Eigenmannia – Grüne Messerfische

Die Bestimmung von Grünen Messerfischen war früher ganz einfach: man nannte sie alle Eigenmannia virescens. Und diese Art sollte in dem gesamten Südamerika vorkommen, von Argentinien im Süden bis zum Orinoko im Norden. Max Mapes Ellis revidierte 1913 die Messerfische Südamerikas; er erkannte drei Eigemannia-Arten an: E. macrops, E. virescens und E. troscheli. Letztere Art steht heute in der Gattung Rhabdolichops. Typusart von Eigenmannia ist E. humboldtii; diese Art wurde, genau wie Sternopygus limbatus und S. microstomus, von Ellis zum Synonym von E. virescens erklärt.

Auf dieser Zeichnung aus Ellis 1913 sieht man gut den Unterschied bezüglich der Augengröße von Eigenmannia virescens (links) und E. macrops (rechts).

Dabei – zwei Arten in Eigenmannia, nämlich E. macrops und E. virescens – blieb es bis 1966. Dann beschrieben Lopez & Castello E. trilineata aus dem Rio La Plata. 1994 kam eine weitere Art hinzu, E. nigra. Diese Art beschrieb Mago-Lecchia, der auch weitere Umdeutungen vornahm. Ihm zufolge sind E. humboldtii, E. microstoma und E. limbata vailde, gültige Arten. 1996 kam noch eine höhlenbewohnende Art hinzu, E. vincentespelaea, beschrieben von Triques.

Eigenmannia macrops; Zeichnung aus Ellis (1913)

Noch waren die Grünen Messerfische eine überschaubare Gruppe: die durchsichtigen ohne besondere Zeichnung waren also E. macrops und E. virescens, die man leicht anhand der Augengröße unterscheiden kann – E. macrops hat sehr große Augen. Der Höhlenbewohner ist blind, E. nigra – wie der Name schon sagt – schwarz, E. trilineata hat drei schwarze Linien am Körper: einen über die Körpermitte, zwei knapp über der Afterflosse. E. microstoma wurde kürzlich rückbeschrieben: die Art ist ähnlich zu E. trilineata und hat vier deutliche Längsstreifen über den Körper; sie kommt im Einzug des Rio Sao Francisco in Brasilien vor. Von E. humboldtii existiert eine brauchbare Abblidung aus dem Jahr 1879, allerdings sind hier Farbmerkmale eher zu erahnen als zu erkennen. Von E. limbatus gibt es nur Abbildungen konservierter Exemplare bei Mago-Lecchia.

Bei dieser im Jahr 2012 von Aquarium Glaser aus Paraguay importierten Art dürfte es sich um die 2015 neu beschriebene Art Eigenmannia desantanai handeln.

Ganz kniffelig wird die Situation dadurch, dass von der Art Eigenmannia virescens, der ersten beschriebenen Art der Gattung, zwar eine Abbildung existiert, jedoch niemand weiß, wo das dieser Abbildung zugrunde liegende Tier sich befindet (es gibt also kein Typusexemplar) noch wo es gesammelt wurde. Entdeckt wurde die Art auf einer großen Südamerika-Expedition, die das Pariser Museum 1826-1833 durchführte und auf der Alcide d´Orbignyi in Brasilien, Uruguay, Argentinien, Paraguay, Chile, Bolivien und Peru sammelte. Das Tier könnte also von überall stammen…

Auf dieser Zeichnung aus dem Jahr 1836 beruht die Beschreibung von Eigenmannia virescens.

In den Jahren 2015 und 2016 erschienen zwei Arbeiten über den Eigenmannia-trilineata-Komplex, in denen nicht weniger als 8 neue Arten, alle zur E.-trilineata-Gruppe gehörig und nach Farbmerkmalen am lebenden Tier nicht unterscheidbar, beschrieben wurden! Peixoto et al. (2015) definierten den Eigenmannia-trilineata-Komplex anhand eines einzigen allen Arten gemeinsamen Merkmals, nämlich eines dunklen Streifens entlang der Körpermitte.

Mit einer 2020 erschienenen Arbeit, in der drei weitere Arten des Eigenmannia-trilineata-Komplexes aus der kolumbianischen Region westlich der Anden beschrieben wurden, stieg die Zahl der bekannten Arten des Eigenmannia-trilineata-Komplexes auf 18, die der Arten in Eigenmannia insgesamt auf 25.

Kurz und dick: es ist zur Zeit kaum möglich, lebende Grüne Messerfische sicher auf Artniveau zu bestimmen, zumal die exakte Herkunft von Import-Exemplaren kaum zu ermitteln ist. Darum kann man auch leider nichts sicheres zur Artzugehörigkeit der sehr hübschen, mit einem dunklen Achselfleck gezeichneten Eigenmannia sagen, die gelegentlich aus Kolumbien importiert wird. Es handelt sich zweifellos um einen Angehörigen der E.-trilineata-Gruppe im Sinne von Peixoto et al., vielleicht um E. humboldtii, von dem bislang jedoch kein dunkler Streifen entlang der Körpermitte beschrieben wurde. Man kann die Tiere darum gegenwärtig nur Eigenmannia sp. nennen; im Handel werden sie als E. virescens bezeichnet.

Zeichnung von Eigenmannia humboldtii aus Steindachner, 1879. Man kann einen dunklen Schulterfleck erkennen, ein Merkmal, das bei den anderen bislang bekannten Eigenmannia-Arten nicht auftritt.
Diese hübsche Eigenmannia-Art wird ab und zu aus Kolumbien importiert. Möglicherweise handelt es sich um E. humboldtii, vielleicht aber auch um eine wissenschaftlich noch unbeschriebene Art.

Im Aquarium sind Eigenmannia-Arten sehr schöne und ziemlich problemose Pfleglinge. Man sollte sie in größere Gruppen ab etwa 8 Exemplaren pflegen. Wichtig sind dunkel stehende, sehr reich strukturierte Aquarien, denn Eigenmannia sind vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Die Vergesellschaftung mit anderen Fischarten will gut überlegt sein. Am besten eignen sich kleinere, friedliche Welsarten. Da Messerfische langsame Fresser sind, darf man sie nicht mit schnellen Salmlern und dergleichen halten. Auch Buntbarsche eignen sich nicht gut, dem aggressiven Verhalten dieser Tiere zur Brutzeit haben die Messerfische nicht viel entgegenzusetzen. Die Wasserwerte (pH und Härte) sind von untergeordneter Bedeutung. Gefressen werden am liebsten Frost- und Lebendfuttersorten. Die Maximallänge von Eigenmannia-Arten liegt bei ca. 30-35 Zentimetern, wobei nur die Männchen diese Größe erreichen, Weibchen bleiben erheblich kleiner; überhaupt bleiben die meisten Eigenmannia-Arten kleiner, aber da man ja nie so ganz genau weiß, welche Art man erwirbt, sollte man mit allem rechnen. Kirschbaum (1982) züchtete bereits diese interessanten Fische nach. Für die Zucht musste eine Trocken- und Regenzeit simuliert werden, damit die Tiere ausreichend stimuliert waren, um miteinander abzulaichen, die Nachzuchttiere der F1 pflanzten sich bereits erheblich williger fort als Wildfänge. Brutpflege üben Eigenmannia nicht aus, sie laichen in Wurzeln von Schwimmpflanzen.

Diese Eigenmannia-Art wurde aus Guyana importiert. Sie gehört eindeutig in die E.-trilineata-Gruppe, doch die Artbestimmung gelang noch nicht.

Literatur:

Herrera-Collazos, E. E., A. M. Galindo-Cuervo, J. A. Maldonado-Ocampo and M. Rincón-Sandoval (2020): Three new species of the Eigenmannia trilineata species group (Gymnotiformes: Sternopygidae) from northwestern South America. Neotropical Ichthyology v. 18 (no. 1) e180085: 1-27

Kirschbaum, F. (1982): Laicht nur in der Regenzeit: der Grüne Messerfisch. Über die Laichperiode von Eigenmannia virescens. Aquarien Magazin 16: 738-742

Mago-Leccia, F. (1994): Electric fishes of the continental waters of America. Caracas, Fundacion para el Desarrollo de las Ciencias Fisicas, Matematicas y Naturales. 1-206, 16 unnumbered tables.

Peixoto, L. A. W. , G. M. Dutra & W. B. Wosiacki (2015): The electric glass knifefishes of the Eigenmannia trilineata species-group (Gymnotiformes: Sternopygidae): monophyly and description of seven new species. Zoological Journal of the Linnean Society 175: 384-414.

Peixoto, L. A. W. & W. B. Wosiacki (2016): Eigenmannia besouro, a new species of the Eigenmannia trilineata species-group (Gymnotiformes: Sternopygidae) from the rio São Francisco basin, northeastern Brazil. Zootaxa 4126 (no. 2): 262-270.

Frank Schäfer


Anzeige


Acnodon normani

Aus dem Rio Xingu in Brasilien stammt Acnodon normani, der auch als Schaf-Pacu bekannt ist. Er gehört in die engere Ver­wandtschaft der Piran­has, ist jedoch ein Pflanzenfresser. Piranhas, Pacus und Schei­ben­­­salmler gehö­ren zu den so genannten Sägesalmlern. Dieser Name bezieht sich nicht, wie man meinen könnte, auf die scharfen, sägeartigen Gebisszähne der Piranhas, son­dern auf eine sägeartige Schuppenreihe am Bauchkiel. Einige Säge­salm­ler haben sich darauf spezialisiert, Fleisch­brocken aus einer Beute zu beißen (Piranhas der Gattung Pygocentrus), andere ernähren sich vorzugsweise von Flossen anderer Fische (Piranhas der Gattung Serrasalmus), wieder andere fressen Schuppen anderer Fische (Piranhas der Gattung Catoprion), manche sind Kleintierfresser, andere knacken Nüsse und wieder andere fressen Pflanzen. Acnodon schabt in der Natur vermutlich hauptsächlich Aufwuchs ab. 

Nur sehr selten gelingt es, diesen hübschen und mit gewöhnlich 13,5 cm (maximal um 20 cm) Länge vergleichs­weise klein bleibenden Pacu zu importieren. Das liegt daran, dass Acnodon normani eine Freiwasserart ist. Darauf deutet das Muster aus senkrechten Linien auf hellblauem Grund hin, das eine hervorragende Tarnung bei von oben einfallendem Sonnenlicht in Naturgewässern darstellt. Somit sind diese „Fluchtfische“ nicht nur ausgesprochen schwierig zu fangen, sondern auch die Eingewöhnung durch die Fänger erfordert große Sorgfalt und viel Fingerspitzengefühl. Im Aquarium brauchen die Tiere vergleichs­weise große Becken, was aus dem oben Gesagten ersichtlich ist. Acnodon sind keine derart hoch spezialisierte Pflanzenfresser wie viele andere Pacus, sie sollten abwechs­lungsreich ernährt werden, wobei ein gewisser Anteil Pflanzenkost – z.B. in Form von besonderem Flockenfutter für pflan­zen­­fressende Fische – nicht fehlen darf. Unter­einan­der und gegen artfremde Fische sind Schaf-Pacus relativ friedlich. Sie benö­tigen warmes (26-30°C), sauberes und sauer­stoffreiches Wasser und schätzen eine starke Strömung im Aquarium.

Frank Schäfer

Zum Vergrößern anklicken

Bookazine No9 erschienen – mit Miniaturharnischwelsen (Nannoptopoma)!

Zum 25-jährigen Bestehen von AQUALOG beschäftigt sich das Bookazine 9 schwerpunktmäßig mit Harnischwelsen. Das erste Buch von AQUALOG erschien 1995 und behandelte alle L-Nummern. Bookazine 9 enthält einen Katalog aller bislang erschienen 105 LDA-Welse, die aquaristisch interessantesten werden anschließend in Portraits ausführlich vorgestellt und zusätzlich werden für weitere 15 im Hobby vorhandene Harnischwelse neue LDA-Nummern verben, so dass die Gesamtzahl beschriebener LDA-Nummern jetzt bei 120 liegt.

Außerdem gibt es einen ausführlichen Bericht zu der terraritsisch bislang kaum erschlossenen, kleinbleibenden, sehr schönen Landschildkrötenart Kinixys spekii aus Afrika, der im Süßwasseraquarium nahezu universell einsetzbaren Schwimmpflanze Pistia stratiotes (Muschelblume), einen Rückblick auf 25 Jahre AQUALOG und den beliebten Magazinteil mit Kurzberichten. Zum Jubiläum hat der Verlag zusätzlich 48 Seiten ohne Preisaufschlag spendiert, so dass dieses Bookazine 9 statt der regulären 144 Seiten 192 Seiten Lesestoff bietet.

So viel zum Bookazine No9 allgemein. Erstmals in der Literatur werden dort alle Arten der Zwerg-Harnischwelse Nannoptompoma vorgestellt, beide wissenschaftlich beschriebenen und zwei weitere, wissenschaftlich noch unbeschriebene, die die LDA-Nummern 109 und 110 erhalten

Harnischwelse sind bekanntlich eine sehr artenreiche und formenreiche Fischgruppe. Die größten Arten können gut einen Meter lang werden; Nannoptopoma gehören zu den allerkleinsten bekannten Arten, sie erreichen nur ca. 3-4 cm Totallänge.

Nannoptopoma spectabile ist Typusart der Gattung; sie wurde bereits 1914 als Otocinclus spectabilis beschrieben; die Art stammt aus Kolumbien. Dies ist ein Nachzuchtexemplar von Weidner & Dotzer. Die Brustflossen von N. spectabile sind vergleichsweise deutlich kürzer als bei N. sternoptychum.

Bisher sind nur zwei Arten der Zwergsaugwelse der Gattung Nannoptopoma wissenschaftlich beschrieben, nämlich N. spectabile und N. sternoptychum; im Hobby kennen wir zudem zwei unbeschriebene Arten aus Peru, die im Bookazine als LDA109 und 110 vorgestellt werden. Während N. spectabile und N. sternoptychum farblich wenig auffällig sind und sich vor allem anatomisch unterscheiden (die Brustflossen sind bei N. sternoptychum erheblich länger, zudem hat die Art eine Reiche auffälliger Knochenplättchen im Bereich des Brustgürtels, s. Bilder), sind LDA 109 und 110 sehr attraktiv gefärbt und unterscheiden sich farblich deutlich voneinander.

Die Gattung Nannoptopoma ist gut erkennbar anhand der sehr weit seitlich am Kopf sitzenden Augen, die eine Sicht nach oben wie nach unten erlauben. Eine derartige Augenstellung findet man sonst nur noch bei den erheblich größer werdenden Hypoptopoma und Oxyropsis. Zeitweise wurde Nannoptopoma sogar als Synonym zu Hypoptopoma gesehen, doch aktuellste wissenschaftliche Untersuchungen haben die Abspaltung und Eigenständigkeit von Nannoptopoma wieder bestätigt (Delapieve et al, 2018).

Nannoptopoma sternoptychum, adult. Exportiert wurden diese Tiere als “Otocinclo Vampiro” aus Peru.

Frisch importierte Nannoptopoma sind ziemlich empfindlich, was vermutlich mit der Qualität der Hälterung im Ursprungsland zu tun hat. Einmal erfolgreich eingewöhnt (wobei sich stichfester Joghurt als Futtermittel zum Wiederaufbau einer gestörten Darmflora sehr bewährt hat, Mike Meuschke, mündl. Mitt.) sind sie aber keineswegs extrem an­spruchs­voll. Genügend Totlaub als Basisnahrung sollte stets im Aquarium vorhanden sein (Buche, Eiche, Seemandel, kleine Mengen Walnuss). Manche Pfleger empfehlen größere Aquarien, die die Tiere zum großen Teil von allein ernähren und stabilere Wasserbedingungen bieten. In jedem Fall sind Nannoptopoma-Arten nur Pflegeobjekte für erfahrene Aquarianer, zumal sie sich oft recht scheu zeigen.

Nannoptopoma sternoptychum aus dem Madre de Dios in Peru unterscheidet sich von allen anderen bisher auf dieses Merkmal untersuchten Nannoptopoma-Arten durch eine Reihe von Knochenschildern oberhalb der Brustknochen (die Pfeile zeigen darauf). Dieses Bild zeigt die Verhältnisse bei einem jugendlichen Tier.
Bei adulten N. sternoptychum (das Bild zeigt ein größeres, gemeinsam mit dem darüber gezeigten importiertes Exemplar) verschmelzen diese Knochenplatten teilweise miteinander, so dass nur noch vier Platten übrig bleiben.

LDA 109 ist ein attraktiver, wissenschaftlich noch ungeschriebener Nannoptopoma aus der Region des Rio Huallaga in Peru. Handelsnamen sind N. sp. „White“ und N. sp. „Blanco“.

LDA 109 sind ganz entzückende, winzige Welse, die größten Exemplare waren gerade einmal 3 cm lang (inkl. Schwanzflosse); der Import erfolgte 2020 durch Aquarium Glaser. Die Fische sind ziemlich aktiv und bei Beunruhigung (z.B. beim Umsetzen in das Fotografieraquarium) versuchten sie, an der Scheibe aus dem Wasser heraus zu klettern; ein solches Verhalten zeigen gewöhnlich nur Fische aus stark strömenden Gewässern, wie z.B. Flossensauger. Weitere Angaben zu Pflege und Zucht sind aufgrund der erst kurzen Zeit, die diese Tiere im Hobby zur Verfügung stehen, noch nicht machbar. Allerdings wurden N. specabile bereits im Aquarium gezüchtet. Das Fortpflanzungsverhalten erinnert an Hypoptopoma, d.h. die Tiere sind keine Höhlenlaicher, sondern die Gelege werden offen (z.B. an einer der Aquarienscheiben) abgesetzt, aber die Männchen betreiben Brutpflege bis zum Freischwimmen der Jungtiere.

LDA 110 ist eine weitere wissenschaftlich noch unbeschriebene und ziemlich attraktive Nannoptopoma-Art aus Peru. Sie wird im Rio Tigre nahe der Ortschaft Intutu gesammelt. Photos: Erwin Schraml

Nannoptopoma sp. Peru / LDA110 steht, genau wie LDA 109, in anatomischer Hinsicht N. spectabile näher als N. sternoptychum. Wie bei N. spectabile reichen die Spitzen der angelegten Brustflossen nicht bis zum Ansatz der Afterflosse und Knochenschilder auf der Bauchseite oberhalb des Schultergürtels fehlen. Es gibt jedoch keinen Zweifel daran, dass es sich bei LDA109 und LDA110 um wissenschaftlich neue, unbeschriebene Spezies handelt.

Alles in allem sind Nannoptopoma sowohl aquaristisch wie auch wissenschaftlich gesehen hochinteressante Zwergharnischwelse, an denen es noch sehr viel zu erforschen gibt!

Frank Schäfer

Literatur:

Delapieve, M. L. S., P. Lehmann A and R. E. Reis (2018): An appraisal of the phylogenetic relationships of Hypoptopomatini cascudinhos with description of two new genera and three new species (Siluriformes: Loricariidae). Neotropical Ichthyology v. 15 (no. 4) e170079 (für den 18 Dez. 2017): 1-37

Weidner,T. & Dotzer,P.(2004): Klein, aber oho! Nannoptopoma cf. spectabilis. (Das Aquarium, 415,1:21-24): 2004/01:21-24

Die Größte und die Kleinste unter einem Dach

Die Größte und die Kleinste was? Das wissenschaftlich exakt auszudrücken ist sprachlich etwas komplex: die jeweils größte und die kleinste im Süßwasser lebende mehrzellige, zu den Blütenpflanzen zählende Wasserpflanze mit Schwimmblättern sind gemeint! Es gibt nämlich größere Wasserpflanzen – Tange – im Meer und einzellige Algen im Süßwasser sind noch deutlich kleiner. Aber die meinen wir ja nicht. Wir meinen „richtige“ Blütenpflanzen!

Die Blütenfarbe der Victoria amazonica ändert sich von weiß nach rosa im Laufe ihres kurzen Lebens

Die größte ist die Riesenseerose Victoria amazonica. Ihre gigantischen Blätter erreichen einen Durchmesser von bis zu 3 Meter. Für dieses Gewächs wurden ab Mitte des 19.ten Jahrhundert besondere Gewächshäuser gebaut. Und natürlich hat auch der Botanische Garten in Leiden, Niederlande, einer der ältesten botanische Garten der Welt, eines. Der Hortus Botanicus wurde 1590 gegründet. Zum ersten Mal blühte die Victoria dort im Jahr 1872. Das Gewächshaus „Viktoria“, in dem sie gegenwärtig lebt, wurde 1937-38 erbaut.

Blühende Victoria amazonica im Gewächshaus des Hortus Botanicus in Leiden, Oktober 2016

Die Riesenseerose wurde 1801 von dem böhmischen Universalgelehrten Thaddäus Haenke für die westliche Welt erstmals entdeckt. Haenke war eine faszinierende Persönlichkeit, wurde jedoch zu Lebzeiten von der wissenschaftlichen Welt stets mit Misstrauen betrachtet; er starb unter ungeklärten Umständen 1816 in Peru, ein Mord wird nicht ausgeschlossen. Haenke entdeckte die Victoria im Rio Mamoré.

Die Knospe öffnet sich.

Die Tupi-Indianer des Amazonas kannten dieses eindrucksvolle Gewächs aber natürlich schon immer. Sie erzählen folgende Legende über sie (nach Prance & Arias, 1975): Naué, die schöne Tochter des Häuptlings, verliebte sich in den Mond, als sie eines Nachts seinen Widerschein auf dem Wasser sah. Von da an konnte Naué es nicht mehr lassen, den Widerschein zu betrachten, von dem der Schamane sagt, er sei der Prinz der Region von Iuaca gewesen. Nach mehreren Tagen verschwand der Widerschein des Mondes vom See und Naué wurde sehr traurig. Sie wurde krank, einen Monat lang. Eines Nachts sah Naué in ihrem Liebeskummer erneut den Widerschein des Mondes im See. In dem Versuch, ihren Geliebten zu umarmen, warf sie sich ins Wasser und versank. Der Gott Tupa war angerührt vom Schicksal Naués und verwandelte ihren Körper in die schönste Blume des Sees, die Victoria amazonica.

Die Unterseite der gewaltigen Blätter ist sehr stachelig (Aufnahme aus der Wilhelma in Stuttgart)

Wie so viele Legenden enthält auch diese eine Naturbeobachtung: die Blüte der Victoria öffnet sich nämlich nur nachts vollständig. Und sie lebt nur wenige Tage. Hingegen ist es eine moderne Legende, dass die Riesenseerose nur einmal in ihrem Leben für ein Nacht blüht. Tatsächlich blüht sie ziemlich häufig, bei uns meist in den Sommermonaten. Übrigens entstand ein Teil der Photos der blühenden Victoria in Leiden im Oktober, also spät im Jahr.

Junges Blatt.
Die Blätter von Victoria amazonica sind am Rande aufgebogen, was die Stabilität verbessert. Das Teichuhn ist für die Riesenseerose allerdings wirklich keine Herausforderung (Aufnahmen aus der Wilhelma in Stuttgart)

Zum Leben braucht die Victoria amazonica Temperaturen zwischen 28 und 30°C, enorm viel Platz und enorm viel Licht. In Europa wird sie darum meist nur einjährig gezogen. Man vermehrt sie über Samen, die im Winter ausgesät werden und überwintert sie als Jungflanze. Es ist wichtig, dass des Samen nie trocknet. Manche sagen, es genüge schon, wenn er nur kurz an die Luft kommt, um die Keimfähigkeit zu vernichten. Eine weitere Legende?

Sämlingspflanzen in Leiden. Es gibt nur wenige, winzige Unterwasserblätter, die ersten Schwimmblätter haben noch keinen aufgebogenen Rand.

Es gibt eine zweite Victoria-Art, Victoria cruziana, die ein wenig kleiner bleibt, sonst aber V. amazonica extrem ähnlich ist. Während die V. amazonica im Amazonas und seinen Nebenflüssen lebt, kommt V. cruziana aus dem Paraná-Paraguay-System. Dort ist es zeitweise deutlich kälter als im stets hochtropischen Amazonas-Gebiet, weshalb V. cruziana etwas weniger anspruchsvoll in der Kultur ist. Wegen der Ähnlichkeit beider Arten sind wohl auch teilweise Hybriden der beiden in Kultur, wenngleich das grundsätzlich unerwünscht ist. Die Bestäubung von Victoria-Seerosen übernehmen übrigens Käfer in der Natur. In menschlicher Obhut werden sie von Hand bestäubt.

Wolffia sp. im Hortus Botanicus in Leiden. Zum Größen-Vergleich dazwischen ein paar gewöhnliche Wasserlinsen (Lemna minor).

Die meisten Besucher des Victoria-Hauses werden wohl achtlos an der kleinsten Blütenpflanze der Welt vorbeigehen, die dort ebenfalls kultiviert wird, der Zwergwasserlinse Wolffia. Sie sieht auch nur aus wie grüne Farbe auf dem Wasser, nur wenn man die altersmüden Augen anstrengt, erkennt man winzige Blättchen von 0,5 – 1,5 mm Größe. Die Gattung Wolffia besteht aus 10-11 Arten; welche im Hortus gepflegt wird, ist mir leider nicht bekannt, sie sieht aber W. arrhiza sehr ähnlich. Die kleinste Blütenpflanze der Welt überhaupt ist Wolffia angusta, die von Südostasien bis Australien verbeitet ist. W. arrhiza kommt auch in Europa vor, ist aber bei uns in Deutschland nicht winterhart. Sie stirbt ab, wenn die Temperatur dauerhaft unter die Frostgrenze sinkt. Ihre stete Wiederbesiedlung erfolgt demnach wohl als blinder Passagier im Gefieder der Zugvögel, wozu sie ihre Winzigkeit ja prädestiniert. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Wasserlinse oder Entengrütze (Lemna minor), die im Aquarium zur fast unausrottbaren Plage werden kann (ein Tipp am Rande: ein kleiner Goldfisch löst das Problem in wenigen Wochen), besteht diese Gefahr bei Wolffia nicht. Allerdings hat die Pflanze auch nichts besonders anziehendes. Aber der botanisch interessierte gönnt ihr vielleicht trotzdem ein kleines Wassergefäß auf der sonnigen Fensterbank, der kleinsten Blütenpflanze der Welt!

Frank Schäfer

Literatur:

Kasselmann, C. (1995): Aquarienpflanzen. Stuttgart.

Prance, G. T. & J. R. Arias (1975): A study of the Floral Biology of Victoria amazonica (Poepp.) Sowerby (Nymphaeaceae). Acta Amazonica 5 (2): 109-139


Anzeige


Namen-Dramen: die Linienbarbe

Der wissenschaftliche („lateinische“) Name einer Tier- oder Pflanzenart hat zwei Bedeutungen. Erstens soll er die Tier- oder Pflanzenart im wissenschaftlichen System einordnen, also das Tier oder die Pflanze klassifizieren. Und zweitens soll er jede Tier- oder Pflanzenart weltweit universell und unverwechselbar bezeichnen. Manchmal geht es gründlich schief, beide Ansprüche unter einen Hut zu bringen und dann gibt es Namen-Dramen.

Bleekers Linienbarbe, Abbildung aus Atlas ichthyologique des Indes Orientales Néêrlandaises, publié sous les auspices du Gouvernement colonial néêrlandais. Tome II (1863)

Das Namen-Drama um die Linienbarbe begann 1853, als Pieter Bleeker sie erstmals wissenschaftlich beschrieb. Ihm lagen Tiere aus Indonesien (ein 12 cm langes Tier von Ost-Sumatra und ein 9,5 cm langes Tier von Bangka, jeweils Totallänge, also mit Schwanzflosse gemessen) vor. Bleeker benannte die Art Puntius (Barbodes) fasciatus.

Der Bleekersche Fisch hat ein sehr prägnantes Muster aus sechs horizontal verlaufenden Binden, die sich vom Kopf bis zum Schwanz ziehen. Vier lange Barteln am Maul sind ebenfalls sehr charakteristisch für die Art.

Spätere Bearbeiter ordneten auch kleinere Tiere mit weniger Streifen dieser Art zu, denn bis 1996 nahm man an, dass die Anzahl der Streifen mit dem individuellen Wachstum zunehmen würde.

Die kleinen Barben Asiens entzogen sich bis vor Kurzem einer sinnvollen Klassifizierung auf Gattungsebene. Es gibt zu viele Arten, sie sind in ihrer Merkmalsausprägung zu variabel. Erst in den letzten paar Jahren konnte man dank DNS-Analysen die engeren Verwandtschaftsverhältnisse mancher Arten einigermaßen befriedigend klären. Zuvor gab es Wissenschaftler, die die Kleinbarben Asiens allesamt mit dem Gattungsnamen Barbus belegten, andere nannten alles Puntius, wieder andere unterteilten sie nach der Anzahl der Barteln und bezeichneten die Arten ohne Barteln als Puntius, die mit zwei Barteln als Capoeta und die mit vier Barteln als Systomus. Bleekers Linienbarbe landete zwischenzeitlich in der Gattung Barbus, hieß dann also Barbus fasciatus.

Cirrhinus-Arten – hier ein Jungfisch von C. mrigala – werden sehr groß und sind farblich langweilig. Sie werden darum gewöhnlich nicht im Aquarium gepflegt.

Wiederum andere ordneten neu entdeckte Barben-Arten weiteren Karpfenfisch-Gattungen zu. Letzteres geschah z.B. 1849. Da beschrieb Thomas Caverhill Jerdon eine Barbe aus Südindien als Cirrhinus fasciatus. Spätere Bearbeiter klassifizierten diesen Fisch, den wir im Hobby gut kennen und als Glühkohlenbarbe bezeichnen, als „kleine Barbe“, die nicht zu Cirrhinus gehören kann (Cirrhinus-Arten werden nicht im Aquarium gepflegt, es sind silberfarbene, bis zu 1 m lange Speisefische); also gehörte die Glühkohlenbarbe zu Barbus, so wie man die Gattung damals verstand. Es darf aber nicht zwei Arten mit dem gleichen Namen „Barbus fasciatus“ geben. In diesen Fällen gilt das Prioritätsrecht; da Jerdons Beschreibung vier Jahre vor Bleekers Beschreibung erschien, galt: Barbus fasciatus darf nur die Art aus Südindien heißen (also die Glühkohlenbarbe), für die indonesische Art (unsere Linienbarbe) musste ein neuer Name her.

Die Glühkohlenbarbe wurde zunächst als Cirrhinus fasciatus beschrieben, dann als Barbus oder Puntius fasciatus bezeichnet. Gegenwärtig heißt sie Haludaria fasciata. Das Bild zeigt ein Wildfangmännchen. Die Art ist sehr variabel gefärbt.

Das fiel übrigens erst 1956 auf. Die Linienbarbe, ein sehr hübscher, gut haltbarer Fisch, der zudem ein großes Verbreitungsgebiet hat (es gibt ihn auf vielen indonesischen Inseln und auf der malaiischen Halbinsel) war damals schon längst im Hobby bekannt, die Ersteinfuhr als Aquarienfisch nach Deutschland erfolgte bereits 1935. Eric Godwin Silas, der 1956 die Doppelbenennung enttarnte, benannte die Linienbarbe neu. Die Aquarianer lernten das erste Mal um, nun hieß der Fisch also Puntius eugrammus.

Seit 1956 hieß Bleekers Linienbarbe Puntius oder Barbus eugrammus. Leider kenne ich den Fundort dieses Exemplars nicht. Aktuell ist der Name Desmopuntius johorensis die gültige Bezeichnung für diesen Fisch.

Das Jahr 1978 brachte einen neuen Wendepunkt. Yasuhiko Taki und Kollegen publizierten eine Studie über anatomische und farbliche Eigenheiten der Puntius-Arten und zeigten dabei unter anderem, dass die Linienbarbe während ihres Lebens einen dramatischen Farbwechsel durchläuft. Junge Tiere sind nämlich nicht waagerecht (horizontal) sondern senkrecht (vertikal) gestreift!

Diesen Fisch beschrieb Duncker 1904 als Barbus tetrazona var. johorensis. Er ahnte nicht, dass es sich dabei um die Jugendform einer Linienbarbe handelt.

1992 durften die Aquarianer darum wieder einmal umlernen. Denn Maurice Kottelat untersuchte Fischmaterial von der malaiischen Halbinsel und fand dabei heraus, dass eine weitere aquaristisch gut bekannte Art von dort seit 1904 falsch bestimmt wurde. Damals beschrieb Georg Duncker eine senkrecht gestreifte Kleinbarbe von der malaiischen Halbinsel als Barbus tetrazona var. johorensis. Spätere Bearbeiter identifizierten eine Fünfgürtelbarbe als Barbus oder Puntius johorensis. In Wirklichkeit stellt Barbus johorensis aber die Jugendform der Linienbarbe dar! Jetzt musste wir gleich zweimal umlernen: die Fünfgürtelbarbe der malaiischen Halbinsel hieß nun Barbus oder Puntius hexazona, die Linienbarbe aber Barbus oder Puntius johorensis, da dieser Name älter als der von Silas vergebene P. eugrammus ist und damit Priorität hat.

Barbus lineatus steht heute in einer eigenen Gattung namens Striuntius.

In der gleichen Arbeit von 1904 beschrieb Duncker eine weitere Art der Linienbarben, nämlich Barbus lineatus. Sie unterscheidet sich von Bleekers Linienbarbe durch ein anatomisch anders geformtes Maul mit einer fleischigen Unterlippe, fehlenden oder kurzen Barteln und eine höhere Anzahl von Kiemenrechen. Heute steht sie in einer eigenen Gattung namens Striuntius und heißt entsprechend S. lineatus.

Fünfgürtelbarben, Desmopuntius hexazona, Wildfänge aus Süd-Thailand. Diese Form wurde lange Zeit für Barbus oder Puntius johorensis gehalten, bis man merkte, dass B. johorensis die Jungfischform einer Linienbarbe ist.

Groß angelegte DNS-Analysen in den letzten Jahren brachten gewaltige Umwälzungen bezüglich der Gattungszuordnungen der asiatischen Kleinbarben. DNS-Analysen leiden stets unter der Schwierigkeit, dass von vielen Arten kein Material zu bekommen ist und dass von aus systematischer Sicht komplizierten Arten oft die Frage offenbleibt, ob das Material denn richtig bestimmt wurde. Doch zeigte sich recht gut, dass die genetische Verwandtschaft und bestimmte Zeichnungsmuster (in Kombination mit anatomischen Merkmalen) große Übereinstimmungen aufweisen. So werden die Streifenbarben gegenwärtig zusammen mit den Fünfgürtel- und Rhombenbarben in die Gattung Desmopuntius gestellt.

Diese Linienbarben sind Wildfänge aus Süd-Thailand, entsprechen also zoogeografisch Desmopuntius johorensis. Sie haben deutlich weniger Streifen als Bleekers Linienbarbe von Sumatra und Bangka.

Aktuell heißt also die Linienbarbe Desmopuntius johorensis. Früher hieß sie schon Barbus oder Puntius fasciatus, Barbus oder Puntius eugrammus, Barbus oder Puntius johorensis.

Die Herkunft dieser Linienbarbe ist nicht bekannt. Sie ist Desmopuntius johorensis aus Süd-Thailand sehr ähnlich, könnte aber auch eine noch unbeschriebene Art repräsentieren.

Ob damit das Umlernen ein Ende hat? Schwer zu sagen. Aber schaut man sich einmal die Linienbarben im Aquarium genauer an – Kottelat entdeckte und beschrieb 1996 noch zwei der „gewöhnlichen“ Linienbarbe sehr ähnliche Schwesterarten, nämlich Desmopuntius gemellus und D. trifasciatus, bei denen die Jungtiere ebenfalls senkrecht, die Erwachsenen aber waagerecht gestreift sind – so unterscheiden sie sich doch erheblich von den Fünfgürtel- und Rhombenbarben. Allerdings bestätigte die jüngste DNS-Analyse von Ren et al. (2020) die große genetische Nähe der Linienbarben zu den Fünfgürtel- und Rhombenbarben, während die äußerlich so ähnliche Striuntius lineatus nicht sonderlich nahe mit den Linienbarben verwandt zu sein scheint.

Diese Desmopuntius trifasciatus kam als Beifang von Borneo zu uns. Die Lücke in der mittleren Körperbinde hat sich ein halbes Jahr später geschlossen.

Vielleicht erhalten die Linienbarben sogar noch eine eigene Gattung. Und vielleicht lernen wir den wissenschaftlichen Namen von Bleekers Linienbarbe sogar nochmal komplett neu, denn den Artnamen „fasciatus“ darf diese Linienbarbe ja eigentlich nur dann nicht tragen, wenn sie mit der Glühkohlenbarbe in der gleichen Gattung steht. Die Linienbarbe ist wirklich ein perfektes Beispiel dafür, dass trotz aller Anstrengungen, die wissenschaftliche Namensgebung möglichst stabil zu halten, immer wieder einmal Namen-Dramen passieren werden.

Frank Schäfer

Literatur:

Alfred, E. R. (1963): Some colourful fishes of the genus Puntius Hamilton. Bulletin of the Singapore National Museum v. 32: 135-142.

Bleeker, P. (1853): Nalezingen op de ichthyologische fauna van het eiland Banka. Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indië v. 5 (no. 1): 175-194.

Duncker, G. (1904): Die Fische der malayischen Halbinsel. Mitteilungen aus dem Naturhistorischen (Zoologischen) Museum in Hamburg v. 21: 133-207, Pls. 1-2.

Jerdon, T. C. (1849): On the fresh-water fishes of southern India. (Continued from p. 149.). Madras Journal of Literature and Science v. 15 (pt 2): 302-346.

Kottelat, M. (1992): The identity of Barbus johorensis Duncker, 1904 (Teleostei: Cyprinidae). Raffles Bulletin of Zoology v. 40 (no. 2): 187-192.

Kottelat, M. (1996): The identity of Puntius eugrammus and diagnoses of two new species of striped barbs (Teleostei: Cyprinidae) from southeast Asia. Raffles Bulletin of Zoology v. 44 (no. 1): 301-316.

Kottelat, M. (2013): The fishes of the inland waters of southeast Asia: a catalogue and core bibiography of the fishes known to occur in freshwaters, mangroves and estuaries. Raffles Bulletin of Zoology Supplement No. 27: 1-663.

Ren, Q., L. Yang, C.-H. Chang & R. L. Mayden (2020): Molecular phylogeny and divergence of major clades in the Puntius complex (Teleostei: Cypriniformes). Zoologica Scripta: [1-13].

Silas, E. G. (1956): The systematic position of the Indian cyprinid fish, Cirrhinus fasciatus Jerdon (1849), with a new name for Barbus fasciatus Bleeker (1853). Copeia 1956 (no. 3): 194.

Weber, M. & L. F. de Beaufort (1912): „Fische“. In: „Durch Zentral-Sumatra“ von Alfred Maaß. Berlin. Band 2: 522-541, Pls. 11-12.


Anzeige


Das Riesenchamäleon

Die große Insel Madagaskar vor der ostafrikanischen Küste ist ein Eldorado für Zoologen. Bereits vor etwa 135 Millionen Jahren trennte sich die Insel, die die viertgrößte Insel der Welt ist, vom Urkontinent Gondwana ab. Seither verlief dort eine eigenständige Evolution und über 90% der madagassischen Arten sind dort endemisch, kommen also nirgendwo sonst auf der Erde vor. Es gibt zahlreiche Chamäleon-Arten auf Madagaskar, darunter auch die größte Chamäleon-Art überhaupt, das Riesenchamäleon, Furcifer oustaleti.

In Ruhestellung rollen die Riesenchamäleons ihren Greifschwanz, das “fünfte Bein”, gewöhnlich spiralig ein.
Wie groß kann es werden?

Nun, so ganz genau weiß das niemand. Es gehen Gerüchte von bis zu 1 m großen Exemplaren um, doch das längste bisher gemessene Exemplar war “nur” 68,5 cm lang. Allerdings handelt es sich dabei um die Totallänge, also mit Schwanz.

Verbreitung

Auf Madagaskar ist das Riesenchamäleon im Küstentiefland verbreitet. Es kommt auf der gesamten Insel vor, allerdings sind die Vorkommen im Ostteil von Madagaskar an relativ hohe Temperaturen gebunden. Als Art, die gut an das heiße Savannenklima angepasst ist, profitiert sie von den landschaftlichen Veränderungen des Menschen (Abholzung des Waldes). Es soll eine ausgesetzte Population in Kenia (Ngong Forest bei Nairobi) geben und im Süden Floridas existiert ebenfalls eine sich fortpflanzende Population.

Riesenchamäleon und Mensch

Chamäleons gelten ganz allgemein als leicht erregbare Tiere. Sie sind berühmt-berüchtigt dafür, dass bei einigen besonders territorialen Arten bereits der fortwährende Anblick eines Artgenossen (etwa, wenn zwei Tiere sich in nebeneinanderstehenden Terrarien sehen können) zu stressbedingtem Nierenversagen und damit zum Tode führen kann! Das Riesenchamäleon ist allerdings ein vergleichsweise friedlicher und ruhiger Vertreter der Chamäleon-Sippschaft. Männchen vertragen sich untereinander nicht, ebenso sind trächtige Weibchen strikte Einzelgänger. Aber in ausreichend großen Terrarien (ein Wintergarten eignet sich freilich angesichts der Größe der Tiere besser) kann man die Tiere durchaus paarweise pflegen. Diese Coolness zeigen Riesenchamäleons auch dem Menschen gegenüber. Selbst wenn man sie vorsichtig in die Hand nimmt, regen sie sich nicht übermäßig auf, das drohende Maulaufreissen, dass man von vielen anderen Chamäleons kennt, kommt beim Riesenchamäleon nur dann vor, wenn man es sehr provoziert. Feldforscher sagen, dass man sich ein Riesenchamäleon meist einfach auf die Schulter setzen kann; es bleibt dort stundenlang ruhig sitzen.

Da das Riesenchamäleon vergleichsweise häufig ist und auch als Kulturfolger gelten kann, nutzt die einheimische Bevölkerung die Verfressenheit der Tiere gerne aus und setzt Riesenchamäleons in ihren Garten, wo sie unerwünschtes Getier bis zur Größe einer Maus verzehren und damit kurz halten. 

Riesenchamäleons im Terrarium

Für das Riesenchamäleon gelten alle üblichen Grundsätze der Chamäleonpflege. Dazu zählt der relativ große Nahrungsbedarf, der allerdings bei Riesenchamäleons leicht zu befriedigen ist, denn die Tiere nehmen neben allen üblichen Futterinsekten, wie Grillen, Heimchen, Heuschrecken und Zophabas auch nestjunge Mäuse an – in der Natur werden auch kleine Vögel und Reptilien gefressen. Alle Futterinsekten sollten immer mit einem der handelsüblichen Kalk-Vitaminpulver eingestäubt werden. Der ebenfalls hohe Bedarf an Trinkwasser macht die Chamäleonpflege immer ziemlich aufwändig, denn die meisten Tiere lernen nicht so ohne weiteres, aus Näpfen zu trinken. Man muss die Pfleglinge darum mindestens jeden zweiten Tag mittels einer Pipette tränken. Es gibt aber einige Tricks, um das zu umgehen. Viele Chamäleonpfleger verwenden Tropftränken, aus denen im Abstand von 1-2 Sekunden jeweils ein Wassertropfen in einen darunter aufgestellten Sammelbehälter tropft. Dieses simulierte “Regenwasser” erkennen die Echsen und trinken. Der naturnaheste Weg, Chamäleons zu tränken, ist mittels Sprühwasser, das die Tiere von Pflanzenblättern etc. aufnehmen. Aber auch das ist arbeitsintensiv und kann darüber hinaus dazu führen, dass es im Terrarium zu nass wird. Ein eleganter Weg ist die Installation eines künstlichen Wasserfalls mittels einer kleinen Aquarienpumpe. Allerdings sind solche Systeme etwas störanfällig und die Pumpen fallen – ganz nach Murphys Gesetz – immer dann aus, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann, etwa in Urlaubszeiten. Ein sehr geschickter Weg, das Wasser im Trinknapf in Bewegung zu setzen und damit für die Chamäleons erkennbar zu machen, ist die Belüftung des Napfes mit einer handelsüblichen Aquarien-Luftpumpe. Man hängt den Luftschlauch einfach in den Napf und stellt die Luftzufuhr so ein, dass etwa zwei Luftblasen pro Sekunde aus dem Schlauch austreten. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Tränkmethode besteht darin, dass so gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit im Terrarium angehoben wird, die auch beim Riesenchamäleon tagsüber um 70% relativer Luftfeuchte liegen sollte; nachts kann die Luftfeuchte auf bis zu 100% ansteigen. Aufgrund seiner natürlichen Lebensgewohnheiten kann das Riesenchamäleon als eine der leichter zu pflegenden Chamäleon-Arten eingestuft werden, denn es reagiert nicht gleich mit Unwohlsein und daraus folgenden Erkrankungen, wenn es einmal etwas zu warm im Behälter wird. Die Tagestemperaturen sollten zwischen 22 und 28°C liegen, unter dem Spot dürfen sie bis 45°C ansteigen. Es muss aber immer gewährleistet sein, dass die Tiere eine relativ kühle, gut gelüftete Stelle im Terrarium aufsuchen können.

Fortpflanzung

Furcifer oustaleti ist eine eierlegende Art. Das Weibchen legt nach einer Trächtigkeitsperiode von ca. sechs Wochen bis zu 61 Eier ab. Die Eier brauchen bei einer Bruttemperatur von etwa 28°C zwischen 210 und 280 Tagen, bis die Jungtiere schlüpfen. Viele Züchter verwenden Vermiculite als Brutsubstrat. Die Jungtiere wachsen sehr schnell und erreichen bereits mit einem Jahr die Geschlechtsreife. Insgesamt ähneln Pflege und Zucht der des bekannten Pantherchamäleons, Furcifer pardalis.

Frank Schäfer

Lexikon

Furcifer:
bedeutet “Jochträger” oder auch “Schurke”.
oustaleti:
Widmungsname für den Zoologen Émile Oustalet (1844-1905)

Zum ersten Mal in Deutschland: Creagrutus paraguayensis

Bei einem Gang durch die Anlage sah ich zufällig, dass in einem Aquarium mit kleinen Pinselalgen-Salmlern (Apareiodon affinis, auch bekannt unter dem früheren Namen Parodon affinis) ein paar Beifänge aus Paraguay mitgekommen waren. Bei zwei der insgesamt sieben Exemplare handelte es sich um junge Rotflossensalmler (Aphyocharax), doch fünf konnte ich zunächst nicht einsortieren. Auffällig war die „schwanzlastige“ Schwimmweise, die an Schwanzdrüsensalmler erinnert. Ich fing die Fischchen – sie waren etwa 3 cm lang – also heraus, um sie zu fotografieren und etwas näher zu begutachten.

Balzschwimmen, im Vordergrund das vermutliche Weibchen

Im Fotobecken kamen die Tiere sofort in Stimmung und eines entwickelte eine hübsche Schwanzflossenzeichnung. Die Kopfform deutete auf einen Vertreter der Gattung Creagrutus. Das ließ mich zunächst seufzen, denn Creagrutus ist mit 70 Arten ausgesprochen artenreich und wegen der Ähnlichkeit der Arten zueinander unübersichtlich, obwohl eine aktuelle, sehr gute Revision von Vari & Harold aus dem Jahr 2001 existiert. Aber von fast keiner Art sind Lebendfotos bekannt, da Creagrutus aquaristisch bislang keinerlei Rolle spielen.

Doch in diesem Fall ging die Bestimmung erstaunlich flott, denn bei Vari & Harold werden überhaupt nur zwei Arten der Gattung aus Paraguay aufgeführt, nämlich C. meridionalis und C. paraguayensis. Der Vergleich dieser beiden Arten brachte schnell das Ergebnis, dass es sich bei den Beifängen nur um C. paraguayensis handeln kann, da C. meredionalis erheblich hochrückiger ist.

Im Fotobecken sind Creagrutus paraguayensis sehr lebhafte, oberflächennah schwimmende Tiere. Untereinander sind sie in ständige Kabbeleien verstrickt. Bei der Balz schwimmt das vermutliche Männchen, erkennbar an der kräftig gefärbten Schwanzflosse, blitzschnell auf das vermutliche Weibchen zu. Beide Tiere bewegen sich anschließend in einer Kopf-an-Schwanz Position im Kreis herum.

Ganz sicher ist Creagrutus paraguayensis Mahnert & Géry, 1988 keine aquaristische Offenbarung. Die Art soll laut Literatur rund 6-7 cm lang werden können. Aber schon jetzt kann man sagen: ein weiterer kleiner weißer Fleck auf der Landkarte des Lebens konnte dank dieses Zufallsimportes mit Farbe gefüllt werden.

Frank Schäfer

Literatur:

Vari, R. P. & A. S. Harold (2001): Phylogenetic study of the neotropical fish genera Creagrutus Günther and Piabina Reinhardt (Teleostei: Ostariophysi: Characiformes), with revision of the Cis-Andean species. Smithsonian Contributions to Zoology No. 613: i-v + 1-239.


Anzeige


Acanthurus pyroferus und A. tristis: Mimikry-Doktoren

Mit dem Begriff Mimikry bezeichnet man in der Biologie ein Phänomen, bei dem zwei unterschiedliche Tierarten einander nachahmen. Das heißt, sie sehen sehr ähnlich oder fast identisch aus, gehören aber ganz verschiedenen Arten an. Mimikry ist im Tierreich weit verbreitet und ein sehr spannendes Phänomen, das zu erforschen ein ganzes Biologenleben nicht ausreicht. Zwei Arten von Doktorfischen ahmen in ihrer Jugend Zwergkaiserfische nach. Von ihnen erzählt diese Geschichte.

Erwachsenes Männchen (oben) und Weibchen (unten) des Schokoladendoktorfisches, Acanthurus pyroferus.

Doktorfische sind in der Meeres­aquaristik sehr beliebt. Es sind meist bunt gefärbte Fische, die sich vorzugsweise von Algen ernähren. Darum werden manche Arten sehr gerne in Riffaquarien gepflegt, wo sie lästigen Algenwuchs kurz halten. Aber auch in reinen Fischaquarien sind es faszi­nierende Pfleglinge. Keine der 82 Arten, die sich auf sechs Gattungen verteilen, betreibt Brutpflege. Alle Arten laichen im freien Wasser ab, die winzigen, kaum 1 mm großen Eier treiben an­schließend im Plankton, wo sich auch die Larven entwickeln. Als Plankton bezeichnet man alle Lebewesen, die frei im Wasser schweben und sich passiv von Strömungen bewegen lassen. Die Lebensweise im Plankton bezeichnet man als planktonisch.

Doktorfischlarven sind glasartig durchsichtig und haben merkwürdige Stacheln und Fortsätze. Man nennt die Larven von Doktorfischen „Acronurus-Larven“, weil man früher glaubte, es handele sich um ganz andere Fische, die man eben Acronurus nannte. Erst später erkannte man, dass es sich dabei lediglich um Larven der Dokorfische handelte.

Bis zu einer Länge von drei bis sechs Zentimetern treiben die glasartigen Acro­nurus im Plankton des freien Meeres und werden mit Strömungen umhergetragen. Erst nach etwa 10 Wochen entwickelt sich eine Färbung und die Tiere verlassen das Plankton, und führen von da an für den Rest ihres Daseins eine bodenorientierte Lebens­weise. Das Fachwort dafür lautet: benthische Lebensweise, es ist das Gegenteil von planktonischer Lebensweise. Durch die lange planktonische Phase erklärt es sich, warum Doktorfische meist ein riesiges Verbrei­tungsgebiet haben.

Jugendfärbung? – Kaum!

Bei vielen, vor allem den kleineren Doktor­fischarten gibt es nur wenig bis gar keine Abweichungen der Jugendfärbung zum Farbkleid der Erwachsenen. Es gibt allerdings Ausnahmen, etwa bei dem Nashornfisch Naso brevirostris oder dem Augenstreifen-Doktor, Acanthurus dussumieri; beide Arten werden ziemlich groß (um 50 cm), ihnen wollen wir einen eigenen Artikel widmen. Auch andere Doktorfische können als Jungfisch erheblich anders als die Er­wachsenen aussehen, doch die allermeisten Arten lassen zumindest erkennen, wie sie später einmal aussehen werden.

Umso erstaunlicher ist es, dass zwei Arten von Doktorfischen, die man Mimikry- oder Schokoladendoktorfisch nennt, eine extrem abweichende Jugendfärbung haben, in der sie Zwergkaiserfischen farblich zum Ver­wechseln ähnlich sind. Diese beiden Doktor­fisch-Arten heißen Acanthurus pyroferus und A. tristis.

Wer macht da wen nach?

Als erwachsene Fische sehen sich die beiden Doktoren ziemlich ähnlich und wurden bis 1993 auch der gleichen Art zugeordnet. Acanthurus pyroferus ist im Indo-Westpazifik sehr weit verbreitet, A. tristis ist hingegen auf den Indischen Ozean beschränkt, wo er von den Malediven und Indien bis nach Bali lebt. In Teilen des Verbreitungsgebietes, etwa bei Bali, kommen beide Arten auch gemeinsam vor. Jugendliche A. tristis sehen aus wie der Zwergkaiserfisch Centropyge eibli, A. pyroferus gleicht sogar mindestens drei unterschied­lichen Zwergkaisern: Centropyge flavissimus, C. heraldi und C. vrolikii. Dazu gibt es eine Jugendfärbung von A. pyroferus, die keiner bislang bekannten Zwergkaiserfisch-Art gleicht (siehe Debelius & Kuiter, 2001: 37).

Centropyge eibli wird von jugendlichen Acanthurus tristis nachgeahmt.
Acanthurus tristis, Jugendfärbung
Erwachsene Acanthurus tristis sind weit­geh­end gelb gefärbt.

Nun ist zunächst die Frage zu stellen, wer wen imitiert: die Doktoren die Zwergkaiser oder umgekehrt? Die Frage ist aufgrund zweier Indizien so zu beantworten: die Doktoren imitieren die Kaiser. Indiz eins: A. pyroferus imitiert mehrere Kaiserarten. Indiz zwei: die Zwergkaiser behalten ihr Farbkleid zeit­lebens, während die Doktoren sich als erwachsene Fische grundlegend umfärben.

Wozu dient die Mimikry?

Zunächst erscheint die Mimikry der Doktor­fische sinnlos. Denn Zwergkaiserfische sind nicht giftig oder in sonstiger Weise gefährlich. Eine Mimikry, wie sie z.B. völlig harmlose Schwebfliegen zeigen, die giftige Wespen oder Bienen nachahmen, ist es also nicht. Zudem ernähren sich beide Fische – Dok­toren und Zwergkaiser – ähnlich. Beide fressen Auf­wuchs, wobei bei den Zwerg­kaisern noch ein gewisser Plankton-Anteil hinzukommt. Die Zwergkaiser leben in Haremsverbänden, die aus einem Männchen und einem bis mehre­ren Weibchen be­stehen. Dabei reagieren Zwergkaiser-Männer territorial gegenüber Artgenossen. Ein Mimikry-Doktor muss also sogar damit rechnen, von einem der imi­tierten Fische angegriffen zu werden. Wozu also der Aufwand?

Dieser Acanthurus pyroferus ist bereits in der Umfärbung zur Adultfärbung, kleinere Tiere ähneln Cenropyge vrolikii (unten) verblüffend.

Die Antwort auf das Rätsel scheint in der Lebensgeschichte der Zwergkaiser zu liegen. Ihr Ablaichverhalten ähnelt im Großen und Ganzen dem der Doktorfische: die Ge­schlechtsprodukte werden frei ins Wasser abgegeben, die Larven entwickeln sich im Plankton. Aber – und jetzt kommt der entscheidende Unterschied – Zwergkaiser verwandeln sich viel früher und mit etwa zwei Zentimetern Länge zum rifflebenden Fisch.

Eine Jugendfärbung gibt es bei Zwergkaisern kaum, manche Arten haben einen Augenfleck (Ocellus), der den Erwachsenen fehlt, aber das war es auch schon. Zwergkaiserfische gehören zu den cleversten Riffbewohnern und verschwinden blitz­schnell in ihrem Versteck, wenn ihnen etwas nicht geheuer ist.

Centropyge flavissima gehört zu den wenigen Arten von Zwergkaiserfischen, die eine besondere Jugendfärbung haben.

Der Vorteil der Mimikry für die Doktoren liegt darin, dass die Raubfische in einem Gebiet, in dem die Zwergkaiser vorkommen, schnell lernen, dass es sich kaum lohnt, auf diese flinken Tiere Jagd zu machen. Die wesentlich weniger flinken Doktorfische profitieren also, wenn sie mit rund vier Zentimetern Länge im Riff ankommen, davon, dass Raubfische kaum Energie darauf verschwenden, Jagd auf sie zu machen, da die Räuber „glauben“, es handele sich um relativ alte und entsprechend gewitzte Zwerg­kaiserfische. Faszinierend, nicht wahr?

Im Aquarium

Sowohl die Mimikrydoktoren wie auch die Zwergkaiserfische sind ausgezeichnete Aqua­rienfische. Die Zwergkaiser sollte man paarweise oder im Trupp pflegen, sie werden etwa 8 cm lang. Die Mimikry-Doktoren errei­chen eine Maximallänge von etwa 20 cm, werden also auch nicht riesig. Sie fressen be­sonders gern die von anderen Fischen meist verschmähten schlammigen Kiesel­algen. Füt­tert man gut und reichlich, sind auch erwach­sene Mimikry-Doktoren paar­weise pflegbar, nur wenn sie knapp im Futter gehalten wer­den, reagieren sie aggressiv auf Artgenossen.

Centropyge flavissima wird von jugendlichen Acanthurus pyroferus imitiert.
Acanthurus pyroferus-Jungtier in Centropyge flavissima-Mimikry
Dieser junge Acanthurus pyroferus imitiert den rein gelb gefärbten Zwergkaiserfisch Centropyge heraldi. C. heraldi unterscheidet sich von C. flavissima durch das Fehlen blauer Zeichnungselemente.
Centropyge heraldi

Man setzt bei ausgewachsenen Doktoren am besten zwei Tiere gleichzeitig ein, die deutlich unterschiedlich groß sind. Besonders Acan­thurus pyroferus ist er­wachsen ein pracht­voller Fisch. Da in Riffaquarien aus Rücksicht auf die Wasser­qualität oft zu knapp gefüttert wird, emp­fiehlt sich die Pflege großer Mimikry-Dok­toren eher in Fischaquarien, wo die Wasser­belastung eine untergeordnete Rolle spielt. Hier fressen die Mimikry-Dok­toren problem­los viele Ersatzfuttersor­ten. Einem erwach­senen Acanthurus pyroferus kann man übri­gens nicht ansehen, welchen Zwergkaiser er als Jungfisch imitiert hat. Es bleibt ein spannendes Forschungsfeld, heraus­zu­­fin­den, wie die Anpassung an die ver­schie­denen Zwergkaiser-Arten funktioniert. Handelt es sich bei den Schokoladen-Doktorfischen vielleicht um einen Artenkomplex verschiedener Spezies, die sich nur durch die Jugendfärbung unterscheiden? Oder liegen der Angelegenheit komplexe Erbmechanismen zugrunde? Man weiß es nicht!

Frank Schäfer

Lexikon Mimikry-Doktorfische

Acanthurus: bedeutet ”Stachelschwanz”; pyroferus: bedeutet ”wilde Birne”; tristis: bedeutet ”traurig”; Centropyge: bedeutet ebenfalls ”Stachelschwanz”; eibli: Widmungsname für den Biologen Iräneus Eibl-Eibesfeld; flavissima: bedeutet ”der Allergelbste”; heraldi: Widmungsname für Earl S. Herald, Leiter des Steinhardt Aquariums; vrolikii: Widmungsname für den Natur­forscher W. Vrolik

Literatur

Debelius, H. & R. H. Kuiter (2001): Doktorfische und ihre Verwandten. Acanthuroidei. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 208 pp, 800 Fotos.

Luty, A. (1999): Doktorfische. Lebensweise – Pflege – Arten. Dähne Verlag, Ettlingen, 96 pp

Randall, J. E. (1955): A revision of the surgeon fish genus Acanthurus. Pacific Science 10: 159-235

Randall, J. E. (2005): A review of mimicry in marine fishes. Zoological Studies 44 (3): 299-328


Anzeige


Corydoras adolfoi und Co: Orangeflecken-Panzerwelse

Panzerwelse der Gattungen Brochis, Corydoras, Aspidoras und Scleromystax gehören zu den beliebtesten Aquarienfischen überhaupt. Es gibt unter ihnen Schwarmfische und Einzelgänger, Zwerge von nur etwa zwei Zentimetern und Riesen von fast 12 Zentimetern Endlänge, bunte und tarnfarbene Arten, manche mögen es kühl, andere warm – kurz, für nahezu jedes Aquarium gibt es den passenden Panzerwels. Jetzt ist Saison für eine der attraktivsten Gruppen der Panzerwelse die als gemeinsames Merkmal einen leuchtend orangefarbenen Rückenfleck haben, jedoch meist nicht näher miteinander verwandt sind.

Für Fische ist das Farbmuster ein sehr wichtiges Erkennungsmerkmal für Art­genossen. Der leuchtende orange­farbene oder gelbe Fleck im Nacken dient manchen Arten zum Schwarmzusammenhalt. Andere Arten imitieren die Schwarmarten aber nur, weil sie dadurch einen größeren Schutz vor Fressfeinden haben. Denn Panzerwelse schmecken nicht gut. Ihr äußerer Knochen­panzer, von dem sie auch ihren deutschen Gebrauchsnamen haben, macht sie schwer verdaulich und zudem haben sie starre, heftig stechende und manchmal auch giftige Rücken- und Brustflossenstacheln. Ein Vogel oder sonstiger Fressfeind, der einmal einen Panzerwels gefressen hat, merkt sich dieses unangenehme Ereignis und meidet fortan Fische, die ein solches Farbmuster haben. Also ist die auffällige Färbung zugleich Warn­färbung und Signal an Artgenossen.

Corydoras adolfoi

Kleine Taschenlampe brenn…

Darum gehören auch diese „Orangeflecken-Panzerwelse“ zu den beliebtesten Aquarien­fischen, denn leuchtend bunte Fische sind natürlich attraktiv. Die Schwarm-Arten passen mit ihren nur rund 5-6 cm Gesamt­länge hervorragend in handels­übliche Aqua­rien­größen, die eher einzel­gänge­rischen Sattelschnäuzer sind aller­dings zumindest zeitweise ziemlich aggressiv untereinander und brauchen darum ge­räumige Aquarien, zumal sie mit rund 8 cm Länge auch deutlich größer werden.

Corydoras burgessi

Das Wasser

Man könnte das Wasser, in dem diese Panzerwelse in der Natur leben, als minimal verunreinigtes destilliertes Wasser mit saurem pH-Wert beschreiben. Es hat eine Leitfähigkeit von 5-10 µS/cm (das entspricht einer Gesamthärte von 0, ist also mit üblichen Härtetests nicht messbar), der pH-Wert liegt zwischen 4,5 und 5. Die vor Ort gemessene Wassertemperatur ist relativ hoch, da man die Lebensräume dieser Fische nur in der nieder­schlagsarmen Trockenzeit bereisen kann. Alle Arten kommen aus dem Einzug des oberen Rio Negro. Im Rio Negro selbst liegt die Wassertemperatur in der Trockenzeit um 30°C, denn das dunkle, kaffeefarbene Wasser absorbiert die Son­nen­strahlung. Allerdings ist zu bedenken, dass die Panzerwelse meist nicht im Haupt­fluss, sondern in teilweise stark beschatteten Bächen leben, die zudem in der Regel Klarwasser führen, das etwa die Fär­bung von dünnem Tee hat. Dort ist das Wasser mit ca. 25-28°C schon kühler. Und zur Regenzeit, wenn zusätzlich zur Beschattung durch die Wolken noch das relativ kühle Regenwasser in Sturzbächen vom Himmel kommt, kann auch in größeren Ne­ben­flüs­sen die Wassertemperatur deutlich absin­ken. Aus der aquaristischen Praxis wissen wir, dass auch die Corydoras-Arten aus dem oberen Rio Negro-Gebiet zur Stimulation des Ab­laichens eine rasche Abkühlung des Wassers auf etwa 16°C durch einen groß­zügigen Wasserwechsel (50% oder mehr) nicht nur tolerieren, sondern in manchen Fällen ge­rade­zu brauchen, um in Laich­stimmung zu kommen. Allerdings sollte in solchen Fällen die Abkühlung nur sehr kurzzeitig erfolgen und das Wasser mittels Heizer zügig wieder auf etwa 24°C gebracht werden.

Im Aquarium

Ganz so extreme Wasserwerte, wie die Tiere sie in der Natur haben, muss man im Aqua­rium nicht nachahmen, um die schönen Panzer­welse erfolgreich zu pflegen. Sie sind recht anpassungsfähig und leben auch viele Jahre in hartem, leicht alkalischem Wasser. Die Zucht gelingt aber nur, wenn man die natürlichen Wasserverhältnisse einiger­ma­ßen nachahmt. Dabei muss man bedenken, dass Panzerwelse einem Laichrhythmus folgen, der für den betrachtenden Menschen nicht so ohne weiteres nachvollziehbar ist. Manchmal laichen sie fast täglich, dann wieder wochenlang gar nicht. In hartem Wasser bilden sich die Geschlechtsorgane oft zurück, bei lange Zeit in hartem Wasser ge­pflegten Tieren kann es nach dem Umsetzen in weiches, saures Wasser Monate dauern, bis sie wieder fortpflanzungsfähig sind. Am schönsten und vitalsten werden die Orange­flecken-Panzerwelse wenn man nicht nur weiches und saures, sondern auch durch Huminstoffe angefärbtes Wasser anbietet. Das erreicht man z.B. durch die Zugabe von Erlenzäpfchen. Feiner weißer Sand sollte den Boden bedecken, mit Wurzeln und totem Laub schafft man Versteckmöglichkeiten. Das tote Laub stellt zusätzlich eine wichtige Ernährungs­er­gänzung dar, in der Natur ist es eine Haupt­nahrungsquelle. Da die meisten Unter­wasserpflanzen unter diesen Bedin­gungen nicht wachsen, verzichtet man ent­weder ganz auf sie (dann spart man auch kräftig Strom bei der Aquarienbeleuchtung) oder man verwendet Schwimmpflanzen. Sehr attraktiv wirkt es, wenn man Seerosen (Nymphaea) ihre Schwimmblätter ausbilden oder Schwertpflanzen (Echinodorus) aus dem Wasser herauswachsen lässt. Es genü­gen dafür meist schon 15-20 cm Luftraum. Beide Pflanzen werden dann auch blühen, was viele zusätzliche interessante Beobach­tungs­möglichkeiten bietet.

Die Arten

Zu den Orangeflecken-Panzerwelsen zählen folgende derzeit bekannten Arten: Corydoras adolfoi Burgess, 1982, C. burgessi Axelrod, 1987, C. crypticus Sands, 1995, C. duplicareus Sands, 1995, C. imitator Nijssen & Isbrücker, 1983, C. nijsseni Sands, 1989 und Corydoras serratus Sands, 1995. Hinzu kommt noch eine Art, die C. imitator sehr ähnlich, jedoch hochrückiger ist und die provisorische Be­zeichnung „C 39“ erhalten hat und eine Art mit dunklem Kiemendeckelfleck, die ansons­ten C. burgessi gleicht und als C 121 bezeich­net wird. Dabei steht das „C“ für „Corydoras“. Schwarmarten sind alle bis auf C. serratus. Die Fischarten, die heutzutage allgemein in der Gattung Corydoras zusammengefasst werden, sind oft nicht näher miteinander verwandt und müssten eigentlich in unter­schied­lichen Gattungen untergebracht wer­den. Bis es soweit ist, spricht man darum ganz gerne von Rundschnäuzern, Lang­schnäu­zern und Sattelschnäuzern (letztere sind die eigentlichen Corydoras) und dazu gibt es noch eine Reihe weiterer Sonder­gruppen.

Rundschnäuzer

Die Rundschnäuzer Corydoras adolfoi und C. duplicareus sind einander sehr ähnlich und, weil beide Arten zahlreiche natürliche Farb­varianten ausbilden, kaum auseinander­zu­halten. Es gibt jedoch ein anatomisches Detail zur Unterscheidung: C. duplicareus besitzt Brustflossen­stacheln, die auf der Innenseite stark gesägt sind, während sie bei C. adolfoi glatt sind. Diese Angabe wur­de allerdings seit der Erst­beschreibung von C. duplicareus nie wieder einer wissen­schaft­lichen Prüfung unterzo­gen. Die Fische, die man im Hobby ganz allgemein als C. dupli­ca­reus bezeichnet, sind etwas hochrückiger und der Rücken­strei­fen be­deckt am Ansatz der Schwanz­flosse etwa die Hälfte des Schwanz­stiels, während die als C. adolfoi bezeichneten Tiere schlanker sind und der Rückenstreifen ober­halb des Schwanz­­­stiels in eine feine Linie aus­läuft. Bei Wildfängen sind diese Unter­schei­dungs­merk­male allerdings kaum anzu­wen­den, denn die Tiere sind wirklich ziemlich variabel und man kann im gleichen Import viele Zwi­schen- und Übergangsformen fin­den. Erst bei Nachzuchten ergibt sich ein ein­heit­liches Bild, dann sehen die Tiere sehr uniform aus. Gewöhnlich wird nur C. duplica­reus gezüch­tet, denn diese Art erweist sich als produktiv und leicht nachzüchtbar, während C. adolfoi aus unbekannten Gründen als schwierig nachzuzüchten gilt. Wegen der Ähnlichkeit beider Arten gibt sich allerdings auch kein Berufszüchter mit einer zweiten, sehr ähn­lichen, dabei jedoch nach landläufigem Geschmack weniger attraktiven Art ab und so erhält man C. adolfoi meist nur als Wild­fang. Sehr ähnlich sind auch C. burgessi und C 121, die im Gegensatz zu C. adolfoi und C. duplicareus schwarze Rückenflossen haben. Die Form des Rückenbandes ist hochvariabel; es gibt Tiere mit lediglich einem schwarzen Sattelfleck, andere haben ein breites Band über den ganzen Rücken.

Corydoras duplicareus
Variante von C. burgessi
Eine weitere Variante von C. burgessi

Corydoras sp. C121

Langschnäuzer

Der häufigste Langschnäuzer im Handel ist Corydoras imitator. Die Form des Kopfes ist bei Wildfängen sehr variabel, ebenso die Färbung. Es gibt Tiere mit breitem und schmalem Rückenstreifen. C. imitator ist der Langschnäuzer zu C. adolfoi, während der sehr ähnliche, etwas hochrückigere C39 der Langschnäuzer zu C. duplicareus ist. Der Langschnäuzer zu C. burgessi ist C. crypticus, bei dem die Langschnäuzigkeit oft nicht sonderlich ausgeprägt ist. C. crypticus ist genauso farbvariabel wie C. burgessi.

Corydoras imitator
Corydoras sp. aff. imitator C39

Sattelschnäuzer

Die sattelschnäuzige Art zu den Orange­flecken-Panzerwelsen ist Corydoras serratus. Lange Jahre bekam man diese Art nur in Einzel­exemplaren zu Gesicht. Japan, wo wahn­sinnige Preise (bis zu dreistellig für einen einzigen Fisch!) für rare Panzerwelse gezahlt wurden, erhielt praktisch alle Tiere. Da Sattelschnäuzer einzelgängerisch leben, kann man sie nicht effektiv fangen, anders als die Schwarmarten, die so häufig sind, dass ein einziger Netzzug hunderte bis tausende von Exemplaren einbringen kann. Zwischen­zeit­lich sind Panzerwelse aber in Japan wieder aus der Mode gekommen, die Preise sind auf ein wirtschaftlich vernünftiges Niveau ge­fallen und es kamen auch genug C. serratus nach Deutschland, um die Variabilität der Art studieren zu können. Und die ist enorm! Laien würden sie glatt für verschiedene Arten halten, doch ist die Farbveränderlichkeit genetisch bedingt. Wie wir mittlerweile aus Nachzuchten wissen, treten selbst unter den Nachkommen von identisch gefärbten Eltern­tieren alle diese verschiedenen Varian­ten auf.

Dies ist das einzige existierende Photo eines Sattelschnäuzers, der sich als Beifang bei C. nijsseni fand. Möglicherweise handelt es sich um ein Jungtier des hochvariablen C. serratus, vielleicht aber auch um eine weitere neue Art.

Der Elegans-Verwandte

Es gibt noch einen vierten Typ vom Orange­fleck-Panzerwels, der in die unmittelbare Ver­wandtschaft von C. elegans gehört, näm­lich C. nijsseni. Diese Arten sind oft im freien Was­ser statt am Boden zu finden und die Männ­chen und Weib­chen haben ganz unter­schiedliche Fär­bung. Hinzu kommt auch bei dieser Art eine hohe Variabilität in der Färbung in der Natur. Ob diese Unterschiede einfach nur die innerartliche Varianz dar­stellen oder geo­grafisch fixiert sind, ist unbe­kannt. Leider wird C. nijsseni nur sehr selten importiert.

Gehen Sie doch mal auf Entdeckungstour in Ihrem Zoofachhandel. Die eine oder andere Art wird derzeit sicher als Wildfang dort zu haben sein und vielleicht haben Sie ja Glück und entdecken sogar einen Beifang darunter!

Frank Schäfer


Anzeige


Apistogramma hongsloi Red Line

Apistogramma hongsloi aus Kolumbien und Venezuela gehört zur so genannten macmasteri-Gruppe innerhalb der Gattung Apistogramma. A. hongsloi fällt durch den ausgesprochen hochrückigen Körperbau auf. Farblich ist der rote Bauchstreifen, der zu der nichtwissenschaftlichen Zusatzbezeichnung „Red Line“ im Hobby führte, besonders auffällig.

Obwohl die Art nicht unbedingt häufig im Zoofachhandel zu finden ist, wird sie seit Anfang der 1980er Jahre kontinuierlich gezüchtet. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Wildfänge aufgrund der schwierigen politischen Situation in den Ursprungsländern nur sehr selten zur Verfügung stehen. Zudem ist der Fisch nicht nur hübsch, sondern auch vergleichsweise robust, so dass er immer Abnehmer findet.

Frank Schäfer

Zum Vergrößern anklicken

Interessante Skinke aus Südostasien

Die Skinke oder Glattechsen sind eine sehr arten- und erfolgreiche Eidechsengruppe. Ihre Schuppen liegen eng am Körper an, wodurch ein glattes Aussehen bewirkt wird. Zudem glänzen viele Arten wie frisch poliertes Porzellan.

Die beiden Echsenarten, mit denen dieser Bericht beginnen soll, sind spezialisierte Baumbewohner. Früher stellte man sie beide in die Gattung Dasia, heute wird der Smaragdgrüne Baumskink in der Gattung Lamprolepis geführt und heißt darum L. smargadina. Die zweite, eher braun gefärbte Art, ist die Typusart der Gattung Dasia: D. olivacea. Beide Arten werden gelegentlich aus Indonesien für das Hobby importiert. Sie werden insgesamt etwa 25 cm lang, etwas mehr als die Hälfte der Gesamtlänge entfällt auf den Schwanz.

Lamprolepis smaragdina, halbbraune Variante

Hoch, höher, am höchsten
Die Skinke der Dasia-Verwandtschaft sind in der Natur häufig und sie sehen hübsch aus. Besonders L. smaragdina ist ein echter Klassiker unter den Terrarientieren, denn sein strahlendes Grün ist unübertroffen. Die hier gezeigte Farbform hat ein besonders leuchtendes Grün. Diese im hinteren Körperdrittel braun gefärbte Form wird meist der Unterart Lamprolepis smaragdina philippinica zugeordnet. Die Nominatform ist einheitlich grün und ebenfalls sehr schön. Aber auch Dasia olivacea ist eine Augenweide, sind die Tiere richtig eingewöhnt ist bei ihnen der Bauch leuchtend grün-gelb gefärbt.

Weil sie so häufig und hübsch sind, kann man die Tiere im Fachhandel oft preiswert erstehen. Freude hat man an den schönen Tieren aber nur, wenn man sie in ein sehr hohes Terrarium setzen kann. Erfahrene Pfleger äußern sich gerne in der Hinsicht so: ein Dasia-Terrarium kann gar nicht hoch genug sein! Es werden Empfehlungen von bis zu 2 m hohen Terrarien ausgesprochen, also faktisch Raumhöhe.

Dasia olivacea

Nun, ganz so hoch muss es nicht sein, vor allem dann nicht, wenn man das Terrarium aufhängt, also die Oberkante des Terrariums mit der Zimmerdecke abschließt. Die Skinke haben nämlich auch in diesen Terrarien das Gefühl der räumlichen Höhe, das sie brauchen. Haben sie es nicht, dann hat man wenig Freude an den Baumskinken. Sie bleiben panisch, toben “wie verrückt” im Terrarium umher und halten sich permanent versteckt. Im schlimmsten Fall sterben die Echsen in falsch dimensionierten Terrarien sogar, weil die dauernde Panik zu einem Zusammenbruch des Immunsystems führen kann, die Nieren schädigt und das Magen-Darm-System angreift.

In einem richtig eingerichteten, etwa 1,2 m hohen Terrarium hat man hingegen sehr viel Freude an diesen wundervollen Tieren. Sie brauchen ein Tropenterrarium mit einer hohen Luftfeuchtigkeit (tagsüber um 70%, nachts nahe 100%). Alle Wände des Terrariums sollten mit Rinde beklebt sein, damit sie von den Skinken als Laufflächen genutzt werden können. Tagsüber darf das Temperaturgefälle im Becken zwischen etwa 23°C (am Boden des Terrariums) und rund 30°C (unter der Decke) betragen. Ein lokaler Spot sorgt dort für etwa 35°C.

Problemlose Fresser
Bezüglich der Ernährung stellten die Baumskinke kaum Ansprüche. Alle üblichen Futterinsekten werden gerne angenommen. Sie sollten immer mit einem Kalk-Vitamin-Gemisch eingestäubt werden. Außerdem empfiehlt sich für diese Baumbewohner unbedingt eine UV-Lampe im Terrarium.

Geschlechtsunterschiede

Wie bei sehr vielen Echsen kann man die Männchen der Baumskinke ganz gut an den verdickten Hemipenistaschen erkennen. Bei den Smaragd-Baumskinken gibt es einen weiteren, sehr sicheren Geschlechtsunterschied: die Männchen besitzen eine große, auffällig gefärbte (gelb oder orange) Schuppe an der Unterseite der Schenkel, sowie gelbe Fersenschuppen. Untereinander sind diese eierlegenden Echsen recht verträglich, sogar die Männchen, was bei Skinken keineswegs selbstverständlich ist!

Zwergskinke als Inselhüpfer
Eine ganz andere Baustelle sind die niedlichen Blauschwanz-Zwergskinke der Gattung Emoia. Es gibt zwei Zwillingarten, die rein optisch nicht auseinandergehalten werden können, nämlich E. cyanura und E. impar. Sie kommen auch in den gleichen geografischen Regionen vor, so dass der Fundort der Tiere in diesem Fall bei der Bestimmung leider nicht weiterhilft. Die Unterscheidung der beiden ist jedoch wichtig, denn E. cyanura ist ein Bewohner offener Landschaften und E. impar des Waldes. Daher hat E. cyanura höhere Temperaturansprüche als E. impar. Am besten setzt man also diese kleinen Tierchen (die Kopf-Rumpflänge beträgt 4-6 cm, dazu kommt der weit über körperlang Schwanz) zunächst in ein relativ großes Terrarium und bietet verschiedene  Sonnenplätze an. Wenn man weiß, welchen Temperaturbereich die Echsen zum Erreichen der Aktivitätstemperatur am liebsten aufsuchen, kann man diese Verhältnisse auch in einem kleineren Terrarium nachbilden

Erwachsenes Männchen und Weibchen (unten) von Emoia cyanura.

Emoia cyanura ist eine der häufigsten Echsen der pazifischen Inselwelt und kommt praktisch auf jedem Eiland vor, sofern es nur größer als etwa ein Hektar ist. Ein echter Inselhopper also, den  man von den Bismarck-Inseln im Westen bis Polynesien im Osten überall finden kann.

Katzenbuckel und eingerollter Schwanz: dieses Jungtier von Emoia cyanura fühlt sich bedroht.

Die Fortpflanzung erfolgt durch 2 Eier, die ganzjährig gelegt werden können. Die kleinen Echsen sind an kein bestimmtes Biotop gebunden, nur im Wald findet man sie nicht. Sie sind nicht territorial, sondern streifen überall herum. Die Aktivitätstemperatur von Emoia cyanura beginnt bei etwa 24,5°C, sie heizen sich beim Sonnenbaden auf über 30°C auf.

Noch ein Weltenbummler
Der letzte Skink, der hier kurz vorgestellt werden soll, ist ein weiterer Hansdampf in allen Gassen. Man findet das Tier praktisch überall in Südostasien, sogar mitten in Riesenstädten wie Hanoi.

Eutropis multifasciata kann sehr hübsch gefärbt sein.

Eutropis (früher: Mabuya) multifasciata
So heißt dieser hübsche Skink, der etwa 30 cm Gesamtlänge erreichen kann, wobei der Schwanz nur geringfügig länger als der Körper ist. Ganz einfach ist seine Pflege allerdings trotzdem nicht, eine Erfahrung, die Tierpfleger immer wieder machen, wenn sie es mit extrem häufigen Arten versuchen. Oft machen die in der Natur raren Arten viel weniger Probleme. Wichtig ist bei Eutropius multifasciata vor allem, dass man sie feucht und nicht zu warm hält. Ein großes Wasserbecken – es kann bis zu 50% der Bodenfläche des Terrariums einnehmen – , ein nur ganz lokal (!) heizender Spot, unter dem es etwa 35°C warm werden darf und ansonsten Temperaturen zwischen 20 und 25°C, das sind die Grundbedingungen, um an E. multifasciata Freude zu haben. Dieser Skink ist lebendgebärend (ovovivipar), d.h. die Jungen schlüpfen im Moment der Eibalage aus den Eiern. Neben den üblichen Insekten frisst dieser Skink auch gerne mal süßes, matschiges Obst.

Pärchen von Eutropius multifasciata, Männchen hinten.

Frank Schäfer


Anzeige


Tierführende Zoofachmärkte in Gefahr

Ministerin Julia Klöckner (CDU) kündigt Befristung einer Handelserlaubnis an / ZZF warnt: Befristung zerstört tierführenden Zoofachhandel / Tierschutzgerechte Tiervermittlung gefährdet

Im Rahmen einer Pressekonferenz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat Ministerin Julia Klöckner (CDU) am 2. Dezember den Verordnungsentwurf zur Regelung der tierschutzrechtlichen Handelserlaubnis vorgestellt. ZZF-Präsident Norbert Holthenrich bezieht Stellung:

„Wir begrüßen die Stärkung der Sachkunde des Personals im Zoofachhandel. Alle Stellen, die Tiere vermitteln, tragen eine besondere Verantwortung in der Beratung von Tierhaltern. Seit vielen Jahren weisen wir darauf hin, dass es leider keine bundeseinheitliche fachspezifische Ausbildung für Zoofachhändler gibt, die einen bundesweiten Standard hinsichtlich der Sachkunde im Zoofachhandel sicherstellt. Der ZZF hat deshalb für den Zoofachhandel Ausbildungsliteratur und Zusatzqualifikation entwickelt sowie eine ZZF Online Akademie zur berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung gegründet. Es wäre jedoch hilfreich, wenn eine neue Verordnung bundesweite Ausbildungsstandards setzen würde.

Scharf kritisieren wir die angekündigte Befristung der Handelserlaubnis des tierführenden Zoofachhandels auf acht Jahre. Damit würde der tiervermittelnde Zoofachhandel zerstört! Handelsunternehmen müssen steuerrechtliche Abschreibungszeiträume berücksichtigen und wollen sichere Arbeitsplätze schaffen. Für unternehmerische Entscheidungen und Investitionen in tierschutzgerechte Tierverkaufsanlagen, Mieten von Gewerbefläche u.ä.. muss es eine ausreichende Planungssicherheit geben. Diese ist nicht gegeben, wenn eine Sachkundeprüfung der tierverantwortlichen Person und damit zwangsläufig auch die Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Handel mit lebenden Wirbeltieren automatisch nach acht Jahren erlöschen.

Sollte die Verordnung im nächsten Sommer unverändert in Kraft treten, befürchten wir, dass der Zoofachhandel aufgrund mangelnder Planungssicherheit die Vermittlung von Tieren einstellen würde. Das wäre schlecht für das Tierwohl, da voraussichtlich mehr Tiere über unkontrollierte Kanäle verkauft würden.“

Will man wirklich riskieren, dass Fische – hier Baryancistrus sp. LDA33, der Snowball-Pleco – nicht mehr im Zoofachhandel angeboten werden, weil die Planungssicherheit zum Aufbau einer Aquarienanlage und zum Mieten von Geschäftsräumen bei einer generellen Befristung der Handelserlaubnis auf acht Jahre nicht mehr gegeben ist?

L67 Pseudancistrus asurini

Warum gibt es eigentlich im Rio Xingu so viele verschiedene L-Welse, die alle ein sehr ähnliches Muster haben, nämlich auf dunklem Grund weiße oder gelbe Tupfen und gelb gesäumte Flossen? Handelt es sich um ein ähnliches Phänomen wie bei den Panzerwelsen, wo es ja auch nahezu identisch gefärbte Rund-, Lang- und Sattelschnäuzer gibt? Wohl eher nicht. Bei den Panzerwelsen geht man davon aus, dass Fressfeinde, wenn sie einmal einen derartig gefärbten Fisch erbeutet haben, das zukünfig meiden, weil die stacheligen Biester arg im Hals kratzen. So haben ähnlich gefärbte Exemplare einen Vorteil, auch wenn sie gar nicht eng verwandt sind.

Aber bei den Xingu-Harnischwelsen macht diese These wenig Sinn. Denn der prachtvollste von allen, L14 oder Scobinancistrus aureatus, entwickelt das typische Farbkleid erst mit Eintritt der Geschlechtsreife bei einer Größe, wenn außer Kaimanen kaum noch ernsthafte Fressfeinde existieren. Und die Golden Nuggets (Baryancistrus xanthellus, L18, L81, L177) behalten die auffällig Färbung zeitlebens bei (wenn auch etwas abgeschwächt im Alter), wenngleich auch sie ausgewachsen kaum noch Fressfeinde haben und zur Vermeidung dieser wenigen Fressfeinde eine einheitlich dunkle Körperfärbung sinnvoller wäre. 

Beobachtet man Interaktionen diese getupften Welse im Aquarium, so fällt auf, dass es hier erhebliche Verhaltensunterschiede gibt. Die Golden Nuggets z.B. sind eher ruhige Zeitgenossen, Kühen auf der Weide vergleichbar. Große L14 sind als Fleisch- (sprich: Schnecken-) Fresser entweder unterwegs auf Futtersuche oder ruhen zum verdauen. Die aktivsten in dieser Runde sind die L67 (Pseudancistrus asurini). Sie sind außerordenlich flach gebaut, so dass sie ohne großen Kraftaufwand auch gegen starke Strömung anschwimmen können. Um bei unserem Vergleich mit Großtieren zu bleiben: L67 sind die Araberpferde unter den L-Welsen, stets etwas nervös, stets aufmerksam und sehr aktiv. Das macht die bis zu 20-25 cm langen Tiere zu den unterhaltsamsten L-Welsen im Aquarium.

Es gab bei der L-Nummern-Vergabe von P. asurini etwas Konfusion. Ursprünglich wurde ein P. asurini als L17 abgebildet, aber man merkte nicht, dass zwei Arten gemischt als L17 im Handel waren, P. asurini und ein noch unbeschriebener Hopliancistrus, der wie alle Hopliancistrus drei sehr große, abspreizbare Haken am Zwischenkiemendeckel besitzt. Später vergab man mit L67 nochmal eine L-Nummer für P. asurini, während L17 für den Hopliancistrus weiterverwendet wurde.

Pseudancistrus asurini ist ein vorwiegend von Aufwuchs lebender Wels, der im Aquarium alle gängigen Futtersorten akzeptiert. Man sollte, um die langlebigen Tiere gesund zu halten, überwiegend pflanzlich füttern (Kartoffelscheiben, Zucchini, Karotte, Salat, Löwenzahn, Totlaub, Trockenfutter auf pflanzlicher Basis). Männchen entwickeln mit der Laichreife einen bizarren Stachelkranz rund um die Schnauze. Dann sind sie auch recht aggressionsbereit, weshalb für eventuelle Mitbewohner viele Versteckmöglichkeiten vorgesehen werden sollten. Die Tiere sollten relativ warm gepflegt werden (26-30°C), die übrigen Wasserwerte sind von untergeordneter Bedeutung, gute Wasserpflege (wöchentlicher, großzügiger Teilwasserwechsel) vorausgesetzt. Da die Fische aus sehr strömungsreichen Flussabschnitten stammen, ist eine kräftige Filterung und der Einsatz von Strömungspumpen ratsam.

Text & Photos: Frank Schäfer

Zum Vergrößern anklicken

Erkennungsmerkmal: Rote Bäuche. Pelodiscus sinensis

Manchmal ist eine Weichschildkröten-Art im Zoofachhandel anzutreffen, deren Babies eine leuchtend rote Bauchfärbung aufweisen. Im Alter verliert sich das und macht einer weißen Färbung Platz. Es handelt sich dabei um Jungtiere der Chinesischen Weichschildkröte, einer Art, die aufgrund ihrer Beliebtheit als Nahrungsmittel heutzutage in weiten Teil der Welt vorkommt.

Nicht alle Schildkröten besitzen einen festen Panzer aus Hornschildern. So haben z.B. die Weichschildkröten, die mit 30 Arten in den Süßgewässern von Asien, Afrika und Nordamerika vorkommen, einen weichen, leder­artigen Panzer. Alle Weichschildkröten sind vorwiegend Fleischfresser und sehr räuberisch. Zudem sind sie gewöhnlich sehr bissig. In der Terraristik sind sie darum nicht sonderlich beliebt, denn ihr unverträgliches Wesen macht gewöhnlich eine Einzelhaltung nötig. Hinzu kommt, dass die meisten Arten sehr groß werden (über 30 cm Panzerlänge) und entsprechend große Aqua­rien fordern. Aber eine Art taucht dennoch regelmäßig im Zoofachhandel auf: die Chine­sische Weichschildkröte, Pelodiscus sinensis (früher: Trionyx sinensis).

Klein und lecker
In Indien werden riesige Weichschildkröten in Tempelteichen gehalten und von den Gläubi­gen gefüttert. Diese Tiere sind sehr zahm und auch untereinander verträglich. Dabei handelt es sich z.B. um die über 90 cm lang werdende Art Aspideretes (früher: Trionyx) nigricans, die in der Natur sogar schon als ausgestorben gilt. Leider ist dieser friedfertige Umgang mit den Weich­schildkröten aber die große Ausnahme. Überall werden sie ihres Fleisches wegen ver­folgt und gegessen, zusätzlich gräbt man ihre Eier – ebenfalls zu Nahrungszwecken – aus. Viele Arten gelten darum heutzutage als hochgra­dig bedroht. Um es aber ganz klar zu sagen: der Lebendhandel zum Zwecke der Terrarien- bzw. Aquarienhaltung hat keinerlei spürbaren Ein­fluss auf die natürlichen Populationen, dafür ist die Nachfrage viel zu gering. Die Weich­schild­kröten-Art, um die es hier geht, nämlich die Chinesische Weichschildkröte, wird zudem kom­merziell in Zuchtfarmen vermehrt. Mit 12 bis 20, selten bis 25 cm Panzerlänge handelt es sich um eine der kleinsten Arten der Weich­schild­kröten überhaupt. Auch diese Art wird in riesigen Mengen verspeist, doch ist sie gut in Aqua­kultur zu vermehren und der Bedarf lässt sich aus Nachzuchttieren decken. Ihre Bedeu­tung als Nahrungsmittel bei chinesisch-stäm­migen Amerikanern kann man daran ermes­sen, dass die Art seit dem frühen 19. Jahr­hundert bis zum Ausbruch des zweiten Welt­krieges auf Hawaii und in Maryland gezüchtet wurde und dort heute noch verwildert vor­kommt. Weitere auf den Menschen zurück zu führende Popula­tionen gibt es auf Guam, in weiten Teilen von Süd­ostasien und in Japan. Eine wahrscheinlich reproduzierende Population in Spanien soll auf ausgesetzte Terrarientiere zurückgehen, in Frankreich, Groß­bri­tannien und Madagaskar haben sich schein­bar noch keine fortpflanzungsfähigen Popula­tionen gebildet, obwohl die Art auch dort ge­le­gentlich nachgewiesen wird. Die ur­sprüng­liche Ver­breitung ist aus den genannten Grün­den nicht ganz einfach zu rekonstruieren, doch nimmt man an, dass Pelodiscus sinensis ur­sprüng­lich in Südost-Russland, im östlichen China, Korea, Taiwan und Nord-Vietnam vorkam.

Fast auch eine Deutsche
In Deutschland untersuchte man bereits 1913 in Bayern, ob man diese Tiere hier heimisch machen könne, um sie, wie in Japan damals bereits üblich, zur Fleischgewinnung zu züchten. In der teichwirtschaftlichen Versuchsstation Wielen­bach wurden Jungtiere in einen Teich einge­setzt, entwichen jedoch und verteilten sich in den Karpfenteichen der Umgebung. Hier überlebten sie nach Klingelhöffer (1959) immer­hin bis mindestens 1923, wie Wieder­funde belegten. Aber da Weichschildkröten vermutlich doch niemals zum üblichen Speise­zettel eines Deutschen gehören werden, stellte man derartige Versuche wieder ein. Heutzu­tage weiß man, dass der Versuch, ausländische Tierarten in fremden Gebieten heimisch zu machen, furchtbare Folgen für die ursprünglich heimische Fauna und Flora haben kann. Es ist daher – sehr zu recht – streng verboten, irgend­wel­che Tiere, die man zu Hause nicht mehr pflegen kann oder will, einfach auszusetzen. Die exotischen Populationen der Chinesischen Weichschildkröte in Nordamerika, Südostasien und Europa werden sehr skeptisch beobach­tet; allerdings ist es kaum möglich, ein so an­passungs­fähiges Tier wie die Chinesische Weich­­schildkröte in einem intakten Lebens­raum wieder auszurotten.

Chinesische Weichschildkröten im Aquarium
Jungtiere der Chinesischen Weichschildkröte sind sehr niedlich. Es ist auch sehr spannend, ihr Verhalten zu beobachten. Die Nasenspitze einer Weichschildkröte ist zu einen rüssel­artigen Organ ausgebildet. Sie wird besonders von den Jungtieren gerne wie ein Schnorchel benutzt. Wenn man ihnen die Möglichkeit dazu bietet, graben sich die Jungtiere dieser Schild­kröten nämlich in möglichst feinen Sand ein. Ist der Wasserstand niedrig genug – also höchs­tens 5 cm – so müssen die Babies zum Luft­holen ihr sicheres Bett im Sand nicht verlassen, sondern strecken nur ihren langen Hals aus, bis der Nasenschnorchel die Wasseroberfläche berührt und sie frische Luft tanken können. Denn selbstverständlich ist der Mensch nicht das einzige Raubtier, das in Weichschildkröten einen Leckerbissen sieht… Untereinander sind Chinesische Weichschildkröten bissig und unverträglich. Eine Einzelhaltung ist darum in vielen Fällen die beste Wahl. Dafür muss das Aquarium gar nicht besonders groß sein, für ein Einzeltier genügt bereits ein handelsübliches 60-cm-Becken, das wie zur Pflege von Fischen eingerichtet wird. Man muss aber darauf achten, kein zu starkes Pflanzen- oder Faden­algenwachstum zuzulassen, denn Jungtiere können sich darin verheddern und ertrinken. Voll ausgewachsene Exemplare pflegt man entweder in einem ausbruchsicheren (!) Frei­landterrarium oder einem großen Aquarium von vielleicht 120 cm Länge. Obwohl sich Weichschildkröten in der Natur manchmal sonnen, ist ein Landteil für die Pflege über­flüssig. Eine Korkrinde, die man einfach auf die Wasseroberfläche legt, genügt vollkommen. Gewöhnlich werden Weichschildkröten diese Landgangmöglichkeit vor allem dann nutzen, wenn sie Hautprobleme haben. Der Boden­grund im Aquarium sollte aus einer aus­reichend hohen Schicht feinen Sandes be­stehen, damit die Schildkröten sich eingraben können. Damit beugt man Hautkrankheiten aller Art am besten vor. Die Filterung im Aquarium sollte über luftbetriebene Filter erfolgen, da der aufgewirbelte Sand bei einem Motorfilter früher oder später unweigerlich zu Defekten an der Welle führt. Eine Heizung des Wassers ist überflüssig, doch sollte das Aqua­rium mit einer handelsüblichen Aquarienab­deckung ausgestattet sein, in der die Beleuch­tung des Aquariums untergebracht ist. Durch die Lampen wird der Luftraum über der Wasseroberfläche erwärmt, was den Schild­kröten sehr gut tut. Eine UV-Bestrahlung, wie sie für viele andere Schildkrötenarten sinnvoll ist, ist bei der Weichschildkrötenhaltung zu­min­dest nicht notwendig.

Vergesellschaftung
Es wurde schon mehrfach erwähnt: unter­einan­der sind die Tiere oft sehr bissig. Auch in die menschliche Hand beißen die Tiere ohne zu zögern, wenn sie sich bedroht fühlen. Das ist bei Babies noch nicht weiter schlimm und kneift nur (Schildkröten haben keine Zähne sondern scharfe, wie eine Schere arbeitende Horn­leisten), doch bei etwas größeren Exemplaren gibt es blutende Wunden. Auch die scharfen Klauen – die Weichschildkröten haben je drei an ihren Füßen – können wirkungsvoll als Waffen eingesetzt werden. Natürlich gibt es indi­viduelle Unterschiede in Hinsicht auf die Verträglichkeit. Wer sich jedoch für die Pflege von mehreren Exemplaren entschließt, muss die Tiere sehr gut im Auge behalten und ge­gebenenfalls früh­zeitig eingreifen. Recht gut kann man einzelne Chinesische Weich­schild­kröten mit anderen Schildkröten-Arten verge­sell­schaften, wenn genügend Platz vorhanden ist. Fische leben in der Gesellschaft von Chine­sischen Weich­schild­kröten immer gefähr­lich. Fischzüchter pflegen darum ganz gerne ein solches Tier, um deformierte Exemplare unter den Nachzuchten biologisch sinnvoll und ethisch ein­wandfrei verfüttern zu können. Amphibien dürfen niemals mit Pelodiscus sinensis gemein­sam gepflegt werden, sie werden früher oder später immer ein Opfer der Schildkröten.

Das sieht lustig aus, ist es aber nicht: dieses Pelodiscus-Kind hat schweren Pilzbefall (Saprolegnia), Diese Pilze sind eigentlich für die Verarbeitung von totem Material zuständig, können sich aber auch in Wunden ansiedeln. Saprolegnia-Befall behandelt man analog zu Zierfischen, zusätzlich hilft zeitweises Trockensetzen.

Ernährung
Die Fütterung von Chinesischen Weichschild­kröten ist problemlos möglich. Jungtiere sind mit pelletiertem Futter, wie es für Wasser­schildkröten im Zoofachhandel angeboten wird, als Basisfutter gut und gesund zu ernähren. Zusätzlich kann man Frostfutter für Zierfische reichen, vor allem Rote Mücken­larven, Bachflohkrebse (Gammarus), Artemia und Mysis; wenn die Tiere etwas größer sind kann man ganze, gefrorene Stinte als Nah­rungs­grundlage verwenden. Entgegen dem immer wieder zu lesenden Unfug von „Magen­verkühlung“ braucht man Frostfutter nicht aufzutauen, damit sich die Tiere innerlich nicht erkälten (das ist physiologisch unmöglich), sondern man taut Frostfutter auf, um das Aquarienwasser nicht unnötig mit dem immer anfallendem Auftauwasser, das stark organisch belastet ist, zu verschmutzen. Darum ist die beste Auftaumethode, das Frostfutter un­mit­tel­bar vor dem Verfüttern in einem ent­spre­chend feinmaschigen Netz unter kaltem, flie­ßen­den Wasser zu spülen. Wenn einzelne Futter­partikel noch nicht vollständig aufgetaut gefressen werden, macht das gar nichts. Regenwürmer stellen für Chinesische Weich­schildkröten einen besondern Leckerbissen dar, auch kleine Süßwasserschnecken werden gerne gefressen. Von letzteren sollte man aber nur in Aquarien gezüchtete Exemplare verf­üttern, da wild­lebende Wasserschnecken eine Vielzahl von Parasiten übertragen können. In der Literatur findet man immer wieder den Hinweis, dass Chinesische Weichschildkröten auch pflanz­liche Materialien zu sich nehmen. Im Aquarium tun sie das aber nur äußerst selten.

Zucht
In Mitteleuropa wird Pelodiscus sinensis kaum gezüchtet, was hauptsächlich an der Unver­träglichkeit liegt. Wenngleich man die Tiere – je nach Herkunft sogar ganzjährig – in Freiland­anlagen pflegen kann, wo ja meist deutlich mehr Platz als in Innenanlagen zur Verfügung steht, nutzen die meisten Schildkrötenpfleger diesen Raum lieber zur Zucht von selteneren Arten. Alle im Zoofachhandel auftauchenden Babies der Chinesischen Weichschildkröte sind jedoch Nachzuchten aus Betrieben, die die Art als Nahrungsmittel oder als religiöse Devo­tio­nalien züchten. Das Aussetzen eines Weich­schild­krötenbabies gilt gläubigen Hindus, ähn­lich wie das Füttern der riesigen Tempel­schildkröten, als verdienstvolle religiöse Hand­lung. Aus den Zuchtbetrieben weiß man, dass Chinesische Weichschildkröten unter tro­pi­schen Bedingungen sehr raschwüchsig sind und ganzjährig mehrmals jährlich große Gelege von 9-28 Eiern produzieren. Die Eier sind kugelrund und wiegen durchschnittlich 5 Gramm. Sie werden auf Sandbänken abgelegt, oft in mehreren Lagen übereinander, wobei die Oberfläche des am weitesten zur Sandober­fläche liegenden Eies mindestens 6 cm tief im Sand liegt. Die Inkubationsdauer beträgt (temperaturabhängig) 40-80 Tage. Man konnte an den Embryonen der Chinesischen Weich­schildkröte übrigens nachweisen, dass sie sich sogar innerhalb des Eies so weit bewegen können, dass sie etwas wärmere Stellen erreichen, was ihre Entwicklung beschleunigt (Dua et al, 2011). Die Geschlechter der Chinesischen Weichschildkröte sind bei erwachsenen Tieren leicht an der Schwanz­länge zu erkennen, bei Babies ist die Ge­schlechterkennung unmöglich.

Fazit
Chinesische Weichschildkröten sind sehr interessante Pfleglinge, wenn auch mit Macken. Wer kein Problem mit der Bissigkeit dieser Tiere hat, sollte sie unbedingt einmal pflegen, denn Weichschildkröten sind clevere und anpassungsfähige Reptilien, deren Beobachtung viel Freude macht und zu Einsichten in die Schildkrötenseele führt, die man an anderen Arten nur schwer gewinnen kann.

Frank Schäfer

Literatur:
Klingelhöffer, W. (1959): Terrarienkunde, 4. Teil. Stuttgart

Wei-Guo Dua, Bo Zhaob, Ye Chenb, and Richard Shine (2011): Behavioral thermoregulation by turtle embryos. PNAS Early Edition

Somma, Louis A. (2013): Pelodiscus sinensis. USGS Nonindigenous Aquatic Species Database, Gainesville, FL. http://nas.er.usgs.gov/queries/FactSheet.aspx?speciesID=1278 Revision Date: 10/26/2011

Raffles Museum of Biodiversity Research (2013): Pelodiscus sinensis. http://rmbr.nus.edu.sg/dna/organisms/details/816

Jayaditya Purkayastha, Ahmed Mahmadul Hassan, Hasanul Islam, Jessica Das, Manoj Sarma, Mituseela Basumatary, Nilakshi Sarma, Nishant Chatterjee, Sachin Singha, Vishnupriya Nair, Arundhati Purkayastha, Jayashree Dutta, and Madhurima Das (2013): Turtles of the Temple Pond of Kamakhya, Assam, India. REPTILE RAP #15: 11-15

Ambastaia nigrolineata

Die Zwergprachtschmerlen haben eine kleine Irrfahrt bezüglich ihres Gattungsnamens hinter sich. Ursprünglich wurden sie in der Gattung Botia beschrieben, dann vorübergehend in Yasuhikotakia untergebracht und stehen jetzt in der extra für sie 2012 auf gestellten Gattung Ambastaia. Sie umfasst lediglich die zwei Arten A. nigrolineata und A. sidthimunki und begründet sich auf der einzigartigen Färbung dieser beiden Arten.

Ambastaia nigrolineata stammt aus Laos, Thailand und China.  A. nigrolineata wird nur geringfügig größer als die Schachbrettschmerle (A. sidthimunki) und ist mit 7-8 cm Totallänge (also mit Schwanzflosse) ausgewachsen. 

Jungtiere haben lediglich zwei Streifen auf elfenbeinfarbenem Grund, Männchen entwickeln später ein Muster, das dem der Schachbrettschmerle nicht unähnlich ist.

Frank Schäfer

Zum Vergrößern anklicken