Warum gingen die Fische an Land? Teil 2

Vergangene Woche waren die lebenden Fossilien, altertümliche Fische mit Lungenatmung, derben Schuppen und gliedmaßenartigen Flossen oder Flossenstielen Gegenstand der Betrachtung. Keine der heute noch existierenden Arten zeigt eine ernsthafte Tendenz zu Landgängen, sie geben also keine Antwort auf die Frage, warum die Fische einst an Land gingen. Geben uns vielleicht moderne Fischarten eine Antwort?

Europäischer Aal, Anguilla anguilla

Unter den in Mitteleuropa heimischen Fischarten gibt es nur eine, die mit einiger Regelmäßigkeit über Land wandert, nämlich den Aal, Anguilla anguilla. Sein schlangenförmiger Körper kann an Land genau so eingesetzt werden, wie es die Repilien tun: schlängelnd. Der Aal wandert nur dann über Land, wenn es nass ist. Er tut es auf seinen Wanderungen; bekanntlich laichen die Aale im Meer. Die jungen Aale wandern ins Süßwasser ein, bleiben dort einige Jahre oder Jahrzehnte und wandern anschließend wieder ins Meer zurück. Während der Wanderungen werden auch abgeschlossene Gewässer, also solche ohne Zu- oder Abfluss besiedelt. Das geht logischerweise nur auf dem Landweg. Dass Aale das können, ist unbestritten und offensichtlich, wie sie dabei allerdings die Gewässer finden, völlig unbekannt. Es muss einen geheimnisvollen Sinn geben, der die Fische Wasser finden lässt. Die Sterberate bei dem Versuch auf gut Glück über Land zu gehen, bis ein Gewässer erreicht ist, wäre sonst ungeheuer hoch. Wasserfrösche (Pelophylax) verfügen ebenfalls über diesen geheimnisvollen Wasserortungs-Sinn. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass es sich bei diesem Sinnesorgan um eine Möglichkeit der Tiere handelt, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen (Magnetsinn); aber wie das funktioniert, ist noch unerforscht.

Die Besiedlung und Erschließung neuer Lebensräume ist also wohl ganz grundsätzlich die Antwort auf die Frage, warum Fische an Land gingen. Darin können sie, sehr zum Leidwesen des Menschen, ziemlich erfolgreich sein. Die bekanntesten Landgänger dieses Typs unter den Fischen sind die Kletterbarsche (Anabas) Asiens, enge Verwandte aus Afrika (Ctenopoma gabonense, C. multispine, C. nigropannosum, C. pellegrinii) tun es ebenso. Diese Fische haben ein Hilfsatmungorgan (Labyrinth genannt), mit dessen Hilfe sie atmosphärische Luft veratmen. Sie ertrinken sogar, wenn man sie daran hindert regelmäßig an der Wasseroberfläche Luft zu schöpfen. Während des Landganges spreizen diese Fische ihre Kiemendeckel weit ab; am unteren Ende der Kiemendeckel sind Stacheln, die als Widerlager dienen, ähnlich wie Spikes an den Schuhen von Leichtathleten. Kletterbarsche krümmen den Körper beim Laufen S-förmig, die Stachelstrahlen der Afterflosse schieben beim Seitenwechsel das Tier sehr effektiv nach vorn. Fängt man Kletterbarsche mit einem Netz aus sehr feinen Maschen (was sich empfiehlt, da sie sich in groben Maschen heillos verheddern können) aus einem Aquarium, so klettern sie oft wieselflink wieder aus dem Kescher heraus.

Kletterbarsche besiedeln auf diese Art und Weise sehr effektiv stehende Gewässer aller Art und gehören dort zu den sehr häufigen und weit verbreiteten Fischen. Der Trieb, neue Gewässer zu besiedeln, ist bei diesen Arten enorm. Während eines Hochwassers in Kalkutta, das nur wenige Tage dauerte, wurden die Straßen überflutet. Als das Wasser zurückging, konnte man im abfließenden Wasser Kletterbarsche fangen! Andere Arten, nämlich Schlangenkopffische (Channa) und Kiemensackwelse, (Clarias) wandern auf ganz ähnliche Art und Weise über Land. Beide Gattungen verfügen ebenfalls über Luftatmungsorgane. Schlangenkopffische laufen, indem sie ihre breiten Brustflossen zum Abstützen verwenden, Kiemensackwelse benutzen dazu ihre kräftigen Brustflossenstacheln. Ansonsten schlängeln beide Gruppen während des Landgangs. In vielen Teilen der Welt wurden Schlangenkopffische und Kiemensackwelse als Speisefische ausgesetzt. Sie haben ein schmackhaftes Fleisch, erreichen eine ordentliche Größe (je nach Art zwischen 15 cm und gut einem Meter) und bleiben aufgrund ihrer Hilfsatmung lange am Leben, was ihre frische Vermarktung in heißen Landern sehr erleichtert. Aber beide Gruppen sind (übrigens ebenso wie Aale und Kletterbarsche) reine Fleischfresser. Und dank ihrer Fähigkeit, über Land zu gehen, bleiben sie nicht dort, wo man sie aussetzt. So sind heute Schlangenkopffische und Kiemensackwelse gefürchtete invasive Arten geworden, deren teils rasante Ausbreitung zum Aussterben vieler wasserlebender Kleintiere führt.

Schlangenkopffische (Channa) benutzen bei ihren Landgängen die großen Brustflossen als Stabilisatoren.
Channa gachua, eine relativ kleine Art (ca. 15 cm) wandert oft über Land.

An Land frisst keine der bisher genannten Arten. Soweit man weiß können sie das auch gar nicht. Für Fische ist es sehr kompliziert, an Land überhaupt Beute zu finden. Die Sinnesorgane der Fische taugen nicht dafür, sie sind dafür gemacht, unter Wasser zu funktionieren. Man muss bezweifeln, dass die genannten Fische an Land viel sehen, der Gesichtssinn ist bei ihnen auch unter Wasser ohne große Bedeutung. Erblindete Exemplare sind jedenfalls gegenüber sehenden Artgenossen nicht sonderlich im Nachteil und überleben ganz gut. Die elektrischen und Seitenlinien-Organe funktionieren an Land nicht, ebenso ist der Geruchsinn an der Luft eingeschränkt. Immerhin können Aale unter Wasser noch Verdünnungen riechen, die einem Tropfen einer riechenden Substanz auf die Gesamtwassermenge des Bodensees verteilt entspricht! Und dann ist da noch das Problem, wie ein Fisch an Land eine potentielle Beute überhaupt verschlingen soll. Unter Wasser geht das mit Saugschnappen, aber Luft ist viel weniger – 800 mal weniger! – zäh als Wasser, da ist es kaum möglich, genug Saugwirkung durch Maulaufreißen zu erzeugen.

Channalabes apus aus dem Kongo, weiße Farbform.

Und doch: es gibt einen sehr speziellen Kiemensackwels, der es fertigbringt, an Land zu jagen! Er heißt Channalabes apus. Der Körper dieser sehr besonderen, etwa 20-30 cm langen Art ist aalförmig. C. apus stammt aus dem Kongo. Er lebt oft an Bachufern, aber auch in nassem Laub am Gewässerrand. Seine Nahrung besteht vorwiegend aus Insekten, meist Landinsekten. Lange Zeit dachte man, er fräße diese Tiere, wenn sie ins Wasser fallen und ertrinken, aber eine belgische Forschergruppe konnte zeigen, dass Channalabes aktiv an Land jagt! Für Einzelheiten siehe http://www.nature.com/nature/journal/v440/n7086/full/440881a.html. Das entscheidende Detail ist, dass der Wels in der Lage ist, seinen Kopf nach unten abzuwinkeln. Er kriecht also zunächst eher ungerichtet am Ufer umher, berührt er eine potentiele Beute, nickt er, der Rücken wird also etwas in die Höhe gehoben; jetzt schnappt der Wels wiederholt, ganz ähnlich, als ob er unter Wasser wäre. Dabei erfasst der Fisch die Beute mit dem Kiefer und kann sie fressen. Hier sind wir Zeuge einer ungeheuer interessanten evolutionären Entwicklung. So oder so ähnlich wird es nämlich zum ersten Landgang der Wirbeltiere vor rund 397 Millionen Jahren gekommen sein!

Im nächsten und letzten Teil betrachten wir die spezialisierten Landgänger unter den Fischen: die Schlammspringer.

Frank Schäfer


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Warum gingen die Fische an Land?

Es gibt den Spruch, dass alles, was man tun kann, auch irgendwann getan werden wird, ungeachtet dessen, ob das sinnvoll ist oder nicht. In der Natur ist es ähnlich. Was geht, wird gemacht und dann: „schaun mer mal“.

Die vergleichende Anatomie zeigt, dass alle existierenden Tiere gemeinsame Vorfahren haben, da die Natur in Bezug auf einmal gemachte „Erfindungen“ extrem konservativ ist. Wir Menschen haben ein Merkmal – die Wirbelsäule – das auch alle anderen Säugetiere sowie die Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische haben. Darum gehören wir zu den Wirbeltieren. In der Organisationsstufe stehen die Fische dabei am Anfang der Entwicklung, waren also die ersten Wirbeltiere. Aus Fischen entwickelten sich die Amphibien, aus denen sich die Reptilien entwickelten. Die Reptilien waren die Vorfahren sowohl der Vögel als auch der Säugetiere. Dass wir Menschen an Land leben, verdanken wir letztendlich Fischen, die aus irgendwelchen Gründen in einem Zeitraum, der viele Millionen Jahre dauerte, begannen, an Land zu gehen. Dass sie das taten, ist unumstritten. Warum sie es taten, unbekannt. Und tun sie es heutzutage auch noch? Das ist das Thema des heutigen und kommender „Franky Friday“ Blogs.

Dies ist ein moderner Salamander der Art Ambystoma marvortium, aber so arg unähnlich sahen wohl die ersten Landwirbeltiere nicht aus.

Die ersten fossilen Fußspuren eines vierfüßigen Landwirbeltieres sind etwa 397 Millionen Jahre alt. Das dazugehörige Tier kennen wir nicht. Das erste Tier, das an Land gehen konnte und das wir auch kennen, war ein Amphib, ein Salamander-ähnliches Tier mit einem massiven Schädel, das man Ichthyostega bezeichnet. Seine bekannten Überreste sind etwa 370 Millionen Jahre alt. Amphibien unterscheiden sich von den Reptilien u.a. dadurch, dass Amphibien ihre Eier ins Wasser legen müssen, da den Eiern eine schützende Schale fehlt. Es gibt grundsätzlich keine Amphibienart, die im Meer laicht, auch wenn manche Arten eine gewisse Salztoleranz aufweisen. Alle Arten tun das in Süßwasser. Darum geht man davon aus, dass es Süßwasserfische waren, die die Vorfahren der Landwirbeltiere sind. Welche genau, das weiß man nicht mit Sicherheit zu sagen. Die vergleichende Anatomie zeigt, dass ausgestorbene Fische der Gruppe der Rhipidistia die Vorfahren der heute noch existierenden Lungenfische und Quastenflosser und auch des Ichthyostega waren.

Latimeria chalumnae (präpariertes Exemplar), der Komoren-Quastenflosser

Der Quastenflosser (Latimeria), eines der berühmtesten „lebenden Fossilien“, lebt im Meer, üblicherweise in Tiefen zwischen 150 und 700 Metern, auch wenn sie schon bis zu 15 Metern aufgestiegen sein sollen. An Land gehen sie jedenfalls nicht. Trotzdem ist die Beobachtung lebender Quastenflosser (es gibt zwei Arten, den Komoren-Quastenflosser, L. chalumnae, und den Indonesischen Quastenflosser, L. menadoensis) unglaublich spannend und gibt interessante Hinweise in der unter Evolutionsbiologen immer noch heiß geführten Diskussion, ob die Quastenflosser oder die Lungenfischen den Vorfahren der landlebenden Vierfüßler näher stehen. Leider werden Quastenflosser in keinem Zoo oder Aquarium der Welt gepflegt, im Handel findet man sie schon gleich gar nicht, so dass wir bei der Beobachtung des seltsamen Kreaturen auf Filmmaterial angewiesen sind, wie man es z.B. hier findet: http://www.arkive.org/coelacanth/latimeria-chalumnae/ Die Schwimmbewegungen sind schon sehr speziell, das muss man sagen und die Beweglichkeit der auf Stielen sitzenden Flossen erstaunlich. Aber so ganz dem vierfüßigen Gang entsprechen sie dann doch nicht, soweit man das erkennen kann. Die Quastenflosser sind übrigens nicht die einzigen Fische, deren Flossen auf Stielen sitzen. Das ist bei den Flösselhechten (Polypterus) auch so. Die sind ebenfalls „lebende Fossilien“ und leben im Gegensatz zu den Quastenflossern im Süßwasser. Etliche Arten der Flösselhechte werden gegenwärtig für die Aquaristik regelmäßig gezüchtet, andere sind als Wildfang erhältlich, ebenso der eng verwandte Flösselaal (Erpetoichthys calabaricus). Die können wir also im Aquarium studieren.

Polypterus endlicherii, eine Flösselhecht-Art, Jungtier, bei dem noch die äußeren Kiemen sichtbar sind.

Dann stellt man fest, dass weder Flösselhechte noch Flösselaale ihre Gliedmaßen wie Landtiere gebrauchen. Es sind vielmehr elegante Schwimmer, wenn sie nicht gerade ausruhen (was sie allerdings die meiste Zeit tun). Flösselhechte und der Flösselaal zeigen keinerlei Tendenzen zum Landgang obwohl sie alle Voraussetzungen dazu hätten. Sie atmen nämlich ohnehin zum großen Teil über Lungen, die Sauerstoffversorgung an Land, die für einen Kiemenatmer ein Problem ist, weil das zarten Kiemengewebe an Land zusammenfällt und verklebt, ist für Flösselhechte und den Flösselaal schon mal keine Schwierigkeit. Des Weiteren haben diese Fische keine normalen Schuppen, sondern so genannte Ganoidschuppen, wodurch ihr Körper wie mit einem Panzer eingehüllt ist. Auch das könnte bei einem potentiellen Landgang nur nützlich sein. Und Flösselhechte und der Flösselaal können zum Fressen den Kopf nach unten, zum Boden hin neigen. Das muss ein Fisch können, um an Land fressen zu können, denn das unter Wasser übliche Saugschnappen funktioniert an Land wegen der erheblich geringeren Dichte der Luft (verglichen mit Wasser) nicht.

Portrait eines Schlammspringers (Periophthalmodon septemradiatus), eines modernen landgehenden Fisches. Mehr über Schlammspringer in einem der nächsten Blogs.

Flösselhechte sind eine wirklich altertümliche Fischgruppe, erste fossile Belege sind rund 100 Millionen Jahre alt. Doch obwohl sie exklusive Süßwasserfische sind und auch in Sümpfen leben, gibt es keinerlei Hinweise dafür, dass sie je versuchten, an Land zu gehen. Warum? Ist es, weil der Lebensraum „Land“ bereits besetzt ist? Wohl kaum. Denn es gibt auch hochmoderne Fische, wie sehr wohl an Land gehen und damit ziemlich erfolgreich sind, wie die Schlammspringer (Periophthalmus), über die in einem der kommenden Blogs ausführlich berichtet wird (siehe z.B. https://www.aqualog.de/blog/regenbogenschlammspringer/) . Heute bleiben wir noch mal bei den altertümlichen (der Fachausdruck lautet: ancestrale) Fischen, nämlich den Lungenfischen. Es gibt heutzutage nur noch sechs Arten auf drei Kontinenten. In Australien der Australische Lungenfisch (Neoceratodes forsteri), in Afrika die Gattung Protopterus mit vier Arten und in Südamerika eine weitere Art, der Südamerikanische Lungenfisch, Lepidosiren paradoxus. Keine dieser Arten geht an Land. Aber gibt es in ihrem Verhalten Indizien dafür, dass sie den Landgängern nahestehen? Beim Australier nicht. Wir haben erst kürzlich in einem Blog darüber berichtet, wie er schwimmt (siehe https://www.aqualog.de/blog/von-lungenfischen-sechsstreifensalmlern-und-klapperschlangen/). Aber die Afrikaner, die bewegen sich wirklich besonders. Ihre Brust- und Afterflossen sind zu fadenartigen Gebilden umgewandelt. Wozu sie überhaupt dienen, ist unbekannt. Aber die Fische bewegen sie, als wären es Arme oder Beine! Protopterus aethiopicus und P. annectens schreiten förmlich durch das Aquarium, wobei sie teilweise die „Arme“ bewegen, wie ein Kraul-Schwimmer. Der Vortrieb durch die „Ärmchen“ ist dabei sicher vernachlässigbar. Bei Protopterus dolloi, einem weiteren Afrikaner, habe ich etwas beobachten können, was ich bei keiner der beiden schon genannten Arten sah (leider hatte ich noch nie die Gelegenheit die vierte afrikanische Art, P. amphibius, zu pflegen). Afrikanische Lungenfische haben überall am Körper, besonders aber in der Kopfregion, so genannte Lorenzinische Ampullen. Das sind Sinnesorgane, die ganz schwache elektrische Reize wahrnehmen können, so wie sie entstehen, wenn sich ein Muskel bewegt. Äußerlich sehen die Reihen Lorezinischer Ampullen aus wie die Nähte bei Frankensteins Monster. Mit Hilfe dieser Lorenzinischen Ampullen kann P. dolloi einen vergraben Tubifex-Wurm aufspüren, sobald sich der Wurm bewegt. P. dolloi steckt bei der Suche nach dem vergrabenen Wurm den Kopf tief in den Sand – und streckt dabei die „Ärmchen“ straff nach hinten! Ein ganz eigenartiges Bild! Der Südamerikaner benutzt seine Arme und Beine, die denen der Afrikaner ähnlich sind, während der Australier breite, flache Flossenpaddel hat, nach meinen Beobachtungen kaum. Allerdings muss ich zugeben, dass mir zu eingehenden Beobachtungen des Südamerikaners bisher die Gelegenheit fehlte.

Zwei junge Exemplare von Protopterus annectens brieni aus dem Kongo.

Obwohl die jetzt lebenden (rezenten) Lungenfische eigentlich ganz gut gerüstet wären, um auch an Land voran zu kommen – sie atmen durch Lungen, haben derbe Schuppen und können den Kopf abknicken – gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sie diese Fähigkeiten dafür nutzen, um an Land zu gehen. Noch nicht einmal im Falle der Austrocknung der Wohngewässer tun sie das, sondern graben sich ein und bilden einen Kokon, in dem sie abwarten, bis es wieder regnet. Selbstverständlich sind die rezenten Lungenfische nicht identisch mit den Vorfahren der Vierfüßler und ebenso selbstverständlich können wir darum nur recht bedingt aus dem Verhalten der rezenten Arten auf das Verhalten der ausgestorbenen Arten schließen. Aber fest steht auch: es ist bei den gegenwärtig lebenden Lungenfischen keine Tendenz zu beobachten, dass sie zum Landleben übergehen.

Quastenflosser, Flösselhechte und Lungenfische, dieser uralte Fischadel, diese lebenden Fossilien, geben uns keine Antwort auf die Frage, warum die Fische einst an Land gingen, obwohl sie die nächsten lebenden Verwandten der vor 397 Millionen Jahren ausgestorbenen Arten sind, die das zuerst taten. Ihre Bewegungsmuster und ihre Anatomie zeigen uns, dass die Voraussetzungen für den Landgang auch vorhanden sein können, ohne dass es tatsächlich zum Landgang kommt. Nächste Woche schauen wir uns moderne Landgänger unter den Fischen an. Ob sie uns bessere Antworten geben können?

Frank Schäfer

Weiteren Lesestoff über Flösselhechte gibt es hier: https://www.animalbook.de/Polypterus-Floesselhechte-Bichirs


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Satanoperca daemon – die Dreipunkt-Teufelsangel

Warum heißt ein so wunderschöner und – für Buntbarschverhältnisse – friedlicher Fisch übersetzt „dämonischer Teufelsbarsch“? Und warum gibt man ihr den deutschen Namen „Teufelsangel“? Ganz genau weiß das niemand, nur wie es zu den Namen kam. Und diese Geschichte geht so: Johann Natterer entdeckte für Europa diesen Fisch im Rio Negro in Brasilien. Das war zwischen 1817 und 1835. Er übergab seine gesammelten Exemplare an das Naturhistorische Musem in Wien, wo Friedrich Heckel sie 1840 wissenschaftlich beschrieb. Leider sind von Natterer keine Tagebuchaufzeichnungen erhalten geblieben, er schrieb auch nie einen Expeditionsbericht über seine Brasilienreise, aber er wird in der Erstbeschreibung von Heckel wie folgt zitiert: „Dieser schöne Geophagus, der mit den Farben der Meeresfische prangt, kommt häufig im Rio Negro vor, sein in Marabitanas üblicher Name Jurùpari oder Schurùpari pampé bedeutet in der Lingua gerat Teufels-Klaue.“

Satanoperca daemon, Wildfang aus Kolumbien, halbwüchsiges Männchen

Das war zu Natterers Zeiten sicher alles richtig; Jurupari wurde allerdings erst zur Zeit der katholischen Missionare in Brasilien (ab dem 16. Jahrhundert) zum Namen des Teufels. Vorher war es der Name einer Ordnung bringenden Gottheit. Der Legende nach aß ein Mädchen namens Ceuci, die Tochter der obersten, allmächtigen Gottheit, eine verbotene Frucht, Mapati genannt, die den erwachsenen Frauen vorbehalten war. Ceuci schlief ein und wurde vom Saft der Frucht schwanger. Aus dieser Schwangerschaft wurde ein Sohn geboren, Jurupari. Im Verständnis der Tupi-Indianer war Jurupari ein Sohn der Sonne, ein Ordnungsbringer und sein Kult war weit in Brasilien verbreitet. Die christlichen Missionare taten nun, was sie überall taten: sie setzten den verbreitetsten heidnischen Gott mit dem Teufel gleich und heutzutage gilt Jurupari ganz allgemein in Brasilien als Synonym zum Teufel.

Nun gut, aber was hat der Sohn der Sonne mit einem Buntbarsch zu tun? Folgt man den Etymologen, so bedeutet das Wort „Jurupari“ in etwa „mit dem Mund empfangen“ oder „Vom Mund übergeben“ – zumindest ist das eine mögliche Deutung (siehe https://pt.wikipedia.org/wiki/Jurupari_(mitologia)). Das macht auch Sinn, schließlich erfolgte die Zeugung Juruparis durch den Mund Ceucis, indem sie die Frucht aß.

Und nun dämmert es dem kundigen Buntbarschfreund: eine zweite Satanoperca-Art des Rio Negro, ebenfalls von Natterer entdeckt, heißt S. jurupari. Und diese Art ist Maulbrüter! Das ist den Tupi-Indianern, die ja zu einem sehr großen Teil von Fisch leben, ganz sicher bekannt gewesen. Also erklärt sich der Tupi-Name jurupari eigentlich ganz zwanglos für S. jurupari, er wurde gewählt, weil dieser Fisch, genau wie der Gott, im Mund gezeugt wird.

Satanoperca jurupari, eine maulbrütende Teufelsangel. Die Art ist weit verbreitet, dieses Exemplar stammt aus dem Rio Tocantins.

Satanoperca daemon hingegen ist kein Maulbrüter. Er legt Gruben im Boden an, in die er laicht; anschließend bedecken die Elterntiere den Laich mit Steinchen und Blättern, die sie erst wieder forträumen, wenn die Jungtiere schwimmfähig sind. Warum nun also „Teufels-Klaue“? S. daemon ist nicht stacheliger als andere Buntbarsche auch. Ich denke, der Name bezieht sich auf die langen, freien Flossenfilamente der Rückenflosse, die für S. daemon artcharakteristisch sind. Männchen und Weibchen haben sie gleichermaßen. Mit etwas Fantasie sehen die meist drei (selten bis fünf) Filamente aus wie dürre Finger, eine Klaue eben. Und demnach bedeutet der Tupi-Namen für S. daemon „der Fisch, der wie der Mundgezeugte aussieht, aber dessen Rückenflosse hinten wie eine Klaue wirkt“.

Satanoperca daemon

Der Gattungsname „Satanoperca“, also Teufelsbarsch, wurde 1862 von Albert Günther vom British Museum of Natural History (heute Natural History Museum) vergeben. Günther erklärt den Namen nicht, doch gliedert er in seine neue Gattung die Arten daemon und jurupari ein, darum ist selbsterklärend wie er auf den Namen verfiel.

Gegenwärtig werden neun Satanoperca-Arten unterschieden: S. daemon ist die Typusart, hinzu kommen S. acuticeps, S. curupira, S. jurupari, S. leucosticta, S. lilith, S. mapiritensis, S. pappaterra und S. rhynchitis. Abgesehen von S. daemon und S. jurupari wurden sie mit „normalen“ Artnamen ausgestattet, die sich auf das Aussehen oder die Herkunft beziehen. Nur für die 1988 von Kullander und Ferreira beschriebene Art S. lilith griff man noch einmal das teuflische Motiv auf. Es handelt sich dabei um die Schwesterart zu S. daemon. S. lilith unterscheidet sich von S. daemon in erster Linie durch nur einen Flankenfleck (zwei bei S. daemon). Lilith war, der Mythologie des Nahen Ostens folgend, die erste Frau Adams, aber im christlichen Volksglauben wurde aus ihr die Braut Satans, ein weiblicher Dämon. Die Beschreiber wählten den Artnamen „lilith“, um die verwandtschaftliche Nähe zu S. daemon herauszustellen.

Satanoperca lilith

Und auch die zuletzt beschriebene Art, S. curupira (man kannte sie zuvor als Satanoperca sp. “Jaru” im Hobby), greift das Thema nochmal auf. Diese Art, die S. jurupari ziemlich ähnlich ist, wurde nach einem Waldgeist benannt. Die Autoren (Ota et al.) schreiben dazu: „Der spezifische Name Curupira bezieht sich auf ein mythologisches Wesen der brasilianischen Folklore, das den Wald und seine Bewohner schützt und diejenigen bestraft, die zum Vergnügen jagen oder brütende Weibchen oder wehrlose Jungtiere töten (Pereira 1994). Die Curupira-Legende offenbart die Beziehung zwischen den Indigenen und dem Wald: Es geht nicht um Erkundung und wahllose Nutzung, sondern um Respekt vor dem Leben.“ (Übersetzung FS)

Satanoperca curupira kannte man im Hobby vor der wissenschaftlichen Beschreibung als Satanoperca sp. „Jaru“. Photo: Uwe Werner

So lebt also eine untergegangene Religion in einem schönen Fisch weiter. Die wissenschaftliche Bezeichnung und der deutsche Gebrauchsname wurden in Unwissenheit der wahren Umstände vergeben. Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass Satanoperca daemon eigentlich ein Kind der Sonne ist?

Frank Schäfer

Weitere Literatur über Geophagus & Co. finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=geophagus und hier: https://www.animalbook.de/Suedamerika


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Ctenops nobilis – wenn Blicke töten

Schokoladenguramis sind sehr schöne und sehr spezialisierte Labyrinthfische. Sie stellen darum Pflegeobjekte für fortgeschrittene Aquarianer dar. Es gibt drei Gattungen Schokoladenguramis, nämlich Sphaerichthys mit vier Arten, Parasphaerichthys mit zwei Arten und Ctenops, die nur eine Art enthält, den indischen Spitzkopfgurami, Ctenops nobilis. Ctenops ist die größte Art der Schokoguramis und wird etwa 8-10 cm lang.

Ausgewachsener Spitzkopfgurami, Ctenops nobilis

Es handelt sich um maulbrütende Fische, bei denen die Männchen die Brut austragen. Untereinander sind die Tiere, wie alle Schokoguramis, außer zur Brutzeit äußerst unverträglich. Mit Artgenossen vergesellschaftet man sie am besten nur zur Zucht. Es ist nicht so, dass sich Spitzkopfguramis gegenseitig bei Kämpfen verletzen würden, sondern sie ertragen den ständigen Anblick von Artgenossen nicht. Ähnlich wie die meisten Chamäleons im Terrarium oder die Tupajas, auch Spitzhörnchen genannt – als Beispiel für Säugetiere – in Gehegen, sterben Spitzkopfguramis an Nierenversagen, wenn sie ständig Artgenossen sehen müssen. Das geht nicht von heute auf morgen, das dauert mehrere Wochen, aber von da an wird man immer wieder äußerlich unverletzte Exemplare tot im Aquarium vorfinden. In der Natur ist das Wasser stets ziemlich trübe. Die besten Erfahrungen mit der Gruppenhaltung machen Aquarianer darum immer, wenn sie die Gelegenheit haben, die Fische in der wärmeren Jahreszeit (etwa Mitte Mai bis Mitte September) in Freilandaquarien zu pflegen. Die dort fast immer auftretende Algenblüte sorgt für wenig durchsichtiges Wasser und einen niedrigen Stresspegel bei den Fischen.

Als subtropische Art braucht der Spitzkopfgurami nicht ganzjährig gleichbleibende Temperaturen, sondern man muss den Verlauf der Jahreszeiten mit heißen, trockenen Sommern und kühlen, niederschlagsreichen Monsunzeiten imitieren, um den Lebensbedürfnissen der Art im Aquarium gerecht zu werden. Dafür ist der Spitzkopfgurami anspruchlos, was das Wasser angeht: bekannte Aquarien-Fische, die den Lebensraum von Ctenops in der Natur teilen, sind etwa der Zebrabärbling (Danio rerio), die Prachtbarbe (Pethia conchonius) oder der Zwergfadenfisch (Colisa lalia). Pflanzen und artfremde Fische werden ignoriert. Allein gehalten sind Spitzkopfguramis oft scheu und fressen schlecht. Am besten pflegt man sie daher in Gesellschaft anderer, friedlicher Fische, wie der oben genannten Arten.

Jungtiere sind kontrastreich schwarz-weiß gefärbt.
Stark beunruhigte erwachsene Tiere nehmen kurzzeitig wieder Jungfischfärbung an.

Unter den geschilderten Bedingungen gelingt die Zucht recht planmäßig, am besten setzt man die Tiere im Herbst an. Männchen sind schlanker und haben einen spitzeren Kopf. Leider ist die Aufzucht der Jungtiere ziemlich aufwändig, denn auch sie ertragen den Anblick von Artgenossen nicht mehr, wenn sie erst einmal eine Länge von 1,5-2 cm erreicht haben. Sie wechseln dann vom kontrastreichen Kinderkleid langsam in die Erwachsenenfärbung um. Wenn man die Tiere nicht vereinzelt und ähnlich wie Kampffische in Einzelhaltung aufzieht (andere Fischarten stören nicht), wird man nach und nach die Brut verlieren.

Erwachsenes Pärchen des Spitzkopfguramis, oben das Männchen.

Da diese Form der Pflege den meisten Aquarianern nicht zusagt, sind Spitzkopfguramis stets ausgesprochene Seltenheiten im Aquarium. Vielleicht gibt es aber doch einen Weg – abgesehen von Riesen-Aquarien – um mehrere Ctenops dauerhaft gemeinsam zu pflegen: in lehmtrüben Wasser! In der Natur hat man im Lebensraum der Spitzkopfguramis unter Wasser gewöhnlich eine Sichtweite von weniger als 15 cm. Wenn man diese Verhältnisse im Aquarium mit in Wasser gelöstem Lehm nachahmt, so könnte man vermutlich auch Spitzkopfguramis ständig in Gruppen pflegen. Sie schwimmen dann einfach außer Sichtweite, wenn sie der Anblick von Artgenossen nervt. Allerdings: man muss schon ordentlich Arsch in der Hose haben, um Zuhause ein größeres Aquarium mit lehmtrüber Brühe zu betreiben. Die Reaktionen von Besuchern reichen nämlich von Verständnislosigkeit bis zu Mitleid, auch wenn man noch so sehr beteuert, dass das die Verhältnisse in der Natur sehr genau imitiert. Schade. Denn lehmtrübes Wasser hat weitere Vorteile. In Speisefischzuchten wird lehmtrübes Wasser mit großem Erfolg verwendet, um die Anzahl schädlicher Bakterien in den Jungfischbecken deutlich zu reduzieren – ganz ohne Chemie und Antibiotika!

Wie viele andere insektenfressende Fische haben Ctenops nobilis einen hellen Fleck auf dem Kopf.

Frank Schäfer

Weiteren Lesestoff über Labyrinthische gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=labyrinthfisch


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Blauer Blog über Skalare und Fadenfische

1949 erwähnt Werner Ladiges erstmals einen blauen Zwergskalar, der vor dem zweiten Weltkrieg in einem großen Zuchtbestand spontan (wohl infolge von Mutation) auftrat. Neben der eigenartig blauen Farbe war für diese Fische charakteristisch, dass sie eine maximale Körperhöhe von etwa 5 cm aufwiesen. Der Stamm konnte über den Krieg gerettet werden, Ladiges schrieb jedoch, dass immer nur wenige Exemplare existierten, da wegen der geringen Laichwilligkeit des blauen Zwergskalares eine Reinzucht nicht möglich war.

Blauer Zwergskalar, Aufnahme aus dem Jahr 2009

Im Jahr 2009 tauchten erstmals wieder Skalare im Handel auf, die ebenfalls einen sehr hohen Blauanteil in der Färbung haben (fotografisch schwer darzustellen, weil das Blitzlicht die silberfarbenen Komponenten sehr verstärkt). Ursprünglich war es diese ungewöhnliche Färbung, die den Großhandel  veranlasste, die Fische in das Sortiment aufzunehmen, doch stellte sich in der Zwischenzeit heraus, dass auch dieser blaue Stamm die genetisch bedingte Verzwergung zeigt, wie sie damals von Ladiges beschrieben wurde.

Damit stand mit dem blauen Zwergskalar ein schöner Segelflosser zur Verfügung, der sich auch zur Pflege und Zucht in kleineren Aquarien eignet.

Blauer Skalar, Showsize, Linie von 2009

Doch wie sieht es heute damit aus? Es gibt sie noch, die Blauen Skalare, jedoch nicht mehr als Zwerge. Die Berufszüchter haben sich der Tiere angenommen und durch das Einkreuzen in bewährte Stämme sind sie heute bezüglich des Größenwachstums nicht mehr von den zahkreichen anderen Skalarzuchtformen zu unterscheiden. Man mag das bedauern oder begrüßen, je nach Geschmack und Interessenlage. Grundsätzlich stellt sich ja immer die Frage in der Haustierzüchtung, was man eigentlich möchte.

Blauer Skalar, Showsize, aktuelle Zuchtlinie (2021)

Inzwischen (2021) hat sich eine weitere blaue Linie des Segelflossers fest im Handel etabliert, der „Belem Sky Blue“. Erzüchtet wurde er von dem Zierfischzüchter Kurt Jülich. Kurt schrieb mir dazu:

„Im Jahre 2015 wurde in der Sendung zu einem Rochenimport aus Belem, Para, Brasilien durch MGSM (persönliche Mitteilung) ein Skalar eingeführt, den zu diesem Zeitpunkt keiner bei uns kannte. Bereits 2016 fielen in einer F1-Nachzucht einige wenige blaue Mutanten mit roter Iris aus. Diese blauen Skalare der Wildfangnachzucht bildeten die Ausgangstiere für die Stabilisierung unserer Mutationszuchtlinie „Belem Sky Blue“. Die F2 der Selektionszucht zeigte bereits ihr Potential in Farbe, Größe und Flossenausbildung. Das Brutpflegeverhalten ist vorbildlich und, wie für Skalare typisch, sehr intensiv. Erst jetzt erkennt man das vorhandene Spektrum der sich in schwarz und blau ausbildenden Farben.“

Der Belem Sky Blue, jugendliche Exemplare

Die Blaufärbung ist eine interessante Farbmutation, die bisher noch kaum erforscht ist. Man findet sie bei allerlei unterschiedlichen Fischen, am bekanntesten ist sie wohl beim Blauen Fadenfisch, Trichogaster trichopterus.

Blauer Fadenfisch, Männchen

Auch dieser Fisch ist eng mit dem Namen Werner Ladiges verknüpft, denn man schob Ladiges sozusagen die wissenschaftliche Beschreibung des Blauen Fadenfischs als Trichogaster trichopterus sumatranus unter.

Originalzeichnung aus der Erstbeschreibung von Trichogaster sumatranus Ladiges, 1934

1934 erschien ein Katalog der Firma „Aquarium Hamburg“, verfasst von Werner Ladiges. Allerdings war Ladiges in Guyana, als der Katalog gedruckt wurde, weshalb der damals sehr bekannte Autor von Fachartikeln in Aquarien­maga­zinen Christian Brüning das Endlektorat über­nahm. Beim Blauen Fadenfisch machte Brüning dabei einen Fehler, jedenfalls sagt Ladiges später (1957), dass er nie vorhatte, den Blauen Fadenfisch als Art zu beschreiben, sondern lediglich als Varietät vom Punktierten Fadenfisch (Trichogaster tricho­pterus) und Brüning habe bei der Bildunter­schrift, die „Trichogaster trichopterus suma­tranus“ hätte lauten sollen, kurzerhand das „trichopterus“ gestrichen. Ob Versehen oder nicht: die Beschreibung genügt formell allen Anforderungen, die an eine wissen­schaft­liche Beschreibung zu stellen ist. Trichogaster sumatranus Ladiges, 1934 ist ein regelkon­former, verfügbarer Name im Sinne der Regeln der zoologischen Nomenklatur. Das Publikationsdatum ist 1934, nicht, wie in vielen Büchern zu lesen ist, 1933. Dieser Irrtum geht übrigens auf das deutsche Standardwerk der Aquarienfische aus dieser Zeit, den Arnold-Ahl aus dem Jahr 1936 zurück. Man sieht, die wissenschaftliche Erfassung des Blauen Fadenfisches stand unter keinem glücklichen Stern und ist mit vielen Irrtümern und Fehlern behaftet.

Weibchen vom Blauen Fadenfisch.

Erstmals nach Deutschland eingeführt hat den Fisch 1933 ein Hamburger Seemann – sein Name ist nicht überliefert -, der für die HAPAG fuhr und der die Tiere bei B. Berthold in Medan gekauft hatte. Berthold wiederum hatte diese Tiere tatsächlich aus freier Wild­bahn bekommen. Er war Tierhändler der alten Schule, der vom Orang Utan über Tiger, Vögel, Reptilien und Fische so ziemlich jedes Viech lieferte, das bei drei nicht auf dem Baum war. Die Zeichnung der Blauen von Ladiges in dem 1934er Katalog ist nicht gut, vor allem ist die Rückenflosse viel zu weit vorne angesetzt. Im beschreibenden Text von T. sumatranus wird aber nichts dergleichen erwähnt, vielmehr schreibt Ladiges dort, dass der Fisch, bis auf die – allerdings sehr außer­gewöhnliche Färbung – ganz dem gewöhn­lichen Trichogaster trichopterus gleiche, aber „robuster“ gebaut sei. Auch später, 1957, wiederholt Ladiges die Tatsache, dass es beim Blauen Fadenfisch „im Habitus mancherlei augenfällige Abweichungen von der bekannten Form“ gäbe; leider spezifiziert er das aber nicht. In Aquarianerkreisen werden Blaue Fadenfische bis heute gerne als die „Blauen Zigarren“ bezeichnet, denn es gibt auffallend viele Tiere dieser Farbform mit kurzem Kopf und eher walzenförmigem Körper. Bei Weibchen ist das auffälliger als bei Männchen. Es gelang bislang nie wieder, Blaue Fadenfische in der Natur nachzuweisen und man muss davon ausgehen, dass alle heutzutage im Aquarium schwimmenden Blauen Fadenfische auf den ersten Import 1933 zurückgehen. Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass irgendwann zwischendurch „normale“ T. trichopterus eingekreuzt wurden. Medan, die Hauptstadt der Provinz Nord-Sumatra (Sumatera Utara) liegt am Fluss Deli. Es wäre wirklich interessant, einmal Wild­fänge aus dem Einzug des Deli zu unter­suchen, um festzustellen, ob bei dieser Population eine Tendenz zur „Zigarrenform“ vorliegt. Allerdings: wer je eine größere Anzahl Wildfänge des Punktierten Faden­fisches (Trichogaster trichopterus) sah, der weiß auch, dass je nach Ernährungszustand und allgemeiner Kondition individuell recht erhebliche Unterschiede feststellbar sind. Wir wissen übrigen recht genau, wie die ersten Blauen aussahen. Bei Aquarium Hamburg fotografierte W. Hoppe (leider weiß ich nicht einmal den vollständigen Vornamen) und dokumentierte auch die Blauen Fadenfische der damaligen Zeit; wir bringen das Bild hier, um zu dokumentieren: seit 84 Jahren gelingt die ununterbrochene Erhaltungszucht dieses Fisches im Aquarium.

Historisches Foto von Hoppe, das erste, das Blaue Fadenfische dokumentiert.

Zumindest die blaue Farbe ist kein Merkmal, das eine Unterart rechtfertigt. Es handelt sich dabei um eine Farbmutation, eine spontane Änderung des Erbgutes. Sie tritt bei ganz unterschiedlichen Fischen auf, ist aber sehr, sehr selten. Gegenwärtig kennt man sie vom Paradiesfisch (Macropodus opercularis) vom Segelflosser (Pterophyllum scalare) (siehe oben) und vom Aland (Leuciscus idus). Ladiges erwähnt auch einen blauen Döbel (Squalius cephalus) aus der Würm in Bayern, doch wurde das Tier offenbar nicht zum Aufbau eines Zuchtstammes benutzt. Kürzlich (2009) tauchten erstmals unter 43.000 Nach­zuchttieren der Äsche (Thymallus thymallus) 11 blaue Exemplare auf, die jetzt in der Lehranstalt für Fischerei Aufseß gepflegt werden. Es erscheint grundsätzlich also möglich, dass die blaue Mutation bei allen möglichen Fischen auftaucht. Einen eigenen Namen gibt es nicht für diese Mutation, mir ist jedenfalls keiner bekannt.

Pärchen der blauen Mutante des Paradiesfischs, Macropodus opercularis.
Blaue Orfe, eine Farbmutante der heimischen Orfe, Leuciscus idus

Frank Schäfer

Literatur:

Arnold, J. P. & E. Ahl (1936): Fremdländische Süßwasserfische. Gustav Wenzel & Sohn, Braunschweig

Ladiges, W. (1934): Tropische Zierfische. Aquarium Hamburg

Ladiges, W. (1949): Eine Diskussion über die Arten der Gattung Pterophyllum. DATZ 2 (3): 50-53

Ladiges, W. (1957): Über einige Farbabweichungen bei Fischen. Datz 10 (6): 153-156

Seyfried, R., Speierl, T. & R. Klupp (2011): Zur Situation der Äsche in Oberfranken. Blaue Äschen aus der Wiesen. http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/1_Aktuelles/infos/bilder/110211_blaueaeschenaufsess.pdf

Vierke, J. (1978): Labyrinthfische und verwandte Arten. Engelbert Pfriem Verlag, Wuppertal-Elberfeld

Und hier gibt es weiteren Lesestoff:

https://www.animalbook.de/navi.php?qs=skalare
https://www.animalbook.de/navi.php?qs=segelflosser
https://www.animalbook.de/navi.php?qs=labyrinthfische

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Pseudotropheus crabro: Die dunkle Seite des Hornissen-Buntbarsches

Die Buntbarsche des Malawisees erfreuen sich großer Beliebtheit unter den Aquarianern. Sie sind extrem farbenprächtig und gewöhnlich leicht zu pflegen und auch zu züchten. Weniger bekannt ist jedoch die Tatsache, dass etliche Malawi-Buntbarsche auch ein wahnsinnig interessantes Verhalten haben! Der Hornissen-Buntbarsch, Pseudotropheus crabro, ist eine der spannendsten Arten des riesigen Sees.

Zunächst einige allgemeine Hinter­grund­­infor­ma­tio­nen zum Hornissen-Bunt­barsch. Die Art wurde 1982 unter dem Namen Melanochromis crabro von Ribbink & Lewis wissenschaftlich beschrieben. Später wurde sie in die Gattung Pseudotropheus überführt, in der sie noch heute steht. P. crabro wird im Aquarium etwa 15 cm lang, im See bleibt er mit 9-12 cm erheblich kleiner. Die Ersteinfuhr erfolgte etwa zeit­gleich mit der wissenschaftlichen Be­­schreib­ung, also Anfang der 1980er Jahre. Die ersten Aqua­ristik-Importe erfolgten wohl aus­schließlich von den Mbenji-Inseln, die Art ist jedoch deutlich weiter im südlichen und mittleren Teil des Malawi-Sees verbreitet.

Der Hornissen-Buntbarsch – ein Chamäleon

Der Artname – crabro – ist der lateinische Name der Hornisse und beschreibt das nor­malerweise kontrastreiche gelbe Farb­kleid mit braunen Binden sehr gut. Aller­dings ist P. crabro zu einem blitzschnellen Farb­­wechsel fähig. Dann werden die Tiere sehr dunkel, alte Exemplare sogar fast völlig schwarz. Wegen dieses Farbwechsel­ver­mögens wurde P. crabro im Handel früher als Pseudo­tropheus ”Chameleo” bezeichnet. Der Sinn dieses Farbwechsels ist bis heute uner­forscht.

Normalerweise ist Pseudotropheus crabro leuchtend gelb mit braunen Binden. Photo: F. Schäfer
Die Fähigkeit, sich blitzschnell dunkelbraun bis schwarz zu verfärben führte zu der Be­zeichnung ”Chameleo”. Photo: Frank Schäfer

Der Putzerfisch

Zahlreiche der beliebtesten Malawi-Bunt­barsche sind Aufwuchsfresser, ernähren sich also von den Algenbelägen der Steine und der darin lebenden Mikroorganismen. Das führt bei manchen Aquarianern zu der falschen Vorstellung, alle Mbuna-Bunt­barsche – Mbuna nennt man die felsbe­wohnenden Arten – seien Aufwuchsfresser. Pseudotropheus crabro frisst keinen Auf­wuchs; er ist ein opportunistischer Alles­fresser mit Schwer­punkt auf Plankton. Man findet P. crabro vor allem in und bei Höhlen, am liebsten lebt er dort, wo der große Wels Bagrus merdionalis haust. Die einheimischen Anwohner am Malawisee nennen diesen wohlschmeckenden und häufigen, bis 150 cm lang werdenden Wels Kampango oder Kampoyo. Gewöhnlich wird dieser Wels aber nur rund 50 cm lang. Unser Hornissen-Bunt­barsch betätigt sich beim Kampango als Putzerfisch und frisst ihm die Karpfen­läuse (Argulus africanus) von der Haut. Sicher kann die Population von P. crabro nicht alleine davon leben; aber der große dunkle Wels ist so anziehend für P. crabro, dass der Buntbarsch sogar Tauchern in schwarzen Neopren-Anzügen folgt – offenbar hält er sie für Welse!

Der Hornissen-Buntbarsch und ein Kampango. Obwohl der ca. 40-45 cm lange Wels seine Jungbrut führt, duldet er den Putzerfisch. Die Aufnahme entstand bei Gome Rock. Photo: Andreas Spreinat
Das gleiche Tier wie oben. Deutlich sind die Jungwelse zu sehen. Photo: Andreas Spreinat
Etwa 20-25 cm langer Kampango. In dieser Größe sind die Tiere bräunlich mit einigen schwarzen Sprenkeln. Photo: Ingo Seidel

Der Eierdieb

Aber Pseudotropheus crabro bringt den Welsen nicht nur Nutzen, er beklaut sie auch ganz ordentlich. Kampangos betreiben Brut­pflege, beide Eltern bewachen Eier und Jungtiere. Grundsätzlich ist die Brutpflege der Bagrus meredionalis gut und erfolgreich. Aber gegen den dreisten P. crabro wehrt sich der Wels nicht: ungestraft klaut und frisst der Hornissen-Buntbarsch Eier und kleine Jung­tiere des großen Kampango.

Ein Rudel Pseudotropheus crabro im natürlichen Lebensraum (bei Penga Penga). Manche Tiere sind gelb-braun, andere sehr dunkel gefärbt. Im Hintergrund ein Kampango. Photo: Andreas Spreinat

Dient die Umfärbung der Tarnung?

Der Gedanke liegt nahe, dass der Hornissen-Buntbarsch die Farbe wechselt, damit der Kampango ihn bei seiner Eier- und Jung­fisch­klau-Aktion nicht erkennt. Will P. crabro putzen, signalisiert er das durch gelb-braun und der Wels versteht nicht, dass das dunkelbraune Tier, das seine Eier und Jungen frisst, der gleiche Fisch ist. So einfach ist die Sache aber nicht. Denn wie uns Andreas Spreinat (dem wir die fantastischen Unter­wasser-Aufnahmen, die diesen Artikel illustrieren, verdanken) erzählte, macht P. crabro sich gar nicht die Mühe, sich umzu­färben, wenn er auf Raub ausgeht. Er tut das nämlich auch in Hornissenfärbung! Die Sache scheint vielmehr so zu sein, dass der Nutzen für Bagrus durch das Putzer­verhalten von P. crabro so groß ist, dass Bagrus den Verlust an Eiern und Larven hin­nimmt. Der Wels tut das natürlich nicht be­wusst, er hat eine instinktive Fress­hemm­ung gegenüber dem Hornissen-Buntbarsch. Da­von profitiert auch eine andere Buntbarsch­art, nämlich Melanochromis baliodigma (früher als M. sp. ”Blotch” bekannt). Diese Art frisst am liebsten kleine Fische und Bagrus hat wohl Schwierigkeiten, ihn von dem Putzer zu unterscheiden. Allerdings frisst M. balio­digma lieber die Buntbarsch-Jungtiere, die den Bagrus als Leihmutter benutzen, als die Welsjungen. Der blitzschnelle Farbwechsel von Pseudo­tropheus crabro dient also nicht dazu, den Kampango zu foppen. Der Farbwechsel dient entweder der inner­artlichen Kommu­nikation oder aber auch schlicht der Tarnung vor Fressfeinden. Wie bereits eingangs er­wähnt, bevorzugt P. crabro Höhlen als Le­bens­raum. Ist der Fisch dunkel gefärbt, fällt er hier kaum auf und wird sicher schwerer von Fress­feinden er­beutet. Die auffällige Hor­nissenzeichnung braucht P. crabro aber, um als Putzer erkannt zu werden. Doch selbst wenn sich der Hornissen-Buntbarsch nur ab und zu, ohne erkenn­bar­en Grund, dunkel färbt, ist er in dieser Zeit vor Fressfeinden ei­niger­maßen sicher. Karpfenläuse können schwere, eventuell tödlich verlaufende Krankheiten auf die von ihnen gestochenen Fische übertragen. Mög­licherweise liegt hier der Schlüssel zum Ver­ständnis, warum der große Bagrus mere­di­o­nalis den Eier- und Jungfisch­diebstahl durch P. crabro toleriert. Die von Argulus aus­ge­hen­de Bedrohung ist offenbar wirklich groß!

Der räuberische Melanochromis baliodigma – hier bei Gome Rock – sieht manchen Färbungen von Pseudotropheus crabro sehr ähnlich. Nutzt der Fisch dies als Tarnung, um in Kampango-Nestern zu räubern? Photo: Andreas Spreinat

Leihmütter

Es wurde gerade schon geschildert, dass oftmals zahlreiche Buntbarschjunge das Bagrus-Nest mitbevölkern und die Bagrus-Eltern als Leiheltern ”missbrauchen”. Eine Studie (McKaye, 1985) zeigte, dass die Überlebensrate der Welsjungen um 80% höher liegt, wenn Buntbarsche (es handelt sich hauptsächlich um Copadichromis pleu­ro­stigmoides, Ctenopharynx pictus und Rhamphochromis sp.) im Nest sind. Wie das? Die meisten Raubfische des Malawisees bevorzugen junge Buntbarsche gegenüber jungen Welsen als Futter. Die Jungwelse profitieren also davon, dass junge Bunt­barsche in ihrem Nest wohnen!

Dieser Kampango (Bagrus meredionalis) dient jungen haplochrominen Buntbarschen als Leihmutter. Die Fresshemmung der Welse gegen Fische, die die Größe der eigenen Jungtiere haben, ist offensichtlich enorm. Die Jungwelse profitieren von der Gemeinschaft. Photo: Andreas Spreinat

Noch ein Kuckucksfisch

Erst kürzlich wurde bekannt, dass ein anderer Wels des Malawisees, der Kiemensackwels Bathyclarias nyasensis – von den Ein­heim­ischen ”Bombe” genannt – beim Kampango als Brutparasit agiert. Die jungen Bombe werden von den Kampango-Eltern voll­ständig akzeptiert. Das heißt, sie werden nicht nur verteidigt, sondern auch gefüttert. Weibliche Bagrus meredionalis produzieren nämlich zur Fütter­ung der Jungen unbe­fruchtete Nähreier. In den Mägen aller Bombe-Jungen, die man in Nestern von Kampango fand, befanden sich solche Nähreier. Auch die Männchen des Kam­pango füttern die Jungen. Sie bringen von Streifzügen Insekten, junge Krabben etc. mit, die sie zerkleinert durch die Kiemen­deckel ausstoßen und so die Jungen füttern. In den Kampango-Nestern, in denen Bombe leben, gibt es nur sehr wenige oder gar keine Kampango-Jungen. Es ist nicht bekannt, ob die Bombe-Eltern über Kampango-Nestern laichen, die jungen Bombe dann früher als die Kampango schlüpfen und ihre Stiefgeschwister fressen oder ob die Invasion der Kampango-Nester mit älteren Bombe-Jungfischen erfolgt. Sicher erscheint nur, dass es sich bei dem Bombe – Kampango – Verhältnis um ein echtes Parasiten – Wirts – Verhältnis handelt, das zu Lasten des Kampangos geht.

Bathyclarias nyasensis, der Bombe, betreibt Brut-Parasitismus bei Bagrus meredionalis, dem Kampango. Photo: Andreas Spreinat
Es gibt acht Arten der Gattung Bathyclarias im Malawisee. B. nyasensis ist die häufigste. Photo: Andreas Spreinat
Bathyclarias nyasensis kann recht groß wer­den, Längen bis zu 1 m sind bekannt. Photo: Andreas Spreinat

Das, liebe Leser, sind nur ein paar Ge­schich­ten rund um einen Malawi­buntbarsch. Zeigt das nicht deutlich, dass diese Fische weit mehr zu bieten haben als nur bunte Farben?­

Frank Schäfer

Literatur: Konings, A. (1989): Malawi Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum. Verdujin Cichlids, Zevenhuizen

McKaye, K. R. (1985): Cichlid-catfish mutualistic defense of young in Lake Malawi, Africa. Oecologia (Berlin) 66: 358-363

Stauffer, J. R., Jr. & W. F. Loftus (2010): Brood parasitism of a bagrid catfish (Bagrus meredionalis) by a clariid catfish (Bathyclarias nyasensis) in Lake Malawi, Africa. Copeia 2010 (1): 71-74


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Grundeln: Süße, brackige, salzige

Mit über 2.000 Arten sind die Grundeln die arten- und formenreichste Fisch-Gruppe überhaupt. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt im Meer, es gibt jedoch auch viele Süß- und Brackwasserarten. Die Mehrzahl von ihnen bleibt relativ klein (unter 20 cm Länge) und ist somit gut für die Aquaristik geeignet. Dennoch führen sie zumindest in der Süßwasseraquaristik nur ein Schattendasein.

Aus dem Süßwasser: Zwei Schläfergrundeln aus Nigeria

Es gibt zwei Ansichten in der wissen­schaft­lichen Welt, wie die Schläfer­grundeln innerhalb der Grundeln zu positi­onieren sind. Die eine räumt ihnen den Rang einer eigenen Familie ein, die dann Eleotrididae heißt, andere sehen in ihnen nur eine Unterfamilie zur Familie Gobiidae: Eleotridinae. Schläfergrundeln heißen die etwa 150 Arten, weil sie im Auge eine reflektierende Schicht haben, was man auch auf vielen Fotos sieht.

Dormitator lebretonis
Dormitator lebretonis

Dormitator lebretonis (Steindachner, 1870) ist eine planktonfressende Art, die daher viel im freien Wasser unterwegs ist. Die bis zu 15 cm lang werdende Art, die früher der Gattung Batanga zugeordnet wurde, sieht genau so aus, wie  ihre Schwesterart aus der Neuen Welt, Dormitator maculatus (Bloch, 1785). Unter­einander und gegen artfremde Fische ist diese Grundel gut verträglich.

Eleotris vittata
Eleotris vittata

Den Raubfischtyp bei den Schläfergrundeln repräsentiert Eleotris vittata Dumeril, 1861. Es gibt eine ganze Reihe extrem ähnlich aussehender Arten. Die Bestimmung ist auch deshalb nicht einfach, weil sie über ein chamäleon-artiges Farbwechselvermögen verfügen. E. vittata kann fast 30 cm lang werden, gehört also zu den außergewöhnlich groß werden­den Schläfergrundeln, was aber Raubfisch­fans – und nur für diese kommt die Art in Frage – eher anziehen denn abschrecken dürfte.

Die beiden vorgestellten Schläfergrundeln betreiben Brutpflege und laichen in Höhlen. Leider sind die Jungen so winzig, dass ihre Aufzucht, die in Seewasser erfolgen muss, kaum gelingt. Beide Arten sind euryhalin, werden oft weit flussaufwärts im Süßwasser gefunden, werden aber in Brackwasser am größten; man kennt derartiges auch von heimischen Fischen, z.. vom Kaulbarsch (Gymnocephalus acerina). Der bleibt im Süßwasser – etwa im Oberlauf des Mains in Bayern – mit 10-15 cm deutlich kleiner als in der Elbe bei Hamburg, wo er fast 25 cm Länge erreichen kann.  Am gün­stig­sten bei Brackwasserpflege sind 5-15 Gramm Salz pro Liter.

Aus dem Brackwasser: Redigobius balteatus

Von der Insel Sri Lanka kommen leider nur noch sehr selten Wildfänge in den Handel. Wenn, dann befindet sich darunter manchmal auch ein Fischjuwel der besonderen Art: die Grundel Redigobius balteatus, auf deutsch Vaimosa-Grundel genannt.

Der deutsche Name geht darauf zurück, dass der Erstbeschreiber, Herre, sie 1935 ursprünglich in die Gattung Vaimo­sa beschrieb. Die Grundel, die weit in der Region rund um den Indischen Ozean verbreitet ist, wurde seit ihrer Erstbeschreibung noch in verschiedene andere Gattungen gesteckt, bis sie schließ­lich der Gattung Redigobius zuge­ordnet wurde.

Redigobius balteatus, Männchen

Die weite Verbreitung (Sri Lanka, Philippinen, Malaysia, Indonesien,  Neu Guinea, Neukale­donien, Mikronesische Inseln, Mosambik, Madagaskar) einer so kleinen Art – die Grundel wird maximal 4.5 cm lang – deutet schon darauf hin, dass sie als Larve im Meer verdriften kann. Und auch das erwachsene Tier findet man stets in Küstennähe. Dabei ist die Grundel nicht zwingend auf Brack­wasser angewiesen, man findet sie durch­aus auch gelegentlich in reinem Süßwasser. Den­noch ist die Pflege in Brackwasser unbedingt vorzuziehen, denn dort sind die Grundeln vitaler und wiederstandfähiger gegen Er­krankungen.

Auch die Ernährung ist im Brackwasser viel einfacher, denn die kleinen Tiere fressen am liebsten feines Lebendfutter. Heutzutage bedeutet das für die meisten Aquarianer, dass Artemia-Nauplien herangezogen wer­den müssen, denn natürliche Futtertüm­pel sind selten geworden. Artemia bleiben in Brackwasser problemlos den ganzen Tag am Leben, so dass man mit einer einmaligen Fütterung am Tag bequem auskommt.

Redigobius balteatus, Weibchen

Die Geschlechter kann man bei Redigobius balteatus leicht unterscheiden. Das Männ­chen hat einen wesentlich bulligeren Schä­del und eine wimpelartig ausgezogene, gekrümmte Rückenflosse. Das verhalf der Art im englischen Sprachraum zu der Be­zeich­nung ”Rhino Horn Goby”.

Wie die allermeisten Grundeln ist auch die Vaimosagrundel ein Höhlenlaicher mit Vater­familie. Horsthemke, der sehr aus­führ­lich und anschaulich das Verhalten der Grundel be­schreibt, schildert, dass die Gelege aus mehreren hundert Eiern bestehen und dass laichbereite Weibchen bevorzugt bereits brütende Männchen zum Ablaichen auf­suchen, so dass ein Männchen oft mehrere unterschiedlich alte Gelege betreut.

Die schlüpfenden Larven sind etwa 2 mm lang und haben einen auffälligen Längs­streifen. Sie fressen nur, was ihnen un­mittelbar vor das Maul schwimmt. Leider ist die Aufzucht der positiv phototaktischen Larven im Aquarium bisher nicht gelungen.

Aus dem Seewasser: Schwertgrundeln

Die hier vorgestellten Grundeln werden systematisch zu den Pfeilgrundeln (Microdesmidae) gerechnet. Sie gehören zu den schönsten Aquarienfischen überhaupt.

Nemateleotris magnifica, Feuer-Schwertgrundel

Die Schwertgrundeln (Nemateleotris) sind mit drei Arten weit im Indo-West-Pazifik verbreitet. Die weiteste Verbreitung hat die Feuer-Schwertgrundel (N. magnifica), die zudem von den drei Arten im flachsten Wasser vorkommt (ab 8 m Tiefe) und außerordentlich häufig ist. Man findet das herrliche Tierchen, das etwa 8 cm lang wird, darum fast immer im Handel, oft in großer Zahl. Man sollte sich aber von dem friedlichen Zusammenleben der Tiere im Händlerbecken nicht täuschen lassen. Das funktioniert nur unter den Bedingungen des Händ­ler­beckens, also in relativ kahlen, überbevölkerten Aquarien. Hier geben die Fische ihr territoriales Verhalten auf, ein Phänomen, das man auch von zahlreichen anderen Fischen her kennt. In normal eingerichteten und dimensionierten Aquarien sind die Fische aber nur paarweise oder einzeln zu pflegen, wobei der paar­weisen Haltung unbedingt der Vorzug zu geben ist. Denn nur bei paarweiser Haltung kann man das ge­samte Verhaltensspektrum der schönen Tiere beobachten und das ist schließlich der tiefere Sinn der Aquaristik.

Geschlechtsunterschiede

So drängt sich natürlich die Frage auf, wie man die Geschlechter unterscheiden kann. Die Antwort lautet aber leider: gar nicht, jedenfalls nicht mit Sicherheit. Es gibt aber zwei erprobte Möglichkeiten zu einem Paar zu kommen. Erstens: man kauft zwei Tiere von möglichst unterschiedlicher Größe. Zweitens, man kauft einen Trupp möglichst junger Tiere (nicht größer als 4 cm) und lässt ein Paar sich selbst finden. Die überzähligen Tiere müssen dann aber abgegeben werden.

Nemateleotris decora, Dekor-Schwertgrundel

Weitere Arten

Die beiden anderen Arten der Gattung sind nicht ganz so weit verbreitet und leben vor allem in größeren Tiefen (etwa 30 m). Es handelt sich um die Dekor-Schwertgrundel, N. decora und die Violette Schwertgrundel, N. helfrichi. Sie sind daher seltener im Handel und teurer als die Feuer-Schwertgrundel. Bezüglich der (paarweisen) Pflege unter­scheiden sie sich aber nicht von der Feuer-Schwertgrundel.

Violette Schwertgrundel, Nemateleotris helfrichi

Ernährung

Alle Schwertgrundeln sind Planktonfresser und nehmen daher jedes übliche Fischfutter gerne an. Sie stehen gewöhnlich paarweise über einer Wohnhöhle, in die sie sich bei vermeintlicher Gefahr zurückziehen. Schwert­­­­grundeln sind etwas schreckhaft und springen in Panik durchaus aus dem Aquarium, das darum lückenlos abgedeckt sein muss. Niedere Tiere werden von den Grundeln nicht belästigt.

Fortpflanzung

Schwertgrundeln sind kurzlebige Fische, die im Aquarium etwa 2 Jahre alt werden, in der Natur selbstverständlich aber selten dieses Alter erreichen. Die Fische laichen in Höhlen und man vermutet, dass die Gelege bewacht werden, doch stehen genaue Beob­ach­tungen dazu noch aus. Die Larven leben pelagisch, über erfolgreiche Aquarien-Nachzuchten wurde bislang noch nicht berichtet.

Frank Schäfer


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Der Sonnenkönig und die Reptilien

Wann begann der Mensch, Reptilien zu pflegen? So ganz genau weiß man das natürlich nicht, aber schon in der Religion der alten Ägypter spielen Krokodile und Schlangen eine große Rolle. Es gab eigene Tempel für Krokodile und auch für Schlangen. Jegliche Form der Tierhaltung hatte wohl ursprünglich religiöse Motive. Die Tierhaltung während der Steinzeit in der so genannten neolithischen Revolution war ganz sicher auch ursprünglich von Religion beeinflusst. Warum sonst wurde das Rind domestiziert, der Wisent hingegen nicht?  Bis heute gibt es auf alten mythischen Vorstellungen beruhende, kultische Handlungen bei Rindern, man denke an den Stierkampf in Südeuropa oder die heiligen Kühe in Indien. Aber damals, in den alten Hochkulturen, wurden Reptilien mit Sicherheit nicht domestiziert und ihre Haltung wurde nicht von einfachen Menschen betrieben, schon gar nicht zum Vergnügen.

Nilkrokodile wurden schon vor über 4.000 Jahren in Tempeln verehrt.

In Asien werden seit vielen tausend Jahren Sumpf- und Wasserschildkröten als Symbole von Langlebigkeit, Weisheit und des Glücks verehrt; man hält sie in künstlichen Teichen, aber auch hier steht der religiöse Aspekt im Vordergrund.

Im Mittelmeerraum (und sicherlich auch andernorts) wurden Landschildkröten als lebende Nahrungsreserve gesehen; es spricht sehr viel dafür, dass zahlreiche heutige Populationen auf Ansiedlungen durch antike Völker, vor allem Römern, beruhen. Auch die meisten europäischen Vorkommen des Europäische Chamäleons (Chamaeleo chamaeleon) dürften auf menschliche Aussetzungen von nordafrikanischen oder westasiatischen Tieren (wo die Art, ungeachtet ihres Populärnamens, hauptsächlich vorkommt) zurückgehen. Zu datieren ist das aber nicht.

Ansonsten wurden Jahrtausende lang nur Schlangen in Tempeln gehalten und verehrt; manchmal waren es giftige Arten, häufiger noch aber harmlose. Die Tradition der Schlangenbeschwörer ist bereits sehr alt und geht wohl auch auf den Kobrakult im alten Ägypten zurück. Die dortige Kobra, auch Uraus-Schlange genannt (Naja haje), war Bestandteil der Pharonenkrone, wo sie sowohl als das „dritte Auge“ wie auch als Feindabwehr diente; eine hübsche Auflistung von Schlangenkulten findet man in der Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Schlangen#Symbolik_und_Mythologie

Bildnis des Pharao Amenophis III (ca. 1360 vor Christus) mit Uräusschlange.

Die Uräusschlange (Naja haje) wird in Ägypten bis heute von Schlangenbeschwörern verwendet.

Jenseits von Kult und Religion begann die Reptilienhaltung aber erst mit dem Ende des Mittelalters und der damit einhergehenden Aufklärung. Sie war aber stets (und ist es heute noch) von Aberglauben und Unverständnis seitens der Nicht-Reptilienhalter belastet. Darum waren und sind es recht spezielle Menschen, die sich der Terraristik verschreiben.

Der erste mir bekannte echte Terrarianer, der also Reptilien um ihrer selbst willen, ohne an irgend einen Nutzen zu denken, pflegte, war höchstwahrscheinlich der als Sonnenkönig bekannt gewordene Ludwig XIV von Frankreich, der den Absolutismus als Staatsform lebte („der Staat bin ich“). Da kann man wohl von einem speziellen Menschen sprechen… Ludwig XIV unterhielt eine der ersten modernen Menagerien. Menagerien sind Lebend-Tiersammlungen, in denen die Tiere nur zur Erbauung des Halters gepflegt werden, ohne wissenschaftlichen und Bildungs-Anspruch, wie ihn Zoologische Gärten haben.

Der Louvre in Paris ist eines der bedeutendsten Museen für Kunst auf der Welt. Seine Sammlungen enthalten auch etliche herrliche Zeichnungen, die der niederländische Künstler Pieter Boel (1622 – 1674) in der Menagerie von Ludwig XIV anfertigte. Neben den üblichen Arten, die man in einer solchen Sammlung erwartet, also Huftieren, Affen, Dickhäutern, kleineren Raubtieren, Großkatzen und einer Vielfalt an Vögeln findet sich hier auch das Europäische Chamäleon  und die Smaragdeidechse (Lacerta viridis)! Ich finde das sehr, sehr erwähnenswert, denn als „schön“ empfanden die Menschen des 17. Jahrhunderts solche Kriechtiere im allgemeinen nicht. Die Zeichnungen Boels sind so naturgetreu, dass man den in der Menagerie gepflegten Tieren einen ausgezeichneten Gesundheitszustand attestieren kann. Das ist wiederum alles andere als selbstverständlich, da der Begriff „Hygiene“ für Menschen dieser Zeit ein absolutes Fremdwort war. Aber den Tieren ging es offenbar gut, ihre Körperhaltung zeigt, dass sie entspannt und an ihrer Umgebung interessiert sind. Tierquälerisch war die Haltung in der Menagerie von Ludwig dem XIV. sicher nicht.

Dennoch dürften die Chamäleon(s ?) nicht allzu lange dort gelebt haben, denn ein erwachsenes Chamäleon hat nur eine natürliche Lebenserwartung von etwa 2 Jahren. Vor allem die Überwinterung dürfte bei dem damaligen Wissensstand kaum geglückt sein, aber wer weiß? Unterlagen dazu sind nicht überliefert und es ist immerhin vorstellbar, dass man die Tiere in der kalten Jahreszeit in die Orangerien verbrachte, wo sie durchaus überwintern könnten.

Wie dem auch sei: vermutlich war der Sonnenkönig der erste Terrarianer im modernen Sinne!

Frank Schäfer

Ein wunderbarer Prachtband mit Zeichnungen von Pieter Boel wurde von Paola Gallerani bei Officina Libraria herausgegeben ISBN: 978-88-89854-74-7. Hier geht es zur Homepage des Verlages: http://www.officinalibraria.com/home.php

Und mehr Literatur über Chamäleons finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=cham%E4leon


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Da erleben Blaualgen ihr blaues Wunder! (2)

Posthornschnecken – in den meisten Fällen wird im Aquarium die Kalifornische Posthornschnecke (Planorbella duryi) angetroffen – gehören zu den Lungenschnecken, müssen also zum atmen immer wieder an die Wasseroberfläche kommen. Es sind Zwitter, die sich zur Not auch selbst befruchten können. Die Fortpflanzung erfolgt durch die Ablage von Eiern. Die Gelege sind eine durchsichtige Scheibe, die an alle möglichen Gegenstände angeheftet werden können. Ein Gelege enthält bis zu 15 Eier, die ungefähr 10-12 Tage zum schlüpfen brauchen. Die Dauer der Entwicklung ist temperaturabhängig und dauert bei Temperaturen über 25°C etwas kürzer, bei kühleren Temperaturen etwas länger. Planorbella duryi ist eine wärmeliebende Art, die bei uns nur in künstlich erwärmten Gewässern da und dort verwildert vorkommt. Man sollte aber trotzdem niemals solche Schnecken bei uns aussetzen. Von der heimischen Art Planorbarius corneus unterscheidet sich die kalifornische Art vor allem durch die geringe Größe. Wenn man zuhause sich munter vermehrende Posthornschnecken hat und sie niemals wesentlich größer als 1 cm im Gehäusedurchmesser werden, dann handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um Planorbella duryi.

Oben das Gehäuse einer ausgewachsenen heimischen Posthornschnecke, unten die kalifornische Planorbella duryi. Der Größenunterschied ist sehr augenfällig.

Posthornschnecken sind schon seit Anbeginn der Aquaristik beliebt, da sie Algen verzehren und Reste verputzen, aber die Pflanzen gewöhnlich in Ruhe lassen. Außerdem sind sie als Lungenatmer keine zusätzlichen Sauerstoffverbraucher. Früher hatte man naturgemäß die heimische Art im Becken, die mit den damaligen Verhältnissen prima klar kam. Man darf ja nicht vergessen, dass auch Wohnräume im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert nur bei Bedarf beheizt wurden und entsprechend kühl konnte es in den Aquarien unserer Ahnen werden. Die heimische Posthornschnecke mag keine gleichbleibend hohen Wassertemperaturen, schon gleich gar nicht in regelgeheizten Becken. Dort dauert sie nicht lange aus. Sie wurde darum in unseren Tagen schleichend durch die Kalifornierin ersetzt, ohne dass sich die meisten Aquarianer darüber bewusst wären. Sie haben halt Posthornschnecken. Die Art ist ihnen egal.

Aufgrund des Hämoglobins schimmert der Körper der Schnecke im Gegenlicht rot.

Posthornschnecken haben, genau wie wir Menschen, roten Blutfarbstoff – Hämoglobin. Albinos sind darum leuchtend rot gefärbt, normalfarbige Tiere hingegen dunkelbraun. Früher gab es im Handel immer rote Posthornschnecken zu kaufen. Sie stammten von Tieren ab, die einst von Berliner Aquarianern in einem Kanal gefunden und weitergezüchtet wurden. Heute muss man richtig Glück haben, um rote Posthornschnecken der heimischen Art zu bekommen. Die meisten roten sind heutzutage Kalifornier. Und seit neuestem gibt es sogar blaue Kalifornier. Verkauft werden sie allerdings meist irrtümlich als „Planorbarius corneus“. Das ist kein böser Wille. Die Zoohändler kaufen sie schon von den Zuchtbetrieben unter dem falschen Namen ein und ähnlich wie den meisten Aquarianern ist ihnen die Artzugehörigkeit eher gleichgültig. Das ist nur dann blöd, wenn man die Schnecken für den Gartenteich kauft. Denn Planorbella duryi überlebt dort den Winter nicht.

Die blaue und die rote Zuchtform der Kalifornischen Posthornschnecke (Planorbella duryi) werden meist irrtümlich als Planorbarius corneus angeboten.

In normalen Aquarien werden Posthornschnecken kaum jemals lästig. Nur Kontrollfreaks schlafen schlecht, wenn sich die Schnecken gemütlich vor sich hin vermehren. Zu Massenvermehrungen kommt es nur, wenn permanent zu viel gefüttert wird. Aber man kann die überschüssigen Schnecken ja leicht absammeln. Sie werden von vielen Fischen sehr gern gefressen, z.B. von Makropoden und Buschfischen (Macropodus und Microctenopoma), von Kugelfischen sowieso, und auch für Prachtschmerlen (Ambastaia, Botia, Chromobotia, Syncrossus und Yasuhikotakia) sind sie wahre Leckerbissen. Auch Sumpf- und Wasserschildkröten sind ganz versessen auf Posthornschnecken als Zwischendurchhappen. Es finden sich also reichlich Abnehmer, wenn wirklich einmal zuviele der netten Häuschenträger vorhanden sein sollten.

Unverzichtbar sind Posthornschnecken in Aufzuchtaquarien. Natürlich haben sie in Ablaichbecken nichts verloren, da sie den Laich fressen würden, aber sobald die Fischbrut frei schwimmt, nimmt eine Handvoll Posthörnchen dem Pfleger enorm viel Arbeit ab. Die Jungfische wachsen in Schneckenbecken sehr gut und gesund heran, da die lästigen Bakterienrasen von den Schnecken einfach weggefressen werden. Die Schnecken fressen auch leere Artemia-Zysten, die dann in den Kotwürsten gebunden sind und leicht abgesaugt werden können

In sehr sauberen Aquarien, das sei nicht verschwiegen, können die Posthornschnecken durchaus aus Verzweiflung auch mal Wasserpflanzen anknabbern. Wenn man das beobachtet, sollte man den Schneckenbestand lieber drastisch reduzieren.

Fazit: Blaualgen sind furchtbar, doch Posthornschnecken helfen zuverlässig dagegen. Und nette Beobachtungsobjekte sind sie obendrein!

Lesestoff über Schnecken gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=schnecken

Frank Schäfer


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Da erleben Blaualgen ihr blaues Wunder!

Blaualgen sind eine Landplage. Es handelt sich eigentlich nicht um Algen, sondern um Bakterien (Cyanobakterien), die allerdings genau wie Algen, Photosynthese betreiben können. Blaualgen sind die Überlebenskünstler schlechthin und können noch an Orten gedeihen, an denen alles andere Leben scheitert. Hat man Blaualgen im Aquarium, können sie die Freude am Hobby richtig verderben. Es bilden sich blaugrüne, schleimige Überzüge, die alles unter sich ersticken.

Blaualgen bilden schleimige, stinkige Beläge, die alles unter sich ersticken.

So richtig gut hilft kaum etwas gegen Blaualgen, sämtliche erfolgreichen Maßnahmen haben auch Nebenwirkungen. Da helfen auch keine klugen Sprüche wie „Man muss die Ursachen bekämpfen, nicht die Wirkungen“, „Blaualgen zeigen ein gestörtes Redoxpotential an“, „Blaualgen sind Dreckanzeiger“ etc. pp. usw. Denn das stimmt zwar alles im Grunde genommen, hilft aber im konkreten Fall schlicht nicht weiter. Denn wenn Blaualgen erst einmal da sind, lassen sie sich kaum wieder vertreiben. Ich habe schon so manchen alten Hasen erlebt, der jahrzehntelang predigte, ihm könne es niemals passieren, dass Blaualgen auftreten, bis es dann doch irgendwann geschah. Dann sah man jemanden sehr, sehr demütig werden.

Da schaut nicht nur der Hemichromis sp. Guinea ratlos: Blaualgen können einen zur Verzweiflung treiben.

Aber was tut man nun, wenn es einen erwischt hat? Es gibt Mittel im Handel. Manchmal helfen sie, manchmal nicht. Antibiotika wirken oft, aber wer will dieses Zeug schon im Aquarium haben? Dann lieber Blaualgen! Und außerdem: Antibiotika wirken auch gegen erwünschte Bakterien im Aquarium und in den Fischen. Zeitweiliges Abdunkeln soll helfen. Tut es auch manchmal, aber die Pflanzen sterben bei der Methode sehr viel zuverlässiger ab. Und manchmal hilft auch Abdunkeln nur kurz. Das ist überhaupt das Vertrackte an Blaualgen, sie kommen so schnell wieder! Brottrunk soll helfen (gibt es beim Bäcker). Ich habe es nie probiert, das hat mir zuviel von Voodoo und da der Wirkungsmechanismus nicht bekannt ist, weiß man auch nichts über Nebenwirkungen. Was wirklich hilft, ist konsequentes stören, also täglich abwischen, aufrühren, absaugen. Blaualgen sind störanfällig, das können sie nicht leiden. Aber für diese Methode braucht man Ausdauer, Geduld, Konsequenz und viel Zeit.

Es gibt keine Fische, die Blaualgen fressen. Manchmal gehen hungrige Argusfische dran, aber so richtig mögen tun sie die Blaualgen auch nicht und geben fast immer auf, bevor ein spürbarer Erfolg eingetreten ist.

Kalifornische Posthornschnecke, Planorbella duryi

Nach meiner Erfahrung ist die einzige, wirklich wirksame und dauerhaften Erfolg versprechende Methode gegen Blaualgen – abgesehen von Neueinrichtung nach vorheriger gründlicher Desinfektion des Beckens und aller Einrichtungsgegenstände – der Einsatz von Posthornschnecken. In meinen Becken sind diese netten Tierchen durch die Art Planorbella duryi vertreten. Sie sehen im Wesentlichen wie eine verkleinerte Ausgabe der heimischen Planorbarius corneus aus, die sich grundsätzlich wohl auch eignet, aber erheblich empfindlicher ist. Wegen der geringen Größe von Planorbella duryi, die man auch als Kalifornische Posthornschnecke bezeichnet, denn dort hat sie ihre Urheimat, braucht man einige Tiere, um eine Blaualgenbefall wirksam zu begegnen: zwei Exemplare pro Liter sollten es schon sein. Aber dann räumen die Tiere auch richtig auf!

Heimische Posthornschnecke, Planorbarius corneus

So mancher wird nun denken: ok, dann bin ich vielleicht die Blaualgen los, habe aber dafür eine Schneckenplage – auch nicht besser!? Dazu mehr nächste Woche in Franky Friday…

Jetzt aber hurtig, es gibt viel zu tun!

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Frank Schäfer


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Kugelfisch aus dem Wok?

Kugelfische produzieren eines der wirksamsten Gifte des Tierreiches, das Tetrodotoxin.  Bereits winzige eingenommene Mengen führen beim Menschen zum Tod durch Atemlähmung. Trotzdem (bzw. deswegen) ist Kugelfischfleisch als „Fugu“ eine beliebte Delikatesse in Japan. Köche benötigen eine jahrelange Spezialausbildung in der Zubereitung der Kugelfische, um Fugu anbieten zu dürfen. Dennoch kommt es alljährlich zu einigen Todesfällen unter den Feinschmeckern, die vermutlich wegen des in kaum noch nachweisbarer Konzentration anregend wirkenden Tetro­dotoxins nicht auf den Fugu-Genuss verzichten wollen.

Takifugu rubripes, der begehrteste Kugelfisch für das Fugu-Gericht. Aus: Masuda, H., K. Amaoka, C. Araga, T. Uyeno & T. Yoshino (1984): The fishes of the Japanese Archipelago. Tokai University Press, mit freundlicher Genehmigung.

Stirbt in Japan ein Mensch in Folge des Genusses von Fugu, so wird seine Leiche einige Tage zur Abschreckung vor dem Restaurant des zubereitenden Koches aufgebahrt. Der Tod kommt bei falscher Zubereitung schnell, so dass die Opfer stets am Ort des Verzehres versterben.

Tödliche Mahlzeit in Bengalen

In anderen Teilen Asiens werden Kugelfische normalerweise nicht gegessen. Während der Fugu der Japaner eine relativ große (um 50 cm) marine Art ist, kommen im Süßwasser Asiens auch zahlreiche kleine Kugelfisch­arten vor.  So z. B. in Bengalen (Indien) der kleine, kaum 8 cm lang werdende Leiodon (früher: Tetraodon) cutcutia. In Bengalen werden alle Fische gegessen, vom 3 cm langen Zebrabärbling (Danio rerio) bis zum meterlangen Raubwels Wallago attu.

Der Verzehr des kleinen Süßwasserkugelfisches Leiodon cutcutia führte in Bengalen immer wieder zu Todesfällen.

Leiodon cutcutia wird nicht gezielt nachgestellt, aber die häufige Art findet sich immer wieder in den Zug­netzfängen. Offenbar ist dieser Süß­wasserkugelfisch nur zu bestimmten Zeiten giftig. Jedenfalls ist sich die bengalische Bevölkerung der von diesen Tieren aus­gehenden Gefahr nicht bewusst. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Kugelfische ganz normal auf die lokalen Fischmärkte kamen und auch Käufer fanden. So kam es jedes Jahr zu Meldungen in der Tagespresse von Kalkutta, dass Menschen wegen des Verzehrs von dem dort „Tepa“ genannten Kugelfisch verstarben. Inzwischen hat die indische Regierung den Verkauf des Fisches verboten.

Überraschende Entdeckung in Thailand

Dieses Wissen im Kopf staunte ich nicht schlecht, als unsere kleine Expedition, bestehend aus Georg Rossmann, Izaak den Daas und mir, in einer Ansiedlung von Berufsfischern am Stausee von Pak Chong (Zentral-Thailand) einen Wok entdeckte, in dem ganze Kugelfische im siedenden Öl bruzzelten. Offenbar waren die Fische noch lebend ins Öl geworfen worden, denn sie waren aufgeblasen. Keinesfalls konnten die Tiere aber ausgenommen gewesen sein.  Dabei gelten die Gonaden (inneren Geschlechtsorgane) und die Haut als die giftigsten Teile des Kugelfisches.

Wok mit Kugelfischen am See von Pak Chong.

Bakterien als Giftköche

Zumindest beim Fugu (es handelt sich dabei hauptsächlich um die Art Takifugu rubripes, siehe http://www.picture-worl.org/tokyo-japan-food-fugu-aquarium-restaurant.html) wurde nachgewiesen, dass es nicht die Kugelfische selbst sind, die das Tetrodotoxin produzieren, sondern bestimmte Bakterien, die die Kugelfische aufnehmen müssen. Künstlich erbrütete und unter sterilen Bedingungen aufgezogene Fugu sind dem­zufolge nicht giftig, werden es aber, sobald sie in ihre natürliche Umhebung entlassen werden. Sollten etwa im See von Pak Chong die notwendigen Bakterien fehlen und die Kugelfische tatsächlich ungiftig sein? Ich befragte die Fischer intensiv und hartnäckig, ob es denn je zu irgendwelchen Vergiftungs­erscheinungen nach dem Verzehr von Kugel­fisch gekommen sei, ob man sie zu bestimm­ten Zeiten nicht essen dürfe, ob es eine besondere Zubereitungweise gäbe und so weiter. Ich ging ihnen offensichtlich gehörig auf die Nerven, denn schließlich sagte einer der Fischer, um mich loszuwerden: Ja, gelegentlich empfände er leichten Schwin­del nach dem Verzehr von Kugelfisch, aber nur, wenn er mehr als vier Flaschen Bier dazu tränke!

Pak-Chong-Kugelfische im Aquarium

Wie auch immer, ich würde diese Fische nicht freiwillig essen. Wir konnten den Fischern einige lebende Exemplare, die noch nicht im Wok gelandet waren, abkaufen. Es handelte sich um Vertreter der Gattung Pao, einer systematisch sehr komplexen Fisch-Gruppe, die bis heute nicht richtig verstanden ist. Man spricht am einfachsten von der Pao-leiurus-Gruppe. Es besteht keine Einigkeit unter den Fachwissenschaftlern, wie die Art der Pao aus dem See bei Pak Chong zu benennen ist. Manche halten sie für die Art Pao palustris, während andere die Art P. palustris nicht anerkennen und für ein Synonym zu P. brevirostris halten.

Pärchen des Kugelfischs aus Pak Chang, Pao palustris. Links das Männchen, rechts das Weibchen.

Im Aquarium verhielten sich die Kugelfische von Pak Chong so, wie man es von den Arten des Pao-leiurus-Artenkomplexes erwartet. Nach einer Eingewöhnungszeit von einigen Wochen, in der sie friedlich beisammen lebten, wurden sie unterein­ander bissig und unverträglich.  Die Haltung ist leicht, aber nur im Artenbecken möglich.

Weibchen von Pao palustris aus dem See von Pak Chong. Das Tier droht einem Artgenossen und hat sich deshalb etwas aufgeblasen.

Frank Schäfer

Mehr Lesestoff zum Thema Kugelfische gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=kugelfisch


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Die Siamesische Rüsselbarbe und die Gestreifte Saugbarbe. Zwei der besten Algenfresser und die komplizierte Geschichte ihrer wissenschaftlichen Namen

Algen sind in der Aquaristik ein Thema, das ungefähr so erschöpfend zu diskutieren ist wie das Wetter. Immer kann man sich darüber irgendwie auslassen und Wetter hat schließlich jeder. So ist das auch mit den Algen. Die eine oder andere Algenart wächst in jedem Aquarium. Viele Aquarianer stört das und sie suchen Fische, die diese Algen fressen. Mit der Siamesischen Rüsselbarbe und der Gestreiften Saugbarbe – beide kommen aus Thailand zu uns – haben viele Aquarianer gute Erfahrungen gesammelt.

Die Siamesische Rüsselbarbe: Crossocheilus oblongus oder eine unbeschriebene Art? Das ist hier die Frage….

Farblich ähneln sich die beiden Arten enorm und sie wurden und werden daher immer wieder miteinander verwechselt. Man kann sie aber an einigen Farbmerkmalen leicht auseinanderhalten. Bei der Siamesischen Rüsselbarbe reicht der schwarze Mittelstreifen bis weit in die Schwanzflosse hinein, bei der Gestreiften Saugbarbe hingegen endet dieses Längsband immer am Ansatz der Schwanzflosse. Die Rückenflosse ist bei der Siamesischen Rüsselbarbe immer vollkommen durchsichtig und farblos, bei der Gestreiften Saugbarbe hingegen (wenn auch ganz zart und pastellfarben) gestreift. Schließlich gibt es noch ein anatomisches Merkmal, das eine Unterscheidung ermöglicht: die Siamesische Rüsselbarbe hat nämlich zwei Paar gut entwickelte Barteln, ein Paar an der Nase und ein Paar in den Mundwinkeln, während die Gestreifte Saugbarbe nur ein paar Barteln in den Mundwinkeln besitzt, jedoch keines an der Nase.

Hier mit roten Strichen markiert: die entscheidenden Artmerkmale
Garra cambodgiensis, die Gestreifte Saugbarbe

Die wissenschaftlichen Namen

Wissenschaftliche Namen haben weltweite, universelle Gültigkeit. Jede Tierart trägt nur einen einzigen gültigen wissenschaftlichen Namen. Wurde eine Art – aus welchen Gründen auch immer – mehrfach beschrieben, so hat nur der älteste Name Gültigkeit, die anderen sind so genannte ungültige Synonyme. Einen deutschen Namen kann sich dagegen jeder selbst ausdenken, da gibt es keinerlei Regeln. Zudem hat jede Art viele verschiedene Populärnamen. Im englischen Sprachgebrauch heißt die Siamensische Rüsselbarbe z.B. „Flying Fox“, also „Fliegender Fuchs“ (der gleiche Name wird aber auch für Epalzeorhynchos kalopterum verwendet), die Gestreifte Saugbarbe hingegen „Stonelapper“, also „Steinablederer“. Die sehr unterschiedlichen Populärnamen führen immer wieder zu lustigen deutschen Synchronfassungen von ursprünglich englisch-sprachigen Naturfilmen, wenn die Synchron-Redakteure sich nicht mit Fischen auskennen. Daran, dass Welse im deutschen Fernsehen meist als „Katzenfische“ bezeichnet werden (weil sie auf Englisch „catfish“ heißen) hat man sich ja schon gewöhnt… Diese Probleme hat man mit wissenschaftlichen Namen nicht. Die Aussprache lateinischer oder griechischer Worte in fremden Ländern mag gewöhnungsbedürftig sein, aber über kurz oder lang gelingt eine Verständigung.

Oben und unten: Garra cambodgiensis

Siamesische Rüsselbarbe und Gestreifte Saugbarbe

Einer der bedeutendsten Erforscher der Fische von Thailand war Hugh McCormick SMITH (1865-1941). 1945 erschien sein Buch „The fresh-water fishes of Siam, or Thailand“, das bis heute eines der wichtigsten und wertvollsten Bestimmungsbücher für Süßwasserfische der Region ist. Darin werden die Gestreifte Saugbarbe als Garra taeniata und die Siamesische Rüsselbarbe (oder eine nahe verwandte Art, dazu gleich mehr) als Epalzeorhynchos siamensis bezeichnet. Beide Arten hatte SMITH selbst bereits 1931 als neue Arten beschrieben. Als die ersten Algenfresser um 1962 erstmals aus Thailand in Europa eingeführt wurden, bestimmte man sie folgerichtig nach SMITH. Leider hatte SMITH übersehen, dass seine Art Garra taeniata bereits 1884 von Gilbert TIRANT als Garra cambodgiensis beschrieben worden war. Da dieser Name eindeutig älter ist, hat er Gültigkeit über G. taeniata, einen Namen, der nicht mehr benutzt werden sollte. Doch leider findet man im Zoofachhandel oft immer noch die Gestreifte Saugbarbe unter der falschen Bezeichnung Garra taeniata, weil dieser Name in den meisten älteren Aquarienbüchern benutzt wurde.

Oben und unten: Erwachsenes Exemplar von der Siamesischen Rüsselbarbe

Vertrackt: die Siamesischen Rüsselbarbe

Bei dieser Art (sie wird auch manchmal als Grünflossige Rüsselbarbe bezeichnet) sind die Dinge sogar noch etwas komplizierter. Sie wurde nämlich in eine andere Gattung überführt und hieß nun Crossocheilus siamensis. Solche Gattungswechsel sind den Aquarianern ein Greuel, sie kommen jedoch immer wieder einmal vor und sind, weil sie einen Erkenntniszugewinn repräsentieren, manchmal einfach unumgänglich. Im Jahr 2000 stellte der Fischkundler Maurice KOTTELAT zudem eine große Übereinstimmung von Crossocheilus siamensis mit einer Art fest, die bereits 1823, also über 100 Jahre vor C. siamensis, von Johan Coenraad van HASSELT als Crossocheilus oblongus beschrieben worden war und erklärte die beiden Arten als synonym zueinander. So wird derzeit die Siamesische Rüsselbarbe meist als Crossocheilus oblongus bezeichnet. Leider ist es aber nicht sehr wahrscheinlich, dass es lange so bleiben wird. In einer Studie über die Fische des Batang Hari Flusses auf Sumatra stellten TAN Heok Hui und Maurice KOTTELAT 2009 anlässlich der Beschreibung einer neuen Rüsselbarbe aus diesem Fluss (nämlich Crossocheilus obscurus) fest, dass es offenbar eine ganze Reihe unterschiedlicher Arten von Rüsselbarben gibt, die sich äußerlich sehr ähnlich sehen. Darunter ist auch Crossocheilus oblongus. Diese Art wurde ursprünglich von Java beschrieben. Leider weiß zur Zeit niemand, wie die Rüsselbarben von Java lebend aussehen, denn an den fast 200 Jahre alten Museumsexemplaren von C. oblongus lassen sich wichtige Details nicht mehr erkennen und für die Aquaristik werden keine Rüsselbarben von Java exportiert. Eines steht aber jetzt schon fest: SMITH schrieb, dass C. siamensis nur 1 Bartelpaar aufweist und untersuchte sein Exemplar diesbezüglich sogar sehr genau, weil die einzige weitere ihm 1931 bekannte Epalzeorhynchos-Art (E. kalopterum; Epalzeorhynchos ist neutrum, darum muss der Artname wenn er – wie in diesem Fall – ein Adjektiv ist, auf die lateinische Neutrum-Endung -um enden) nämlich über zwei Bartelpaare verfügt und dieses Merkmal sogar zur Gattungsdiagnose für Epalzeorhynchos herangezogen wurde. Die in unseren Aquarien gepflegten Siamesischen Rüsselbarben haben aber, wie man auf den Fotos klar erkennen kann, zwei Bartelpaare! Zumindest derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Siamesischen Rüsselbarben, die zu hunderttausenden in den Aquarien aller Welt schwimmen, einer wissenschaftlich neuen, noch unbeschriebenen Art angehören!

Gattungstypus von Epalzeorhynchos ist die Schönflossige Rüsselbarbe aus Indonesien, Malaysia und Thailand, E. kalopterum, dies ist ein Jungtier, ebenso die Bilder der folgenden Galerie.
Epalzeorhynchos kalopterum, die Schönflossige Rüsselbarbe, hat wie die Siamesische Rüsselbarbe vier Barteln. Farblich kann man beide Arten kaum auseinanderhalten, wenn, wie auf diesem Bild, die dunkle Rückenflossenzeichnung von E. kalopterum nicht erkennbar ist. Dieses Bild und die folgende Galerie zeigen erwachsene Tiere von E. kalopterum.

Unwichtige Details?

Viele werden jetzt sagen, das sei doch Krümelleserei. Zwei oder vier Barteln, spielt das eine Rolle? Muss man deshalb Namen ändern und alles kompliziert machen? Nun, das ist ganz grundsätzlich eine Frage der Sichtweise. Tiger und Löwe unterscheiden sich in vergleichsweise viel weniger Merkmalen voneinander, nämlich nur in der Fellfarbe und dadurch, dass männliche Löwen eine Mähne entwickeln. Einen abgezogenen Tiger kann kein Mensch von einem abgezogenen Löwen unterscheiden, wenn man DNS-Analysen außen vor lässt. Und trotzdem wird niemand ernsthaft daran zweifeln, dass Löwe und Tiger zwei unterschiedliche Arten sind. Die Erforschung kleiner Süßwasserfische ist unendlich schwieriger als die von großen Säugetieren. Ohne die Aquaristik wüsste man von den meisten Fischarten gar nichts oder nur, dass es sie gibt. Leider sterben durch die vom Menschen verursachten Umweltveränderungen täglich Tier- und Pflanzenarten aus. Ihr Verlust ist gleichzusetzen mit der Zerstörung eines großen Kunstwerkes, etwa der Mona Lisa. Selbstverständlich gibt es von der Mona Lisa unzählige Reproduktionen; aber das originale Kunstwerk ist und bleibt einmalig. So verhält es sich auch mit Tierarten. Auch wenn sie äußerlich vielleicht unspektakulär auf uns wirken, sind es doch Meisterwerke der Natur und jede Art ist auf ihre besondere Weise ganz einzigartig. Die Artenvielfalt zu erforschen, bevor es zu spät ist, ist darum eines der wichtigsten Anliegen unserer Zeit. Soweit es die Süßwasserfische betrifft sind dabei Aquarienbeobachtungen nahezu unumgänglich.

Zwei Jungtiere der Siamesischen Rüsselbarbe

Pflege und Zucht

Die Pflege der Siamesischen Rüsselbarbe und der Gestreiften Saugbarbe ist einfach. Beide Arten werden um 15 cm lang und sollten in Gruppen gepflegt werden. Die Wasserzusammensetzung (pH-Wert und Härte) ist von untergeordneter Bedeutung, die Fische sind diesbezüglich sehr anpassungsfähig. Als Algenfresser sind bei Garra cambodgiensis nur Jungtiere sehr fleißig, im Alter fressen die Tiere lieber „normales“ Fischfutter, während die Siamesische Rüsselbarbe zeitlebens ein fleißiger Algenvertilger ist. Da beide Arten eine Rangordnung ausbilden und damit ein sehr spannendes Sozialverhalten zeigen, kann ihre Pflege im Aquarium auch dann empfohlen werden, wenn es gar nicht so sehr um Algenbekämpfung geht. Hierzulande werden die Tiere nicht gezüchtet, es ist wirtschaftlicher und auch umweltschonender, sie aus Thailand zu importieren. Grundsätzlich haben sich Garra-Arten als relativ unkompliziert gezeigt, wenn es um die Zucht geht. Sie laichen nach Barben-Art über grobem Kies ab und betreiben keine Brutpflege. Crossocheilus-Arten wurden hingegen, wie auch die Vertreter der Gattung Epalzeorhynchos, bislang gezielt nur nach Hormoninjektionen, wie man sie bei Speisefischen (etwa Regenbogenforellen) anwendet, zur Nachzucht gebracht, da diese Tiere in der Natur vermutlich Laichwanderungen durchführen und im Aquarium daher nur schwer zum spontanen Laichen zu stimulieren sind. Es kommt aber im Aquarium immer wieder einmal zu zufälligen Ablaichereignissen. Eine Brutpflege üben auch diese Fische nicht aus. Bei Garra cambodgiensis unterscheiden sich Männchen und Weibchen durch die Kopfform, bei Crossocheilus oblongus bzw. der Siamesischen Rüsselbarbe sind die Weibchen nur an der etwas fülligeren Gestalt erkennbar (siehe Bilder).

Lebensraum der Siamesischen Rüsselbarbe in Pak Chong, Zentral-Thailand.
Dieses Exemplar aus dem oben gezeigten Lebensraum bei Pak Chong habe ich selbst gefangen und mitgebracht; es handelt sich um den „echten“ Crossocheilus oblongus.

Frank Schäfer

Literatur

Kottelat, M. (2000): Diagnoses of a new genus and 64 new species of fishes from Laos (Teleostei: Cyprinidae, Balitoridae, Bagridae, Syngnathidae, Chaudhuriidae and Tetraodontidae). Journal of South Asian Natural History v. 5 (no. 1): 37-82.

Smith, H. M. (1931): Descriptions of new genera and species of Siamese fishes. Proceedings of the United States National Museum v. 79 (no. 2873): 1-48, Pl. 1.

Smith, H. M. (1945): The fresh-water fishes of Siam, or Thailand. Bulletin of the United States National Museum No. 188: i-xi + 1-622, Pls. 1-9.

Tan, H. H. & M. Kottelat (2009): The fishes of the Batang Hari drainage, Sumatra, with description of six new species. Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 20 (1): 13-69.

Lexikon

Crossocheilus: bedeutet „Fransenlipper“

oblongus: bedeutet „länglich“

Garra: nach einem in Bengalen üblichen Namen für eine der Arten

Epalzeorhynchos: bedeutet „mit kräftigem Rüssel“

taeniata: bedeutet „gestreift“

siamensis: bedeutet „aus Siam stammed“; Siam ist ein älterer Name für Thailand.

kalopterum: bedeutet „mit schönen Flossen“

cambodgiensis: bedeutet „aus Kambodscha stammend“.


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Erfolgreiche Zucht der Köhlerschildkröte

Die Köhlerschildkröte (Chelonoidis carbonarius, früher C. carbonaria, Testudo carbonaria oder Geochelone carbonaria) gehört zu den schönsten Arten der Landschildkröten. Sie ist in Südamerika weit verbreitet und entsprechend des großen Verbreitungsgebietes gibt es viele verschiedene Lokalvarianten. Diese unterscheiden sich bezüglich Details in der Färbung und durch die erreichbare Endgröße.

Junge Köhlerschildkröte aus Surinam

Letzteres ist bei der Pflege in Mitteleuropa besonders wichtig, da unter unseren klimatischen Bedingungen eine ganzjährige Freilandhaltung unmöglich ist. Große Tiere brauchen aber viel Platz. Die größte bislang gefundene Köhlerschildkröte hatte eine Panzerlänge von 59 cm! Allerdings werden Tiere aus den Guyana-Ländern bei weitem nicht so groß und sind erwachsen durchschnittlich nur 30-35 cm lang, 40 cm werden nur ausnahmsweise einmal erreicht. Männchen werden größer als die Weibchen. Köhlerschildkröten wurden vom Menschen auf mehreren karibischen Inseln künstlich eingeführt und obwohl dort andere klimatische Bedingungen herrschen, erweisen sich Köhlerschildkröten als sehr anpassungsfähig, sie sind sehr stressunempfindlich, gewöhnen sich sehr gut auch an den Menschen und werden sehr zahm! Dies macht sie zum idealen und wunderschönen Pflegling.

Ausgewachsenes Pärchen der Cherry-Head Variante der Köhlerschildkröte. Das linke Tier (Weibchen) ist marmoriert (Variante Marbled). Photo: Christoph Fritz, www.reptilia24.com

Trotz ihres riesigen Verbreitungsgebietes sind die Bestände der Köhlerschildkröte zumindest lokal rückläufig. Wie immer ist die Zerstörung der Umwelt Gefährdungsfaktor Nummer 1, aber auch die Verwendung als Speiseschildkröte – nicht nur in Südamerika, sondern auch in China! – lässt die Bestände schrumpfen. Der internationale Lebendhandel zum Zwecke der Pflege ist über das Washingtoner Artenschutzabkommen hingegen gut geregelt und scheint auf die Bestände keinen nennenswerten Einfluss zu haben. Es ist trotzdem wichtig, dass Techniken zur erfolgreichen Zucht entwickelt werden, denn zum einen kann jederzeit ein Exportstopp erfolgen und dann sind wir auf Nachzuchten angewiesen. Und zum anderen erfolgen Exporte ohnehin nur aus einem im Vergleich zum Gesamt-Verbreitungsgebiet winzigen Areal. Es kann sehr schnell geschehen, dass ein Erhaltungszuchtprogramm als einziger Weg zur Rettung bestimmter Populationen vor dem Aussterben notwendig wird. Dann ist es zum Experimentieren zu spät, es müssen dann bereits ausgereifte Techniken existieren, wie man diese wunderschöne Schildkröte züchtet. So genannte „Tierschützer“ übersehen in ihrer Generalkritik am Tierhandel und der Tierhaltung immer wieder, dass praktisch alle Erkenntnisse über die spezielle Biologie von Kleintieren von privaten Tierhaltern gesammelt wurden! Im Folgenden will ich die unabdingbaren Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zucht der Köhlerschildkröte in Mitteleuropa schildern, wie sie Christoph Fritz (www.reptilia24.com) über viele Jahre entwickelt, ausgefeilt und an mich weitergegeben hat.

Zwei Babies aus Surinam

Die Unterbringung
Das Gutachten zu den Mindestanforderungen für die Haltung von Reptilien fordert eine Bodenfläche von 8 x 4 mal der Bauchpanzerlänge der Köhlerschildkröte als Mindestmaß für die optimale dauerhafte Haltung. Dieses Gutachten ist zwar kein Gesetz, wird aber praktisch ausnahmslos herangezogen, wenn staatliche Stellen eine Tierhaltung beurteilen. Eine 40 cm lange Köhlerschildkröte benötigt demnach auf die Dauer ein Terrarium von 320 x 160 cm Bodenfläche, die Höhe ist nebensächlich. Christoph pflegte seine Tiere zunächst im Terrarium, dann in einem speziell für sie ausgebauten Zimmer, doch empfindet er erst die jetzt praktizierte Pflege in einem geheizten Gewächshaus als für alle Beteiligten optimal befriedigend. Sein Gewächshaus hat eine Grundfläche von 21 m2 (7 x 3 m) mit angrenzender Freilandanlage von ca. 60 m2. Das Gewächshaus ist mit 16mm Stegdreifachplatten verglast. Die Front ist mit 15 mm Isolierglas versehen, um die Tiere besser beobachten zu können. Die Heizung besteht aus zwei Heizkörpern und einer Fußbodenheizung, die an die zentrale Ölheizung seines Wohnhauses angeschlossen sind. Zur Isolierung ist das spezielle Heizungsrohr in 80 cm Tiefe vom Haus ab verlegt. Somit sind die dauerhaft nötigen hohen Temperaturen zu erreichen. Eine Beregnungsanlage dient zur Nachahmung von Regenschauern. Manche Tiere genießen an heißen Tagen diese Dusche, andere kommen erst nach dem Regen hervor. Mehrere Pflanzkübel und eine große Holzkiste dienen den Tieren als Ruhe- und Versteckplätze. Der Bodengrund besteht aus Rindenmulch und Sand. Eine größere, erhöhte Eiablagestelle wurde aufgeschüttet; sie besteht aus einem Torf -Sand -Humusgemisch. Das Freigehege ist mit Gras, Wiesenkräutern und einigen Büschen bewachsen. Die Temperaturen betragen nachts ca. 25°C und tagsüber bis zu 45°C. Durch automatische Fensteröffner und den Ausgang sinkt die hohe Temperatur im Mittel auf ca. 35°C. Dies kommt den natürlichen Bedingungen recht nahe (Vinke & Vinke, 2000). Die Tiere sind während großer Hitze im Gewächshaus inaktiv. Die Hauptaktivität der Tiere ist morgens und nachmittags, dann gehen die Schildkröten gerne auf Futtersuche oder sie schreiten zur Paarung.

Dieses Tier stammt aus Guyana

Köhlerschildkröten in Guyana
In den Guyana -Ländern lebt die Köhlerschildkröte in tropischen Trockengrassavannen, die an Regenwaldgebiete angrenzen. Laut Thomas und Sabine VINKE (2000) besteht die Hauptvegetation in diesen Biotopen aus Sauergräsern (Cyperus und verwandte Gattungen); auf erhöhten Flächen stehen Schlingpflanzen und flachwachsende Büsche, welche die Tiere gerne als Versteck während der Nacht bzw. der großen Mittagshitze aufsuchen. Gewässer, an denen die Tiere ihren Wasserhaushalt regulieren, sind nur temporär vorhanden (Regenpfützen u.ä.). In den angrenzenden Regenwäldern werden nur wenige Exemplare von Chelonoidis carbonarius gefunden. Ausgeprägte jahreszeitliche Schwankungen des Klimas fehlen. Die Temperaturen liegen tagsüber zwischen 26 – 36°C und nachts zwischen 25 – 29°C. Die Luftfeuchtigkeit ist dauerhaft hoch und beträgt zwischen 80 und 100%. In der Natur ruhen die Tiere bei großer Hitze. Aktiv sind sie in den frühen Morgen- und Abendstunden, was sich mit den Beobachtungen bei der Gewächshaushaltung deckt.

Köhlerschildkröten sind Allesfresser und somit scheinbar leicht zu ernähren

Unendlich wichtig: das richtige Futter!
Zwar ist die Unterbringung der Tiere ein wichtiger Faktor, doch führen hier viele Wege nach Rom. Findige Terrarianer können sicher auch ohne Gewächshaus optimale Bedingungen für die Schildkröten schaffen und auch ein gut eingerichtetes Terrarium ist zur Pflege und Zucht von Köhlerschildkröten geeignet. Wirklich entscheidend für die erfolgreiche Zucht ist die richtige Ernährung der Tiere!

In den Monaten April bis Oktober werden von Christoph in der Hauptsache Wildkräuter wie z.B. Löwenzahn, Spitz – und Breitwegerich, Klee, Disteln, Brennessel, Ackerwinde und Gräser gefüttert. Je nach Saison bekommen seine Tiere zusätzlich verschiedene Salate, Kohl, Blätter von Sträuchern, Zucchini und Paprika aus eigenem Anbau. Im Sommer und Herbst gibt es etwas Fallobst als Leckerbissen. Übermäßige Obstfütterung ist jedoch aufgrund des hohen Zuckergehaltes sehr ungünstig für die Darmflora der Schildkröten, sie führt oft zu Durchfall. Gras spielt eine besondere Rolle in der Ernährung von Köhlerschildkröten. Es ist sehr rohfaserhaltig und wird von seinen Tieren gerne gefressen. Viele Halter berichten aber, dass ihre Köhlerschildkröten Gras nicht fressen würden. Meiner Meinung nach liegt dies am gesamten Fütterungsplan, denn durch übermäßiges Obstangebot (in den Savannen stehen keine Obstbäume!) sind die Tiere verwöhnt und verschmähen nun die Gräser, die viel eher ihrer natürlichen Nahrung entsprechen würden. Im Sommer werden den Tieren von Christoph einmal wöchentlich zusätzlich eingeweichte Heupellets der Firma Agrobs gereicht. Im Winter bekommen sie 3 – 4 mal wöchentlich Heupellets. Interessant ist, dass Tiere, die er von anderen Haltern übernommen hat, die Heupellets erst nach längerer Eingewöhnungszeit zu sich nahmen, während „frische“ Wildfänge sie sofort fraßen. Dies lässt Rückschlüsse auf das natürliche Futterangebot zu, das sicher einen hohen Anteil an Gras enthält. Endiviensalat, Romanasalat, Kohl, feingeriebene Möhren und Zuchtlöwenzahn runden den ausgewogenen Speiseplan in der kalten Jahreszeit ab. Drei bis viermal pro Monat werden in den Wintermonaten auch Paprika, Pilze oder Zitrusfrüchte zugefüttert. Ganzjährig werden den Tieren etwa alle 4 Wochen Süßwasserfische (Rotaugen oder Stinte) oder Wasserschildkrötenpellets zur Versorgung mit tierischem Eiweiß angeboten. Dies ist bei Köhlerschildkröten, anders als bei vielen anderen Landschildkrötenarten, notwendig. Die Tiere verschlingen hastig die Fische mit Kopf und Gräten. Auf die Zugabe von synthetischen Vitaminpräparaten verzichtet Christoph vollkommen, da er Hypervitaminosen befürchtet. Sepiaschale und zerstoßene Schalen von Hühnereiern stehen ständig zu Verfügung, somit können die Tiere ihren Kalkbedarf selbst regulieren. Vor allem die Weibchen von Chelonoidis carbonarius bevorzugen die Eierschalen gegenüber der sonst bei anderen Landschildkröten so beliebten Sepiaschale.

Die Geschlechter sind bei der Köhlerschildkröte leicht zu unterscheiden, hier noch einmal die zwei Cherry-Heads von oben. Das Männchen (rechts) hat einen deutlich konkaven Bauchpanzer.

Paarung und Eiablage
Bei Köhlerschildkröten finden das ganze Jahr über Paarungen statt, besonders häufig aber in den Monaten Mai bis August, wenn die Tiere im Freiland leben. Die männlichen Tiere nähern sich den Weibchen und bewegen dabei den Kopf seitlich hin und her (Kopfwackeln). Danach reitet das Männchen auf und wenn das Weibchen zur Paarung bereit ist, stemmt es die Hinterbeine hoch: die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kopulation. Bei Desinteresse läuft die weibliche Schildkröte weiter, frisst oder sucht einen Ruheplatz auf. Rammstöße und Bisse, wie z.B. bei europäischen Landschildkröten, kommen nicht vor. Köhlerschildkröten, sogar ausgewachsene Männchen, sind untereinander absolut verträglich. Die Hauptsaison für die Eiablage liegt im natürlichen Verbreitungsgebiet etwa zwischen Oktober und März, in Gefangenschaft kann es durchaus zu Verschiebungen des natürlichen Rhythmus kommen. Eiablagen erfolgen dadurch bei Christoph das ganze Jahr über, wobei der Schwerpunkt bis zum Jahr 2001 wie in der Natur in die Wintermonate fiel. Durch die Gewächshaushaltung hat die Brutzeit ca. 8 Wochen früher begonnen, was wohl auf die veränderten Klimaverhältnisse zurückführen ist. In dem Kellerraum, in dem er die Köhlerschildkröten zuvor pflegte, wurden die ca. 20 cm hoch auf geschütteten Ablageplätze aus Rindenhumus -Torf -Sandgemisch gut angenommen. Seit Beginn der Gewächshaushaltung wurden die Eier jedoch entweder hier oder im Freiland vergraben, die angebotenen Bruthügel aber nicht mehr angenommen. Der Eiablage gehen manchmal Probegrabungen voraus. Einige Tage vorher werden die Weibchen nervös und suchen nach einer geeigneten Stelle. Trotzdem kann es sein, das die Tiere direkt vom Futternapf zur Eiablage schreiten.

In der Regel heben die Weibchen eine flache 5- 15 cm tiefe Grube für die Eiablage aus. Die Eizahl schwankt zwischen 3 und 10 Eiern, meist sind es 5- 6 Eier je Gelege. Meistens werden die Nistgruben am späten Nachmittag oder am Abend angelegt. Diese Prozedur dauert mehrere Stunden. Vor und nach der Eiablage trinken die Tiere ausgiebig. Nach Beendigung der Eiablage werden die Eier von Christoph ausgegraben und in einen Inkubator überführt.

Paarung von Köhlerschildkröten aus Surinam im Terrarium. Diese Exemplare sind etwa 30 cm lang (die Klinkersteine im Hintergrund haben 25 cm). Nur sehr selten erreichen sie einmal 40 cm Panzerlänge.

Inkubation und Schlupf
Zunächst inkubierte Christoph die Eier in Vermiculite bei konstant 29°C und nahezu 100% Luftfeuchte. Unter diesen Bedingungen entwickelte sich kein einziges Ei! Alle folgenden Eier wurden und werden in ein leicht feuchtes Humuserde -Torf -Sand –Gemisch vollständig eingegraben. Zusätzlich wird die Erde mit Moos abgedeckt. Die mit Erde gefüllte Plastikschale wurde anfangs in eine größere Plastikwanne mit Wasser gestellt. Das Wasser wurde mit einen Regelheizer auf 28 -33°C erwärmt. Die Plastikwanne wurde zu 3/4 abgedeckt und stand zunächst in dem Raum, in dem die Schildkröten lebten. Nach der Übersiedlung der Tiere in das Gewächshaus kamen die Schalen dann wieder in den Inkubator. Etwa ab dem 115.Tag wurde das Substrat etwas feuchter gehalten. Der Schlupf deutet sich durch Risse im Ei an. Nach 120 -145 Tagen schlüpfen die jungen Köhlerschildkröten. Manche haben noch einen recht großen Dottersack und bleiben noch einige Tage im Ei, bis dieser vollständig aufgezehrt ist. Einige Jungtiere starben ohne erkennbaren Grund kurz vor dem Schlupf ab. Dieses Phänomen ist auch bei anderen Züchtern bekannt und weit verbreitet, die meisten Halter führen dies auf falsche Inkubationsmethoden zurück. Doch nach der Fütterungsumstellung und Zugabe von Heupellets verbesserten sich die Schlupfergebnisse bei Christoph erheblich. Seiner Meinung nach hängt die Schlupffähigkeit sehr stark von der Konstitution der Elterntiere ab, die wiederum großteils von den Fütterungs- und Haltungsbedingungen beeinflusst wird. Die Anzahl der abgestorbenen Jungtiere reduzierte sich bei ihm nach der Fütterungsumstellung drastisch. Eine zeitweise Trennung der Geschlechter während der Eiablagesaison scheint sich zusätzlich positiv auszuwirken, weitere Untersuchungen sind hier aber nötig. Köhlerschildkröten sind durchaus produktiv. In etwas über drei Jahren sind bei Christoph 71 Jungtiere von vier Weibchen geschlüpft. Bei den gewählten Bruttemperaturen schlüpfen sowohl Männchen als auch Weibchen.

Eine weitere Varietät der Köhlerschildkröte (Herkunft unbekannt).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Köhlerschildkröte nicht nur ein wunderschöner, sondern auch gut halt- und züchtbarer Pflegling ist. Entscheidend für die erfolgreiche Zucht und Erbrütung der Jungtiere ist die richtige Ernährung der Muttertiere – ein häufig völlig unterschätzter Faktor!

Frank Schäfer

Literatur:
Vinke, S. & T. (1996): Köhlerschildkröte – Pflege und Zucht von Chelonoidis carbonaria. Das Aquarium 30 (10): 44–47.
Vinke, S. & T. (2000): Optimierung der Haltung und Zucht der Köhlerschildkröte Geochelone carbonaria (Spix, 1824) aus der Guayana-Region. Salamandra 36 (4): 233–246.




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Yasuhikotakia: prächtige Prachtschmerlen


Es ist noch gar nicht lange her, da hießen alle Prachtschmerlen mit Gattungsnamen Botia. Gegenwärtig verteilt man diese Fische auf die Gattungen Ambastaia (Schachbrett-Prachtschmerlen), Botia (die senkrecht gestreiften Prachtschmerlen Indiens und angrenzender Regionen), Chromobotia („die“ Prachtschmerle), Sinibotia (chinesische Prachtschmerlen), Syncrossus (Tiger-Prachtschmerlen) und Yasuhikotakia.

Der Gattungsname Yasuhikotakia liest sich komplizierter, als er ist. Sprechen Sie mal mit: Yasu-hiko-takia. Der Name ehrt den bedeutenden Fischkundler Yasuhiko Taki, der sich besonders um diese Gruppe verdient gemacht hat. Die Gattungs-Unterschiede beziehen sich in erster Linie auf die generelle Färbung. Yasuhikotakia sind grundsätzlich mehr oder weniger einfarbig am Körper, ohne markante Bindenzeichnung. Zu Ausnahmen später mehr. Man könnte die Gattung aber auch zoogeografisch definieren, denn sie kommt ausschließlich auf dem südostasiatischen Festland (Laos, Kambodscha, Thailand, Vietnam) vor. Es gibt selbstverständlich auch anatomische Unterschiede: Nalbant (2002) diagnostiziert das Genus durch die Form der Lippen, der Unteraugendornen und Schuppen. Unteraugendornen? Tatsache: alle Prachtschmerlen haben (wie viele anderen Schmerlen) unter den Augen ausklappbare, sichelförmige Dornen, die scharf wie Rasiermesser sind. Sie können mit diesen Dornen auch unvorsichtigen Menschen heftig blutende Wunden beibringen. Giftig sind die Schmerlendornen nicht, man sollte, wenn es passiert, aber gründlich ausbluten lassen, damit kein Schleim in der Wunde bleibt, der zu Entzündungen führen könnte. Empfindliche Menschen mit Immunschwäche sollten die Verletzung gut überwachen und im Zweifelsfall zum Arzt gehen. Aber auch das sei gesagt: niemals greifen die Schmerlen aktiv Menschen an, zu Unfällen kommt es nur, wenn man sie mit bloßen Händen einfängt und festhält.

Alle Arten der Gattung Yasuhikotakia bleiben relativ klein und werden nur ganz selten einmal größer als 12 cm. Leider haben sie, wie alle Prachtschmerlen, keinen sehr guten Ruf. Das ist sehr, sehr schade, denn von allen Bodenfischen, die man im Aquarium pflegen kann, haben Prachtschmerlen mit Sicherheit das interessanteste Verhalten. Die Tiere sind extem sozial und bilden untereinander eine feste Rangordnung aus. Dabei zanken sie zwar ordentlich, zu ernsthaften Beschädigungen kommt es aber nicht. Aus diesem Verhalten resultiert im Wesentlichen der schlechte Ruf, den die Prachtschmerlen haben. Werden sie in zu kleinen Gruppen gepflegt, kann das dominante Tier den schwächsten Artgenossen so mobben, dass er früher oder später stirbt. Schlimmer kann es noch kommen, wenn man die Yasuhikotakia einzeln in Gesellschaft gattungsfremder Fische pflegt. Das können regelrechte Tyrannen werden! Ganz anders ist es, wenn man Gruppen von 8-20 Exemplaren gemeinsam hält. Dann haben die Fische so sehr miteinander zu tun, dass sie kaum auf dumme Gedanken kommen. Man kann das Verhalten von Prachtschmerlen am besten mit dem Verhalten von Malawi-Buntbarschen vergleichen. Der Versuch, diese Tiere paarweise in einem bunten Gesellschaftsbecken zu pflegen, geht ja auch vorhersagbar schief. Und ähnlich wie bei Malawi-Buntbarschen kann man durchaus verschiedene Arten von Yasuhikotakia miteinander vergesellschaften, die vertragen sich gewöhnlich gut.

Gegenwärtig unterscheidet man sieben Arten:

1. Yasuhikotakia caudipunctata (Taki & Doi, 1995)

Yasuhikotakia caudipunctata

2. Yasuhikotakia eos (Taki, 1972)

Yasuhikotakia eos

3. Yasuhikotakia lecontei (Fowler, 1937)

Yasuhikotakia lecontei

4. Yasuhikotakia longidorsalis (Taki & Doi, 1995)

Yasuhikotakia longidorsalis Photo: Kamphol Udomritthiruj

5. Yasuhikotakia modesta (Bleeker, 1864)

Yasuhikotakia modesta

6. Yasuhikotakia morleti (Tirant, 1885)

Yasuhikotakia morleti

7. Yasuhikotakia splendida (Roberts, 1995)

Yasuhikotakia splendida

Regelmäßig im Handel sind jedoch nur zwei davon, nämlich die Mausschmerle (Y. morleti, auch unter ihrem Synonym Y. horae bekannt) und die Rotflossenschmerle (Y. modesta). Die übrigen Arten sind absolute Raritäten. Es gibt aber vermutlich mehr Arten, als wissenschaftlich anerkannt sind. Die Importe der Rotflossenschmerlen sehen oft sehr unterschiedlich aus, nicht nur bezüglich der Färbung. Letztere betrifft den Körper, der mal mehr blau, mal mehr grün, mal bleifarben ist und die Flossen: von leuchtendem Rot bis zum blassen Gelb ist alles schon gesehen worden. Sind das verschiedene Arten, Standortformen, Ökotypen oder individuelle Varianten? Das weiß niemand. Und dann ist da noch der Phänomen der Tigerzeichnung. Schon lange ist bekannt, dass es immer wieder getigerte Exemplare der Maus- und der Rotflossenschmerle gibt. Nalbant (2002) interpretiert das als Jugendzeichnung, das stimmt aber nicht oder nur zum Teil. Es gibt durchaus Exemplare, wie das hier gezeigte, alte Weibchen von Y. morleti, die diese Zeichnung zeitlebens zeigen. Und klicken Sie sich mal durch die Abbldungen auf dieser Seite: http://ffish.asia/index.php?q=yasuhikotakia&spmorder=1&p=d, dort finden Sie wissenschaftliche Belegexemplare aller Arten, darunter auch zweifelsfrei erwachsene, getigerte Formen.

Erwachsenes, altes Weibchen der getigerten Variante von Yasuhikotakia morleti

So richtig in Erinnerung gerufen wurde dieses Phänomen durch den Import des „Cambodian Tiger“ im Jahr 2015, einer Art, die Y. lecontei nahe steht. Diese tollen Fische sehen bezüglich der Färbung wie eine Syncrossus-Art aus! Ich pflege sie seit dem Erstimport, die Zeichnung wurde etwas verwaschener, blieb jedoch erhalten. Ganz aktuell wurde wieder eine größere Anzahl dieser herrlichen Fische importiert. Leider muss man sagen, dass sie, genau wie Y. lecontei, zu den aggessivsten Arten der Gattung gehören, man muss also für besonders viele Versteckplätze sorgen, damit in der Rangordnung niedrig stehende Tiere langfristig keinen Schaden nehmen.

Dieses taubenblaue Tier mit fast transparenten Flossen zählt „technisch“ zu Y. modesta
Auch diese eher grünen, langschnäuzigen Tiere zählen zu Y. modesta

Yasuhikotakia-Arten gelten als Fische stark strömender Gewässer. Das stimmt aber nur sehr bedingt. Alle Prachtschmerlen wandern zur Laichzeit stromaufwärts; in dieser Zeit finden sie sich zu oft großen Schwärmen zusammen. Gelaicht wird anscheindend in kleineren, klaren Gewässerabschnitten. Nach dem Laichen zerstreuen sich die Schwärme. Die sehr wertvolle, bereits zitierte Seite http://ffish.asia/index.php?q=yasuhikotakia&spmorder=1&p=d bietet auch Biotopinformationen zu den gesammelten Belegexemplaren. Dabei handelt es sich oft um mäßig strömende Bereiche oder gar stagnierende Gewässer mit schlammigem Boden. Tatsächlich sind Yasuhikotakia im Aquarium keineswegs anspruchsvoll bezüglich der Wasserqualität oder sonderlich sauerstoffbedürftig. Zu Härte und pH-Wert kann man sagen: jedes Leitungswasser ist zur Pflege dieser Prachtschmerlen gut geeignet. Der geeignete pH-Bereich liegt zwischen 6 und 9, die Härte ist ohne Bedeutung, sehr weiches Wasser sollte wegen der schlechten Pufferkapazität gemieden werden.

Dieses Tier, ein älteres Weibchen, lässt sich nicht einwandfrei bestimmen. Es ist am ähnlichsten zu Y. lecontei

Von Hobbyisten wurden Yasuhikotakia-Arten noch nicht gezüchtet, ebensowenig wie irgend eine andere Prachtschmerle. Das liegt allerdings eher daran, dass es nie ernsthaft versucht wurde, als dass es nicht ginge, denn in Asien vermehrt man zahlreiche Prachtschmerlen seit Jahrzehnten sehr erfolgreich für den Export als Aquarienfische. Dabei benutzt man, wie bei uns generell in der Speisefischzucht, stimulierende Sexualhormone, die den Laichfischen gespritzt werden. Das ist keine Methode für private Hobbyzüchter, sollte aber erwähnt werden, denn forschende Aquarianer könnten auf diese Art und Weise einige der Rätsel um die Identität etlicher Yasuhikotakia lösen helfen.

Dies ist das Männchen der Y.-lecontei-ähnlichen Form. Die Geschlechtsunterschiede sind bei allen Arten ähnlich: Männchen sind etwas kleiner und deutlich schlanker.

Die Pflege der Prachtschmerlen ist nicht schwierig. Oft werden sie als effektive Schneckenvertilger gepriesen und das sind sie auch. Das muss man natürlich beachten, denn die Yasuhikotakia unterscheiden nicht zwischen erwünschten und unerwünschten Schneckenarten. Die Fütterung der Schmerlen ist ansonsten unproblematisch, sie fressen alles übliche Fischfutter, egal ob Trocken-, Frost- oder Lebendfutter. Eine Eigenschaft der Prachtschmerlen ist gefürchtet: ihre Empfänglichkeit gegen die Pünktchenkrankheit, Ichthyophthirius. Man ist gut beraten, ein Ichthyo-Mittel zu Hause zu haben, wenn man neue Prachtschmerlen kauft. Leider sind alle Schmerlen auch noch sehr gegen Chemikalien empfindlich. Man muss sich bei den Ichthyo-Mitteln streng an die Dosierungsanweisung halten. Kupferhaltige Medikamente muss man unbedingt vermeiden, das ist für Schmerlen ein starkes Gift. Eigentlich ist Kupfer nicht in Ichthyo-Mitteln enthalten, aber in Kombi-Präparaten kann es sich befinden.

Pflegt mehr Yasuhikotakia, Leute!

Zusammenfassend kann man sagen: Prachtschmerlen der Gattung Yasuhikotakia sind wundervolle Aquarienfische, wenn man ihre Besonderheiten beachtet. Aber das muss man ja bei jeder Fischart, nicht wahr?

Zitierte Literatur:

Nalbant, T. T. (2002): Sixty million years of evolution. Part one: family Botiidae (Pisces: Ostariophysi: Cobitoidea). Travaux du Muséum d’Histoire Naturelle „Grigore Antipa“ v. 44: 309-333, Pls. 1-12.

Und hier gibt es mehr Lesestoff zu dem Thema: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=schmerle


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Beobachtung an Beifängen: Der Punktierte Kopfsteher und der Kaisertetra

Punktierte Kopfsteher (Chilodus spp.) sind die kleinsten Arten der Kopfsteher, sie werden nur 6-9 cm lang; gegenwärtig werden vier Arten unterschieden, von denen jedoch nur zwei gelegentlich im Handel auftauchen, nämlich Chilodus punctatus und C. gracilis. Dabei wird in aller Regel nicht zwischen beiden Arten unterschieden, im Handel nennt man meist alles C. punctatus.

Dieses Tier liegt der Originalbeschreibung von Chilodus punctatus zugrunde. aus Müller & Troschel, 1845

Farblich ähneln sich die vier Arten – und auch ihr Doppelgänger, Caenotropus labyrinthicus – frappierend. Chilodus punctatus ist die – dem Namen nach – häufigste Art und wurde schon aus fast ganz Südamerika gemeldet: Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru und Surinam. Das dürfte jedoch nicht stimmen, sondern die drei anderen Arten mit einbeziehen; die Art aus Kolumbien, Venezuela, dem amazonischen Teil von Peru und dem Dept. Amazonas in Brasilien ist Chilodus gracilis, die sich von den anderen dreien dadurch unterscheidet, dass sie stets ein breites dunkles Längsband zeigt. Das Längsband ist bei Tieren aus Peru solider als bei denen aus dem Orinoko, möglicherweise handelt es sich bei letzterer um eine kryptische, noch unbeschriebene Art.

Im mittleren und unteren Amazonas sowie Guyana wird C. gracilis dann wohl von C. punctatus abgelöst, dem dieses Längsband fehlt oder das nur vergleichsweise schwach ausgeprägt ist. Beide Arten kommen aber vielleicht auch stellenweise gemeinsam vor, denn ein früher in der Aquarienliteratur viel benutztes Photo von Timmerman zeigt sie zusammen. Allerdings wurde C. gracilis als Männchen und C. punctatus als Weibchen gedeutet.

Soweit die wissenschaftliche Theorie. In der Praxis ist die farbliche Unterscheidung von C. gracilis und C. punctatus nicht einfach, denn Chilodus können ihr Längsband ein- und ausschalten, ganz nach Lust und Laune, jedenfalls so lange sie leben. C. punctatus ist aber deutlich hochrückiger als C. gracilis, daran kann man beide Arten auch dann gut unterscheiden, wenn C. punctatus ein Längsband zeigt. Oberhalb des Längsbandes hat C. gracilis meist drei Längsreihen schwarzer Punkte, C. punctatus vier. Allerdings ist C. punctatus nach Isbrücker & Nijssen (1988) je nach Fundort so variabel, dass die beiden Autoren die Existenz noch etlicher Arten nicht ausschließen.

Typischer Chilodus gracilis Photo: Erwin Schraml
Typischer Chilodus punctatus Photo: Erwin Schraml

Verwechslungsgefahr besteht mit Caenotropus labyrinthicus, der stets ein Längsband trägt, aber waagerecht schwimmt und eine andere Maulform hat. C. labyrinthicus ist weit in Südamerika verbreitet und wurde früher oft gemischt mit Wildfängen von C. gracilis importiert.

Caenotropus labyrinthicus Photo: Erwin Schraml

Die beiden anderen Chilodus-Arten sind hochrückig wie C. punctatus, sollen aber angeblich in keiner Stimmungslage ein Längsband zeigen.

Abbildung aus der Originalbeschreibung von Chilodus zunevei Puyo, 1946. Die Zeichnung ist nach Einschätzung von Isbrücker & Niesen (1988) ungenau. Sie zeigt vier Schuppenreihen unterhalb der Seitenlinie.
Chilodus zunevei sensu Isbrücker & Nijssen (1988); die Punkte am Körper sind größer und kräftiger ausgeprägt als bei C. punctatus

Chilodus zunevei soll nur in Französisch Guyana und angrenzenden Teilen Brasiliens (Oyapock) vorkommen und keinen Schulterfleck und kein Längsband aufweisen. Typusfundort (es gibt keine Typenexemplare) ist ein Bach, der in den Itany-Fluss mündet. Der Itany wiederum gehört zum Einzug des Maroni. Isbrücker & Nijssen (1988), denen frisches Material aus Französisch Guyana (allerdings nicht von der Typuslokalität) und Surinam vorlag, das sich sehr einheitlich zeigte, geben ein gutes Merkmal an, um C. zunevei von C. punctatus zu unterscheiden: die Punkte im Bereich der Brustflossen sind bei C. punctatus nur undeutlich oder fehlen, bei C. zunevei sind sie in diesem Bereich hingegen kräftig ausgeprägt. Ein Lebendfoto, das ein Exemplar aus Französisch Guyana zeigt (in Planquette, Keith & Le Mail, 1996), hat aber einen Humeralfleck und keine Punkte im Bereich der Pectoralflossen und gleicht völlig Chilodus fritillus.

Zeichnung nach dem Photo von Chilodus zuvenei in Planquette et al., 1996. Das Tier gleicht C. fritillus.
Chilodus fritillus, Zeichnung des Holotypen

Chilodus fritillus wurde als letzte Art 1997 aus dem Madre de Dios in Peru beschrieben. Dieser Fluss ist bemerkenswert und hat eine eigenständige Fischfauna; C. fritillus hat einen gut sichtbaren Humeralfleck und kein Längsband, die Punktierung im Bereich der Brustflossen fehlt wie bei C. punctatus.

Chilodus-Nachzuchten aus Indonesien. Man sieht ganz schön, dass die Ausprägung des Längsbandes stimmungsabhängig stark variiert.

Die Punktierten Kopfsteher im Handel sind zwischenzeitig überwiegend Nachzuchten, die in Indonesien für die Aquaristik vermehrt werden. Ich halte sie für Chilodus gracilis der Orinoko-Variante. Auch in Privathand gelang die Zucht von Chilodus schon häufig, wenngleich es oft Probleme mit dem Schlupf gibt. Die Fische laichen zwar willig, der Laich wird auch gut befruchtet und entwickelt sich normal, doch sind die schlupfreifen Larven oft nicht in der Lage, die Eihaut zu sprengen. Wenn der Züchter nicht nachhilft und jedes einzelne Ei mit einer Präpariernadel ansticht, sterben die Jungtiere elendiglich ab (Franke, 1979).

Chilodus gracilis aus den Llanos von Venezuela, Beifang zu Mikrogeophagus ramirezi

Obwohl Chilodus durch ihre ungewöhnliche Kopf-nach-unten-Schwimmweise sehr attraktiv sind, können sie doch nicht als wirklich beliebte Aquarienfische gelten, jedenfalls nicht in Europa, wo man am liebsten harmonische Fischgemeinschaften in gut bepflanzten Aquarien pflegt. Dafür eignen sich Chilodus nicht gut. Sie sind ziemlich zänkisch und fressen gerne zarte Wasserpflanzen. Darum pflegen in Europa vor allem Buntbarschfreunde Kopfsteher, da deren unangenehme Eigenschaften in Gesellschaft von Cichliden weniger ins Gewicht fallen.

Die kleinen Chilodus aus Venezuela zanken – wie alle Chilodus – gern

Wegen der immer noch unklaren Bestimmung bei Chilodus-Arten achte ich bei dieser Gattung besonders auf Wildfänge. So entdeckte ich zwischen Wildfängen des Schmetterlingsbuntbarsches (Mikrogeophagus ramirezi) aus Venezuela drei kleine Kopfsteher (Chilodus gracilis), die als Beifang mitgekommen waren. Außer den Kopfstehern waren noch ein einzelnes Weibchen des Kaisertetras (Nematobrycon palmeri) und ein Marmor-Beilbauch (Carnegiella strigata) in den Transport geraten. Ich fischte alle Beifänge ab und setzte sie in das Fotobecken, in dem sich gerade einige Panzerwelse befanden. Es war Freitag, ich fütterte noch einmal und verabschiedete mich in das Wochenende. Das Fotobecken ist sehr gut eingefahren, da muss man sich keine Sorgen machen.

Das Nematobrycon-Weibchen bleibt von den Chilodus völlig unbehelligt

Am Montag bot sich jedoch ein Bild des Jammers. Die Panzerwelse und der Beilbauch hatten arg zerfledderte Flossen und trauten sich gar nicht mehr aus ihren Ecken heraus. Nur Frau Kaisertetra schwamm unbehelligt zwischen den Chilodus umher, die den Kaisertetra in keinster Weise beachteten, untereinander aber – ganz nach Kopfsteher-Art – fröhlich zankten. Nun gut, Flossen wachsen nach, aber interessant ist dieser Befund schon. Warum interessierten sich die Kopfsteher nicht für den Kaisertetra? Ist es das schwarze Längsband? Punktierte Kopfsteher können, wie in der Einleitung bereits erwähnt, recht drastisch die Farbe wechseln. Ein schwarzes Längband ist oft, aber durchaus nicht immer zu sehen. Besonders in Kampfsituationen blenden die Chilodus das Längsband manchmal total aus, dann ist nur noch ein Schulterfleck vorhanden. Ist womöglich das breite, dunkle Längsband der Kaisertetras ein „Über-Signal“ an die Kopfsteher, das jede Aggressionshandlung im Keim erstickt?

Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen: sobald ich ein Becken frei habe, werde ich es testweise mit Chilodus und Nematobrycon besetzen und mal schauen, wie diese beiden so grundverschiedenen Arten miteinander interagieren. Ich bin schon sehr gespannt!

Frank Schäfer

Literatur:

Franke, H.-J. (1979): Geburtshilfe beim Punktierten Kopfsteher. Paarungsverhalten und künstlicher Schlupf. Aquarien Magazin 11/1979: 530-540

Isbrücker, I. J. H. & H. Nijssen (1988): Review of the South American characiform fish genus Chilodus, with description of a new species, C. gracilis (Pisces, Characiformes, Chilodontidae). Beaufortia v. 38 (no. 3): 47-56.

Müller, J. & F. H. Troschel (1845): Horae Ichthyologicae. Beschreibung und Abbildung neuer Fische. Die Familie der Characinen. Erstes und Zweites Heft. Viet & Comp., Berlin. Nos 1 & 2: 1-40, Pls. 1-11.

Planquette, P., P. Keith & P.-Y. Le Bail (1996): Atlas des poissons d’eau douce de Guyane (Tome 1). Muséum National d’Histoire Naturelle, Ministère de l’Environnement, Paris. 1-429.

Puyo, J. (1946): Chilodus zunevei poisson d’eau douce de la Guyane française. Bulletin de la Société d’Histoire Naturelle de Toulouse v. 80 (no. 3-4) (for 1945): 183-185

Vari, R. P. & H. Ortega (1997): A new Chilodus species from southeastern Peru (Ostariophysi: Characiformes: Chilodontidae): description, phylogenetic discussion, and comments on the distribution of other chilodontids. Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 8 (no. 1): 71-80.


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