselecara und Hoplarchus, die in ihrem Todeskampf eine mehr oder weniger dunkelbraune Färbung annehmen. (Die Fische werden ja nicht abgeschlagen bzw. getötet. Spricht man die Fischer darauf an, dass die Fische doch sehr leiden müssen, wenn sie so langsam sterben, ist die Antwort: Ja, aber so halten sie länger frisch.) Aus besagter Beute fielen mir sofort zwei völlig abweichend gefärbte Tiere auf. Sie wichen von den anderen bereits toten oder verendeten Fischen durch eine fast leuchtende hellgraue Färbung ab. Auf diese Fische angesprochen, sagten sie mir, dass es ”Ron Rona” seien. Die sind nicht  so häufig und schmecken auch nicht so gut.

Die meisten Großcichliden in Venezuela werden als „Viejas“ bezeichnet. Ausnahmen bilden Cichla als „Pavon“, Crenicichla als „Mataguaro“, Aequidens als „Mochorroca“, Astronotus nennt man „Cupaneca” oder „Pavona“ und Hoplarchus „Vieja lora“. Diese Unterscheidungen machen allerdings nur die gebildeteren Fischer. Im Allgemeinen sind große Cichliden immer „Viejas“, was übersetzt letztlich die „Alten“ bedeutet.

Den Ursprung dieses und anderer Trivialnamen zu ergründen, wäre sicher hochinteressant.  Was „Viejas“ oder „die Alten” anbelangt, konnte ich bisher keine ausreichende Erklärung finden. Ob „Ron Rona” etwas mit Rum zu tun hat, ist auch zu bezweifeln, obwohl das alkoholische Getränk in Venezuela „Ron” heißt. Oft sind solche Trivialnamen auch nur auf einzelne Regionen in Venezuela bezogen. So heißen im Edo. Barinas Pimelodus pictus „Matafraile“, der Mönchstöter, und Pygocentrus caribe ( = Serrasalmus notatus ) „Capaburro”, der Eselskastrierer. Es gäbe noch etliche Beispiele kurioser Namensgebung der Bevölkerung. Doch zurück zu unserem Uaru.

Microschemobrycon casiquiare aus dem Rio Atabapo, eine kleine Salmlerart

Nachdem ich mir die fast toten Fische genauer angeschaut hatte, war mir klar, dass ich sie weder den Gattungen Heros oder Hoplarchus noch Hypselecara zuordnen konnte. Andere Cichlidengattungen kamen ja noch viel weniger in Frage. Uaru amphiacanthoides kannte ich aus meiner Aquarianerzeit in Deutschland sehr gut. Doch galt die Gattung bis dahin als monotypisch und war nur im Einzugsgebiet des Rio Amazonas in Brasilien bekannt. Dass aber andererseits ein doch immerhin ca. 25 cm großer Cichlide, sich so lange einer wissenschaftlichen Bestimmung entziehen konnte, war auch kaum glaublich. Hatten sich doch über Jahre US – und venezolanische Ichthyologen mehrfach mit der Atabapo-Fischfauna beschäftigt. Wie bereits erwähnt, traf auch ich auf meinen mehrfach voran­gegangenen Reisen niemals auf diesen Fisch.

Meine Neugier war jedenfalls geweckt und so zog ich am folgenden Tag mit den gleichen Fischern los, um gezielt „Ron Rona“ zu suchen. Wir erbeuteten schließlich nach ganztägiger Suche zwei adulte Tiere, vermutlich ein Pärchen, die sich heute als Typusmaterial im Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander König in Bonn befinden. Während meiner Deutschlandreise im Jahr 1988 übergab ich beide Exemplare einem der besten Cichliden-Kenner, Rainer Stawikowski, mit der Bitte herauszufinden, um was es sich hier denn handeln könnte. Wenn es tatsächlich, wie wir vermuteten, eine völlig neue Art sein sollte, möge er sie doch bitte zu Ehren meines hochgeschätzten väterlichen Freundes Augustin Fernandez Yepez benennen.

Augustin lernte ich 1975 kennen, als ich mit dem Aufbau des Aquariums von Valencia beschäftigt war.  Er war zu diesem Zeitpunkt eindeutig der beste Kenner der venezolanischen Limnofauna. Kein Schreibtisch-Ichthyologe, wie viele seiner Kritiker. Er war ein Mann des Campos, wo er fast aus­schließlich seine Studien machte. Ein hervorragender Zeichner, der aus dem Stegreif fast naturgetreue Skizzen der verschiedensten Fische fertigte. Mir war er vor allem aber bei der Suche nach noch fehlenden repräsentativen Arten für das Aquarium mit geradezu kilometergenauen Angaben behilflich. Nur ein einziges Mal konnten wir eine gemeinsame Exkursion zum Rio Casiquiare und Rio Negro unternehmen.

Geistig frisch und sehr rege war er doch ein gebrochener Mann. Er litt an einer schweren, unheilbaren Krankheit: Knochenmarkskrebs. Er starb am 27.3.1977, allerdings bei einem Verkehrsunfall, im Alter von 61 Jahren, als ich gerade am Rio Casiquiare und Rio Negro war. Die Nachricht von seinem Tod traf mich bei meiner Rückkehr schwer. Ich hatte einen guten Freund verloren, dem ich nicht einmal die letzte Ehre erweisen konnte.

So war es mein größter Wunsch, dass ein markanter Fisch, für Venezuela ja sogar eine neue Gattung, zur steten Erinnerung seinen Namen trägt!

Mit der Beschreibung von Uaru fernandezyepezi ist das geschehen. Für die Erfüllung dieses Wunsches möchte ich mich auch an dieser Stelle bei meinem Freund Rainer Stawikowski bedanken.

Noch einige Angaben zum Rio Atabapo: es handelt sich um einen typischen Schwarzwasserfluss von 131 km Länge mit einigen Klarwasserzuläufen (Morichales).  Der Fluß bildet teilweise die Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien. Die Wassertemperaturen liegen meist höher als Lufttemperaturen: bei 30,2 bis 33,2 zu 24,5 bis 31,9 °C,  pH 3,4 bis 4,6, Leitwert 6 bis 12 µS. Von Mai bis Oktober/November, während der Regenzeit, finden teilweise weite Überflutungen des Flussbettes statt, wobei sich große Lagunen bilden (mündliche Mitteilung von Franz Weibezahn 1985-87). Eine erste große Bestandsaufnahme der Ichthyofauna des Rio Atabapo fand 1992 statt. Sie weist 32 Fischfamilien mit 169 Arten auf. In der jüngsten aus dem Jahr 2009 sind es sogar schon 240 Arten. Uaru fernandezyepezi wurde immer nur in wenigen Exemplaren im eigentlichen Flussbett oder in absoluter Nähe seiner Zuläufe gefunden.

Gastbeitrag von Hans J. Köpke, Venezuela


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