Kaudis im Bookazine No 11

Das Bookazine No 11 ist erschienen und diesmal dreht sich der inhaltliche Schwerpunkt um einen der wichtigsten aller Aquarienfische, den Guppy. Wir konnten mit Michael Kempkes einen der engagiertesten Guppykenner überhaupt als Autoren gewinnen, der mehrere Artikel zum Verhalten, Freileben, Pflege und Zucht beisteuerte. 

Eines der Bookazine-Themen ist die ursprüngliche Herkunft dieses buchstäblichen Allerweltsfisches, der im Gefolge des Menschen heutzutage in allen Gebieten der Erde vorkommt, in denen die Wassertemperatur nicht dauerhaft unter 15°C sinkt. Aber wo lag die ursprüngliche Heimat des Guppys und von wo stammen unsere heutigen Aquarienstämme? Die Antwort auf diese Fragen ist hochkompliziert und im Bookazine No 11 nachzulesen. Bei den Recherchen stellte sich so ganz nebenbei heraus, dass die ersten vermeintlich importierten Guppys gar keine waren, sondern Kaudis. Auch diese Geschichte wird im Bookazine No 11 erzählt. Da sie sowohl von wissenschaftlicher Bedeutung als auch von allgemeinem Interesse ist, bringen wir sie an dieser Stelle als Appetitanreger auf das Bookazine:

Der schwarzgescheckte Kaudi 

In dem Import-Bericht über die ersten Guppys in den Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde 1909 wird ein kleiner Lebendgebärender erwähnt, der einige Jahre vor den ersten Guppys importiert und irrtümlich als Poecilia reticulata Peters bestimmt wurde. Dabei handelte es sich um den Kaudi.

Die gescheckte Form des Kaudi (Phalloceros reticulatus) wird seit 1905 im Aquarium gezüchtet.

Die Populärbezeichnung “Kaudi” leitet sich von dem später als gültig angesehenen wissenschaftlichen Artnamen “caudimaculatus” ab. Die heute allgemein akzeptierte Gattung, in die der Kaudi zu stellen ist, ist Phalloceros, eine Gattung, die Eigenmann 1907 aufstellte und deren Typusart eben jener P. caudimaculatus ist (Typuslokalität: Costa da Serra, São Leopoldo, Brasilien [Einzug des Rio Cadeia]). Bis in die jüngste Vergangenheit sah man in dieser Spezies eine einzige, sehr weit im südlichen Südamerika verbreitete und hochvariable Art, bis Paulo Henrique Franco Lucinda die Gattung im Jahr 2008 revidierte und aus der einen nicht weniger als 22 Arten machte. 

Oben: Originalabbildung aus Köhler, 1906. Die Bildunterschrift lautete: “Girardinus januarius var. reticulatus (Pet.). (Nat Größe.)” Im Original war die Abbildung 9 cm breit, hier sind es 30 cm, also stark vergrößert.

Der eigentliche Kaudi, ein unscheinbares Tier, war einer der ersten Lebendgebärenden überhaupt, die für die Aquaristsik importiert wurde. Das war bereits im Jahr 1898. Leider gab der Importeur, Paul Matte aus Berlin, den Fangort nur vage an. Er nennt lediglich “Südamerika” als Herkunft. Gemeinsam mit dem Kaudi wurde (unerkannt) ein weiterer Lebendgebärender, den wir heute als Cnesterodon decemmaculatus kennen, und ein eierlegender Zahnkarpfen, der heute Austrolebias bellottii (damals Cynolebias b.) importiert. Diese Kombination von Arten spricht, zusammen mit den damals in Frage kommenden Exporthäfen, dafür, dass die Tiere aus dem unteren Paraná-Einzug in Uruguay und Argentinien stammten. Da Matte höchstwahrschenlich Kontakt mit dem nach Argentinien lebenden Roberto Lehmann hatte, der in den “Blättern” bereits 1894 über “Lebendig gebärende Fische” berichtete, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die von ihm importierten Kaudis zumindest anfänglich von dort kamen; Lehmann schreibt nämlich, dass er aus Dankbarkeit gegenüber dem Berliner Paul Nitzsche, Vereinsvorsitzender des “Triton”, der ihm Schleierschwänze und Makropoden zukommen liess, jenem die lebendgebärenden Fische senden wollte. Lehmann beschreibt die Färbung der Tiere wie folgt: “Der Körper ist verschieden gezeichnet; bei einigen punktiert, bei anderen kurz gestreift, wieder andere haben blauschwarze Querstreifen und einige zeigen nur einen, ungefähr einen Millimeter dicken Querstrich in der Mitte des Körpers.” Letztere (Fettdruck) waren wohl die Phalloceros. Zum Thema “frühe Importe aus Argentinien” siehe bitte den ausführlichen Aufsatz von Stefan Körber in DATZ 12/19.

Normalform des Kaudi aus Köhler, 1906. Leider geht aus dem Text nicht hervor, woher die Tiere auf dieser zum Vergleich mit den Gescheckten Kaudis gebrachten Fotografie stammten.

Der gescheckte Kaudi hingegen stammt von gefleckten Wildfang-Tieren ab, die erst 1905 aus der Umgebung von Santos (brasilianischer Bundesstaat São Paulo) gesammelt wurden (Köhler, 1906). In Lucindas Revision der Gattung Phalloceros werden keine gescheckten Tiere erwähnt. Lucinda ignoriert dort auch die sehr detaillierte Beschreibung des schwarzgescheckten Kaudis von Santos als Girardinus januarius var. reticulatus durch Walter Köhler 1906. Zwar sind infrasubspezifische Beschreibungen – also Beschreibungen von Varietäten oder dergleichen unterhalb des Niveaus von Unterarten – nach dem Internationalen Code für zoologische Nomenklatur (ICZN) nicht zulässig, die infrasubspezifischen Namen, die vor 1960 publiziert wurden, bleiben jedoch verfügbar (ICZN Artikel 10.2.). Da Köhler sogar die Gonopodiumsspitze abbildet, ist die Art von Santos unschwer als das zu identifizieren, das Lucinda 2006 als Phalloceros harpagos erneut beschrieb. Dadurch wird P. harpogos zum objektiven Synonym von P. reticulatus und der schwarzgescheckte Kaudi muss, ebenso wie seine Normalform ohne die Scheckung und die später erzüchtete Variante des “Goldkaudi” wissenschaftlich korrekt als Phalloceros reticulatus (Köhler, 1906) bezeichnet werden.Typusmaterial von Phalloceros reticulatus existiert nicht; als Iconotyp ist die Aufnahme des Gonopodiums aus Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 17 (50): 499, unten links, zu nehmen, das wir hier reproduzieren.

Die Form des Gonopodiums ist für die Bestimmung von Lebendgebärenden Zahnkarpfen von entscheidender Bedeutung. Diese Abbildung kann darum als Beweis dafür herangezogen werden, welche Art Köhler einst vorlag. Es ist zweifelsfrei die Art, die 100 Jahre später als Phalloceros harpagos erneut beschrieben wurde (Iconotyp).

Soweit der Bericht aus dem Bookazine No 11 zur richtigen wissenschaftlichen Benennung des Kaudis.

Männchen von Phalloceros reticulatus (Syn: P. harpagos), Wildfang aus Paraguay. Die Art ist recht variabel, die gescheckte Variante ist mit Sicherheit keine eigens zu benennende Art, sondern eine reine Farbspielmorphe.

Die Pflege und Zucht des Kaudis sind nicht einfach. Es gelingt zwar auch Anfängern in der Aquaristsik relativ problemlos, gekaufte Tiere gesund zu erhalten und von ihnen Jungtiere zu erzielen, die dauerhafte Zucht über Generationen ist jedoch eine Herausforderung. Als subtropische Art darf man diesen Fisch nicht jahrein-jahraus unter gleichförmigen Bedingungen halten. Eine kühlere Pflegephase bei Wassertemperaturen um 14-16°C ist im Jahresverlauf ebenso notwendig, wie auch zeitweise hohe Wassertemperaturen um 28-30°C. Solche Bedingungenergaben sich in der Frühzeit der Aquaristik im Deutschland von Kaiser Wilhelm II fast automatisch, da Wohnräume nur bei Bedarf beheizt wurden und Aquarienheizungen noch nicht elektrisch waren. Man benutzte Spiritusbrennen, kleine Kohlenpfannen, Gasbrenner usw., mit denen eine konstante Wassertemperatureinstellung nahezu unmöglich war. Heutzutage regeln Heizer die Wassertemperatur zurch elektronische Messelemente auf 0,5°C genau ein. Das ist sicherlich sehr praktisch, wenn es z.B. bei Zuchtansätzen darum geht, die optimale Temperatur für die Vermehrung einer bestimmten Fischart herauszufinden, aber wenn man Fische aus Gewässern mit sowohl im Tagesverlauf wie auch im Jahresverlauf schwankenden Temperaturen pflegen möchte, ist das eher kontraproduktiv. Und genau zu solchen Spezialisten zählen zumindest manche Kaudi-Populationen, darunter auch die, die seit 1906 als schwarzgescheckte Kaudis im Aquarium gepflegt und gezüchtet werden.

Auch der Goldkaudi ist eine Zuchtform von Phalloceros reticulatus.

Denn trotz der geschilderten Schwierigkeiten hat der schwarzgescheckte Kaudi im Aquarium über 110 Jahre überlebt, durch zwei Weltkriege hindurch! Man wird sie nur sehr selten einmal im Zoofachhandel finden, aber es gibt sie noch, sowohl die einfachen, wie auch die Goldkaudis. Denn jenseits der Aquaristik in der Öffentlichkeit gibt es auch noch eine andere Form des Hobbys. In letzterer finden sich stille Menschen, die sich nur einer oder wenigen Arten von Tieren oder Pflanzen über Jahrzehnte hinweg widmen. Diese Menschen bilden das Reservoir, aus dem der Mainstream immer wieder einmal schöpfen kann, wenn die Moderichtung, die es in der Aquaristik wie in jedem anderen Bereich menschlichen Lebens nun einmal gibt, wechselt.

Wie baut man nun eine dauerhafte Kaudizucht auf, wenn man denn das Glück hat, solche Tiere zu erwerben? Ich muss zugeben, dass ich hier teilweise theoretisieren muss, sprich: ich weiß zwar im Prinzip wie es geht, hinbekommen habe ich es aber noch nicht. Der Haupgrund dafür ist mein unsteter Lebenswandel. Jedenfalls muss man dem Bedürfnis des Kaudis nach jahreszeitlichen Unterschieden konsequent Rechnung tragen. Am einfachsten gelingt das, indem man die Fische zeitweise im Freiland (Balkon oder Garten) pflegt. Aber zuvor muss man sich erst einmal einen stabilen Grundstamm aufbauen, der mit den in jeder Aquarienanlage individiuell unterschiedlichen Regimes bezüglich der Wasserparameter (Kaudis sind diesbezüglich sehr anpassungsfähig, allerdings sollte man pH-Werte unter 6 meiden), des Futters und der potentiellen Krankheitserreger gut klarkommt. Das berühmte „Zuchtpärchen“ ist dabei kein sonderlich guter Einstieg, mit 20 Tieren beiderlei Geschlechts tut man sich erfahrungsgemäß viel leichter. Von diesem Erstbesatz gilt es zunächst, so viele Jungtiere wie irgend möglich zu erzielen. Das Wurfintervall liegt beim Kaudi bei rund vier Wochen, die Anzahl Jungtiere pro Wurf zwischen 5 und 50, bei sehr großen Weibchen angeblich auch mehr. Vor Ort geborene und aufgezogene Kaudis sind immer stabiler als zugekaufte, aber das gilt ja für so ziemlich alle Lebendgebärenden. Die berühmte Frage, ob Kaudis ihre Jungen fressen, lässt sich nicht mit Ja oder Nein beantworten. Das Muttertier hat gewöhnlich eine Fresshemmung für mehrere Stunden nach der Geburt und beißt ihre Jungen auch normalerweise nicht tot, aber die unbeholfene Schwimmweise frisch geborener Babies reizt Artgenossen zur Verfolgung. Darum ist es immer besser, das tragende Weibchen zu isolieren, dazu reicht ja ein kleines 5-Liter-Aquarium, wo man es auch gut mit besonders gutem Futter (besonders eignen sich frisch geschlüpfte Artemia-Nauplien) versorgen kann. Die Kondition des Muttertieres ist von ganz entscheidendem Einfluss auf die Gesundheit der Jungtiere, die ihrerseits mit Sorgfalt großgezogen werden müssen. Das bedeutet: gute Wasserhygiene und optimales Futter. Das darf durchaus käufliches Fertigfutter sein, aber nur Qualitätsfutter mit hohem Anteil von Omega-3-Fettsäuren und das Futtergebinde darf nicht länger als vier Wochen verwendet werden, sonst gehen zuviele der ungesättigten Fettsäuren und Vitamine kaputt. Größere Gebinde portioniert man entsprechend und friert sie ein. Luftdicht eingefrorenes Fischfutter ist praktisch unbegrenzt ohne Qualitätsverlust haltbar. Kaudis haben kleine Mäulchen. Winzig kleines Futter, wie es in zerfallendem pflanzlichen Material (Mulm) entsteht, ist eine wichtige Futterkomponente. Ein Kaudi-Aquarium braucht nicht gefiltert zu werden, eine starke Filterung ist, weil sie nicht ausreichend Mulm entstehen lässt, sogar direkt schädlich.

Oben: Offenbar gibt es heutzutage auch Stämme gescheckter Kaudis, deren massigerer Körperbau und die Gonopodiumstruktur zeigt, dass es sich bei ihnen wohl nicht um Phalloceros reticulatus handelt. Ob es sich dabei Kreuzungsprodukte, Scheckentiere einer wissenschaftlich noch unerfassten Art oder um eine der weiteren bereits beschriebenen Arten handelt, ist völlig unklar. Große Ähnlichkeit besteht zu Phalloceros enneaktinos (unten) aus der Umgebung von Rio de Janeiro.

Die Aquariengröße ist unerheblich, Kaudis sind nicht sehr schwimmfreudig. Die Maximalgröße der Männchen liegt bei 2-3 cm, die der Weibchen bei 4-5 cm, Wichtig ist dagegen eine gute Beleuchtung, damit feinfiedrige Pflanzen gut wachsen und sich ein leichter Algenrasen, der eine wichtige Nahrungsergänzung darstellt, an den Scheiben bilden kann. Besonders gut eignen sich Tausendblatt-Arten (Myriophyllum) zur Bepflanzung eines Kaudi-Aquariums, da diese Pflanzen ganz ähnliche Ansprüche wie die Fische haben. Wachsen die Tausendblätter gut, wird man mit Kaudis kaum Probleme bekommen. Möglicherweise liegt das auch an Stoffen, die die Tausendblätter abgeben, denn Tausendblatt-Aquarien sind gewöhnlich besonders klar, was auf antibakterielle Wirkstoffe hinweist.

Hat man erst einmal einen hübschen Schwarm selbst gezüchteter Tiere, gilt es „nur“ noch darauf zu achten, dass die Schwarmgröße nicht unter 20-30 Tiere sinkt. Meist gelingt das durch exzessive Zucht, sprich, man lässt großwerden, was großwerden will. Schwimmen in einem Aquarium erst einmal Tiere unterschiedlichen Alters, zwischen wenige Tagen alten Jungen und ausgewachsenen Fischen, dann lässt der Verfolgungstrieb gegenüber neugeborenen Jungfischen deutlich nach und es kommen immer genug Junge pro Wurf durch, um den Bestand zu erhalten. Sehr hilfreich ist es, den Boden an einigen Stellen mit ca. walnussgroßen Kieselsteinen in 2-3 Lagen zu bedecken. In den Lücken zwischen den Kieseln finden neugeborene Kaudis Schutz während der ersten Lebensstunden. Ansonsten ist ungewaschener Sand (Korngröße zwischen 0,1 und 0,5 mm) mit etwas Lehmbeimischung als Bodengrund die beste Wahl. Er sollte in einer rund 8 cm dicken Schicht eingebracht werden, die man mit einer dünnen Schicht (um 1 cm) sauber ewaschenen Sandes abdeckt.

Die etwas steife Schwimmweise der Kaudis macht sie zu einer Besonderheit unter den Lebendgebärenden. Darum finden sie auch immer ihre Liebhaber, obwohl die moderne, techniklastige Aquaristik wenig geeignet ist, die Ansprüche dieser Fische zu erfüllen. Manchmal ist weniger mehr. Diese Weisheit gilt für Kaudis in ganz besonderen Maße. Und angesichts explodierender Strompreise sind Kaudis eine gute Gelegenheit, sich im Betrieb von einem völlig technikfreien Aquarium (vielleicht mit Ausnahme der Beleuchtung) zu üben. Das verlangt zwar erheblich mehr Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl, befriedigt jedoch sehr, wenn der Lohn gesunde und lebensfrohe Kaudis sind.

Frank Schäfer

Literatur: 

Arnold, P. (1909): Poecilia reticulata Peters die letzte „Neuheit“ des Jahres 1908. Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 20 (16): 249-253

Köhler, W. (1906): Zur Nomenklatur von Poecilia reticulata Peters. Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 17 (50): 497-498, weitere wichtige Abbildungen zu dem Aufsatz auf Seite 499

Körber, S. (2019): Paul Nitsche und seine Importe aus Argentinien. Die Aquarienzeitschrift DATZ 72 (12): 22-28

Lehmann, R. (1894): Lebendiggebärende Fische. Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 5 (12): 147-148

Lucinda, P. H. F. (2008): Systematics and biogeography of the genus Phalloceros Eigenmann, 1907 (Cyprinodontiformes: Poeciliidae: Poeciliinae), with the description of twenty-one new species. Neotropical Ichthyology 6 (2): 113-158.

Wichand, B. & W. Köhler (1906): Diesjährige Neuheiten in Wort und Bild. II. Neuimportierte bzw. erstmalig nachgezüchtete Zahnkarpfen (Poeciliidae). B. Lebendgebärende Zahnkarpfen (Poeciliidae viviparae). Von Bernh. Wichand. Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 17 (50): 495-496

Rolle rückwärts: Durchführung der Aqua-Fisch nicht möglich

Aufgrund von Covid-19: Aqua-Fisch kann nicht wie geplant stattfinden – neuer Termin vom 3. bis 5. März 2023

Quelle: Messe Friedrichshafen, Pressestelle

11.02.2022

Friedrichshafen – Die 29. Ausgabe der internationalen Messe für Angeln, Fliegenfischen und Aquaristik kann nicht wie vorgesehen vom 4. bis 6. März 2022 in Friedrichshafen stattfinden. Die aktuell geltende Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, welche ein Verbot zur Durchführung von Messen beinhaltet, macht eine langfristige Planung für alle Beteiligten unmöglich. „Nachdem auch die am Mittwoch, 9. Februar angepasste Coronaverordnung weiterhin keine Messen erlaubt, haben wir uns zu dieser schwerwiegenden, aber notwendigen Maßnahme entschlossen“, bedauert Messegeschäftsführer Klaus Wellmann sehr. Projektleiterin Petra Rathgeber ergänzt: „Da das bis zum 25. Februar anhaltende Messeverbot bereits in die Zeit der Aufbauarbeiten für Aussteller und Partner fällt, ist eine Durchführung leider nicht realisierbar. Wir hätten uns so sehr auf ein Wiedersehen gefreut. Der angestammte und gewohnte Termin im März hat sich nach intensiver Rücksprache mit unserer Ausstellerschaft bestätigt, weshalb ein Ausweichtermin noch in diesem Jahr nicht in Frage kommt.“ Vom 3. bis 5. März 2023 ist Friedrichshafen wieder Dreh- und Angelpunkt für alle Fisch- und Aquariumsbegeisterten.

Weitere Informationen unter www.aqua-fisch.deund www.facebook.com/aquafischfriedrichshafen und #aquafisch.

Acanthodactylus scutellatus – Eidechsen zum Spaß haben

Auf deutsch nennt man Acanthodactylus „Fransenfinger-Eidechsen“. Diese auf sandige Böden spezialisierten Eidechsen haben nämlich fransenartige Anhänge an den Zehen, die eine schnelle Fortbewegung auf dem lockeren Boden erlauben. Aus Ägypten werden gelegentlich Arten aus dem Formenkreis um A. scutellatus importiert. Ich danke sehr herzlich dem Tropenparadies in Oberhausen (www.tropenparadies.org) für die Überlassung einiger Exemplare.

Zwei Männchen von A. longipes. Die Echsen dieser Gattung sind auffallend friedlich miteinander.

Die Gattung Acanthodactylus umfasst 46 Arten, es gibt sie in Asien, Afrika und eine Art auch in Europa. In Ägypten leben fünf davon. A. scutellatus besitzt in Ägypten eine fast identisch aussehende Schwesterart, die lange Zeit als A. longipes angesehen wurde. Erst 2007 erkannte Sherif M. Baha El Din, dass es sich dabei bei der Population im östlichen Ägypten in Wirklichkeit um eine der Wissenschaft bislang unbekannte Art handelt, die er als A. aegypticus neu beschrieb, während im Westen tatsächlich A. longipes lebt. Alle drei Arten, also A. aegypticus, A. longipes und A. scutellatus sehen sich zum Verwechseln ähnlich und kommen stellenweise sogar sympatrisch (= im gleichen Verbreitungsgebiet) vor. Ohne Vergleichs­material ist es sehr schwierig, sie auseinan­derzuhalten. Am leichtesten geht es bei Jungtieren, denn A. scutellatus hat als Jung­tier einen blauen, A. aegypticus und A. longipes einen gelben Schwanz. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind: Oberseite des Schienbeins (Tibia) mit kleinen, glatten Schuppen, meist mehr als 20 Oberschenkel­poren (Femoralporen): A. scutellatus; Ober­seite der Tibia mit vergrößerten, gekielten Schuppen, meist weniger als 20 Femoral­poren: A. aegypticus und A. longipes.

Die Detailaufnahme des Hinterbeines von A. longipes zeigt die Fransen an den Zehen und die vergrößerten, gekielten Schuppen der Tibia (Pfeil).

Im Prinzip ist es ja egal, welche der drei Arten man pflegt, denn sie sehen nicht nur sehr ähnlich aus, sondern unterscheiden sich auch bezüglich der Terrarienpflege nicht. Aber wenn man züchten möchte – und wer will das nicht – ist es selbstverständlich unerlässlich, die Paare richtig zusammen­zustellen. Da A. aegypticus, A. longipes und A. scutellatus im Handel nicht unterschieden und oft gemischt importiert werden ist das von großer praktischer Bedeutung.

Acantodactylus scutellatus, Männchen
Gemischter Import von Acanthodactylus scutellatus und A. longipes.

Viele Terrarientiere präsentieren sich leider etwas langweilig. Ganz anders Acantho­dacytlus scutellatus & Co. Da ist Leben in der Bude! Diese Eidechsen sind unerhört neugierig, wohl eine Anpassung an den dürftigen, natürlichen Lebensraum, wo das schnelle Erkennen einer potentiellen Mahlzeit über Sein oder Nichtsein entscheiden kann. Erstaunlicherweise ist die innerartliche Aggressivität dabei gering. Auch Frischfänge zeigen sich zudem kaum Scheu gegenüber dem Menschen. Ein Acanthodactylus-Terra­rium stellt daher ein faszinierendes Beo­bachtungsobjekt dar, an dem man sich kaum satt sehen kann.

Acantodactylus longipes, Weibchen

Acanthodactylus scutellatus sind relativ kleine Eidechsen, die Körperlänge beträgt etwa 7.5 cm, dazu kommt noch der Schwanz, der etwas über körperlang ist. Das Terrarium sollte aber trotzdem nicht zu klein sein. Wie schon erwähnt, liegt der besondere Reiz der Pflege dieser Art in der Beobachtung ihres Verhaltens und dazu brauchen die Tierchen Platz. In der Natur kann A. scutellatus auch extreme Wüstenbedingungen ertragen. Das bedeutet tagsüber furchtbare Hitze, nachts große Kälte. Immer herrscht Wasser- und Nahrungsmangel.

Das Gras Poa annua eignet sich gut zur Bepflanzung der „grünen Ecke“ im Wüstenterrarium.

Grundsätzlich richtet man darum ein Terrarium für A. scutellatus als Wüsten­terrarium ein. Der größte Teil der Boden­füllung sollte aus feinem Sand bestehen, den man 8-15 cm hoch einfüllt. Eine Ecke des Terrariums (man klebt sie am besten mittels eines Glasstreifens und Silikon wasserdicht ab) wird als Feuchtgebiet eingerichtet. Hier dient ein Blumenerde-Sand-Gemisch (1:1) als Substrat. In der feuchten Ecke wird der Trinknapf platziert (es sollte sich dabei um ein flaches Gefäß mit allerhöchstens 1 cm Wasserfüllstand handeln). Ein kleines Gras (gut geeignet ist Poa annua) dient als Feuchtigkeitsanzeiger. Man hält diese Ecke so feucht, dass das Gras nicht vertrocknet. Zwar muss man das Gras gelegentlich austauschen, dauerhaft wächst es nicht befriedigend, aber das ist bei der Häufigkeit von Poa annua ja kein Problem. Bei Acanthodactylus scutellatus besteht nicht – wie bei vielen anderen Wüstenarten – die Gefahr, dass Wasser in die Lunge inhaliert wird, weil die Tiere aus der Natur kein Wasser kennen und versuchen, sich im Wassernapf zu vergraben. Dennoch kann es nötig sein, das Wasser im Napf mittels einer kleinen Gießkanne oder eines Sprühers in Be­wegung zu versetzen, damit die Echsen es erkennen und trinken. Freilich ist das Trinkbedürfnis eher gering. Wichtig ist eine kräftige Beleuchtung, unter dem Wärme-Spot darf die Temperatur 45-50°C (es eignet sich, wenn man sonst gut beleuchtet, auch ein Wärmestein sehr gut) erreichen, im Gesamtterrarium darf die Temperatur aber 35°C nicht über­schreiten. Nachts sinkt die Temperatur durch das Ausschalten der Beleuchtung automa­tisch um 10-20°C ab, was gut für die Echsen ist. Eine mehrwöchige Winterruhe bei etwa 10°C verlängert das Leben der Tiere erheblich und erleichtert die Zucht. Grundsätzlich sollte bei der Beleuchtung eine Lampe mit UV-Anteil nicht fehlen.

Acanthodactylus scutellatus, Paarung

Die Geschlechter sind leicht zu unter­scheiden, Männchen werden größer, sind kontrastreicher gefärbt und haben dicke Hemipenistaschen. Es sind eierlegende Echsen, die Gelegegröße umfasst 2-4 Eier, die bei ca. 28°C zwischen 80 und 100 Tagen zur Entwicklung brauchen. Gewöhnlich suchen die Weibchen die feuchte Ecke zur Ablage des Geleges auf. Legen die Weibchen jedoch ihre Eier woanders ab, deutet das auf die falsche Temperatur (etwa 25-30°C sind günstig) oder zu große Nässe in der feuchten Ecke hin.

Die Ernährung von Acanthodactylus scutella­tus im Terrarium ist einfach. Jedes Insekt, das ins Maul passt, wird gefressen. Interessant und im sonstigen Reptilienreich nahezu einzigartig ist aber auch, dass dieser Fransenfinger sich zur Jagd verbünden kann. Ein eigentlich viel zu großes und viel zu hart gepanzertes Insekt, wie etwa ein Zophobas-Käfer, wird von den furchtlosen kleinen Echsen im Rudel attackiert, bis es bein- und fühlerlos daliegt und nach und nach verspeist werden kann.

Die Inkubation bei A. scutellatus bereitet keine Probleme, wie bei den meisten echten Eidechsen. Die Eier sind weichschalig und werden lediglich auf feuchte Zellstoff (Küchenrolle, Klopapier) gelegt. Das Ganze packt man in eine leere Heimchendose und ab damit in den Inkubator. Ich habe als Bruttemperatur 30°C eingestellt. Leider kann ich nicht genau sagen, wie lange die Eientwicklung dauert, weil ich das Gelege erst einige Zeit nach der Ablage durch Zufall fand: die Erwachsenen hatten das Ei bei ihren Wühlarbeiten freigelegt. So schlüpfte das gezeigte Jungtier schon nach 23 Tagen im Inkubator, aber es ist davon auszugehen, dass die Gesamtzeitigungsdauer bei dieser Art ca. 60-70 Tagen liegt. 

Frisch geschlüpftes Jungtier von A. scutellatus mit einem Ein-Cent-Stück als Größenvergleich.
Typisches Farbmerkmal von A. scutellatus-Kindern ist der bläuliche Schwanz (gelblich bei A. longipes und A. aegypticus.

Das Ei wurde täglich kurz kontrolliert und bei Bedarf der Zellstoff etwas nachbefeuchtet. Bei Schimmelbildung wechselt man den Zellstoff aus, das Ei ist nicht sehr empfindlich gegen Manipulationen, man muss nur aufpassen, dass es nicht gedreht wird. Der Schlupf kündigt sich durch feine parallele Linien an, die plötzlich entlang des Eies erscheinen. Die entstehen, wenn das schlupfreife Jungtier die Eischale mit dem so genannten Einzahn, der sich auf der Schnauzenspitze befindet und kurz nach dem Schlupf verschwindet, anritzt. In diesem Fall blieb das Jungtier noch einige Stunden im Ei, nachdem es den Kopf herausgestreckt hatte. Da darf man nicht ungeduldig werden! Ich habe lediglich ein wenig Wasser gesprüht, damit nichts antrocknen und verkleben kann. Gutgemeinte Befreiungsversuche bewirken meist nichts Sinnvolles. Ein Jungtier, das sich nicht selbstständig aus dem Ei befreien kann, ist ohnehin in aller Regel nicht lebensfähig. Wenn die Tierchen noch etwas im Ei bleiben, resorbieren sie gewöhnlich restlichen Eidotter, ein wichtiger Nährstoffschub für den Start ins Leben. Die ersten paar Tage nach dem Schlupf braucht man noch kein Futter anzubieten. Ich lasse das Tierchen einfach im Brutschrank, nur in einer unteren Stufe, wo es etwas kühler ist. Erst wenn sich der Nabel am Bauch vollständig geschlossen hat beginnt der nächste Abschnitt im Leben des Echsleins. Dazu ein andermal mehr…

Alles in allem ist Acanthodactylus scutellatus ein ideales Terrarientier, dessen Pflege und Zucht nur wärmstens empfohlen werden kann.

Frank Schäfer

Literatur:

Baha el Dhin, S. (2006): A guide to the reptiles and Amphibians of Egypt. Cairo, New York, 360 pp.

Baha el Dhin, S. (2007): A new lizard of the Acanthodactylus scutellatus group (Squamata: Lacertidae) from Egypt. Zoology in the Middle East 40: 21-32

Weiteren Lesestoff über Echsen finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=echsen


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Nannostomus anduzei – der kleinste aller Ziersalmler

Nano-Aquarien liegen im Trend. Es gibt eine ganze Reihe von Fischarten, die so klein sind, dass die Pflege in 8-10 Liter Wasser gut möglich ist. Allerdings ist der Betrieb von Nano-Aquarien für Anfänger nur sehr bedingt möglich, denn er setzt intensive Beschäftigung mit der Materie und ein gründliches Literaturstudium voraus.

Männchen. Population Venezuela

Es gibt zwischenzeitlich eine Reihe guter Bücher zu dem Thema. Da es ohnehin unabdingbar ist, mindestens eines davon gelesen zu haben, wenn man ein Nano-Aquarium zu betreiben plant, wird an dieser Stelle nicht weiter auf das Thema einge­gangen. Statt dessen soll hier eine Fischart vorgestellt werden, deren Import gelegentlich erfolgt und die sich für ein solches Nano-Aquarium geradezu anbietet.

Weibchen. Population Venezuela

Denn Nannostomus anduzei wird höchstens 1.8 cm lang und ist damit die kleinste Art der Ziersalmler. Seine Heimat liegt im Orinoko und im Rio Negro. Bis vor wenigen Jahren wurde die Art immer nur zufällig, als sogenannter Beifang mit Blauen Neon­fischen (Paracheirodon simulans) aus Vene­zuela importiert. Dieter Bork gelang mit diesen Fischen bereits 1997 die Zucht, ein ausführlicher Zuchtbericht erschien in der AqualogNews No 7. Hier nochmal der Artikel für alle, die dieses Heft nicht besitzen:

Nannostomus anduzei Fernandez & Weitzman, 1987

Innerhalb der Familie der Schlanksalmler oder Lebiasinidae umfaßt die Gattung Nannostomus Günther, 1872 (hier inkl. der Gattung Nannobrycon), derzeit fünfzehn (Anmerkung d. Red: aktuell (2022) sind es 20 Arten) wissenschaftlich beschriebene Arten. Im aquaristischen Fachhandel werden jedoch meist nur sechs Arten angeboten, nämlich N. beckfordi Günther, 1872, N. harrisoni Eigenmann, 1909, N. marginatus, Eigenmann, 1909, N. trifasciatus Steindachner, 1876, sowie die beiden schrägstehenden Arten N. eques (Steindachner, 1876) und N. unifasciatus (Steindachner, 1876). Die beiden Arten N. britskii und N. limatus blieben bisher in der Aquaristik völlig unbekannt. Über ihr Aussehen bzw. ihre Färbung wissen wir so gut wie nichts. Die restlichen Arten sind zwar aquaristisch leidlich bekannt, jedoch im Fachhandel mangels entsprechender Importe nicht erhältlich. Von den zwei Arten N. digrammus (Fowler, 1913) und N. anduzei Fernandez & Weitzman, 1987, gelangen gelegentlich einige wenige Tiere als Beifänge nach Europa.

Nannostomus anduzei, Männchen, beginnende Laichstimmung (Venezuela)

So kommt auch der Letztgenannte zuweilen in Gemeinschaft mit Paracheirodon simulans, dem Blauen Neonfisch, in den Fachhandel. Oft genug werden die Tiere wegen ihrer geringen Länge von maximal 1,8 cm übersehen. Mit dieser Gesamtlänge ist N. anduzei die kleinste Art der Gattung. Zum Gattungstyp wurde übrigens N. beckfordi bestimmt. Die Autoren Fernandez & Weitzman beschrieben diesen hübschen Zwergziersalmler zu Ehren von und zum Dank an Herrn Dr. Pablo Anduze für seine intensive Unterstützung bei der Erforschung der Fischfauna im südlichen Venezuela. Die Belegexemplare dieser relativ neuen Art stammen aus einer Sammlung in einer Klarwasserlagune etwa 15 km nördlich von Puerto Ayacucho im Bereich des oberen Rio Orinoco. Die Temperatur in dieser Lagune betrug nahezu 30°C, der pH-Wert schwankte lokal zwischen 5,0 und 7,0. Ein zweiter Fundort wurde im nördlichen Brasilien bekannt. Dr. Weitzman erhielt im Frühjahr 1987 eine Sammlung von Fischen aus dem Gebiet des Rio Madeira und des Rio Negro zur Identifikation. Ein Teil dieser Tiere gehörte ebenfalls der Art N. anduzei an. Diese Tiere wurden im Gewässer eines Savannengebietes im Einzugsgebiet des Rio Negro gesammelt. Bei diesem Gewässer handelte es sich um einen Teil des Rio Ererê, der, von Norden kommend, etwa 250 km NW der Mündung des Rio Branco in den mittleren Rio Negro mündet, noch vor der Einmündung des in letzter Zeit durch Zwergcichlidenfänge bekanntgewordenen Rio Padauari. Bei diesem Fundort handelt es sich umein Schwarzwasserbiotop. Die Tiere aus dem Gebiet um Puerto Ayacucho unterschieden sich in der Färbung nicht von den Tieren aus dem Gebiet des Rio Ererê in Brasilien. Bei den Männchen der brasilianischen Form ist jedoch die Afterflosse deutlich länger als bei den Tieren aus Venezuela.

Nannostomus anduzei, laichreifes Weibchen (Venezuela)

Abweichend von allen anderen Nannostomus -Arten zeigt N. anduzei in der Nachtfärbung keinerlei dunkle Flecken- oder Balkenzeichnung. In der Nachtfärbung wirken die Tiere sehr transparent und zeigen darüber hinaus nur einen leicht goldenen Glanz. Das Rot in der Afterflosse und in der Schwanzflossenbasis ist dann ebenfalls nur noch andeutungsweise vorhanden. Die als Beifänge nach Europa eingeführten Tiere stammen wahrscheinlich ausschließlich aus dem Einzugsgebiet des Rio Ererê. Für die Pflege von N. anduzei reichen bereits Kleinaquarien von zehn bis dreißig Litern Inhalt aus. Bei einer Gesamthärte von 10°dH und einem pH-Wert um oder leicht unter 7,0 lassen sich die hübschen Tiere bei etwa 27°C problemlos pflegen. Als Futter eignet sich, bedingt durch die geringe Größe der Tiere, gesiebtes Tümpelfutter, gelegentlich kleine Grindalwürmchen oder vorwiegend Artemia-Nauplien. Zusätzlich kann von Zeit zu Zeit feines Trockenfuter angeboten werden.

Bei der Pflege eines kleinen Schwarms von sechs bis zwölf Tieren unter den genannten Bedingungen im Artenbecken wird man bald die ersten Balzversuche der Männchen beobachten können. Hier sind es besonders die dominanten Tiere (Männchen), bei denen die große Afterflosse sowie die Basis der Schwanzflosse blutrot aufleuchten. Das goldene Längsband wird von einem zarten hellen Grün überlagert und der bräunliche Rücken sowie das ebenfalls bräunliche Band unterhalb der goldgrünen Längsbinde verfärben sich in ein Graubraun. Spätestens bei diesen Beobachtungen stellt sich die Frage einer Nachzucht dieser ebenso seltenen wie hübschen Pfleglinge.

Obwohl ich sehr oft Balzspiele beobachten konnte, habe ich die Tiere nie ablaichen sehen. Aus diesem Grund habe ich mich zu einem Ansatz im Schwarm von vier Männchen und sechs Weibchen entschlossen, Tiere, die ich inzwischen alle aus Importen von Paracheirodon simulans ausgelesen hatte. Zu diesem Zweck wurde ein acht Liter Becken hergerichtet. Zwei Drittel des Beckens wurden dicht mit Javamoos ausgepolstert, die Wasseroberfläche mit Ceratopteris abgedeckt. Das verwendete Quellwasser hatte einen pH-Wert von 6,3 und die Gesamthärte betrug 2°dH. Für zehn Tage beließ ich die Tiere im Ansatz. Täglich wurde mit Artemia-Nauplien gefüttert. Die Futterreste sammelten sich im vorderen, hellen Teil des Ansatzbeckens und wurden jeden zweiten Tag vorsichtig abgesaugt. Frisches Quellwasser ersetzte das mit dem Absaugen entfernte Beckenwasser.

Nannostomus anduzei, balzaktives Männchen (Venezuela)

Drei Tage nach dem Herausfangen der Zuchtiere konnte man die ersten winzigen Jungfische an der Scheibe hängen sehen. So konnte ich einen einzelnen auch direkt an der Scheibe vermessen: er wies bereits eine Länge von 3 mm auf, hatte eine grauweiße Färbung und war sehr dünn. Das Kopfende mit den gut erkennbaren Augen (im Vergrößerungsglas) war deutlich verdickt. Vorsichtig wurden jetzt jeden zweiten Tag ein bis zwei Tropfen Liquifry mit dem Finger im Zuchtbecken verwirbelt. Mit Beginn der dritten Woche wurden zusätzlich einige Artemia-Nauplien ins Becken gegeben, doch konnte eine Aufnahme der Nauplien nicht festgestellt werden. Nach drei Wochen wurden vorsichtig alle Pflanzen entfernt. Leider konnten nur sechs Jungfische mit einer Körperlänge von etwa vier Millimetern, aber jetzt schon deutlicher Körpermasse festgestellt werden. Durch die besseren Beobachtungsmöglichkeiten ließ sich jetzt auch die Aufnahme der Artemia-Nauplien beobachten. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits erstmals vorsichtig etwas Mulm abgesaugt und das fehlende Wasser durch Frischwasser ersetzt. Einige an weiches Wasser gewöhnte Posthornschnecken wurden zur Beseitigung von Nahrungsresten eingesetzt.

Nannostomus anduzei, Larve

Obwohl dieser erste Zuchtversuch nur mit einem sehr bescheidenen Ergebnis endete, zeigte er doch, daß die Nachzucht dieser Zwergziersalmlerart möglich ist. N. anduzei ist möglicherweise, wie seine Verwandten, ein arger Laichräuber. Unter diesem Gesichtspunkt könnte der paarweise Ansatz ergiebiger sein. Sicher lassen sich die Zuchtergebnisse soweit verbessern, daß die Arterhaltung im Aquarium für den engagierten Liebhaber möglich ist.

Soweit Dieter Bork.

Männchen und Weibchen sind leicht zu unterscheiden, denn die Männchen besitzen eine auffällig vergrößerte, rote Afterflosse. Bezüglich der Körperform sind N. anduzei typische Nannostomus, also von zigarren­förmiger Gestalt. Geschwommen wird in ersten Linie mithilfe der Brustflossen, die die niedlichen Fische wie kleine Zeppeline durch das Wasser bewegen. Nur wenn sie einmal schnell schwimmen müssen wird auch die Schwanzflosse zum Vortrieb genutzt.

Inzwischen werden diese Winzlinge ab und zu (2-3x pro Jahr) auch rein sortiert importiert und zwar nicht nur aus Venezuela, sondern auch aus dem brasilianischen Verbreitungsgebiet, dem Rio Negro. Optisch unterscheiden sich die beiden Populationen nicht. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die beiden Populationen genetisch so weit auseinander entwickelt haben, dass sie sich langfristig (also über viele Generationen) nicht mehr miteinander fortpflanzen können. Darum ist es, wenn man Zuchtabsichten hegt, wichtig, sich von vornherein eine ausreichende Anzahl von Tieren (15-20 Exemplare) anzuschaffen, da die Herkunft der Tiere im Handel meist nicht bekannt ist und es darum schwierig werden kann, genetisch passende Fische nachzukaufen.

Frank Schäfer

P.S. Literatur zum Thema „NANO“ finden Sie bei animalbook.de

PPS: Eine komplette Übersicht über alle wissenschaftlich bekannten Nannostomus-Arten – plus einige weitere Varianten – finden Sie im Bookazine No. 4: https://www.aqualog.de/produkte/news-bookazine-nr-4-fruehjahr-2018/


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Hyphessobrycon saizi – gold, normal und extraschick

Der häufigste „Goldtetra“ im Handel kommt aus Kolumbien und wird grundsätzlich unter falschem Namen gehandelt. Man findet ihn, landauf-landab, für wenig Geld unter dem Namen Hyphessobrycon eos im Handel.

Hyphessobrycon eos aus Guyana. Diese Art ist leider nicht im Handel verfügbar. Abbildung aus Eigenmann, 1912

Die Art Hyphessobrycon eos gibt es tatsächlich, sie wird aber nicht im Aquarium gepflegt. H. eos Durbin, 1909, stammt aus Guyana und von dort erfolgen gegenwärtig keine nennenswerten Exporte. Schade, denn Jonathan Armbruster hat ein Bilder der Art in Flickr publiziert, das einen ganz hübschen Fisch zeigt (https://www.flickr.com/photos/jonarmbruster/15464514263/).

Wie dem auch sei, der aus Kolumbien (und manchmal auch aus Venezuela und Peru) importierte Goldtetra ist Hyphessobrycon saizi, wie Axel Zarske herausfand. Über die Ursachen des Goldglanzes habe ich an dieser Stelle bereits einmal geschrieben, siehe https://www.aqualog.de/blog/ein-kleines-goldstueck/

Hier nur ganz kurz zusammengefasst: Der Goldglanz entsteht durch die vermehrte Ausschüttung des Farbstoffes Guanin in der Haut, die durch die Infektion mit Wurmlarven hervorgerufen wird. Für die Würmer sind die Fische nur Zwischenwirte. Die Fische infizieren sich, indem sie infektiösen Vogelkot fressen. Geschieht das, so wandern die Wurmlarven in die Muskulatur der Fische ein, wo sie sich verkapseln. Im Grunde genommen ist das, auch wenn es eklig klingt, harmlos und die infizierten Fische leben – zumindest im Aquarium – genau so lange wie ihre nicht infizierten Artgenossen. Aber durch die auffällige Goldfärbung erregen sie die erhöhte Aufmerksamkeit von fischfressenden Vögeln – den Endwirten der Würmer. Wird ein Goldtetra von einem Vogel gefressen, schlüpfen in dessen Darm die verkapselten Wurmlarven, entwickeln sich weiter zum geschlechtsreifen Wurm. Jene produzieren große Mengen Eier, die mit dem Kot des Vogels ausgeschieden werden – und dasSpiel beginnt von Neuem.

Der normalfarbene Hyphessobrycon saizi ist meist ganz nett, aber keineswegs besonders auffällig gefärbt. Doch einmal brachte mir Manfred Keim, damals Fischmeister bei Aquarium Glaser, einen kleinen Beifang, der mit Salmlern aus Venezuela mitgekommen war. Dieses Fischchen entpuppte sich im Fotobecken als ein alter Bekannter, nämlich Hyphessobrycon saizi, aber was für eine hübsche Variante!

Hyphessobrycon saizi, normalfarbenes Exemplar aus Kolumbien.
Hyphessobrycon saizi, goldfarbenes Exemplar aus Kolumbien
Hyphessobrycon saizi, hübsches rotschwänziges Tier aus Venezuela

Mit einer Maximalgröße von etwa 2,5- 3 cm passt Hyphessobrycon saizi hervorragend in jedes gut gepflegte Gesellschaftsaquarium. Er ist ein typischer Begleitfisch des kolumbianischen Roten Neons und diese Art ist ein perfekter Kontrastfisch zum „Kleinen Silbersalmler“.

Frank Schäfer

Literatur:

Eigenmann, C. H. (1912): The freshwater fishes of British Guiana, including a study of the ecological grouping of species, and the relation of the fauna of the plateau to that of the lowlands. Memoirs of the Carnegie Museum v. 5 (no. 1): i-xxii + 1-578, Pls. 1-103.

Zarske, A. (2013): Hyphessobrycon saizi Géry, 1964 – der Kleine Silbersamler, seit Jahren inkognito. Aquaristik Fachmagazin 229 (Februar/März 2013): 42-46


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Die Menschenfresser von Orissa

Alle Krokodilarten sind in ihrem Be­stand bedroht. In vielen ihrer Ursprungsländer werden daher An­stren­gun­gen zu ihrem Schutz unter­nommen. Eines der wichtigsten Hilfs­mittel ist dabei die Nachzucht auf Farmen. Auch solche Arten, die nach­weislich dem Menschen ge­fährlich wer­den können, werden nach­gezüchtet und ausgesetzt, um ihren Be­stand zu erhöhen. Hierzu zählt das Sumpf- oder Brackwasserkrokodil, Crocodylus palustris, aus Indien. In seiner Heimat wird das Tier auch als „Mugger“ bezeichnet.  Es wird etwa 4 m lang.

Das im Text beschriebene Weibchen; über dem rechten Vorderbein fliegt (unscharf) eine Futterkrabbe herbei.

Im Bhitarkanika-Nationalpark im in­dischen Bundesstaat Orissa hatte ich Gelegen­heit, eine Zuchtfarm zu be­suchen. Die Tiere werden dort mit Krabben (Sesarma sp.) gefüttert, die in der Mangrove massenhaft vorkommen. Durch Klopfen an den Blecheimer, der die Krabben enthält, werden die Tiere (Zuchttiere sind außerhalb der Paarungs­­­zeit einzeln untergebracht) ange­lockt. Die Aufnahmen zeigen ein etwa 2 m langes Weibchen bei der Futter­auf­nahme. Ich konnte mich dem Tier dabei bis auf etwa 3 m innerhalb des Geheges nähern, ohne dass es sich bedroht fühlte. Dem Männchen von etwa 2,5 m Länge im Nachbargehege traute ich nicht so sehr. Es hatte irgend­wie einen un­sympathischen Gesichts­ausdruck…

Sofort schnappt das scheinbar teilnahmslos daliegende Tier zu.

In der Freiheit sind die großen Echsen äußerst scheu, selbst im Nationalpark, wo sie nicht verfolgt werden. Wir konnten zwar zahlreiche „Krokodil­rutschen“ am Ufer sehen, doch trotz intensiver Suche in der Dämmerung nur zwei kleinere Exemplare (unter 1 m Länge) sichten, die schleunigst ab­tauchten.

Krokodilrutsche am Ufer des Mahanadi.

Die am Fluß lebenden Menschen haben einen großen Respekt vor den Kroko­dilen und unser Führer bekam jedesmal fast einen Herzinfarkt, wenn ich mich dem Ufer zu sehr näherte, um nach Fischen oder Krabben zu sehen. Um so lobens­werter sind die An­strengungen, die zum Schutz der Tiere betrieben und von der Be­völkerung mit getragen werden! Immer­hin sind diese Tiere eine reale Gefahr. In Europa und den USA bricht jedesmal eine regelrechte Panik aus­, wenn sich ein Wolf in zivilisierte Gegenden verläuft. Dabei gab es bislang keinen einzigen verbürgten Angriff eines (gesunden) Wolfes auf den Menschen!

Menschenfressende Krokodile sind im Gegensatz hierzu kein Märchen. Im Magen eines mensch­fressenden Exemplares des Muggers, das Anfang des letzten Jahrhunderts erlegt wurde, fanden sich 12 Pfund Schmuck, der im Indischen Museum in Kalkutta ausgestellt ist!

Für viele Krokodilarten hat sich der Einsatz gelohnt und die Bestände nehmen zu. Dabei zeigt es sich, dass es für den Artenschutz günstig ist, wenn ein Teil der Tiere, die in den Farmen erzüchtet werden, vermarktet, also zu Krokodilleder-Produkten verarbeitet werden. Das dabei anfallende Fleisch ist wohlschmeckend und kann ebenfalls in den Verkauf gelangen. Überall, wo Krokodile nur auf dem Papier geschützt werden und ihre Vermarktung strikt verboten ist, findet weiterhin illegale Jagd statt, teils, um die Beute zu verkaufen, teils aber auch, um die als Bedrohung und als lästige und überflüssige Nahrungskonkurrenten gefürchteten Tiere loszuwerden. In Gegenden hingegen, in denen die Tiere gezüchtet und auch vermarktet werden dürfen, erholen sich auch die wildlebenden Bestände. Das kommt größtenteils daher, weil die illegale Jagd durch das preiswerte und stets verfügbare Angebot gezüchteter Exemplare unlukrativ wird. Aber es ändert sich auch die Einstellung zum Tier, wenn es Menschen einen Lebensunterhalt ermöglicht.

Die Einrichtung von Schutzgebieten einerseits und die kommerzielle Zucht von lokalen Krokodilpopulationen anderseits sind der Weg, der das Aussterben der Krokodile verhindern kann. Gesetze können es nicht.

Frank Schäfer


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Mein erster Selbstgefangener: Rasbora vulcanus

Ich glaube, jeder Naturliebhaber, der sich für die Tier- und Pflanzenwelt der Tropen interessiert und davon träumte, diese Wunderwelt einmal mit eigenen Augen zu schauen, wird sich zeitlebens an das erste Tier oder die erste Pflanze erinnern, die gesammelt wurde, wenn der Traum in Erfüllung ging.

Bei mir war das ein Bärbling, eine Rasbora. Es war 1983, ich hatte gerade Abitur gemacht, war 18 Jahre alt und wollte unbedingt in die Tropen, um Fische zu fangen. Sumatra sollte es sein, diese riesige Zauberinsel, vollgepackt mit mythischen Tieren. Heimlich träumte ich davon, das schon ausgestorben geglaubte Sumatra-Nashorn wiederzuentdecken oder zumindest einen neuen Kampffisch zu finden. Doch zunächst musste ich einige Wochen in einem Möbelhaus arbeiten, um das Geld für die Reise zusammenzubekommen. Schließlich kam ich in Padang, West-Sumatra, an. Ich konnte dort zunächst bei Freunden einer Freundin meiner Eltern wohnen, die mir auch einen Reisebegleiter, einen indonesischen Sportstudenten namens Sam, vermittelten.

Nassreisfeld bei Padang, West-Sumtra

Sams Englisch war so mies wie meines, für Fische interessierte er sich nur insofern, als dass man sie essen konnte und es dauerte ein paar Tage, bis wir wussten, was wir voneinander zu halten hatten. Ich suchte in erster Linie Kampffische (Betta). Aus der Literatur wusste ich, dass es die in Reisfeldern geben soll. Also erklärte ich das Sam so gut ich konnte. Der tat sein Bestes. Wir fuhren los, mit den lokalen öffentlichen Tuktuks und Kleinbussen, denn einen eigenen Wagen mit Fahrer gab der Etat nicht her. Etwas außerhab von Padang stiegen wir aus, eine dichte Traube interessierter und ansonsten beschäftigungsloser Knaben und Mägdelein versammelte sich rasch um die komische Langnase mit den Keschern am Stiel und so ging es quer durchs Dorf. Irgendwann kamen wir an einem Entwässerungskanal eines Reisfeldes an. Lehmtrübes Wasser, hohe Fließgeschwindigkeit, ziemlich tief. Zu tief, um reinzusteigen. Eine gewaltige Zuschauermenge beobachtete mich jetzt bei meinen ersten, ungeschickten Fangversuchen. Irgendwann waren trotzdem Fische im Netz. Ziemlich farblose Genossen, Rasboren, das erkannte ich, ansonsten kannte ich die Art nicht. Schließlich fand ich noch Barben, die noch farbloser waren als die Rasboren (es waren Systomus bimaculatus im weitesten Sinne), Hechtlinge (Aplocheilus panchax) und Grundeln. Ich wollte aber unbedingt Kampffische! Also wusste ich meine neu erbeuteten Schätze zunächst gar nicht recht zu würdigen. Ich nahm aber trotzdem einige der Rasboren mit, worüber ich im nachhinein sehr glücklich war. Sechs Wochen später ging es zurück in die Heimat, im Gepäck auch die Rasboren vom ersten Fangtag.

In Neutralfärbung und erschreckt vom Fang sind Rasbora vulcanus wenig attraktiv.

Die Bestimmung zuhause ergab zunächst, dass es sich um Rasbora reticulata handelte, eine aquaristisch wenig bekannte Art. Ich konnte sie sogar erfolgreich nachzüchten und hatte irgendwann rund 100 Exemplare, denn kaufen wollte die damals niemand. Tja, so ließ ich sie dann wieder in meinen Aquarien aussterben, denn ich hatte und habe nie genug Platz. Aber ich fand es schade, denn eingewöhnte Tiere waren richtig hübsch, mit orangeroten Flossen und einem leuchtenden, kupferfarbenen Längsband.

1999 wurden „meine“ Rasboren dann als neue Art beschrieben. Rasbora vulcanus nannte sie H. H. Tan, der herausgefunden hatte, dass die „echte“ Rasbora reticulata nur auf der kleinen, Sumatra vorgelagerten Insel Nias vorkommt. Und unter ihrem richtigen Namen – also Rasbora vulcanus – wird sie jetzt ab und zu für den Zierfischhandel importiert. Der Name „vulcanus“ bezieht sich auf die vielen Vulkane in West-Sumatra und die feurig rötlichen Flossen der Fische.

Eingewöhnte, balzaktive Rasbora vulcanus sind sehr schöne Fische.

Ich habe jetzt wieder einige dieser etwa 4-5 cm langen Rasboren in einem meiner Becken schwimmen und denke bei ihrem Anblick gern an mein erstes großes Abenteuer zurück, wenn ich nun, viel älter und viel, viel dicker in meinem Tierzimmer zwischen den Aquarien und Terrarien stehe…

Frank Schäfer


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Endlich wieder einmal importiert: Phractolaemus ansorgii

Wenn man diesen walzenförmigen, unscheinbar gefärbten Fisch unvoreingenommen betrachtet, so hält man ihn  sicher nicht für etwas Besonderes. Und doch ist er es. Die Art Phractolaemus ansorgii – auf deutsch auch Schlammfisch genannt – ist die einzige Art einer eigenen Familie, der Phractolaemidae. Die Familie ist eine ziemlich ranghohe systematische Einheit, gewöhnlich werden viele Gattungen und Arten hier zusammengefasst. Die Familie der Buntbarsche (Cichlidae) enthält z.B. 227 Gattungen mit über 1.600 Arten. Die nächsten Verwandten des Schlammfisches sind einerseits die Ohrenfische (Kneriidae), mit denen sie manchmal auch zusammengefasst werden (dann wären die Schlammfische eine Unterfamilie Phractolaeminae in der Familie Kneriidae), es bestehen aber auch anatomische Übereinstimmungen mit den Knochenzünglern und hier besonders zu den Schmetterlingsfischen (Pantodon).

Männchen des Schlammfisches entwickeln weißliche Knötchen auf der hinteren Körperhälfte. Exemplar aus Nigeria.

Jedenfalls sind Schlammfische ganz besondere Tiere mit ihrem röhrenförmig vorstreckbaren Mäulchen, ihrer Luftatmung und den verlängerten Nasenöffnungen. Früher wurden sie ab und zu importiert, die ersten Importberichte stammen aus dem Jahr 1906. Die wissenschaftliche Beschreibung erfolgte 1900 durch Boulenger, der die Art dem Entdecker W. Ansorge widmete, der den Schlammfisch im Nigerdelta entdeckte. Von dort kamen bis in die 1990er Jahre auch die stets seltenen Importe. Diese in den 1990ern importierten Tiere erwiesen sich immer als äußerst hinfällig, weshalb der Import schließlich eingestellt wurde. Warum die Schlammfische so empfindlich waren, ist unbekannt. Alte Berichte, wie der von Arthur Rachow aus dem Jahr 1928 (Handbuch der Zierfischkunde), schildern das Tier als leicht zu pflegen. Es soll wärmebedürftig sein (nicht unter 22°C), aber in Bezug auf die Behältergröße, Filterung etc. völlig anspruchslos. Die Nahrung soll aus allerlei Kleintieren, aber auch pflanzlichem Material bestehen, das aus dem Boden herausgegründelt wird, wobei immer viel Schlamm aufgewirbelt wird. Sogar Schabefleisch soll das Tier im Aquarium fressen.

Vielleicht sind unsere modernen Aquarien einfach zu sauber?

Bei dem Import aus dem Kongo fiel mir auf, dass eher rötliche und eher schwarze Exemplare im Import enthalten waren. Solche Farbunterschiede sind mir bei den nigerianischen Tieren nie aufgefallen; diese waren einheitlich braun. Ein Geschlechtsunterschied ist die Färbung jedenfalls nicht.

Weibchen von Phractolaemus ansorgii aus Nigeria. Die Art soll 15-20 cm lang werden können.

Ich habe mich sehr gefreut, dass gestern seit vielen, vielen Jahren wieder einmal Schlammfische bei Aquarium Glaser eintrafen. Diesmal sind es Tiere aus dem Kongo. Ich habe ein kleines Aquarium mit Schlammboden und Zisternenwasser vorbereitet, in das morgen einige Exemplare einziehen sollen. Vielleicht gelingt es ja doch noch, ihnen im Aquarium ihre Lebensgeheimnisse zu entlocken, vielleicht sogar, sie zu züchten – es sind solche Herausforderungen, die dafür sorgen, dass Tier- und Pflanzenpflege niemals zur langweiligen Routine werden!

Frank Schäfer

Portrait eines jungen Schlammfisches aus Nigeria.


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Der Rote von Rio – Überleben dank der Aquaristik

Der Rote von Rio (Hyphessobrycon flammeus) gehört zu den häufigsten Fischen im Zoofachhandel. Seit gut 100 Jahren wird er im Aquarium gezüchtet. Doch nur die wenigsten wissen, dass die Art in der Natur stark vom Aussterben bedroht ist.

Gut gefärbtes Weibchen von Hyphessobrycon flammeus

Die ersten Roten von Rio wurden 1920 in die USA exportiert. Zunächst identifizierte man die Fische als Hyphessobrycon bifasciatus, den Gelben von Rio, doch stellte der amerikanische Fischkundler George S. Myers 1924 fest, dass es sich um eine bislang wissenschaftlich unbekannte Art handelte und beschrieb sie als Hyphessobrycon flammeus. Die der Erstbeschreibung zugrunde liegenden Exemplare waren bereits Nachzuchtfische. Erst 20 Jahre später konnte Myers vor Ort nach dieser Art fahnden, die es ausschließlich in der Umgebung von Rio de Janeiro gibt. Myers fand sie in Bächen in kleinen Wäldchen, das Wasser der Bäche war tiefbraun oder klar.

Roter von Rio, Männchen

In Museen kaum vorhanden
Auch wenn es seltsam erscheint: dieser kleine Fisch – die Art gehört zu den kleinsten Salmler-Arten und wird nur 2,5-3 cm lang – ist in kaum einem Museum der Welt vorhanden, jedenfalls nicht als wildgefangenes Material. Dabei handelt es sich um einen der weltweit häufigsten Zierfische überhaupt, zu Abermillionen werden diese bunten, problemlosen Fische gezüchtet. Zuchtschwerpunkt ist heutzutage Südostasien, doch beschäftigen sich auch Zuchtbetriebe in Europa und den USA mit der Art. Es erscheint höchst fraglich, ob überhaupt seit dem Erstexport 1920 jemals wieder Wildfänge von Hyphessobrycon flammeus im internationalen Tierhandel auftauchten.

Junges Männchen des Roten von Rio

Ist der Rote von Rio schon ausgestorben?
Die letzten wissenschaftlichen Nachweise aus der Region Rio de Janeiro erfolgten 1972. Seither wurde die Art nicht wieder So fand z.B. Dr. Christian Steinberg ganz unerwartet Bestände in küstennahen Schwarzwasserrlagunen, aber auch diese Populationen sind durch Industrieanlagen bedroht.aus diesem Gebiet gemeldet. Ausgestorben muss sie deshalb aber noch nicht sein. So fand z.B. Dr. Christian Steinberg ganz unerwartet Bestände in küstennahen Schwarzwasserlagunen, aber auch diese Populationen sind durch Industrieanlagen bedroht.

Hans-Georg Evers, der erfahrene brasilienreisende Aquarianer und Redakteurs-Kollege (er war Chef-Redakteur der ”Amazonas”) schrieb mir dazu: ”Rote von Rio habe ich auf etwa 10 Reisen in den 90er Jahren in allen möglichen Biotopen im Bundesstaat Rio de Janeiro gesucht. Es handelt sich um Bewohner von Schwarzwassersümpfen. Gefunden habe ich sie nur ein einziges Mal, müsste schauen, ob ich da noch Infos finde. Ich glaube, es war so um 2000 rum. Die Art ist definitiv sehr selten geworden, da die Lebensräume zerstört wurden. Das betrifft ja noch mehr Endemiten aus dieser Ecke. Weiter südlich wird die Art bereits von H. reticulatus und H. griemi abgelöst, die solche Lebensräume besiedeln. Leider wurde Nannostomus beckfordi vor einigen Jahrzehnten ausgesetzt, die den Roten von Rio ebenfalls das Leben schwer machen könnten.
Weiter nördlich nach Espirito Santo rauf gibt es keine Sümpfe, ist es viel trockener. Um Deine Frage zu beantworten: Ja, extrem gefährdet. Helmut Stallknecht pflegte seinen Stamm über 40 Jahre lang. Auch andere alte Aquarianer hatten diese Fische so lange. Ich glaube kaum, dass irgendwo mal frisches Blut reinkam. Ich habe damals keine Tiere mitgenommen, da es am Anfang der Reise war und ich nur wissen wollte, ob sie noch da sind.
Die Tiere heutzutage haben mit den Wildtieren kaum noch Ähnlichkeit, was die Farbintensität anbelangt. Ich glaub ich muss wirklich mal schauen, ob ich noch irgendwo ein Dia finde. Ich erinnere mich nur noch, dass es eine üble stinkende Brühe war und ich der Einzige, der Bock hatte, da reinzugehen.”


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Neue Vorkommen entdeckt
Seit 2004 steht der Rote von Rio in Brasilien als bedrohte Art unter Schutz. Ohne wirksamen Biotopschutz ist dieser Schutzstatus allerdings nichts wert. 1977 entdeckte man plötzlich in der recht gut untersuchten Region des oberen Rio Tiete Tiere Vorkommen des Roten von Rio, die dort offenbar recht individuenreich und regelmäßig in wissenschaftlichen Aufsammlungen enthalten sind. Die jüngste erfolgte erst kürzlich – 2011 – und nichts deutet darauf hin, dass die Bestände des Roten von Rio im Oberlauf des Tiete rückläufig sind. Leider geht aber dieses Vorkommen vermutlich auf ausgesetzte Aquarienexemplare zurück – schade, schade.

Der Rote von Rio ist eng mit dem Gelben von Rio, Hyphessobrycon bifasciatus, verwandt. Hier ein Wildfang-Jungtier von H. bifasciatus mit hübsch roten Flossen.
Erwachsene Wildfänge vom Gelben von Rio brauchen oft lange, bis sie gute Farben zeigen. Darum sind sie im Handel kaum jemals erhältlich. Hier zwei erwachsene Wildfangexemplare, bei denen man den doppelten Schulterstreifen, den die Art mit H. flammeus gemein hat, erkennen kann.
Beim Gelben von Rio sind oft viele Exemplare mit der harmlosen „Goldstaubkrankheit“ befallen. Das macht den Tieren nichts aus, ist aber nicht vererbbar.

Unbedingt erhalten!
Das Beispiel des Roten von Rio zeigt sehr deutlich, wie wichtig es sein kann, dass wir unsere Aquarienstämme erhalten. Auch wenn eine solche Erhaltungszucht aufgrund der genetischen Verarmung nicht unproblematisch ist: es ist immer noch besser, eine Art in Gefangenschaft zu erhalten, als dass sie endgültig und unwiderbringlich von unserem Planeten verschwindet.

Der Koalitionsvertrag bedroht den Roten von Rio! Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien ist festgeschrieben, dass man sich für einen Importstopp von Wildfängen  in die EU zum Zwecke der privaten Tierhaltung einsetzen möchte. Man muss ganz klar sehen, dass es sich dabei um eine rein ideologische Forderung handelt. Wissenschaftliche Argumente für ein solches generelles Importverbot gibt es nicht, schon deshalb nicht, weil nicht der Handel mit lebenden Exemplaren, sondern ausschließlich die Zerstörung des Lebensraumes eine Bedrohung für den Fortbestand von Kleintierarten ist – wie beim Roten von Rio. Nun mag man argumentieren, dass es vom Roten von Rio ja keine Wildfänge im Handel gibt und sie deshalb nicht von diesem Handelsverbot betroffen seien. Das ist zwar auf dem Papier richtig, aber in der Praxis kann ein Grenzbeamter wildfarbene Nachzuchten nicht von Wildfängen unterscheiden. Wenn es wirklich ein solches EU-weites Verbot geben wird, brächte es darum mit Sicherheit jeglichen legalen Handel mit Wildformen von Zierfischen zum erliegen, egal ob Wildfang oder Nachzucht. Natürlich ist Europa nur ein Teil des Weltmarktes für Zierfische, in den USA, Kanada, Russland und großen Teilen Asiens gibt es auch enthusiastische Aquarianer*innen, die weiterhin den Roten von Rio pflegen und züchten werden. Aber es wäre doch sehr schade, wenn die in der EU lebenden Aquarianer*innen aufgrund von ideologischer Verbiesterung aus dem Kampf für den Erhalt der Biodiversität ausgegrenzt würden.

Bitte unterstützen Sie die Initiative Rette den Artenschutz!

Frank Schäfer

Literatur:
Carvalho, F. R., de Jesus, G. C. & F. Langeani (2014): Redescription of Hyphessobrycon flammeus Myers, 1924 (Ostariophysi: Characidae), a threatened species from Brazil. Neotropical Ichthyology v. 12 (no. 2): 247-256.

Schwarze Spitzschwanzmakropoden

Alle Autoren, die je über Schwarze Spitzschwanzmakropoden (Pseudophromenus cupanus) schrieben – und das tun sie immerhin seit 1909, dem Jahr der Ersteinfuhr nach Deutschland – sind sich einig: ein toller, extrem empfehlenswerter Fisch. Er ist klein (ca. 5 cm), friedlich, hart, ausdauernd und hat ein interessantes Verhalten. Trotzdem ist und bleibt diese Art eine absolute Rarität im Aquarium, nicht nur draußen, in der weiten Welt des Zoofachhandels, sondern auch unter den eingeschworenen Labyrinthfischliebhabern. Warum? Weil sie – farblich gesehen – ein echtes Verkaufsgift ist! Schwarze Spitzschwanzmakropoden sind an sich nicht häßlich, aber knallbunt auch nicht. Jungtiere im Verkaufsbecken sind jedoch typische graue Mäuse. Die meisten Aquarienbesitzer, die auf der Suche nach einem neuen Mitbewohner sind, gehen achtlos an den unscheinbaren Tieren vorüber. Und der begeisterte Liebhaber, der mit einiger Mühe die wirklich winzigen Larven dieses Fisches zu verkaufsfähigen Exemplaren herangezogen hat, tut dies in Zukunft auch nie wieder, denn er bleibt auf seinen Tieren fast immer sitzen.

WF, Indien, Kerala, Männchen

Darum ist unser Wissen über die Artenvielfalt bei den Spitzschwanzmakropoden auch immer noch sehr dürftig. Es gibt die Gattung nur in Südindien und auf Sri Lanka. Beschrieben wurde sie von der indischen Ostküste, aus der Umgebung von Pondicherry. Diese Tiere hat noch nie jemand mit Bewusstsein lebend gesehen. Ich habe sie vor Jahren bei einem Besuch im Pariser Naturkundemuseum nachuntersucht, aber Farbmerkmale waren an den vergleichsweise kleinen Tieren nach über hundert Jahren in Alkohol nicht mehr sichtbar.

Bislang dachte man, die buntesten Spitzschwanzmakropoden kämen aus Sri Lanka. Manche Populationen sind dort sehr rotflossig. Aus Kerala (westliches Südindien) kamen in den letzten Jahren aber auch richtig rotflossige Tiere, die Männchen konnten durchaus mit ihren Cousins der Art Pseudosphromenus dayi konkurrieren. Aber aus Kerala kommen auch große, graue Tiere, aber auch kleinbleibende mit einer großflächigen metallischen Brustfärbung, sehr bunte und solche, bei denen der Bauch sehr hell ist; einmal fand ich in Importen auch Exemplare mit Längband. Kerala hat immerhin eine Flächenausdehnung von rund 39.000 m2 und gehört zu den ältesten geologischen Formationen der Erde, was erklärt, dass es dort einen Hotspot der Biodiversität gibt. Es dürfte sich bei vielen dieser Schwarzen Spitzschwanzmakropoden um neue, wissenschaftlich noch zu beschreibende Arten handeln. Sie sind mindestens so unterschiedlich zueinander, wie z.B. die schaumnestbauenden Kampffische Hinterindiens (Betta splenden, B. imbellis, B. smaragdina, B. stiktos, B. mahachaiensis und B. siamorientalis). Genau wie bei den Kampffischen kann man ohne Berücksichtigung der Lebendfärbung die Arten gar nicht oder doch so gut wie gar nicht auseinanderhalten. Und darum wäre es sehr schön, wenn sich mehr Aquarianer*innen mit Schwarzen Spitzschwanzmakropoden beschäftigen würden. Das würde nämlich die mühselige wissenschaftliche Arbeit an der Gattung erheblich vereinfachen und die ansonsten nur vereinzelten Beobachtungen auf eine breite Basis stellen. Aber der Appell „pflegt mehr Schwarze Spitzschwanzmakropoden“ verhallt seit 1909 weitgehend ungehört…

Frank Schäfer


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Gagata youssoufi – ein interessanter Clownwels

Leider lässt es unser oft hektischer Alltag nicht immer zu, die sehr zeitintensiven Recherchen zu betreiben, die zur Beurteilung wissenschaftlich umstrittener Arten nötig sind. So erhielt Aquarium Glaser vor einiger zeit aus Indien (Bengalen) Clownwelse (Gagata), die anders aussahen, als die G. cenia, die wir von dort üblicherweise bekommen.

Ich schaute also in den üblichen Handbüchern über die Süßwasserfische Indiens nach und determinierte auf dieser Basis (plus etwas Internetrecherche) die Art als Gogangra viridescens (früher den Gattungen Gagata, Nangra und Gangra) zugeordnet. Schon an den vielen Gattungsnamen merkt man aber, dass diese Art wohl insgesamt häufiger fehl- als richtig identifiziert wurde.

In einer ruhigen Minute studierte ich aber dann die letzte Revision der Gruppe durch Roberts und Ferraris (1998) und fand recht schnell, dass es sich nicht um Gogangra handeln konnte, denn die beiden Vertreter dieser Gattung haben ein anatomisches Merkmal, das sie von allen anderen, ähnlichen Welsen unterscheidet: der knöcherne Schulterfortsatz, auch Rabenbein oder Coracoid genannt, liegt bei Gogangra über der Haut und ist somit gut sichtbar, während er bei Gagata unter der Haut liegt und somit unsichtbar ist. Da bei den Neuzugängen kein Coracoid sichtbar war, musste es sich also um eine Gagata-Art handeln.

In Bengalen kommen vier Arten vor, nämlich G. gagata (einfarbig dunkel gefärbt), G. cenia, G. sexualis und G. youssoufi. Die Neuimporte stimmen sehr gut mit G. youssoufi überein und gehören darum wohl dieser Art an. Es wird spekuliert, ob G. sexualis und G. youssoufi eventuell artgleich sind, da die Unterschiede zwischen den beiden nur sehr geringfügig sind. Diese Frage lässt sich aus dem Handgelenk nicht beantworten, dazu sind ausführliche Untersuchungen nötig. Fest steht jedoch, dass die importierten G. youssoufi keinen Geschlechtsunterschied in Form von verlängerten Flossenstrahlen der Männchen aufweisen, wie sie bei G. sexualis gleicher Größe (4-6 cm) gut sichtbar sind.

Clownwelse sind Fische für alle Aquarianer, die es lebhaft mögen. Denn diese Welse sind echte Energiebündel. Kaum einen Moment können die Tiere ruhig sitzen.

Gagata gagata ist mit bis zu 10 cm Länge die größte Art, angeblich soll sie sogar noch deutlich größer werden, das größte wissenschaftlich belegte Tier war 14 cm lang. Früher, im 19. Jahrhundert, war die Art wohl häufiger; der Erstbeschreiber, Francis Hamilton, spricht von bis zu 30 cm langen Tieren! G. cenia wird gewöhnlich 7-8 cm lang, G. sexualis und G. youssoufi erreichen sogar nur 5-6 cm.

Clownwelse sind vergleichsweise empfindliche Fische, denn sie stammen aus sehr sauberen Fließgewässern. Sind die Fische jedoch einmal eingewöhnt, machen sie kaum noch Probleme.

Man pflegt Gagata immer im Trupp, denn es sind gesellige Tiere. Das Aquarium sollte eine kräftige Strömung aufweisen. Den Bodengrund gestaltet man aus Sand mit einigen größeren Steinen. Die Wassertemperatur kann zwischen 18 und 26°C liegen, der pH-Wert im Bereich von 6,5-8, die Härte zwischen 10 und 30°dGH. Gefressen wird jedes übliche Fischfutter passender Größe. Gagata sind gegen andere Fische sehr friedlich, Pflanzen werden nicht beachtet.

Frank Schäfer

Literatur:

Ng, H. H. (2005): Gogangra laevis, a new species of riverine catfish from Bangladesh (Teleostei: Sisoridae). Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 16 (no. 3): 279-286.

Roberts, T. R.  (2001): Ayarnangra estuarius, a new genus and species of sisorid catfish from the Ayeyarwaddy basin, Myanmar. Natural History Bulletin of the Siam Society v. 49 (no. 1): 81-87.

Roberts, T. R. & C. J., Jr. Ferraris (1998): Review of South Asian sisorid catfish genera Gagata and Nangra, with descriptions of a new genus and five new species. Proceedings of the California Academy of Sciences v. 50 (no. 14): 315-345.

Talwar, P. K. & A. G. Jhingran (1991): Inland fishes of India and adjacent countries. In 2 vols. Oxford & IBH Publishing Co., New Delhi, Bombay, Calcutta. v. 1-2: i-xvii + 36 unnumbered + 1-1158, 1 pl, 1 map.

Und weiteren Lesestoff über Welse gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=welse


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Alarm! Rettet den Artenschutz!

Heute, am Freitag dem 5. November 2021 soll im Bundesrat eine Empfehlung an den Gesetzgeber erfolgen, jeglichen Wildtierimport in die Europäische Union zu verbieten. Die Befürworter einer solchen Gesetzesinitiative argumentieren, dass dadurch ein wichtiger Beitrag gegen das weltweite Artensterben geleistet würde und dass zugleich die Gefahr von Zoonosen (das sind von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) vermindert würde.

Aus wissenschaftlicher Sicht greift keines der beiden Argumente. Der Handel mit lebenden Wildtieren ist – insgesamt gesehen – ohne Bedeutung beim Artensterbengeschehen, weil die Anzahl der im Lebendhandel befindlichen Spezies viel zu gering ist. Nur relativ wenige, besonders attraktive Tierarten werden gehandelt. Von den über 32.000 Fischarten der Erde werden z.B. nur rund 100 Süßwasserfischarten regelmäßig in großen Mengen gehandelt (80% davon als Nachzucht), weitere 400 Spezies als Raritäten und im Meerwasserbereich ebenfalls weniger als 100 Arten. Zudem ist der internationale Handel mit lebenden Tieren seit 40 Jahren über das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) geregelt.

Bei der überwältigenden Mehrheit aller freilebenden Tierarten besteht keine Zoonosengefahr. Wo es sie gibt, haben wir sie quasi vor der Haustür. Die Gefahr, sich bei einem Waldspaziergang mit einer Zoonose zu infizieren, ist jedenfalls unendlich größer, als sich bei einem Aquarien- oder Terrarienbewohner anzustecken.

Ja, sie haben richtig gelesen: das Wildtierimportverbot würde auch sämtliche Fisch-, Amphibien,- Reptilien-, Insekten-, Spinnen-, Mollusken-, Stachelhäuter-, Wurm- und Blumentierarten betreffen, völlig unabhängig davon, ob es sich um häufige oder seltene, geschützte oder als in ihrer Heimat als Schädlinge verfolgte Arten, und auch ganz egal, ob es sich um Wildfänge oder um Nachzuchten handelt, denn es ist nun einmal nicht möglich, letzteres an der Grenze zur EU festzustellen.

Eine Gesetzesinitiative, die den Wildtierhandel und damit letztendlich die Wildtierhaltung grundsätzlich verbietet, würde dazu führen, das Erhaltungszuchtprogramme vom Aussterben bedrohter Tierarten nicht fortgeführt werden können. Menschen, die in den strukturarmen Ländern der Erde zur Zeit gut und umweltfreundlich vom Fang und der Zucht z.B. von Zierfischen leben, müssten zur Brandrodung oder anderen Erwerbszweigen mit verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt (z.B. Goldschürfen mit der damit verbundenen Quecksilberverseuchung der Gewässer) übergehen.

Dieser Vorstoß einiger Bundesländer erfolgte erst in der letzten Woche, die Widerspruchsfristen waren extrem kurz. Zwar waren zuvor bereits ähnliche Ideen formuliert worden, die jedoch bei weitem nicht dieses Ausmaß hatten. In den ursprünglichen Texten hieß es „den illegalen Wildtierhandel regulieren“; durch Streichung des Wortes „illegal“ kam es zu der aktuellen, katastrophalen Fassung. https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2021/0601-0700/697-1-21.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Aquarium Glaser hat gerade noch rechtzeitig reagieren können und folgenden Antrag zu der zuständigen hessischen Bundesrats-Ausschuss-Mitarbeiterin, Frau Patricia Friedrich, geschickt:

Sehr geehrte Frau Friedrich,

mit Sorge haben wir die Veröffentlichung der Drucksache 697/1/21 zum Verbot des Wildtierhandels zur Kenntnis genommen, bei der offensichtlich die Länder Hessen und Berlin maßgeblich beteiligt waren.

Wir bitten Sie darum, diese Initiative nochmals kritisch zu prüfen, da es sich hierbei um ein sowohl ökologisch als auch sozioökonomisch sehr komplexes Thema handelt, bei dem übereilte Maßnahmen zu massiven Verwerfungen führen, die im Ergebnis keine Erfolge zeitigen, aber schnell zu einer Verschlechterung der gegenwärtigen Situation führen (wildlifetrafficking).

Unseres Erachtens muss der Wildtierhandel grundsätzlich differenziert betrachtet werden. DAS Wildtier gibt es nicht, ein Wisent ist anders zu beurteilen als ein Guppy! Es stimmt auch nicht, dass der Wildtierhandel, wie behauptet, immer weiter zunimmt, im Gegenteil: er stagniert und nimmt in Teilen ab; der Wildtierhandel ist sozioökonomisch von hoher Wichtigkeit für meist wenig entwickelte Herkunftsregionen. Wir sind aufgrund der zu diesem Thema existierenden wissenschaftlichen Arbeiten der Auffassung, dass ein solches Verbot tiefgreifende negative Auswirkungen auf die Biodiversität des Planeten hätte und zudem zehntausenden Familien in äußerst strukturarmen Gebieten der Erde ihre Existenzgrundlage entziehen würde. Wenn der Handel mit legalen, nachhaltigen und keine Arten gefährdenden Wildfängen von Zierfischen verboten würde, müssten diese Menschen alternativlos in zutiefst destruktiven, ganze Lebensräume zerstörenden und tausende von Arten vernichtenden Beschäftigungsverhältnissen arbeiten: Goldschürfen, Brandrodung für Viehzucht, Ölpalmenanbau, Soja-Monokulturen etc. Bitte berücksichtigen Sie folgende, wissenschaftlich bewiesene Tatsachen:

– Es wurde noch nie auch nur eine einzige Zierfischart durch Wildfang ausgerottet.

– Zahlreiche in der Natur durch Lebensraumvernichtung ausgestorbene Spezies werden in Erhaltungszucht für künftige Generationen bewahrt.

– Der Handel mit Wildfängen ist nicht zunehmend, sondern beschränkt sich bezüglich hoher Stückzahlen konstant seit Jahrzehnten auf wenige Arten (weniger als 10 Arten weltweit); alle anderen Wildfang-Arten sind so genannte Raritäten und nur gelegentlich und in kleinen Stückzahlen verfügbar. In allen Fällen hat sich die Entnahmemenge als unbedenklich für die wildlebenden Bestände erwiesen.

– von den rund 32.000 existierenden Fischarten weltweit (Süß- und Meerwasser) wurden bisher noch keine 4.000 jemals im Aquarium gepflegt (inklusive Zoo- und Schauaquarien).

– Im Zoofachhandel weltweit sind nur etwa 100 Arten Zierfische permanent vorhanden, 95% davon ausschließlich in Form von Nachzuchten. Weitere rund 400 Arten (80% Nachzuchten) sind gelegentlich verfügbar.

– Eine Überfischung oder gar Ausrottung von Zierfischen durch Lebendfang ist aufgrund ihrer speziellen Ökologie nicht möglich.

– Der Zierfischfang ist in tropischen Regionen ein nachhaltiges und umweltschützendes Einkommen für zehntausende von Familien, die direkt oder indirekt davon leben.

– In den Zuchtregionen für Zierfische außerhalb der EU (z.B. Südostasien und Israel) leben weitere zehntausende von Familien von dieser umweltfreundlichen Industrie. Nachzuchtexemplare von Wildtypen der Zierfische sind von Wildfängen nicht unterscheidbar, ihr Import in die EU würde daher durch ein Importverbot für Wildfänge extrem erschwert oder unmöglich gemacht, was diesen Menschen ihr Einkommen nehmen würde.

– Die Biodiversitätsforschung im Bereich Kleinfische wird seit ca. dem Jahr 1900 nahezu ausschließlich von interessierten Laien („Aquarianer*innen“) betrieben. Hunderte der seit 1900 wissenschaftlich neu beschriebenen Kleinfischarten sind direkt oder indirekt von Aquarianer*innen entdeckt worden. Ohne Artenkenntnis kann es keinen Artenschutz geben!

– Der hochentwickelte, höchsten Tierschutz-Ansprüchen entsprechende Tierhandel in der EU beliefert die Aquarianer*innen. Das unersetzliche Fachwissen um den richtigen, schonenden und verlustarmen Umgang mit Wildfängen ginge bei Wildfanghandelsverboten verloren, was bei – so ist zu befürchten – künftig immer häufiger notwendig werdenden Erhaltungszuchtprogrammen zu einem kritischen Faktor wird.

– Auch im europäischen Tierhandel würden viele Arbeitsplätze durch ein Wildtier-Importverbot gefährdet. Es ist ja nicht so, dass Wildtier-Import nicht stattfindet, er findet nur in absolut Tier- und Artenschutz-konformem Umfang statt.

Alle diese Thesen sind belegbar. Wir hängen Ihnen eine ausgewählte Linksammlung und einige PDF-Dateien an und hoffen inständig, dass unsere Argumente bei Ihnen noch rechtzeitig Gehör finden.

Bitte bedenken Sie: der offizielle Handel mit Wildtieren, wie wir ihn betreiben, unterliegt bereits jetzt vielfältigen, strengen rechtlichen Vorgaben und wird entsprechend kontrolliert und ist damit vollständig transparent; der Wildtierhandel ist Teil einer Wertschöpfungskette und bietet qualifizierte Arbeitsplätze weltweit; sollte diese Form des Handels verboten werden, wird er in die Illegalität abrutschen mit allen unerwünschten Begleiterscheinungen, aber der Tierhandel wird deshalb sicher nicht verschwinden!

MIt freundlichen Grüßen

Auch der ZZF, der Dachverband des deutschen Zoofachhandels, hat reagiert und eine Stellungnahme veröffentlicht: https://zzf.de/fileadmin/files/ZZF/Rubrik_Themen/ZZF_Stellungnahme_Bundesrat_Wildtierimporte-28-10-2021-1900.pdf

Letztendlich muss ein Protestaufschrei allerdings von den privaten Tierhaltern kommen. Aquarianer*innen, Terrarianer*innen und Vogelzüchter haben schon vor 125 Jahren, als sonst weltweit kein Mensch auch nur einen Gedanken daran verschwendete, zum Schutz von Kleintieren aufgerufen, und zwar sowohl zum Arten-, wie auch zum Tierschutz. Bei den Tierhalterverbänden liegt geballte Kompetenz, für die es global gesehen, nichts vergleichbares gibt. Alle Tierhalter*innen sollten sich, unabhängig von der persönlichen Interessensausrichtung, an der großartigen Aktion des VDA (Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde (VDA) e.V. gegr. 1911) „Rettet den Artenschutz“ beteiligen. Deutschland und die EU sind Demokratien! Alle Macht geht vom Volke aus! Wir müssen uns für die großartige Artenschutzarbeit, die die privaten Tierhalter direkt oder indirekt seit über 125 Jahren leisten, nicht rechtfertigen und schon gleich gar nicht schämen. Werden wir laut! Heute kann man noch den zuständigen Vertreten im Bundesrat eine Meinungsäußerung per E-Mail schicken. Ich denke, jeder von uns sollte das tun!

Frank Schäfer

PS: Gerade (12.47 Uhr) erreicht uns die frohe Botschaft, dass die Forderung nach einem generellen Wildfangimportverbot vom Tisch ist! Hurra!

Polypterus weeksii: Ein bisher unbekannter Geschlechtsunterschied

Flösselhechte (Polpyterus) gehören zu den so genannten lebenden Fossilien. Vieles an ihrem Körperbau ist altertümlich. Das macht sie zu besonders interessanten Studienobjekten im Aquarium, da ja nicht nur körperliche Merkmale, sondern auch Verhalten vererbt wird und letzteres für gewöhnlich sogar konservativer*. Man kann sozusagen Verhalten aus der Urzeit beobachten, wenn man Flösselhechte pflegt.

Polypterus weeksii stammt aus dem Kongo. Die Art wurde bereits 1898 wissenschaftlich beschrieben, zählt jedoch zu den Raritäten, sowohl in Museumssammlungen als auch im Aquarium. Nur sehr selten und in kleinen Stückzahlen wird die bis zu einem halben Meter lange Art importiert. Darum habe ich mich sehr gefreut, als die Art 2016 in einem der ohnehin selten gewordenen Kongoimporte mit gut 30 Exemplaren vertreten war. Es waren allesamt Jungtiere von 12-15 cm Länge.

Natürlich wollte ich ein Pärchen für mich aussuchen. Das geht bei Polypterus gewöhnlich ganz gut, da die Männchen eine erheblich größere Afterflosse als die Weibchen haben, aber dieser Unterschied ist erst ab einem gewissen Alter gut zu erkennen, wenn die Fische in die Pubertät kommen. Vorher sind sich Männchen und Weibchen „untenrum“ sehr ähnlich. Und die Afterflosse ist selbstverständlich bei beunruhigten Tieren auch nur schwer zu erkennen.

Also nahm ich zunächst für Fotozwecke ein möglich breit gebändertes und ein möglichst schmal gebändertes Exemplar, um die mögliche Bandbreite in der Färbung zu dokumentieren. Dabei hatte ich ein glückliches Händchen, die zwei Tiere erwiesen sich bei genauerer Beobachtung im Fotobecken tatsächlich als Pärchen. Die Färbung ist wohl eher nebensächlich, aber etwas ganz anderes fiel auf: das Männchen hat einen verhältnismäßig breiteren Kopf als das Weibchen! Ein derartiger Geschlechtsunterschied ist bislang für Flösselhechte unbekannt! Achten Sie einmal beim betrachten der Bilder darauf: das Weibchen ist das Tier mit den schmalen Bändern und dem Rest des äußerlichen Kiemenastes am Kiemendeckel.

*Verhalten wird i.d.R. konservativer, also unveränderlicher vererbt als körperliche Merkmale, die sich unter Umständen recht schnell (schon nach wenigen hundert Generationen) drastisch verändern bzw. anpassen können. Man kann darum davon ausgehen, dass das Verhalten der Polypterus heute noch identisch ist zu dem Verhalten, das sie vor 60 Millionen Jahren zeigten. 

Sie wollen mehr über Flösselhechte wissen? Lesen Sie hier nach: https://www.animalbook.de/Polypterus-Floesselhechte-Bichirs

Frank Schäfer


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Ein kleines Goldstück

Die Systematik der Gattung Axelrodia ist nur sehr unbefriedigend geklärt. So ist nicht völlig klar, ob das abgebildete Tier tatsächlich zur Art A. stigmatias gehört oder zu A. riesei oder zu einer unbeschriebene Hyphessobrycon-Art. Aber das soll hier gar nicht das Thema sein. Vielmehr geht es um die abweichende Färbung. Normalerweise ist Axelrodia stigmatias – importiert wird die Art hauptsächlich aus Kolumbien, es gibt sie aber auch in Brasilien, es handelt sich um einen typischen Begleitfisch des Roten Neon (Paracheirodon axelrodi) – zart rot oder gelblich gefärbt. Warum ist dieser hier golden?

Aus Kolumbien importiertes, goldenes Exemplar von Axelrodia stigmatias

Solche Goldstücke gibt es unter sehr vielen Salmler-Arten. Eine wurde sogar als eigene Art beschrieben, der Messingsalmler Hemigrammus armstrongi aus Guyana. Bei diesem Fisch ist die Goldfärbung in der Natur viel häufiger als die Normalfärbung. Erst als man die schönen Tiere im Aquarium nachzüchtete, stellte man enttäuscht fest, das unter den Nachkommen vom Goldglanz gar nichts zu sehen ist. Es sind ganz normale Hemigrammus rodwayi, ein so wenig farbenfroher Fisch, dass er noch nicht einmal einen gebräuchlichen Populärnamen hat.

Der Messingsalmler ist die Goldform des Salmlers Hemigrammus rodwayi. Bevor man das erkannte, nannte man ihn H. armstrongi. Er kommt aus Guyana.
Nachzuchten vom Messingsalmler sind ausnahmslos ohne den Goldglanz. Da aus Guyana aus Kostengründen kaum noch Importe erfolgen, ist der Messigsalmler zur Seltenheit im Aquarium geworden.

Weitere Forschungen ergaben, dass der Goldglanz durch die Infektion mit Würmern hervorgerufen wird. Diese Würmer sind im Grunde harmlose Schmarotzer, die einen Wirtswechsel machen. Die erwachsenen Würmer leben in fischfressenden Vögeln. Mit dem Kot der Vögel werden die Wurmeier ausgeschieden, kleine Fische – hauptsächlich wohl Salmler – fressen den Kot und infizieren sich. Die Wurmlarven schlüpfen im Darm der Fische, wandern in die Haut und verkapseln sich hier. Das macht den Fischen nichts weiter aus, hat aber zur Folge, dass sich unter der Haut der Fische der Goldglanz bildet. Dadurch werden infizierte Artgenossen farblich auffälliger als nicht infizierte, die Wahrscheinlichkeit, dass sie von einem fischfressenden Vogel erbeutet werden, steigt gewaltig an. Zudem ändert sich das Verhalten der infizierten Fische: sie sind weit weniger scheu und fluchtbereit als nicht infizierte Artgenossen. Und genau das „will“ der Wurm erreichen. Denn erst im Endwirt, dem Vogel, kann er sich fertig entwickeln und seinerseits für Nachwuchs sorgen. Wahrscheinlich ist das verminderte Fluchtverhalten auch der Grund dafür, dass die goldenen Salmler bei manchen Arten (Hemigrammus rodwayi, Hyphessobrycon saizi) in großen Mengen Mengen gefangen werden können und viel häufiger als die nicht-infizierte Form auf den Zierfischmarkt kommen.

Goldform von Hyphessobrycon saizi, Männchen
Goldform von Hyphessobrycon saizi, Weibchen.
Nicht infizierte Form von H. saizi. Dieser kolumbianische Salmler wird im Handel meist als Hyphessobrycon eos bezeichnet.

Unter Axelrodia stigmatias sind Goldstücke extrem selten, das fotografierte Exemplar ist das erste, das jemals dokumentiert wurde. Es schwimmt jetzt, zusammen mit einigen anderen Salmlern, in der Schauanlage von Aquarium Glaser. Die Chancen, dass es ein hohes Alter erreicht, sind gut, denn im Aquarium sind die goldenen Fische gegenüber normal gefärbten Tieren in keinster Weise benachteiligt und können auch genau so alt werden, wie Artgenossen, die nicht mit Würmen infiziert sind.

Rote Variante von Axelrodia stigmatias
Gelbe Variante von Axelrodia stigmatias

Frank Schäfer


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Landeinsiedlerkrebse: faszinierende Wanderer zwischen zwei Welten

In den warmen Küstenregionen von Asien, Australien, Nord- und Südamerika und in Teilen Afrikas leben Einsiedlerkrebse, die dem Meer den Rücken zugekehrt haben und an Land leben. Von den über 1.100 Arten der Einsiedlerkrebse, die sich auf 120 Gattungen verteilen, haben aber nur knapp 20 Arten, klassifiziert in zwei Gattungen, diesen Schritt getan. es sind die Landeinsiedlerkrebse (Coenobita) und der eng mit ihnen verwandte Palmendieb (Birgus latro), das größte landlebende wirbellose Tier der Welt. Alle anderen Einsiedlerkrebse leben im Meer. Das hat gute Gründe: erstens können sich die Larven der Einsiedlerkrebse nur im Meer entwickeln und zweitens atmen Einsiedlerkrebse, wie alle Krebse, über Kiemen. Das letztere Problem haben die Landeinsiedlerkrebse trickreich gelöst, wie geich noch zu lesen ist. Das andere Problem besteht weiterhin. Die Landeinsiedlerkrebse müssen zur Freisetzung ihrer Larven immer noch zum Meer zurückkehren. Darum findet man diese Tiere auch immer nur relativ nahe zur Küste, denn weiter als ein paar Kilometer kann ein so kleines Tier nicht krabbeln, selbst wenn das nur einmal im Jahr nötig ist.

Der Palmendieb, Birgus latro, ist ein Landeinsiedlerkrebs und das größte an Land lebende wirbellose Tier überhaupt. Seine Pflege bleibt Spezialisten und Zoos vorbehalten.

Die meisten Arten tauchen ab und zu im Tierhandel auf, oft sind sie falsch bestimmt. Das ist zwar im Prinzip nicht so schlimm, denn alle Landeinsiedlerkrebse sind ausgezeichnete Terrarientiere, aber die verschiedenen Arten stellen recht unterschiedliche Ansprüche an Unterbringung und Pflege. Vor allem die Frage, ob Salzwasser zur Verfügung gestellt werden muss oder nicht, ist ziemlich wichtig. Wie eingangs erwähnt, atmen auch Landeinsiedlerkrebse über Kiemen. Dazu tauchen sie speziell umgeformte, bürstenförmige Beine in Wasser und befeuchten die im Körperinneren befindliche Kiemenhöhle; denn nur wenn sie ausreichent befeuchtet sind, können Kiemen funktionieren. Manchen Arten reicht Süßwasser, um die Kiemen funktionsfähig zu halten, andere benötigen dazu aber Meerwasser.

Tagsüber, wenn die Sonne scheint, sind alle Einsiedler in ihren Verstecken
Abends kommen die Tiere hervor. Dies ist ein Strandterrarium für Coenobita perlatus.

Wegen der Kiemenatmung sind Landeinsiedlerkrebse auch hauptsächlich nachtaktiv, da dann die Luftfeuchtigkeit höher ist. Man kann sie bezüglich ihrer Aktivitätszeiten ganz gut mit unseren mitteleuropäischen Landschnecken vergleichen, die tagsüber auch nur bei Regenwetter anzutreffen sind. Landeinsiedlerkrebse verbringen den Tag in feuchten Boden eingegraben. Darum ist ein mindestens 10 cm, besser 15 cm hoher Bodengrund im Terrarium für eine erfolgreiche Pflege von Landeinsiedlerkrebsen elementar wichtig. Diesen benötigen Landeinsiedlerkrebse auch für die Häutung. Wie alle Krebstiere müssen sich Landeinsiedlerkrebse häuten, um zu wachsen, da der Krebspanzer nicht wachsen kann. Jungtiere häuten sich mehrfach, erwachsene Tiere meist nur noch einmal im Jahr. Wenn der Bodengrund nicht ausreichend tief und hinreichend feucht (nicht nass!) ist, kommt es zu Häutungsproblemen, die für den Krebs meist tödlich sind. Die Tiefe des Bodengrundes ist deshalb entscheidend, weil nur in völliger Dunkelheit das für Häutung benötigte Hormon in ausreichender Menge produziert wird. Da die Landeinsiedlerkrebse nach der Häutung ein größeres Schneckenhaus brauchen, muss man immer ausreichend leere Schneckenhäuser passender Größe im Terrarium zur Verfügung stellen.

Coenobita rugosus ist eine häufige und sehr gut haltbare Art.

Kälte können Landeinsiedlerkrebse nicht vertragen. Die Terrarientemperatur muss daher immer über 18°C liegen, am besten im Bereich von 20-26°C. Landeinsiedlerkrebse sind Allesfresser, weshalb ihre Ernährung keinerlei Probleme bereitet. Eine große Handvoll Herbstlaub bildet die Nahrungsgrundlage im Terrarium und sollte immer zur Verfügung stehen. Dazu gibt man Obst, Gemüse, Salate, Fischfutterflocken, Pellets, Katzen- und Hundfutter aus der Dose, kleine tote Fische usw. Man sollte von diesen Futtersorten immer nur so viel geben, wie über Nacht restlos aufgefressen wird. Die genaue Futtermenge muss man selbst ermitteln, da die Tiere zu verschiedenen Jahreszeiten und in Abhängigkeit vom Häutungsintervall unterschiedlich großen Appetit entwickeln.Täglich besprüht man das Terrarium mit handwarmem Wasser, am besten morgens und abends. Bei der Einrichtung kann man knorrige Wurzeln, Äste und Steine verwenden, aber Vorsicht: die kleinen Racker entwickeln erstaunliche Kräfte! Steine müsse zudem auf dem Terrarienboden aufliegen, damit sie nicht unterwühlt werden können und u.U. zu einer Todesfalle werden. Täglich stellt man eine flache Schale mit Süßwasser und – bei Arten, die das brauchen – eine Schale mit Meerwasser in das Terrarium.

Coenobita brevimanus ist eine Waldart, die problemlos ohne Meerwasser auskommt. Nur zur Larvenabgabe muss diese Art zur Küste.
Waldterrarium für Coenobita brevimanus

Grundsätzlich sind Landeinsiedlerkrebse soziale Tiere, die sogar mittels ganz leiser Zirplaute miteinander kommunizieren. Daher sollte mann sie in einer Gruppe pflegen, 5-6 Tiere sind gut, 10-15 sind besser. Die Geschlechter kann man nur unterscheiden, wenn die Tiere das Haus wechseln; Weibchen erkennt man dann an den zusätzlichen Beinen am Hinterleib, an denen sie die Eier anheften und bis zur Schlupfreife mit sich herumtragen. Dann treten sie die Wanderung zum Meer an – eine gefahrvolle Zeit, in der in der Natur sehr viele Weibchen umkommen. Wenn sie ihr Ziel erreichen, ertrinken viele weitere Weibchen, denn Landeinsiedlerkrebse können nicht mehr unter Wasser leben. Doch jedes Weibchen, das es schafft, setzt hunderte von Larven frei, die nach einigen Wochen im Plankton der Ozeane zu Miniatur-Einsiedlerkrebsen werden und an Land gehen. Auch wenn, wie bei fast allen Wildtieren, über 99% der geborenen Jungen früh sterben, sind es bei den Landeinsiedlerkrebsen so viele, dass tatsächlich die Anzahl der zur Verfügung stehenden leeren Schneckenhäuser am Meeresstrand der limitierende Faktor dafür ist, wie viele Landeinsiedlerkrebse zum Landleben übergehen können. 

Jetzt aber schnell, sonst schnappt noch jemand das Haus weg!

Landeinsiedlerkrebse sind sehr schöne, hochinteressante Terrarientiere. Wer sich ernsthaft für ihre Pflege und Zucht interessiert, kommt an dem Buch „Landeinsiedlerkrebse“ nicht vorbei, denn es ist weltweit das einzige Buch, in dem alle bekannten Arten berücksichtigt sind und in dem zahlreiche Tricks und Tipps, die vor Enttäuschungen bewahren, praxisnah und leicht verständlich dargestellt werden.

Frank Schäfer

Buchtipp zum Thema: