Die Cumberland-Schmuckschildkröte

Die Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) ist wahrscheinlich immer noch die bekannteste Sumpfschildkröte. Dabei wird gerade diese Schildkröten- (Unter-)Art schon seit vielen Jahren nicht mehr in die EU importiert. Viel weniger bekannt, dafür aber bis vor kurzem noch häufig erhältlich, ist die eng verwandte Cumberland-Schildkröte, Trachemys scripta troosti.

Cumberland-Schmuckschildkröte, T. scripta troosti

Der Grund für die Bekanntheit der Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) ist, dass diese wunderschöne Schildkröte in riesigen Mengen in Farmen gezüchtet wird. Die extrem niedlichen Babys wurden in den 1970er bis Ende der 1990er Jahre als Heimtiere für sehr wenig Geld verkauft. Dabei verdrängten viele Käufer einfach den Gedanken, dass aus den niedlichen Babies eines Tages große, platzfordernde Erwachsene werden. In der Folge wurden unzählige Rotwangen ausgesetzt. Bis heute findet man solche ausgesetzten Tiere auch in Deutschland.

Eine ausgesetzte Rotwange in Südfrankreich.

Aussetzen ist gemein!

Das Aussetzen von unliebsam gewordenen Heimtieren ist – und zwar zu Recht! – seit Jahrzehnten streng verboten. Es ist dabei völlig unerheblich, ob man Hunde, Katzen oder Schildkröten aussetzt. So etwas tut man nicht, denn entweder sterben die ausgesetzten Tiere langsam und qualvoll, weil sie keinen geeigneten Lebensraum finden, oder sie machen den wildlebenden Tieren Konkurrenz. Ein ausgesetzter, verwilderter Hund wird selbstverständlich Jagd auf Rehe und Hasen machen und er wird zu einem Überträger von gefährlichen Krankheiten. Ganz ähnlich wirkt es sich aus, wenn Schmuckschildkröten ausgesetzt werden und sie das überleben (die meisten tun das allerdings nicht…). Es gibt zwar in Deutschland keine Schildkrötenarten, mit denen sie in Konkurrenz geraten könnten (die früher hier heimische Europäische Sumpfschildkröte – Emys orbicularis – ist in Deutschland aus verschiedenen Gründen seit 150 Jahren praktisch ausgestorben und stellt darüber hinaus ganz andere ökologische Anforderungen als die Schmuckschildkröten), aber genau wie Hunde Wild jagen, jagt eine Sumpfschildkröte Molche, Frösche und andere Tiere und Pflanzen, die es in unserer aufgeräumten Kulturlandschaft ohnehin schon schwer genug haben. Das ist absolut abzulehnen!


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Babies aller Schmuckschildkröten sind wunderschön und allerliebst. Aber man muss unbedingt bedenken, dass die Tiere auf eine Länge von 20-30 cm heranwachsen. Dann brauchen sie wirklich viel Platz und die Pflege in Wohnräumen wird sehr aufwändig. Das Bild zeigt Babies einer Unterart von Rotwangen-Schmuckschild­kröten, die als Trachemys scripta gaigae beschrieben wurden.

Fiese Gesetzgebung

Tierheime und vergleichbare Einrichtungen haben für gewöhnlich wenig Verwendung für erwachsene Sumpfschildkröten, denn diese Tiere eignen sich nicht als Heimtiere. Es sind Terrarientiere und gehören in die Hand von richtigen Terrarianern, nicht von Kindern. Während nun aber niemand auf den Gedanken käme, die Haltung und Zucht von Hunden oder Katzen zu verbieten, weil jedes Jahr zehntausende von ihnen in Tierheimen landen, hat man im Falle der Rotwangen kurzerhand die Terrarianer für die Unvernunft der Nicht-Terrarianer bestraft und erlaubte die Einfuhr von Rotwangen einfach nicht mehr.

Es war bis vor wenigen Jahren keineswegs verboten, Rotwangen zu halten, aber die Einfuhr in die EU war genehmigungspflichtig und diese Genehmigung wurde halt einfach nicht gegeben. Dabei gäbe es eine einfache Lösung für das Problem: man bräuchte lediglich eine Mindestgröße für Schmuckschildkröten festlegen, die in den Verkauf gelangen sollen. So könnten sich ernsthafte Terrarianer trotzdem Rotwangen anschaffen und die Spontankäufe der Babies würden unterbleiben.

Größenvergleich zwischen Mutter und Kind. Niemals darf man Erwachsene und Babies zusammen pflegen, die Großen fressen die Kleinen!
Weibchen von T. s. troosti mit Jungen. Auch diese Gruppe wurde nur für das Photo zusammengesetzt und direkt danach wieder getrennt.

Das Vier-Inch-Gesetz

Die Praxis, den Verkauf von Schildkröten unterhalb einer gewissen Größe (z.B. 10 cm Panzerlänge) zu verbieten, gibt es in den USA schon lange. Dort allerdings aus ganz anderen Gründen: es kam vereinzelt zu Infektionen mit Salmonellen, weil kleinen Kindern erlaubt wurde, mit Schildkrötenbabies zu spielen. Dabei nahmen die Kleinkinder die Schildkröten in den Mund und es kam, wenn auch selten im Vergleich zu Salmonellen-Infektionen durch Lebensmittel, zu Erkrankungen der Kinder. So erfand man das ”Four-Inch-Law”, ein Gesetz, das den Verkauf lebender Schildkröten mit einer Panzerlänge unter 4 inch (= 10,2 cm) verbietet. Mal ganz abgesehen von Salmonellen (eine echte Gefahr geht diesbezüglich von Schildkröten nicht aus, wenn man auch nur minimale Hygienestandards einhält) sind Schildkröten für kleine Kinder grundsätzlich nicht als Heimtiere geeignet und so hat das ”Four-Inch-Law” auch den positiven Effekt, dass Tierquälerei durch Kleinkinder an Schildkröten damit Einhalt geboten wird.

Trachemys scripta troosti, die Cumberland-Schmuckschildkröte. Schmuckschildkröten gehören zu den farbigsten Schildkröten überhaupt.

Eine erste europäische Lösung

Statt nun die bewährte US-Gesetzgebung bei der Rotwange (und allen anderen Sumpf­­­­schild­kröten) einfach zu übernehmen, hat man statt dessen in Europa zu einem Trick gegriffen: man sorgte dafür, dass die Rotwangen-Schmuckschildkröte auf die Liste der ”Bedrohten Arten” kommt. Das ist zwar glücklicherweise völliger Unsinn, die Rotwange ist nicht bedroht und schon gar nicht durch den Handel, denn dafür werden, wie bereits erwähnt, ausschließlich Nachzuchten verwendet, aber so konnte man leicht die unerwünschte Einfuhr dieser Tiere kontrollieren. Ist nämlich eine Art auf dieser ”Bedrohte Art”-Liste (CITES), muss man ihre Einfuhr in die EU genehmigen lassen.

Mit dieser ”europäischen Lösung” hat man sich (nicht zum ersten und ganz sicher auch nicht zum letzten Mal) ausgesprochen lächerlich gemacht. Denn erstens bewirkte man damit lediglich, dass die Nachfrage nach Baby-Schildkröten durch andere Arten befriedigt wurde, die man nun statt Rotwangen ausgesetzt findet; und zweitens erschwerte man durch diesen Schildbürgerstreich den im Naturschutz tätigen Personen, ausgesetzte Schmuckschildkröten einzufangen und an interessierte Terrarianer weiterzuvermitteln. Denn was man nicht bedachte: die mit der Durchführung der Artenschutzgesetze beauftragten Menschen sind keine Biologen, sondern Beamte. Sie haben keine Ahnung davon, warum eine Tierart als ”Bedrohte Art” gelistet wird und die Mehrzahl von ihnen glaubt tatsächlich, dass die Rotwange und der Amerikanische Ochsenfrosch (Lithobates catesbeianus, früher Rana catsesbeiana), bei dem eine ähnliche Problematik vorliegt, tatsächlich in der Natur geschützt werden müssten – schließlich sind solche Arten ”streng bzw. besonders geschützt nach dem Bundes-Naturschutzgesetz”. Wer also diese unerwünschten Tiere in der Natur fängt, macht sich nach dem Bundesartenschutzgesetz damit strafbar; eine Fanggenehmigung durch die Behörden wird gewöhnlich nicht erteilt – Wahnsinn pur!

Letzten Endes waren die Listungen der Rotwange und des Ochsenfroschs in CITES ein Missbrauch gesetzlicher Verordnungen durch Politiker, die agieren, als lebten wir in einem Feudalsystem und nicht in einer Demokratie. Das ist zutiefst moralisch bedenklich. Ob Handelsbeschränkungen zum Artenschutz beitragen oder nicht, darüber kann man im Einzelfall ja noch streiten. Aber wenn Gesetze wie CITES, die einzig und allein zum Zwecke des Artenschutzes eine allgemeine Akzeptanz besitzen, für machtpolitische und populistische Zwecke missbraucht werden, so ist das schlimm.

Baby der Gelbwange, Trachemys scripta scripta

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Die Ersatz-Unterarten

Da keine Rotwangen-Babies mehr in die EU gebracht werden durften, wich der Handel auf andere Schmuckschildkröten aus. Hauptsächlich waren das zwei weitere Unterarten der Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta), nämlich die Gelbwangen-Schmuckschildkröte (T. scripta scripta) und die Cumberland-Schmuckschildkröte (T. scripta troosti). Beide werden ebenfalls in Farmen gezüchtet. Alle Unterarten der Buchstaben-Schmuckschildkröte unterscheiden sich lediglich in der Zeichnung des Kopfes. Bei der Rotwange liegt hinter dem Auge ein waagerechtes, breites, leuchtend orangerotes Band, bei der Gelbwange ein senkrechtes dottergelbes Band. Bei der Cumberland-Schmuckschildkröte ist das Band waagerecht, aber gelb und viel schmaler als bei der Rotwange. Trotzdem wurde und wird die Cumberland-Schmuckschildkröte immer wieder als ”schwach gezeichnete” Rotwange falsch bestimmt.

Erwachsenes Männchen der Cumberland-Schmuckschildkröte. Man beachte die für Männchen typischen langen Krallen der Vorderfüsse.
Weibchen der Cumberland-Schmuckschildkröte.

Unterart – was ist das eigentlich?

Bis in die 1970iger Jahre wurde der Begriff der Unterart von Zoologen etwas schwammig gebraucht. Man nannte etwas eine ”Unterart”, wenn man glaubte, dass es sich um eine geografische Variante einer ansonsten sehr ähnlichen, bereits früher bekannten Art handelte. Dieses nicht gut definierte Konzept stieß mit Fortschreiten der Artenkenntnis auf Widerspruch. Heutzutage gibt es Zoologen, die den Unterart-Begriff sogar völlig ablehnen und ausschließlich von Arten sprechen. Sie argumentieren: entweder stellen geografisch definierte, unterschiedlich aussehende Populationen eigene evolutionäre Entwicklungslinien dar und sind dann auch als eigenständige Arten zu sehen, oder eben nicht und dann müssen sie auch nicht gesondert betrachtet zu werden.

Das wird aber der Situation in der Natur nicht gerecht. Denn ein wesentliches Merkmal von Unterarten ist, dass es dort, wo die Verbreitungsgrenzen zweier Unterarten aneinander stoßen, Mischlingspopulationen gibt. Hier sehen die Tiere weder der einen noch der anderen Unterart ähnlich, sondern stehen in der Ausprägung ihrer Merkmale irgend wo zwischen den reinen Unterarten. Solche Populationen nennt man ”Intergrades” und ihre Existenz ist der Beweis für die Einstufung der Hauptpopulationen als Unterarten. Erst wenn die Hybridzone – aus welchen Gründen auch immer – erlischt und somit eine geografische Isolation der Hauptpopulationen gegeben ist, kann man mit Fug und Recht von Arten sprechen. Letztendlich ist dies der Weg, wie seit jeher im Laufe der Evolution Arten entstanden. Jedenfalls meistens.

Rotwange, Trachemys scripta elegans
Rotwange, Trachemys scripta elegans

Auf reine Unterarten achten

Ziel der Tierhaltung in der Terraristik ist es nicht, einen sozialen Kontakt zu einem anderen Lebewesen aufzubauen. Denn dazu stehen uns Menschen die Amphibien und Reptilien geistig viel zu fern. Wer an einem Haustier zwecks sozialer Interaktion interessiert ist, der ist mit einem Hund oder einem Papagei besser bedient, auch wenn manche Großechsen gelegentlich wirklich nette Kumpels werden. Eine Sumpfschildkröte wird das aber nie. Wer sich für Sumpfschildkröten interessiert, der erfreut sich am wachsen und gedeihen seiner Pfleglinge, so wie man sich am wachsen und gedeihen einer Pflanze im Garten oder auf dem Fensterbrett erfreut. Ein schöner Nebeneffekt dieser Beobachtungs-Tätigkeit ist, dass man viel über die Tiere, die man pflegt, lernt. Man lernt ihre Eigenarten und ihre Lebensgeschichte kennen, man interessiert sich für die natürliche Umwelt seiner Pflegling usw.

Nur so wird man zum kenntnisreichen Tier-, Arten- und Umweltschützer, nicht, indem man esotherische Thesen von sich gibt ohne auch nur die geringste Ahnung von Tieren zu haben.

Da alle Schmuckschildkröten (es gibt 40 Arten in 6 Gattungen) immer wieder in Gefahr geraten, unter ein Import- oder gar Haltungsverbot zu fallen, sollten wir uns verstärkt darum bemühen, sie auch nachzuzüchten. Dabei ist es wichtig, die Unterarten sauber auseinanderhalten zu können. Nur so ist sichergestellt, dass uns auch zukünftig für wissenschaftliche Fragestellungen in der Terrarienkunde reinrassige Tiere zur Verfügung stehen. Terrarienpopulationen auf Intergrade-Basis stellen Zuchtformen dar, also domestizierte Haustierpopulationen. Es ist niemandem zu verdenken, wenn man daran Freude hat, aber angesichts der sehr kleinen Schar von Menschen, die sich ernsthaft mit der Zucht von Schmuckschildkröten unter privaten Bedingungen beschäftigen können, weil sie doch sehr platz- und zeitintensiv ist und zudem eines erheblichen finanziellen Aufwandes bedarf, wäre es sehr schade, wenn die noch vorhandenen reinrassigen Wildformen aus den Terrarienanlagen verschwinden würden.

Gelbwange, Trachemys scripta scripta

Die zweite Europäische Lösung: die Listung als „Invasive Art“

Invasive Arten, also fremdländische Spezies, die sich explosionsartig vermehren und verbreiten und dabei ursprünglich einheimische Arten verdrängen, sind eine der größten Bedrohungen der Artenvielfalt weltweit. Hauptsächlich handelt es sich bei den invasiven Arten um verwilderte Haustierformen bzw. aus Gärten stammende Zierpflanzen, manchmal aber auch um versehentlich verschleppte Spezies (etwa mit Eisenbahnwaggons, oder mit Saatgut von Ackerpflanzen). Die Gründe, warum Arten, die oft Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lang völlig unauffällig blieben, pötzlich invasiv werden, sind im Wesentlichen unerforscht, eine Voraussage, ob und wann eine Art invasiv wird, unmöglich. Fast immer sind invasive Arten jedoch zunächst Kulturfolger, kommen also mit den vom Menschen verursachten, tiefgreifenden Veränderungen der Natur (Rodung, Düngung, Straßenverkehr, Pestizideinsatz, Gewässerverbauung etc.) deutlich besser zurecht, als ursprünglich vorhandene, einheimische Arten.

Invasive Arten sind also aus Gründen des Artenschutzes unerwünscht und verursachen auch hohen finanziellen Schaden, der EU-weit von der EU-Kommision mit 12 Milliarden Euro jährlich beziffert wird. Darum wurde ein EU-weit geltendes Gesetz erlassen, in dem Begrifflichkeiten zu „invasiven Arten“ definiert werden und in dem geregelt wird, wie man mit ihnen umzugegen hat. Das Gesetz wurde bereits 2014 verabschiedet, jedoch folgte erst 2016 eine erste Durchführungsverordnung mit einer Liste von Arten, die es nun zu bekämpfen gilt und die zukünftig nicht mehr gepflegt und gezüchtet werden dürfen. Darauf steht auch die Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta) mit ihren Unterarten (T. s. scripta, T. s. elegans und T. s. troosti).

Noch ist nicht klar, ob die Listung dieser Formen – und damit ein Zuchtverbot – auch legal ist. Etliche andere Arten, die auf der ersten und den inzwischen zwei nachfolgenden Listen erschienen und deren Zucht nun also faktisch verboten sind, erfüllen nämlich nicht die im Gesetz genannten Anforderungen. Weder der Waschbär noch der Lousiana-Sumpfkrebs, weder der Sonnenbarsch noch der Blaubandbärbling lassen sich noch ausrotten; das dürfte überhaupt nur bei den allerwenigsten gelisteten Arten möglich sein. Das Gesetz (Verordnung (EU) Nr. 1143/ 2014) fordert jedoch, dass die Bekämpfung invasiver Arten verhältnismäßig, kostensparend und effektiv möglich sein muss.

Ob und wie ausgesetzte Schmuckschildkröten in der EU überhaupt die Kriterien erfüllen, die an eine invasiv einzustufende Art gestellt werden, muss darüber hinaus noch wissenschaftlich erforscht werden.

Tauchendes Baby der Cumberland-Schmuckschildkröte.

Pflege der Cumberland-Schmuckschildkröte

Ziel dieses Aufsatzes ist es weniger, auf Pflege und Zucht einzugehen, als vielmehr, auf die mit dem Handel von Schmuckschildkrötenbabies verbundenen Probleme und die aktuelle Gesetzeslage hinzuweisen.

Trotzdem sollten hier einige grundsätzliche Hinweise zu diesem Gebiet nicht fehlen. Wer sich für Schmuckschildkröten interessiert, sollte sich zunächst ein Handbuch über diese Tiere anschaffen und gründlich studieren. Der zweite Schritt besteht in dem Erwerb einer Gruppe von Jungtieren der gewünschten Art bzw. Unterart. Jungtiere sind immer gut miteinander verträglich. Da man die Geschlechter bei Schlüpflingen nicht auseinanderhalten kann, ist der Erwerb von 5, besser 10 Jungtieren der sicherste Weg Männchen und Weibchen zu erhalten. Es ist nachträglich oft schwierig passende Tiere zu bekommen!

Etwas anders sieht es aus, wenn man die Tiere bei einem hiesigen Züchter kaufen kann, da sich das Geschlecht der Schlüpflinge bis zu einem gewissen Grad über die Bebrütungstemperatur der Eier steuern lässt. Aber auch das funktioniert nur bis zu ca. 90%. Man sollte auch bedenken, dass Schmuckschildkröten, wenn sie so gepflegt werden wie es ihrer Natur entspricht, 6-8 Jahre zum erreichen der Geschlechtsreife benötigen. Das ist ein langer Zeitraum und in dieser Zeit kann man immer einmal ein Tier durch Unfall oder Krankheit verlieren. In der freien Natur überleben sogar nur 1-2% der geschlüpften Tiere diesen Zeitraum, der Rest stirbt vor Eintritt der Geschlechtsreife. Auch darum sollte man immer eine ausreichend große Startgruppe kaufen. Bedenken Sie bitte unbedingt, dass gegenwärtig Kauf und Verkauf von Schmuckschildkröten der Art Trachemys scripta nebst drei ihrer Unterarten EU-weit verboten sind.

Schmuckschildkröten sind schwimmfreudige Tiere. Ein Aufzuchtbecken sollte darum für die ersten zwei Jahre eine Bodenfläche von 80-120 cm x 40-60 cm haben. Der Wasserstand sollte dabei 15-20 cm betragen, darüber noch einmal 40-50 cm Luftraum. Der hohe Luftraum wird benötigt, da Schmuckschildkröten einen Heizspot über dem Landteil brauchen. Eine UV-Lichtquelle sollte außerdem vorhanden sein, zusätzlich brauchen die Tiere ein insgesamt hell ausgeleuchtetes Becken; die Lichtperiode sollte 12-14 Stunden betragen. Der Wasserteil muss in Wohnräumen nicht zusätzlich beheizt werden, aber gut gefiltert. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die Ansaugöffnung des Filters so gesichert ist, dass die Babies nicht angesaugt werden können. Am besten filtert man über Luft, bei dieser Methode sind Unfälle weitgehend ausgeschlossen. 

Für erwachsene Schmuckschildkröten benötigt man wirklich große Aquarien von mindestens Badewannengröße und einen entsprechenden Landteil. Wenn irgend möglich sollten die Tiere von Ende Mai bis Ende September im Freiland gepflegt werden. Dauerhaft hohe Temperaturen und eine zu gehaltvolle Ernährung führen zu einem viel zu rapiden Wachstum. Das hat Spätfolgen für die Tiere und führt oft zu ihrem vorzeitigen Tod. Darum sollte man auch bei Zimmerhaltung immer wieder einmal Schlechtwetterperioden nachahmen sowie nur ein für Schmuckschildkröten optimiertes Futter mit einem dem Alter angepassten pflanzlichen Anteil verfüttern.

Frank Schäfer

Uralter Hochadel: Soldaten- und Husarenfische

Sieht man zum ersten Mal einen Soldatenfisch der Gattung Myripristis, so drängt sich unmittelbar der Gedanke „Mondkalb” auf. Sehr kurios wirken die riesigen Augen und die kurze Schnauze. Doch sind diese Fische alles andere als Missbildungen. Seit Millionen von Jahren besiedeln sie sehr erfolgreich die Meere und gehören zu den altertümlichsten noch existierenden Fischen.

Myripristis murjan

Etwa 90 Arten, die sich auf acht Gattungen verteilen gehören zu den Soldatenfischen (Holocentridae). Sie werden in zwei Unterfamilien eingeteilt, die Husarenfische (Holocentrinae) und die eigentlichen Soldatenfische (Myripristinae). Am leichtesten unterscheidet man die beiden Unterfamilien anhand der Schnauzenform: rund und stumpf bei den Soldatenfischen, relativ spitz bei den Husarenfischen. Husarenfische haben außerdem immer einen langen Dorn am unteren Kiemendeckelrand, der den Soldatenfischen fehlt.

Sargocentron seychellensis

Warum die militärischen Namen?
Als man vor rund 250 Jahren mit der Erforschung der tropischen Fischwelt begann, erinnerte die teils prachtvolle, immer jedoch auffällige Färbung der Korallenfische die Wissenschaftler an die Uniformen der Militärs des 18. Jahrhunderts. Auch andere Fische wurden militärisch benannt.

Zum Namen „Soldatenfische“ eine Kuriosität am Rande: im großen Standardwerk von Marcus Eliser Bloch (1723-1799) „Naturgeschichte der Ausländischen Fische“ findet sich als „Soldat“ der Schwielenwels (Callichthys callichthys). Bloch schreibt: „In Brasilien heisst dieser Fisch Tamoata; die dasigen Portugiesen nennen ihn, seines gepanzerten Körpers wegen, Soldido, oder Soldat; in Surinam führt er den Nahmen Quiqui ; die Holländer in Ostindien nennen ihn Dreg-Dolfin und Bootshaken; die Franzosen Callicte; die Schweden Kryp-Ring-Ming, und die Deutschen Soldat…“ Heutzutage nennt aber niemand mehr Schwielenwelse „Soldat“ und seine artenreiche Verwandtschaft ist als „Panzerwelse“ aquaristisch sehr bedeutsam.

Bloch kannte aber auch schon echte Soldatenfische. Den typischen Soldatenfisch Holocentrus sogo bezeichnet Bloch schlicht als „Sogo“. Diese Art ist heute nicht mehr gültig und wird als Synonym zu Holocentrus adscensionis geführt. Damit genug zum alten Bloch und wieder zurück zur Frage, warum die Soldatenfische Soldatenfische heißen.

Da Soldatenfische vorwiegend rot gefärbt sind und die Röcke der Infanterie der früher ebenfalls oft rot waren (eine praktischer Farbe, denn darauf sieht man die Blutflecken nicht so sehr) kam man auf den Namen „Soldatenfische”. Und analog erinnerte die gestreifte Färbung der Husarenfische die frühen Ichthyologen an die mit Schnüren verzierten Jacken (Dolmane) der Husaren (leicht bewaffneter Reiterkrieger). Im englischen Sprachgebrauch bezeichnet man die Soldatenfische ebenfalls als „soldierfishes”, die Husarenfische jedoch als „squirrelfishes”, also Eichhörnchenfische. Letztere Name ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass in  Nordamerika sehr viele gestreifte Hörnchenarten vorkommen.

Sargocentron rubrum

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Friedliche Zeitgenossen
Ungeachtet ihrer säbelrasselnden Populärnamen sind alle Soldaten- und Husarenfische sehr friedliche Zeitgenossen und das macht sie, neben ihren attraktiven Farben und der ungewöhnlichen Gestalt, zu durchaus begehrenswerten Aquarienfischen. Niemals würden Soldatenfische andere Fische angreifen oder sich gar Frechheiten dem Pfleger gegenüber herausnehmen. Aber etwas aufpassen muss man dennoch, wenn man mit ihnen umgeht. Denn alle Holocentridae haben viele scharfe Stacheln am Körper und den Flossen, die Husarenfische zusätzlich einen langen Dorn am unteren Kiemendeckelrand. Dieser Dorn führt sogar bei manchen Arten Gift (nachgewiesen bei Sargocentron). Aber gestorben ist noch nie jemand daran, wenngleich Stiche als sehr, sehr schmerzhaft geschildert werden. Allergiker sollten allerdings besonders gut beim Umgang mit den Tieren aufpassen. Das Baden des gestochenen Körperteils in sehr heißem Wasser (so heiß, wie man es gerade noch aushält) hilft meist rasch, da die Gifte sehr temperaturempfindliche Eiweißverbindungen sind.

Sargocentron diadema

Tiefseefische?
Nein, die Mehrzahl aller Soldaten- und Husarenfische kommt in relativ flachem Wasser bis etwa 30 Meter Tiefe vor. Nur ganz wenige Arten gehen wirklich tief. Soldaten- und Husarenfische gelten sogar als ausgesprochene Korallenfische und werden hauptsächlich in Korallenriffen gefunden. Dennoch sind die großen Augen vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Soldaten- und Husarenfische ursprünglich in der Tiefsee entstanden sind. Dafür  spricht u.a., dass nahe Verwandte der Holocentridae bis heute in der Tiefsee leben und dort übrigens uralt werden: der als Speisefisch kommerziell genutzte, weltweit verbreitete Hoplostethus atlanticus (Granatbarsch) soll bis zu 160 Jahre alt werden. Weiterhin haben andere enge Verwandte der Holocentridae Leuchtorgane entwickelt, was man sonst auch nur von Tiefseefischen kennt. Diese so genannten Blitzlichtfische (Anomalopidae) haben unter den Augen Leuchtorgane, die sie abdecken und aufblenden können. Aufgeblendet leuchten sie so hell, dass Taucher angeblich in ihrem Licht lesen können…

Neonphion sammara

Nachtschwärmer
Die großen Augen sind also ein Überbleibsel der Tiefseevergangenheit, werden aber von den heute existierenden Arten genutzt, um nächtens auf Raubzug zu gehen. Den Tag verbringen Soldaten- und Husarenfische in Höhlen und Unterständen, oft vergesellschaftet mit Kardinalbarschen (Apogonidae), Großaugen (Priacanthidae) und anderen dämmerungsliebenden Arten. Dabei findet man sehr oft mehrere Arten von Soldaten- und Husarenfischen gemeinsam. Zu den Besonderheiten dieser Fische gehört es, nicht immer ”normal” zu schwimmen, sondern auch sehr oft mit dem Bauch nach oben.

Myripristis adusta

Kleine Räuber
Soldaten- und Husarenfische ernähren sich ausschließlich von fleischlicher Kost. Dabei bevorzugen die Husarenfische bodennah lebende Krebstiere, während die Soldatenfische eher größere Planktonorganismen (kleine Fische, Garnelen, Tintenfische etc.) aus dem freien Wasser nehmen. Im Aquarium gewöhnen sie sich aber sehr schnell an die übliche Tiefkühlkost und sind wirklich problemlose Kostgänger. Bereits kurze Zeit nach der Eingewöhnung fressen sie sogar Futtersticks von der Wasseroberfläche.
Die allermeisten Soldaten- und Husarenfische bleiben ziemlich klein und werden kaum länger als 20 cm. Weil sie jedoch sehr häufig sind, werden sie überall gefangen und gegessen. Die größte Art überhaupt ist bei den  Soldatenfischen Myripristis adusta, der maximal 32 cm, gewöhnlich jedoch auch im Freileben nur 25 cm lang wird; alle anderen Soldatenfisch-Arten bleiben kleiner. Die größte Art der Husarenfische ist Sargocentron spiniferum mit  maximal 45 cm, gewöhnlich aber nur 35 cm Länge. Die übrigen Arten werden auch hier gewöhnlich um die 20 cm lang.

Sargocentron seychellensis

Unspektakuläre Fortpflanzung
Genau wie die überwältigende Mehrzahl der Meeresfische setzen die Soldaten- und Husarenfische auf die Strategie „Masse statt Klasse”, wenn es um die Fortpflanzung geht. Brutpflege in irgendeiner Form wird nicht ausgeübt, sondern die Eier werden einfach in großer Menge ins freie Wasser abgegeben, wo sie sich selbst überlassen bleiben. Äußerlich erkennbare Geschlechtsunterschiede sind bisher nicht beschrieben worden, ebenso sind Details zu Balzverhalten unbekannt. Hier tut sich ein weites Betätigungsfeld für forschende Aquarianer auf, denn wie man auf den Bildern sieht, sehen sich viele Arten von Soldaten- und Husarenfischen außerordentlich ähnlich. Da zudem in der Natur oft drei oder vier Arten gemeinsam vorkommen, muss es irgendwelche Mechanismen geben, die eine Bastardisierung verhindern. Bastarde von Soldaten- oder Husarenfischen sind in der Literatur bislang nicht erwähnt worden, wenn es sie also gibt, sind sie zumindest selten. Vermutlich sind die Kreuzungsbarrieren im Balzverhalten zu suchen, aber das lässt sich aus naheliegenden Gründen in der freien Natur nur schwer oder gar nicht beobachten (man denke an die Nachtaktivität). Im Aquarium haben Soldatenfische (Myripristis murdjan) bereits in den 1960er Jahren abgelaicht, sie sind also in dieser Hinsicht durchaus zugängliche Fische (DE GRAAF, 1970).


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Myripristis kuntee

Im Aquarium
Soldaten- und Husarenfische eignen sich ausgezeichnet zur Pflege im Aquarium. Als Planktonfresser lassen sie sessile Wirbellose völlig unbeachtet und auch andere Fische haben von ihnen nichts zu befürchten, wenn sie nicht als Futter in Frage kommen. In meinem Aquarium mit zwei großen, gut 20 cm langen Myripristis konnte ich beobachten, dass auch kleine Fische nur einige Tage lang verfolgt wurden. Hatten sie diese Zeit überstanden und sich an die Umgebung gewöhnt, stellten die Soldatenfische keine Bedrohung mehr für sie dar. Die Soldatenfische schwammen dann nur noch halbherzige Angriffe, denen die kleinen Fische leicht ausweichen konnten.

Sargocentron seychellensis

Das Aquarium für Soldaten- und Husarenfische sollte allerdings möglichst groß sein, denn es handelt sich um schwimmaktive Tiere, die für Aquarienfische doch recht stattlich sind. Entsprechend hoch ist auch die Wasserbelastung, denn Soldaten- und Husarenfische sind kräftige Fresser. Die Ernährung der Fische stellt, wie schon früher geschildert, keinerlei Problem dar.

Neonphion sammara

Anders als in der Natur sind Soldaten- und Husarenfische im Aquarium keineswegs dämmerungs- oder nachtaktiv, sondern sind nach kurzer Eingewöhnungszeit den ganzen Tag über unterwegs. Eine große Höhle oder dergleichen sollte aber trotzdem für diese Fische vorhanden sein, schon damit man das interessante bauch-nach-oben-schwimmen ab und zu beobachten kann.

Sargocentron diadema

Auch wenn Soldaten- und Husarenfische keine ausgesprochenen Schwarmfische sind, sollte man sie in einer kleinen Gruppe, mindestens aber zu zweit pflegen. Eine Gruppe darf auch durchaus aus verschiedenen Arten bestehen. Leider werden Soldaten- und Husarenfische nur sehr sporadisch im Zoofachhandel angeboten. Wer über ein großes Aquarium verfügt sollte ruhig zugreifen, wenn sich die Gelegenheit ergibt – es lohnt sich bestimmt.

Frank Schäfer


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Interessante Messeraale aus Peru

Die Messerfische der Neuen Welt (Gymnotiformes) bilden mit aktuell 273 bekannten Formen eine artenreiche Familie. In der Aquaristik sind aber nur sehr wenige Arten regelmäßig vertreten: der schwarze Seekuh-Messerfisch (Apteronotus albifrons), sein braun gefärbter Vetter A. leptorhynchus und einige Eigenmannia-Arten (Grüne Messerfische). Für Schau-Aquarien wird noch der mächtige Zitteraal (Electrophorus electricus) häufiger importiert, der ebenfalls zu den Neuwelt-Messerfischen zählt – damit endet auch schon die Liste der stets im Hobby verfügbaren Arten. Um so erfreulicher ist, dass gleich mehrere ganz außergewöhnliche Neuwelt-Messerfische aus Peru importiert werden konnten.

Portrait von Adontosternarchus nebulosus

Der Grund für das rare Angebot liegt natürlich nicht darin, dass Messerfische in der Natur selten sind. Das Gegenteil ist der Fall, sie bilden einen beachtlichen Anteil der Biomasse in Amazonien. Aber die Nachfrage nach solchen ungewöhnlichen Aquarienbewohnern ist gering, denn Neuwelt- Messerfische eignen sich, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum für herkömmliche Gesellschaftsaquarien. Als hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktive Tiere kommen die kleinen Messerfisch-Arten leicht mit dem Futter zu kurz und großwüchsige Messerfisch-Arten betrachten kleine Mitbewohner als Zusatznahrung. Manche besonders attraktiv gefärbte Arten  sind untereinander oft auch sehr zänkisch. Darum sind die meisten Arten der Neuwelt- Messerfische nur für Art-Aquarien geeignet und bei sehr spezialisierten Aquarianern zu finden und von denen gibt es nicht so viele. Ein paar mehr wären aber sehr zu begrüßen, denn Neuwelt-Messerfische sind hochinteressante Tiere, von denen man noch längst nicht alles weiß – eine lohnende Aufgabe für engagierte Aquarianer!

Zur besseren Unterscheidung von den Altwelt-Messerfischen (Notopterus, Chitala & Co.), mit denen die Neuwelt-Messerfische nicht näher verwandt sind, werden die Neuwelt-Messerfische auch häufig als Messeraale bezeichnet. Alle Messeraale gehören zu den elektrischen Fischen, die ständig elektrische Impulse aussenden. Sie nutzen diese Impulse zum Auffinden von Beute, zur Orientierung im Raum und zur innerartlichen Kommunikation. Nur beim Zitteraal sind die Impulse so stark, dass sie zur Betäubung von Beutefischen oder Feinden eingesetzt werden können. Alle anderen Messeraale sind so schwach elektrisch, dass ein Mensch, der sie anfasst, nichts  davon spürt und auch eventuelle Mitbewohner im Aquarium nehmen durch die elektrischen Impulse keinen Schaden.

Gymnorhamphichthys cf. hypostomus

Gymnorhamphichthys cf. hypostomus

Die Sand-Messeraale (Rhamphichthyidae) werden einer eigenen Familie innerhalb der Neuwelt-Messerfische zugeordnet. Es sind derzeit fünf Gattungen mit 26 Arten bekannt. Die Gattung Gymnorhamphichthys, auch Thermometer-Messeraale genannt, umfasst sechs gültige Arten. Es ist nicht viel über die Tiere bekannt, denn sie sind streng nachtaktiv und graben sich tagsüber in feinen Sand ein.


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Portrait von Gymnorhamphichthys cf. hypostomus aus Peru

Umfassende Naturbeobachtungen sind daher nahezu unmöglich. Die hier vorgestellten Gymnorhamphichthys hat Aquarium Glaser, Rodgau, wie die übrigen in diesem Aufsatz vorgestellten Arten, aus Peru erhalten. Nach der Checkliste der Süßwasserfische Südamerikas aus dem Jahr 2003 waren für Peru keine Gymnorhamphichthys gemeldet, inzwischen wurden aber G. hypostomus und G. rondoni in die Faunenliste von Peru aufgenommen. Das Zeichnungsmuster der importierten Tiere erinnert am ehesten an G. hypostomus, allerdings haben sie eine deutlich längere Schnauze. Möglicherweise handelt es sich daher um eine  unbeschriebene Art, weshalb wir vorsichtshalber die Artbezeichnung G. cf. hypostomus gewählt haben. Untereinander sind diese Messeraale friedfertig. Sie besitzen allerdings auch keinerlei Zähne oder sonstige Möglichkeiten, um einander Schaden zuzufügen. Ihre Ernährung ist einfach, denn sie fressen gerne Rote Mückenlarven, die auch in der Natur ein Nahrungshauptbestandteil sind, wie Mageninhaltsuntersuchungen zeigten. Die Maximalgröße für G. hypostomus wird mit etwas über 20 cm angegeben, die Import-Tiere waren etwa 14-18 cm lang.

Diese zweite Gymnorhamphichthys-Art fand sich in einem Exemplar zwischen Gymnorhamphichthys cf. hypostomus
Portrait des Gymnorhamphichthys sp. aus Peru

Neben G. cf. hypostomus enthielt die Sendung Messeraale aus Peru einen weiteren Vertreter der Gattung Gymnorhamphichthys, der sich zum einen durch eine abweichende Zeichnung und eine andere Kopfform von den übrigen Tieren unterscheidet.

Compsaraia samueli

Männchen von Compsaraia samueli

Dieser Messeraal, ein Vertreter der Familie Apteronotidae, ist der wohl bizarrste aller Neuwelt-Messerfische. Viele Apteronotidae bilden einen deutlichen Sexualdimorphismus aus, indem die Männchen mit Eintritt der Geschlechtsreife eine lang ausgezogene Schnauze oder andere Veränderungen im Kopfbereich entwickeln; die Männchen werde zudem oft größer als die Weibchen. Die Unterschiede sind so gravierend, dass es häufig zu Doppelbeschreibungen kam, weil man Männchen und Weibchen als zu unterschiedlichen Arten gehörend ansah. Die Männchen von Compsaraia samueli bildern  derart lange Kiefer aus,dass man sich fragen muss, ob sie damit überhaupt noch ungehindert dem Nahrungserwerb nachgehen können! Wäre dieser Fisch eine Zuchtform und keine natürliche Art, würde sie mit Sicherheit von sogenannten Tierschützern als Qualzucht bezeichnet werden.

Die verlängerten Kiefer von geschlechtsreifen Männchen von Compsaraia samueli sind bizarr.
Weibchen von Compsaraia samueli

Diese Kieferverlängerung wird bei Kommentkämpfen der Männchen eingesetzt. Zwei Männchen stehen sich dabei gegenüber, reißen die Mäuler weit auf und schieben sich mit den Kiefern hin und her, so ähnlich wie es Hirsche  während der Brunft tun. Leider weiß man ansonsten noch sehr wenig über diesen rund 20-25 cm Länge erreichenden Messeraal. So fragt man sich, ob die Weibchen in irgend einer Art und Weise von den „Luxuskiefern“ der Männchen beeindruckt werden. Erst ausführliche Aquarienbeobachrtungen können solche und weitergehende Fragen lösen. Leider gelangten bisher erst sehr wenige Exemplare der Art nach Europa, obwohl sie in unmittelbarer Nähe von Iquitos vorkommt und dort keineswegs selten ist. Als Beifang zu Compsaraia samueli erreichte Aquarium Glaser ein Exemplar einer identisch gefärbten Art der Gattung Sternarchella. Ob es bei den Messeraalen vielleicht mimetische, also nachahmende Arten gibt? Und wozu könnte eine solche Mimese dienen? Auch hier können nur Aquarienbeobachtungen Antworten auf solche Fragen  geben.

Sternachella sp., Beifang zu Compsaraia samueli

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Adontosternarchus nebulosus

Auch die Gattung Adontosternarchus, die aktuell sechs Arten enthält, von denen A. nebulosus erst 2007 und A. duartei 2012 beschrieben wurden, gehört zu den Apteronidae. Es handelt sich durchwegs um Arten von moderater Größe, die 20 cm Gesamtlänge kaum überschreiten. In dieser Gattung bleiben die Männchen etwas kleiner als die Weibchen und die Geschlechtsunterschiede sind nicht derart augenfällig wie bei anderen Arten der Familie. Dafür sind Adontosternarchus hübsch marmoriert gezeichnet. Die Färbung ist artcharakteristisch und dient als wesentliches Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Arten. Untereinander sind diese Messeraale recht verträglich, so dass eine Gruppenhaltung zumindest versucht werden sollte.

Männchen von Adontosternarchus nebulosus
Weibchen von Adontosternarchus nebulosus

Gymnotus carapo occidentalis

Der Gebänderte Messerfisch (Gymnotus carapo) igehört zu den ersten in der moderenen Wissenschaft erfassten Arten und wurde schon 1758 beschrieben. Er hat – nach traditioneller Auffassung – eine gewaltig weite Verbreitung in Südamerika, allerdings sollte man bedenken, dass viele frühere Meldungen der Art wohl auf falsch bestimmten Tieren beruhen. Entsprechend skeptisch müssen auch Größenangaben beurteilt werden. G. carapo gehört nach Literaturangaben zu den groß werdenden Arten und soll Längen um 75 cm erreichen können bei einem Gewicht von 1,2 kg. Andererseits wurden in jüngerer Zeit Gymnotus-Arten beschrieben, die wohl nur 15-20 cm lang werden. Es liegt eine aktuelle wissenschaftliche Übersicht über Gymnotus carapo vor (Craig et al., 2017). Darin wird die Art in sieben Unterarten eingeteilt, von denen in Peru Gymnotus carapo occidentalis vorkommt. Das größte Exemplar dieser Unterart, das den Autoren vorlag, war 45 cm lang. Mit solchen Maßen muss man also rechnen, wenn man diese Tiere pflegen möchte. Aus Peru stammen die für diesen Post fotografierten Exemplare.

Eigentlich wären Gebänderte Messerfische – ungeachtet  ihrer Größe – wirklich tolle Aquarienfische, denn sie sind als Sumpfbewohner mit einer Hilfsatmung ausgestattet (sie veratmen Luft, die sie an der Wasseroberfläche aufnehmen), sind also sehr anspruchslos in Bezug auf die Wasserqualität, attraktiv gezeichnet und wie alle Messerfische faszinieren sie durch ihren unvergleichlich eleganten Schwimmstil. Leider sind sie aber untereinander meist extrem unverträglich, weshalb selbst eine paarweise Haltung manchmal kaum gelingt. Interessant dabei ist, dass ein aktueller Import (Sommer 2024) aus Peru auffällig friedfertig untereinander ist. Die zwei Exemplare, die für diesen Post fotografiert wurden, sind rund 15 cm lang. Da die Färbung bei Gebänderten Messerfischen sehr variabel ist, wählte ich das hellste und das dunkelste Tier des Importes, wobei auch Unterschiede in der Kopfform bestehen. Möglicherweise handelt es sich um ein Pärchen. Sie waren mehrere Tage gemeinsam in einem relativ engen Fotobecken untergebracht und es kam lediglich zu völlig harmlosen Rangordnungsrangeleien. Das ist wirklich erwähnenswert, denn ich erinnere mich nur zu gut an stark beschädigte Exemplare aus früheren Importen und daran, wie extrem unverträglich diese Tiere untereinander waren. Messerfische verfügen übrigens über ein geradezu sagenhaftes Wundheilungs- und Regenerationsvermögen. Sogar Teile der Wirbelsäule können neu gebildet werden, wenn sie z.B. bei einem Piranhaangriff verloren gehen! Deshalb sind Messerfische auch Gegenstand medizinischer Forschung.

Gymnotus sind Raubfische, die kräftiges Frost- und Lebendfutter brauchen. Kleine Fische betrachten sie als Nahrung. Gegenüber anderen Fischarten, die als Futter nicht in Frage kommen, sind sie friedlich.

Bei der Pflege von Neuwelt-Messerfischen sollten einige Grundregeln eingehalten werden. Zum einen sollte man nie vergessen, dass es sich um schwach elektrische Fische handelt; es hat sich sehr bewährt, PVC-Rohre als Versteckmöglichkeiten anzubieten, die die elektrischen Felder zumindest zum Teil abschirmen, damit sich die Tiere nicht gegenseitig auf die Nerven gehen. Des weiteren sollte zumindest während der Eingewöhnungszeit möglichst auch Lebendfutter angeboten werden. Rote Mückenlarven und Tubifex sind besonders gut geeignet. Auch wenn die Futtertierchen sich im Bodengrund, der bei Messeraal-Aquarien am besten aus Sand bestehen sollte, verkriechen, können die Messeraale sie mittels ihrer Elektro-Rezeptoren aufspüren und erbeuten. Für Arten mit lang ausgezogenen Schnauzen sind kleine Futterfische die beste Option. Die chemische Wasserzusammensetzung ist eher nebensächlich, auch wenn weiches und leicht saures Wasser im Lebensraum der meisten Arten vorherrscht. Besonderes Augenmerk ist auf die Schwanzspitze zu richten. Bei innerartlichen Auseinandersetzungen wird hier bevorzugt zugebissen.

Zwar besitzen Messeraale ein erstaunliches Regenerationsvermögen und können auch große Teile des Schwanzes mehr als die Hälfte der Körperlänge!) im Falle eines Verlustes neu bilden; Verpilzungen und bakterielle Infektionen der Schwanzspitze werden aber sehr schlecht vertragen und können zum Tode des Tieres führen.

Insgesamt sind die neuweltlichen Messerfische oder Messeraale hochinteressante Fische. Man würde sich wirklich wünschen, dass sie häufiger gepflegt werden!

Lexikon zum Blog Messeraale

Gymnorhamphichthys: bedeutet „nackter Rhamphichthys“. Rhamphichthys ist eine andere Gattung Messeraale.
hypostomus: bedeutet „mit unterständigem Maul“.
samueli: Widmungsname für Samuel Albert, der die Typusexemplare sammelte.
Adontosternarchus: bedeuted „Sternarchus ohne Zähne“; Sternarchus ist eine andere Messerfischgattung.
Sternarchella: bedeutet „kleiner Sternarchus“.
Compsaraia: bedeutet „mit elegantem Flossenstrahl“; der Gattungsname bezieht sich auf die Afterflosse.
Apteronotus: bedeutet „ohne Flosse auf dem Rücken“.
Eigenmannia: zu Ehren von Carl H. Eigenmann (1863-1927).
Electrophorus: nach einem ebenso benannten frühen physikalischen Apparat, mit dem statische Elektrizität erzeugt werden konnte.
electricus: bedeutet „elektrisch“. albifrons: bedeutet „mit weißer Stirn“.
leptorhynchus: bedeutet „mit kleiner Schnauze“.
Gymnotus: bedeutet „mit nacktem Rücken“, bezieht sich auf das Fehlen einer Rückenflosse
carapo: abgeleitet vom Namen der indigenen Brasilianer für diese Fische
ccidentalis: bedeutet „westlich“, da es die am weitesten westlich vorkommende Unterart von G. carapo ist.

zitierte Literatur:

Craig, J. M., W. G. R. Crampton & J. S. Albert (2017): Revision of the polytypic electric fish Gymnotus carapo (Gymnotiformes, Teleostei), with descriptions of seven subspecies. Zootaxa 4318 (no. 3): 401-438.

Frank Schäfer

155 Jahre Paradiesfisch

Ohne Emil Adolf Rossmäßler gäbe es die Aquaristik, wie wir sie kennen, nicht. Die Evolution der Aquaristik von der leicht romantischen “zurück zur Natur”-Bewegung Rossmäßlers zur für den Natur- und Artenschutz unentbehrlichen Hilfswissenschaft, die die Aquaristik heute darstellt, ist jedoch eng mit der Einfuhr bestimmter Fischarten verbunden. Die bedeutendste dieser Fischarten ist der Paradiesfisch, Macropodus opercularis.

Ohne Paradiesfische hätte die Aquaristik einen ganz anderen Weg genommen. Abbildung aus der ersten Auflage von Rossmässlers “Das Süßwasser-Aquarium” von 1857.

Es ist auch sicher keine Übertreibung, dass es die Aquaristik, wie wir sie heute kennen, ohne den Paradiesfisch nicht gäbe. Die Aquaristik Rossmässlers beruht darauf, tümpeln zu gehen, Tiere und Pflanzen draußen zu sammeln und sie anschließend zuhause im Aquarium zu beobachten, um so ein Naturverständnis zu entwickeln. Das sind löbliche und hohe Ansprüche, ich wünschte, es gäbe ein paar moderne Aquarianer mehr, die ihnen frönten, aber natürlich fehlt dieser Aquaristik ein wesentlicher Aspekt, den ein massentaugliches Hobby benötigt: der Wettbewerb. Was das bedeutet? Nun, ein Hobby kann nur dann existieren und sich fortentwickeln, wenn die Hobbyisten sich im sportlichen Wettbewerb untereinander messen können. Die heimische Tier- und Pflanzenwelt bietet nur sehr wenige Arten, die sich dauerhaft im Haus pflegen lassen. Die paar Arten hat jeder nach vergleichsweise kurzer Zeit durch und dann wird es langweilig. Das ist, als ob sich ein literarischer Zirkel bilden will, aber nur über 10 Bücher verfügt. Das wird nichts.


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Die Anfänge der Aquaristik waren so bescheiden, dass dafür noch nicht einmal ein eigenes Fachblatt existierte. Bis zur Gründung der ersten deutschsprachigen Fachzeitschrift, den “Blättern für Aquarien- und Terrarienkunde” im Jahr 1890 waren es allgemeine, alle Aspekte der häuslichen Tier- und Pflanzenpflege betreffende Zeitschriften, in denen sporadisch auch Aufsätze zur Aquaristik erschienen. In diese Zeit fällt auch die Gründung der ersten Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde, ohne die sich ein derart anspruchsvolles Hobby nicht weiterentwickeln kann. Diese Entwicklung verdankt die Aquaristik einem bestimmten Fisch, nämlich dem Paradiesfisch, Macropodus opercularis. Dieser Fisch vereinigt alle Eigenschaften in sich, die man an einen idealen Anfängerfisch stellen kann: er ist wunderschön gefärbt und hat prächtige Flossen; er ist vollkommen anspruchslos in Bezug auf die Wasserzusammensetzung und kann dank eines Hilfsatmungsorgans, des Labyrinths, atmosphärische Luft veratmen, wodurch er sogar in praktisch sauerstofffreiem Wasser noch überleben kann; er ist leicht zu ernähren; er bleibt klein, aber nicht zu klein und benötigt nur wenig Schwimmraum; und er kann stärkere Temperaturschwankungen im Bereich von rund 10°C bis über 30°C ertragen, wie sie unter den damals üblichen, störanfälligen Heizmöglichkeiten (Spiritus-, Gas- oder Kohlebrenner, die unter das Aquarium gestellt wurden) immer wieder einmal auftraten.

Diesen Wunderfisch wollte man haben! Und er war teuer, richtig teuer!

Erstimport nach Frankreich
Die westliche Welt verdankt den Erstimport des Paradiesfischs Frankreich. Am 8. Juli 1869, also vor 150 Jahren erreichten auf dem Seeweg 22 Paradiesfische an Bord der Impératrice Paris. Es waren die Überlebenden von 100 Exemplaren, die der französische Konsul von Ning Po, Eugène Simon, Ehrenmitglied der 1854 gegründeten Société Impériale d’Acclimatation beschafft und dem an Bord der Impératrice dienenden Schiffsoffizier Gérault übergeben hatte. Von den 22 überlebenden Tieren erhielt Pierre Carbonnier 12 Männchen und 5 Weibchen. Zwei Jahre später hatte Carbonnier 200 Nachzuchttiere.

Dies ist die erste (und somit authentische) Abbildung, von den 1869 neu eingeführten Paradiesfischen; sie erschien ursprünglich in der Zeitschrift La Chasse Illustrée. 3 (11): 81 (16.Oktober 1869) und zeigt zwei Männchen. Der Zeichner, Albin Mesnel (1830-1875), war ein geschulter Tiermaler. aus Carbonnier, 1870

Carbonnier, geboren 1828, war offenbar ein begnadeter Aquarianer. Man sagt ihm nach, er habe die Rote Mückenlarve als exzellentes Aquarienfischfutter entdeckt. 1850, also im Alter von nur 22 Jahren, eröffnete Carbonnier in Paris eines der ersten Schauaquarien der Welt. Er besaß aber auch eine Fischzüchterei. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde Carbonniers Fischzuchtanstalt zerstört. Carbonnier baute sie jedoch bald wieder auf. Carbonnier war es auch, der den Populärnamen “Paradiesfisch” prägte. Ihn erinnerte die verschwenderische Flossenpracht der Männchen an den Federschmuck der Paradiesvögel von Neu-Guinea.

Nach Deutschland kamen, den Quellen zufolge, erst 1873/74 die ersten Paradiesfische; das war wohl die Folge der beiderseits betriebenen nationalistischen Feindschaft der beiden Nationen. Importeure nach Deutschland waren u. a. die in Berlin lebenden Gebrüder Sasse; allerdings gab es offenkundig bereits früher vereinzelte Importe, sonst hätte z. B. Bedriaga kaum in der Zeitschrift “Der Zoologische Garten” 1874 über die Tiere berichten können. Ausgestellt und somit einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurden die ersten Paradiesfische in Deutschland aber erst 1876 auf einer Ausstellung des Berliner Vogelzuchtvereines “Aeginata”. Zu dieser Zeit wurden 50 Mark pro Paar gefordert. Eine Mark entspricht ca. 16-18 Euro, also wurden pro Paar Makropoden ca. 800-900 Euro gezahlt. 1878 war der Preis auf 30 Mark gefallen (480-540 Euro). 1886 kostet ein Zuchtpaar 7,50-15 Mark (120-240 Euro), Jungtiere 4-6 Mark (64-96 Euro). Das sind immer noch hohe Summen und erklären zum Teil die Begründung der Aquarienvereine, die ab 1882 in Deutschland erfolgte; man schaffte sich solche teuren Tiere gemeinschaftlich an. Der erste Aquarienverein wurde in Gotha gegründet. Dort entstand bereits 1882 ein Zusammenschluss der dortigen Aquarianer. Der Triton in Berlin folgte 1888 und bereits 1893 wurde auch ein Verein in Hamburg gegründet, der später unter dem Namen „Humboldt“ bekannt wurde. Der Hamburger Verein hat, weil er sozusagen die Quelle der Importe kontrollierte, oft für deren Verbreitung in Deutschland gesorgt (herzlicher Dank an Manuel Thiele für die Daten).
Der Triton, Berlin, erlosch 2015. Gegenwärtig ist wohl die Nymphaea, Leipzig, gegründet 1892, der älteste noch existierende Verein für Aquarien- und Terrarienkunde, gefolgt von der Hottonia, Darmstadt, gegründet 1896. Zu dieser Zeit war der Paradiesfisch bereits erschwinglich geworden und im allgemeinen Sprachgebrauch setzte sich auch die populäre Bezeichnung “Makropode” mehr und mehr durch.

Hier wurde die Originalvorlage augenscheinlich umarrangiert und mit weiteren Import-Fischen aus China ergänzt. Man erkennt Teleskop-Goldfische (Carassius auratus) und Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix). aus La Nature, 1873. Auch dieses Bild wurde von Albin Mesnel geschaffen. Der linke Makropode ist das Weibchen, erkennbar an der nur über die halbe Körperhöhe verlaufende Streifung.

Zusammenfassend kann man sagen: der Paradiesfisch gab den Anstoß, sich mit der Pflege und Zucht exotischer Fische zu befassen; das führte zur Gründung von Aquarienvereinen, von Fachzeitschriften und von Betrieben, die Zubehör für die Aquaristik herstellen. Darum ist es nicht übertrieben zu sagen, dass es ohne den Paradiesfisch die moderne Aquaristik wohl nicht gäbe.


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Macropodus opercularis
Es ist nun höchste Zeit, den Paradiesfisch vorzustellen. Die offiziell gültige wissenschaftliche Erstbeschreibung erfolgte 1758 durch Carl von Linné in der 10. Auflage der “Sytema naturae” unter dem Namen Labrus opercularis. Die Artdiagnose war kurz und in Latein. Übersetzt lautet sie: “Schwanzflosse zweizipfelig; Körper mit 10 Streifen; brauner Fleck auf dem Kiemendeckel. China. Lagerstr. 24. Bewohnt Asien.”

Bereits vier Jahre zuvor wurde dieses Exemplar – es gab nur das eine – als Sciaena fasciata beschrieben. Diese Beschreibung ist jedoch ungültig, da sie vor dem offiziellen Beginn der zoologischen Namensgebung (1758) erfolgte. Linné war zu seiner Zeit hochberühmt und geachtet. Er hatte eine treue Fangemeinde, die so genannten “Apostel Linnés”, die ihn mit Naturalien versorgten. Unter ihnen war der Kaufmann und einer der Direktoren Schwedischen Ostindien-Kompanie, Magnus Lagerström. Er präsentierte das Tier (neben anderen Arten) 1748 und 1750; darüber gibt es eine Doktorarbeit aus dem Jahr 1754, nämlich “Specimen Academicus Sistens Chinensia Lagerströmiana”, die von Johannes Laurentius Odhelius verfasst und verteidigt wurde. Hierin erscheint der Name Sciaena fasciata, auf diese Schrift bezieht sich das Kürzel “China. Lagerstr. 24” in Linnés Erstbeschreibung.

Wenngleich Odhelius´ Beschreibung, wie schon gesagt, nicht gültig ist, enthält sie doch wichtige Angaben zu Farbdetails, die in der späteren Beschreibung Linnés fehlen: Punkte auf dem Kopf und dass der Körper bläulich gewesen ist. Leider ging dieses Exemplar, der Holotyp von Labrus opercularis, verloren. Da wir heute mehrere Arten von Paradiesfischen kennen, bringt das Probleme mit sich, denn es ist nicht mehr zweifelsfrei feststellbar, welche Paradiesfisch-Art Linné vorlag. Die Typuslokalität “China” ist zudem sehr vage. Es gibt auch keine Abbildung dieses Tieres. Bis 1945 lehnten darum viele Ichthyologen die Bezeichnung Macropodus opercularis für den Paradiesfisch ab, da die Art aufgrund der Beschreibung nicht identifizierbar sei (Nichols, 1945). Bis in die frühen 1950er Jahre findet man darum die Bezeichnung Macropodus viridi-auratus für den Makropoden in der Literatur. 1958 klärte H. Rendahl das wichtiges Detail auf, dass das Typusexemplar von M. opercularis von Lagerström stammte und somit nur die Stadt Canton (heute Guangzhou) als Typusfundort in Frage kommt, denn dort hatte die Schwedische Ostindien-Kompanie ihren einzigen Zugangshafen nach China. Rendahl verdanken wir auch den Hinweis auf die detaillierte Beschreibung des Typusexemplars des Paradiesfisches durch Odhelius.

Schönes Männchen des Aquarienstammes von Macropodus opercularis.

Nach heutigem Wissensstand gibt es bei Guangzhou zwei Arten von Paradiesfischen, eine rote und eine schwarze. Letztere gehört zur erst 2002 wissenschaftlich beschriebenen Art Macropodus hongkongensis. Da M. hongkongensis zwar einen Kiemendeckelfleck und manchmal auch (wenngleich, verglichen mit M. opercularis, undeutliche) Körperstreifen aufweist, so hat er doch nie ein deutliches Punkt­muster am Kopf. So kann man derzeit davon ausgehen, dass die gegenwärtig als Paradiesfisch im Aquarium verbreitete und gepflegte Art tatsächlich korrekt als Macropodus opercularis Linné, 1758 zu bezeichnen ist.

Andere Arten und Synonyme
Während also die Identität von Macropodus opercularis sensu Linné geklärt scheint, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die Paradiesfische, die 1869 von Ning Po nach Frankreich kamen, wirk­lich zu dieser Art gehörten. Lange Zeit glaubte man, es gäbe keine Abbildungen dieser Originaltiere von Carbonnier. Das ist aber falsch, es gibt sie. Und sie zeigen Merkmale, die die heute im Aquarium gepflegten Paradiesfische nicht haben, z.B. verlängerte Flossenstrahlen über die gesamte Hinterkante der Schwanz­flosse, ähnlich, wie man das vom Ceylon-Makropoden (Belontia signata) kennt. Vor allem farblich weichen die Fische aus Ning Po deutlich von allen in der neueren Zeit dokumentierten Paradiesfischen ab, denn sie hatten offenbar gepunktete Flossenmembranen, dafür aber kein deutliches Punktmuster auf dem Kopf. Nun könnte man argumentieren, eine solche Zeitschriften-Illustration erhöbe ja wohl kaum den Anspruch an eine wissenschaftlich korrekte Abbildung. Aber hier liegt der Fall denn doch etwas anders, denn Mesnel, der die Abbildungen schuf, war ein naturwissenschaftlich geschulter Tiermaler.

Dieser handkolorierte Stich, ganz klar eine Kopie der Abbildung von Mesnel, 1869, ziert die Monografie „Die Makropoden ihre Bedeutung als Zierfische, deren Pflege und Zucht“ von Max Ritter von Stubenrauch, 1895. Zur Verfügung gestellt von Frank Fritzlen, Antiquariat Castellum. Die farbige Abbildung ist deshalb so bedeutsam, weil sie beweist, dass von Stubenrauch mit Makropoden roter Grundfärbung züchtetete. Seine Fische waren also Rote Makropoden, nicht, wie die, die Bedriaga (1874) beschreibt, solche von grünlicher Grundfärbung!

1873 publizierte M. N. Joly die detaillierte Beschreibung der Embryonalentwicklung des von Ning Po importierten Paradiesfisches und beschrieb die Art neu als Macropodus paradisi. Typuslokalität dieser Art ist nicht, wie in Eschmeyer (abgerufen 11. August 2019), Canton in China, sondern Ning Po, denn es handelt sich definitiv um Tiere des 1869 nach Frankreich importierten Stammes. Auch wenn die Zeichnung eines erwachsenen Männchens von M. paradisi in Joly nur als missraten bezeichnet werden kann, so zeigt sie doch eindeutig das Merkmal der verlängerten mittleren Schwanzflossenstrahlen und der fehlenden Kopfzeichnung!

1872 war die ursprüngliche Makropodenart von Ning Po bereits durch diese Art ersetzt, bei der es sich wohl um Macropodus venustus handelt. aus Pouchet, 1872

Bereits früher wurden zwei weitere Macropodus-Arten beschrieben, der bereits erwähnte M. viridi-auratus Lacepede, 1801 und M. venustus Cuvier in Cuvier & Valenciennes, 1831. Während M. viridi-auratus auf einer chinesischen Zeichnung beruht, die anatomisch nicht korrekt ist (die Flossen sehen aus wie Haifischflossen und der erste Strahl der Rückenflosse ist der längste), und bezüglich aller erkennbaren Zeichnungsmerkmale lediglich einem gestreiften Gabelschwanz-Makropoden, aber keiner zuordenbaren Art entspricht, ist das bei M. venustus völlig anders. Die Abbildung von M. venustus zeigt wiederum einen Paradiesfisch mit lang ausgezogenen mittleren Schwanzflossenstrahlen! Und – auch das ist sehr bemerkenswert – ohne Kiemendeckelfleck, genau wie bei der Abbildung von M. paradisi!

Auf dieser chinesischen Zeichnung (Iconotyp) beruht die Beschreibung von Macropodus viridi-auratus. Da die Zeichnung anatomisch unkorrekt ist und keine Typuslokalität außer “China” angegeben wird, bleibt der Name zwar verfügbar innerhalb Macropodus, ist jedoch keiner Art zuzuordnen. M. viridi-auratus ist Typusart der Gattung Macropodus.
aus Lacepede, 1801
Nachgestellte Szene der klassischen Abbildung von M. viridi-auratus mit einem lebenden M. opercularis-Wildfang-Männchen. Man sieht sehr schön die Punkte auf dem Kopf und den namensgebenden Opercularfleck.

Die früheste mir bekannte Abbildung von Makropoden in der deutschsprachigen Liebhaber-Literatur ist in der vierten Auflage von Rossmässlers “Das Süßwasser-Aquarium” aus dem Jahr 1880, bearbeitet von Hermes (Rossmässler starb 1867). Hier wird das Tier ganz richtig als Macropodus venustus bezeichnet! Dieser Makropode sieht Cuviers M. venustus sehr ähnlich, aber ohne die ausgezogenen mittleren Flossenstrahlen der Schwanzflosse. Ob vielleicht doch nach 1869 und vor 1880 neue Importe erfolgten? Frank Fritzlen (2019) verdanken wir kostbare und bislang vergessene Hinweise auf Makropoden-Literatur, so auch den auf die vierte Auflage des “Rossmässler”. Etwas später erschien ein Holzschnitt im Buch “Fremdländische Zierfische” von Bruno Dürigen aus dem Jahr 1886. War dieser nur schwarz-weiß, so wurde die gleiche Abbildung in Farbe 1895 als Beilage zu den “Blättern” nochmals verwendet. Auch dieses Tier hat keinen klar abgesetzten Kiemendeckelfleck, lang ausgezogene mittlere Schwanzflossenstrahlen und die Färbung stimmt (inklusive der Rot-Verteilung in der Rückenflosse und der fehlenden Punktzeichnung auf dem Kopf) hervorragend mit Cuviers Macropodus venustus überein. Wenngleich die Bedeutung ausgezogener, mittlerer Schwanzflossenstrahlen (“Kammschwänze”) nicht überbewertet werden darf (im Bookazin No7 finden Sie zu diesem Thema mehr bei der Besprechung der Schwarzen Makropoden) deutet alles darauf hin, dass die Makropoden von Ning Po und die, die zwischen ca. 1880 und 1893 im Aquarium gepflegt wurden, zwei von M. opercularis verschiedene Macropodus-Arten waren.

Die wahrscheinlich früheste in der deutschsprachigen Literatur abgebildete Makropoden-Form aus Rossmässler, 1880. Die kurzen Ventralen deuten auf ein Nachzuchttier hin. Es handelt sich wohl um M. venustus. Die überaus seltene, handkolorierte 4. Auflage des Rossmässler stellte uns Frank Fritzlen zur Verfügung.

1862 wurde der Süden Vietnams (= Cochinchina) von Frankreich besetzt. Es ist überhaupt nicht unwahrscheinlich, dass angesichts der enormen Preise, die für lebende Makropoden anfangs gezahlt wurden (es wird von 30.000 Goldmark berichtet, die der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm für eines der ersten Paare gezahlte haben soll; Fritzlen, 2019) aus Süd-Vietnam lebende Paradiesfische mitgebracht wurden. Die Abbildungen, die ab 1880 bis ca. 1896 publiziert wurden, zeigen ausschließlich Fische, die farblich weder zu den von Ning Po importierten noch zu den heute als M. opercularis bekannten Paradiesfischen passen; es handelt sich auch nicht um Schwarze Makropoden.

1817 erschien diese Abbildung eines Paradiesfisches aus Cochinchina (= Süd-Vietnam) unter der Bezeichnung Macropodus viridi-auratus. aus Cuvier, 1817
Original-Abbildung (Iconotyp) von Macropodus venustus aus Cuvier & Valenciennes, 1831. Es handelt sich ohne jeden Zweifel um die gleiche Art, die Cuvier 1817 zuvor als M. viridi-auratus bezeichnete. Verwirrend ist nur, dass diese Zeichnung laut Cuvier auf Tieren aus Canton, China (= Guangzhou) beruhen soll!
Dies ist eine der ältesten bekannte originäre Abbildungen eines Paradiesfisches aus der deutschen Aquarienliteratur; sie erschien erstmals 1886 in Schwarz-Weiß, 1895 in Farbe. Es handelt sich ohne jeden Zweifel um Macropodus venustus, nicht um M. opercularis oder M. paradisi!

Es ist, meinen Recherchen zufolge, gar nicht Macropodus opercularis, sondern Macropodus paradisi gewesen, der zuerst nach Frankreich kam! Dieser Stamm starb aus, vielleicht in Folge der Zerstörung von Carbonniers Anlage im deutsch-französischen Krieg 1870/71. Die ausführliche Farb-Beschreibung von Bedriaga (1874) bezieht sich ohne jeden Zweifel bereits auf M. venustus. Spätestens ab 1880 zeigen die Abbildungen in der aquaristischen Literatur M. venustus (oder eine andere, wissenschaftlich noch unbeschriebene Art). Der zur Zeit als M. opercularis bekannte Fisch wird erst seit 1893 im Aquarium gepflegt und gezüchtet. Die nächste mir bekannte Abbildung stammt aus Bade, Das Süßwasseraquarium, 1. Auflage, 1896, es ist jedoch denkbar, dass diese Zeichnung bereits etwas früher angefertigt wurde. Gegenwärtig werden M. venustus und M. paradisi als Synonyme zu M. opercularis geführt, was aber sicher falsch ist. Lebendfotos der beiden Arten sind mir nicht bekannt. Die Typuslokalität von P. venustus wird in der Originalbeschreibung mit “Canton, China” angegeben, also der Typuslokalität von M. opercularis. Das ist sicher ein Hauptgrund dafür, weshalb alle Bearbeiter der Gattung im 20sten und 21sten Jahrhundert M. venustus und M. opercularis für artgleich hielten. Tatsächlich ist aber Canton gar nicht die Typuslokalität von M. venustus. Denn M. venustus, dessen Beschreibung auf einer Zeichnung beruht, die Cuvier von Dussumier aus Canton erhielt, stam­m­te aus Cochinchina. Cuvier publizierte die Art erstmals 1817, damals allerdings noch als Macropodus viridi-auratus, mit Lokalitätsangabe “de Cochinchine”! Die Abbildung zeigt eindeutig M. venustus. Offenbar unterlief Cuvier später während der Bearbeitung der Makropoden 1831 (er unterschied M. viridi-auratus und M. venustus) ein Durcheinander bezüglich der Herkünfte. Leider existieren nur die Zeichnungen, aber keine Typusexemplare von M. venustus und M. paradisi, jedoch besteht für mich kein Zweifel, dass diese Arten von M. opercularis verschieden sind.

Drohendes Männchen vom Aquarienstamm von M. opercularis.

Neugierig geworden? Dies ist nur ein kleiner Auszug aus dem umfangreichen Makropoden-Artikel, der den Hauptteil des gerade erschienenen Bookazine No7 (https://www.animalbook.de/NEWS-Bookazine-Nr-7-Herbst-2019) bildet und alle bislang bekannt gewordenen Makropodus-Beschreibungen plus einige noch unbeschriebene Arten plus alle Zuchtformen vorstellt. Hier noch die Zusammenfassung des Aufsatzes:

Arten der Gattung Macropodus unterscheiden sich in erster Linie durch Details der Färbung. Es lassen sich drei Grundtypen unterscheiden: (1) senkrecht gestreifte, bunte Gabelschwänze, (2) schwarze Gabelschwänze und (3) Rundschwänze. Von der Mehrzahl der nominellen Taxa gibt es kein Typusmaterial und/oder nur unzureichende Fundortangaben, von anderen nur unzureichende Färbungsangaben und/oder Abgrenzungsmerkmale. Aufgrund von deutlichen Zeichnungsunterschieden werden folgende Taxa als valide angesehen: (1) Macropodus opercularis, M. paradisi, M. venustus, und – unter Vorbehalt – M. filamentosus, (2) M. erythropterus, M. hongkongensis, M. spechti und (3) M. ocellatus. Weitere, wahrscheinlich gültige Arten werden vorgestellt, jedoch wegen der wirren Situation bei den vietnamesischen Makropoden und der Unzugänglichkeit mancher Literatur nicht benannt. Die Typuslokalitäten der Arten M. opercularis, M. paradisi und M. venustus werden korrigiert festgelegt. M. oligolepis ist Synonym von M. opercularis; M. concolor, M. phonghanensis, M. tramiensis und M. yeni sind Synonyme von M. spechti; M. lineatus ist Synonym von M. erythropterus; M. baviensis und M. paludosus werden unter Vorbehalt zum Synonym von M. opercularis. M. chinensis, M. ctenopsoides, M. viridi-auratus, und M. yang-ye verbleiben incertae sedis in Macropodus.

Frank Schäfer

Zitierte Literatur

Bade, E. (1896): Das Süßwasser-Aquarium. Berlin

Bedriaga, J. v. (1874): Der chinesische Fisch Macropodus venustus. Der Zoologische Garten 15: 93-97    

Carbonnier, P. (1870): Nouvelle note sur un poisson de Chine appartenant au genre Macropode. Bulletin Mensuel de la Sociétée Imperiale Zoologique d´Acclimatisation: 26-32

Cuvier, G. (1817): Le Règne Animal. Edition accompagnée de planches gravées. Paris

Cuvier, G. & A. Valenciennes (1831): Histoire naturelle des poissons. Tome septième. Livre septième. Des Squamipennes. Livre huitième. Des poissons à pharyngiens labyrinthiformes. F. G. Levrault, Paris. v. 7: i-xxix + 1-531, Pls. 170-208.

Dürigen, B. (1886): Fremdländische Zierfische. Lankwitz-Südende bei Berlin

Fritzlen, F. (2019): Literatura Vivaristica. Aquaristik Fachmagazin 268: 116

Joly, M. N. (1873): Études sur les moeurs, le développement et les métamorphoses d’un petit poisson chinois (1) du genre Macropode (Macropodus Paradisi, Nobis) (2). Mémoires de l’Académie royale des sciences, inscriptions et belles-lettres de Toulouse, Septième Série. v. 5: 312-340, Pl. (figs. 1-24).

Lacepède, B. G. E. (1801): Histoire naturelle des poissons. v. 3: i-lxvi + 1-558, Pls. 1-34

Linnaeus, C. (1758): Systema Naturae, Ed. X. (Systema naturae per regna tria naturae, secundum classes, ordines, genera, species, cum characteribus, differentiis, synonymis, locis. Tomus I. Editio decima, reformata.) Holmiae. v. 1: i-ii + 1-824

Rendahl, H. (1958): The original description of the Chinese Paradisefish, Macropodus opercularis (Linnaeus). Copeia 1958, No.2: 145-146

Jetzt EU-weit verboten: die Muschelblume

Vor zwei Jahren wurde die Liste der als invasiv erachteten Tier- und Pflanzenarten, deren Handel, Pflege, Zucht und Transport EU-weit verboten sind, erneut erweitert. Die Verordnung ist jetzt (2. August 2024) in Kraft getreten. Details zur Verodnung und die vollständige Liste finden Sie hier: https://www.aqualog.de/blog/die-eu-erweitert-die-verbotsliste-invasiver-arten/

Das ist sehr zu bedauern, denn als Aquarienpflanze ist Pistia stratiotes – so der wissenschaftliche Name der Muschelblume – sehr nützlich und vielseitig einsetzbar. Unsere Aquarienfische leben in freier Natur nämlich nur sehr selten zwischen Unterwasserpflanzen. Die gibt es auch nicht so oft. Statt dessen besiedeln Kleinfische gewöhnlich entweder die Ufervegetation oder die Wurzelbärte von schwimmenden Wiesen. Die Muschelblume, Pistia stratiotes, ist der perfekte Biotopersatz dafür.

Ein Bestand großer Muschelblumen im Aquarium. Die Blätter dieser Wuchsform sind 15-20 cm lang.

Vor allem für Labyrinthfischfreunde sind Schwimmpflanzen absolut unentbehrlich. Dabei entwickelt jeder Aquarianer so seine persönliche Vorliebe. Wegen ihrer großen Wandlungsfähigkeit war die Muschelblume daher bisher mein persönlicher Favorit. Hinzu kommt, dass es sich um ausgesprochen prächtige Pflanzen handelt.

Es gibt weltweit nur eine Art der Muschelblumen: Pistia stratiotes L. Es existiert eine große Zahl von Synonymen und Benennungen von Wuchsformen, doch herrscht heute Einigkeit darüber, dass sie alle keine systematische Bedeutung haben. Die Muschelblume ist ein sehr alter Nebenzweig (= Tribus) der Aronstabgewächse (Araceae), zu denen z.B. auch die aquaristisch so bedeutsamen Wasserkelche (Cryprocoryne) und Speerblätter (Anubias) gehören. Der Tribus Pistieae enthält also nur eine Gattung; Pistia, und diese nur eine Art, P. stratiotes. Der Gattungsname leitet sich nach Engler (1920) vom altgriechischen pistos “trinkbar” ab, weil sich in den Blättern erwachsener Pflanzen große Mengen Wasser ansammeln; Stratiotes ist der Name der Krebsschere (Stratiotes alismoides), einer heimischen Schwimmpflanze, deren Name sich wiederum von der altgriechischen Bezeichnung eines Söldner/Soldatentyps ableitet, weil die Krebsschere oder Wasseraloe recht stachelig und wehrhaft ist und schwertförmige Blätter besitzt. Darum wird “Stratiotes” auch als “Wasser-Soldat” übersetzt.

Kleinblättrige Wuchsform der Muschelblume, Blattlänge 1-4 cm. Dabei handelt es sich um Nachkommen der gleichen Ausgangspflanzen wie die großblättrigen Individuen, die oben abgebildet sind. Man beachte die Wasserperlen auf den Blättern, die vom Schwitzwasser kommen, die Pflanze aber nicht benetzen können.

Im Gegensatz zur Krebsschere ist die Muschelblume ein samtig-weiches Gewächs ohne jede Bewaffnung. Sie ist von einer wunderbaren blau-grünen Färbung und sehr dicht behaart. Die Behaarung bewirkt, dass die Blätter auf der Oberseite nicht dauerhaft von Wasser benetzt werden können, Wasser also abperlt. Dabei handelt es sich aber nicht um den Lotos-Effekt, der auf anderen Prinzipien beruht.

Direkter Vergleich zwischen der groß- und der kleinblättrigen Form der Muschelblume in einem Gefäß der Bodenfläche ca. 40×25 cm. Die kleine Pflanze ist exakt das Individuum unten rechts auf dem Bild oben.

Pistia ist eine weltweit in den Tropen verbreitete Art, die mancherorts auch als invasive Landplage empfunden wird. In Florida z.B. sind der Handel mit und der Besitz dieser Pflanze verboten. Dieser US-Staat wendet jährlich rund 1 Million $ zu ihrer Bekämpfung auf (https://wiki.bugwood.org/Archive:BCIPEUS/Pistia_stratiotes).
Die genaue ursprüngliche Herkunft der Muschelblume ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Manche nehmen an, sie stammt aus Südamerika. Andererseits war sie bereits den alten Ägyptern bekannt (Stoddart, 1989), die ja bekanntlich die Neue Welt nie bereisten. Vermutlich existierte die heute lebende Muschelblume bereits zur Zeit des Urkontinents Gondwana.

Blühende Muschelblumen

Das Gewächs ist überaus anpassungsfähig, stirbt aber, wenn die Temperaturen unter 12°C sinken. Trotzdem gibt es immer wieder Funde in künstlich erwärmten Gewässern auch in Deutschland, etwa in der Erft, die durch aus der Tiefe hochgepumptes Warmwasser tropische Wassertemperaturen hat. Es ist allerdings Blödsinn, aus solchen lokalen, auf rein künstlichen Bedingungen beruhenden Beobachtungen ein Invasionsszenario zu klöppeln und ein Handelsverbot für Pistia in der EU zu fordern, wie es jetzt in Kraft getreten ist. Wäre Pistia in der Lage, im EU-Raum zu überleben, wäre sie seit Jahrhunderten unausrottbar da, soviel ist sicher.

Blüte der Muschelblume. Die Spatha – typisch für Aronstabgewächse – ist bei Pistia gewimpert.

Auch wenn es völlig unbestritten ist, dass Muschelblumen sich gewaltig vermehren und Massenbestände bilden können, weiß man erstaunlich wenig darüber, wie sie sich eigentlich verbreitet. Der Hauptvermehrungsmodus der Muschelblume ist die Ausläuferbildung, die man auch im Aquarium wunderbar beobachten kann. Eine Verschleppung von Jungpflanzen durch Wassergeflügel ist allerdings eher unwahrscheinlich, dazu sind selbst junge Ableger schon zu groß. Auch die Verschleppung von Samen über Wassergeflügel erscheint kaum möglich, denn die Samen schwimmen nicht, sondern bilden große Lager am Gewässergrund, meist bedeckt von abgestorbenen Wasserwurzeln der erwachsenen Pflanzen. Bei Wassergeflügelverschleppungen bleiben Samen oder lebensfähige Pflanzenteile am Gefieder oder den Füßen des Geflügels hängen und werden so von Gewässer zu Gewässer transportiert, quasi per Luft-Taxi. Wahrscheinlicher erscheint da, dass die offenbar sogar gelegentlich interkontinental erfolgte Verbreitung von Pistia in Samenform im Darm der Vögel erfolgte, weil Samen beim Gründeln mit der Nahrung aufgenommen wurde und die Darmpassage überlebten. Bewiesen ist das allerdings nicht.

Zeichnung aus Engler (1920). A= adulte Pflanze mit Ausläufer, B = reifer Samen, C = keimender Samen, D = Jungpflanze, E = Längsschnitt durch die Blüte, F = Blütenorgane bei entfernter Spatha.

Die Kultur von Muschelblumen im Aquarium ist sehr einfach und gelingt eigentlich immer, wenn das Aquarium nur abgedeckt ist (bei mir jedenfalls sterben die Pflanzen im Zimmer in offenen Aquarien immer ab, die Luftfeuchtigkeit ist wohl nicht ausreichend) und nicht stark gefiltert wird. Weder die Lichtverhältnisse noch die Wasserzusammensetzung haben darauf wesentlichen Einfluss, auf die Wuchsform allerdings schon. Die gezeigte Zwergform wächst bei mir in weichem, sauren Wasser (pH um 5), beleuchtet nur mit einer 5-Watt Energiesparbirne, die große Form unter einem Dachschrägefenster (Westen) bei Tageslicht in hartem, stark belasteten Wasser. Die Lichtperiode darf nicht wesentlich unter 10 Stunden sinken, sonst geht die Pflanze ein. Manchmal gibt es Anpassungsschwierigkeiten bei großen Pflanzen aus dem Handel, die dann im Aquarium nach und nach verfaulen. Das führen viele Aquarianer auf Schwitzwasser zurück; nach meiner Erfahrung schadet Schwitzwasser aber bei der Kultur von Pistia keineswegs. Vor dem Handels-, Pflege- und Zuchtverbot galt: Wer niemanden kennt, von dem ein paar Jungpflänzchen bezogen werden können, sollte den Erwerb im Pflanzenhandel im Sommer durchführen. Dann bringt man die gekaufte Pflanze in einem schwarzen Eimer oder anderen schwarzen Kunststoffgefäß bei 15-20 cm Wasserstand an einem sonnigen Plätzchen im Freiland (Balkon, Garten, Fensterbank) unter. Dort wird der Neuerwerb bald Ausläufer produzieren, die, möglichst klein ins Aquarium gebracht, sich dort gut anpassen werden.

Man kann Pistia bei ganz flachem Wasserstand in den Boden einwurzeln lassen und durch die Verdunstung des Wassers als Land- oder Sumpfpflanze kultivieren.

Auch die Anzucht aus Samen ist möglich und wurde z.B. von Gülz (1950) ausführlich beschrieben. Die Samen (4-6 pro Frucht) keimen am besten bei Temperaturen über 30°C. Sobald das erste Blättchen erscheint, schwimmt die Pflanze auf. Wer die kleinen Blüten bestäubt, ist unerforscht. Bei mir kommen dafür Fruchtfliegen und Trauermücken in Frage, die im Tierzimmner immer irgendwo herumschwirren.

Übrigens: auch in Mitteleuropa wächst die Muschelblume bei Temperaturen über 15°C sehr gut im Freiland und kann in Kübeln oder dem Gartenteich sehr schmückend sein. Eine Verwilderung und dauerhafte Ansiedlung ist aber wegen der Temperaturempfindlichkeit nicht zu befürchten, auch wenn unter Laborbedingungen die Samen angeblich sogar leichten Frost unbeschadet überstanden haben sollen. Im Rahmen der Klimaerwärmung ist freilich damit zu rechnen, dass die Muschelblume, völlig unabhängig vom jetzt in Kraft getreten Haltungs- und Handelsverbot, auch in Teilen Europas dauerhaft zum Neophyten wird. Man darf ja nicht vergessen, dass sie bereits jetzt in Gebieten, die räumlich nahe zur EU liegen, vorkommt. Und in der tropischen Übersee-Dependanz Französich Guyana (gehört zu Frankreich) kommt sie natürlicherweise sowieso vor. Ich bin ja kein Jurist, aber ich frage mich schon, wie man mit einer EU-weit verbotenen Pflanzenart umgeht, die in Teilen der EU (in diesem Fall also dem südamerikanischen Teil) von Natur aus heimisch ist…

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Muschelblume eine wundervolle und nahezu universell einsetzbare Schwimmpflanze für das Aquarium war, wo auch immer Schwimmpflanzen gewünscht gewesen sind. Der einzige Nachteil dieser Pflanze waren die abgestorbenen Wurzeln, die sich am Boden ablagern und reinlichen Aquarianern ein Dorn im Auge waren. Mich hat das nie gestört und ich bin aufrichtig traurig darüber, dass sich hierzulande aufgrund für mich nicht nachvollziehbarer Bedenken künftig niemand mehr an Muschelblumen im Aquarium erfreuen darf.

Frank Schäfer

Zitierte Literatur:
Engler, A. (1920): Araceae – Pistioideae. – In: Engler, A. (ed.), Das Pflanzenreich; IV 23 F (Heft 73). Leipzig: Willhelm Engelmann: 250 – 262.
Gülz, H. (1950): Die Muschelblume, Pistia stratiotes. Deutsche Aquarien- und Terrarienzeitschift (DATZ) 7/1950
Stoddard, A. A. (1989): The phytogeography and paleofloristics of Pistia stratiotes L. Aquatics, 11(3), 21-4.

Schmetterlingsbarben: Enteromius hulstaerti und Co.

Im Kongo gibt es eine Gruppe von Zwergbarben, die wegen ihres possierlichen Aussehens und dem flatterhaften Balzschwimmen unter dem Namen “Schmetterlingsbarben” zusammengefasst werden. Keine von ihnen wird größer als 3 cm.

In welcher Gattung stehen Schmetterlingsbarben? 

Nachdem die asiatischen Kleinbarben in Hinsicht auf die Gattungszugehörigkeit überarbeitet wurden und die rund 120 Arten, die früher allesamt zumindest zeitweise Barbus oder Puntius zugeordnet wurden, nun in den Gattungen Barbodes, Bhava, Dawkinsia, Desmopuntius, Haludaria, Oliotius, Oreichthys, Pethia, Plesiopuntius, Puntigrus,  Puntius, Rohanella, Sahyadria, Striuntius, Systomus und Waikhomia untergebracht sind, stehen die etwa 220 Arten afrikanischer Kleinbarben etwas doof da. Auch sie wurden ja wie ihre asiatischen Vettern alle Barbus oder Puntius zugeordnet. Bis auf zwei Zwergarten, die in Barboides stehen, nennt man darum alle afrikanischen Kleinbarben vorübergehend Enteromius. Dabei wird es aber sicherlich nicht langfristig bleiben.

Gemessen an der Artenzahl sind nur ganz wenige, nämlich nicht einmal 10 Arten afrikanischer Kleinbarben wenigsten ab und zu im Zierfischhandel vertreten. Im Kongo gibt es eine Gruppe von Zwergbarben, die unter dem Namen “Schmetterlingsbarben” zusammengefasst werden. Zu den begehrtesten unter ihnen gehört die eigentliche Schmetterlingsbarbe, Enteromius hulstaerti. Sie kommt, genau wie zwei weitere, sehr ähnliche Arten (E. candens und E. papilio), nur im zentralen Kongobecken vor. Das Fanggebiet für die gegenwärtig importierte Variante von E. hulstaerti liegt bei Lompole, etwa 150 km westlich des Lac Mai Ndombe. 

Alle drei Arten leben in schattigen Waldbächen; mehr Details hierzu weiter unten. B. hulstaerti erreicht nur etwa 3 cm Körperlänge. Die Männchen erkennt man an der gelb-schwarzen Rückenflosse, die des Weibchens ist transparent und farblos.

Enteromius hulstaerti, Männchen. Diese Art hat die buntesten Flossen.
Enteromius hulstaerti, Weibchen

Lange nicht verfügbar

Obwohl die ersten Schmetterlings­barben schon in den 1960er Jahren nach Europa kamen und man auch damals schon das Geheimnis ihrer Vermehrung lüftete, verschwanden sie wieder aus den Aquarien. Ihre Vermehrung ist zu uneffektiv für Berufszüchter. Und dann kam der Malawi- und Tanganjika-Boom, der viele Barben und Salmler aus den Becken fegte, denn die breite Mehrheit der Aquarianer war nur noch bereit, für Buntbarsche aus den großen Grabenseen tiefer in die Tasche zu langen.

Keine Mode hält ewig, doch als man sich wieder auf diese kleinen Juwelen besann, war es unmöglich, sie zu beschaffen. Der entsetzliche Bürgerkrieg im Kongo machte die Fundgebiete unzugänglich.

Erst vor wenigen Jahren (2006) gelang es erstmal Roland Numrich von Mimbon-Aqua­rium, Köln, wieder Schmetterlings­barben zu importieren. Er stellte sie auf der Interzoo in Nürnberg aus, wo sie großes Aufsehen erregten. Wenig später konnten auch Aqua­rium Glaser und andere die Tiere impor­tieren.

Die anfängliche Hysterie um die Fische hat sich jetzt zwar wieder gelegt und die Importe kommen regelmäßiger herein. Alltäglich sind Importe aus dem Kongo aber nicht. Das liegt heutzutahe vor allem an den seit der Corona-Pandemie enorm gestiegenen Frachtpreisen für Luftfracht. Bekanntlich liegen die Hauptkosten des Zierfischimports ja in der Tatsache begründet, das dafür Wasser erste Klasse durch die Weltgeschichte geflogen wird. Hinzu kommen gewaltige Kosten für Bürokratie und auch logistische Probleme, da die im internationalen Handel geforderten Dokumente über den legalen Status, Gesundheitszeugnisse, Tierschutzauflagen etc. pp. nicht so einfach zu koordinieren sind. Daher bleiben Schmetterlingsbarben ver­gleichsweise teure Fische. Hinzu kommt, dass die Fanggebiete nur mit großem logistischen Aufwand zu erreichen sind und an einer Tatsache hat sich bis heute nichts geändert: die Fischchen sind ziemlich unproduktiv und damit für Berufszüchter uninteressant.

Enteromius candens, Männchen in Erregung. Der mittlere seitliche Fleck dehnt sich aus.
E. candens, Männchen, neutrale Stimmung
Enteromius candens, Weibchen

Die Arten

Bis heute sind drei Arten Schmetterlings­barben wissenschaftlich beschrieben: Enteromius candens, E. hulstaerti und E. papilio. Zwei weitere Formen (Arten? Fundortvarianten? Status unbekannt!) wurden bereits bekannt (s. Schliewen, 2006), so dass es mindestens fünf unterscheidbare Schmetterlingsbarben gibt, von denen drei bereits ab und zu im Handel aufgetaucht sind.

Die Artmerkmale liegen in der Färbung der Rückenflosse und der Anordnung der Körperflecken auf den Flanken. Allerdings gelten diese Merkmale nur für geschlechtsreife Männchen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich in den beobachteten Fällen bei balzenden Männchen der mittlere Körperfleck in der Ausdehnung und Form stark verändern kann. Diese Veränderung tritt scheinbar zudem nur bei älteren Tieren auf, während jüngere, gerade geschlechtsreife Männchen diesbezüglich eher konstant gezeichnet sind. Bei E. candens und E. hulstarti ist die Rückenflossen dreifarbig. Die Basis der Flosse am Rücken ist schwarz, dann kommt eine helle Zone, die Flossenspitze ist wieder schwarz. Bei E. candens ist die helle Zone weißlich, bei E. hulstaerti kräftig gelb, oft mit orangefarbener Zone im oberen Bereich. Der mittlere Seitenfleck erscheint bei E. candens etwas dreieckig, bei E. hulstaerti kreisrund. E. papilio ist lebend noch nicht bekannt geworden. Bei den Männchen dieser Art sind alle Flossen pechschwarz, die mittleren Körperflecken zu einem Längsband verschmolzen. Von den von Schliewen 2006 vorgestellten Formen entspricht  „Lompole“ besser E. hulstaerti. Der mittlere Lateralfleck ist allerdings längsoval und verschmilzt in der Balz mit dem vordersten der drei Lateralflecken zu einem breiten dunklen Band. Die Rückenflossenfärbung von „Lompole“ entspricht weitgehend E. hulstaerti. Die fünfte Form, die Schliewen „Yaka“ nennt, stammt, wie auch „Lompole“, aus dem Salonga-Nationalpark der Demokratischen Republik Kongo. Ihre Flossenfärbung entspricht der von E. papilio: pechschwarz. Die Flankenzeichnung ist ähnlich zu „Lompole“, allerdings ist der Schwanzwurzelfleck viel kleiner.

Enteromius hulstarti „Lompole“

Alle Arten sind einander also außerordentlich ähnlich und wohl nur in Lebendfärbung sicher voneinander zu unterscheiden. Die Weibchen sehen bei allen ziemlich gleich aus, ihre Flossen sind transparent. Leider werden die Tiere gelegentlich gemischt exportiert und es ist dann nicht leicht, die passenden Weibchen zuzuordnen.

Es ist übrigens keineswegs sicher, dass die hier benutzten Artzuordnungen wirklich zutreffen, denn übereinstimmend berichten alle Reisenden in Sachen Fischen aus dem Kongo, dass es in jedem Bach unterschiedlich aussehende Populationen von Schmetterlingsbarben gibt. Möglicherweise sind das alles auch verschiedene Arten und es wird bei einer künftigen Revision notwendig sein, von den Typenfundorten frisches Lebendmaterial zu beschaffen, um ganz sicher zu gehen, auf welche Arten sich die bereits vergebenen wissenschaftlichen Namen beziehen. Nichols & Griscom beschrieben 1917 E. candens aus Kisangani, Orientale Province, Poll beschrieb E. hulstarti 1945 aus Flandria, Momboyo River, Banister & Bailey 1979 E. papilio aus einem Waldbach, einem Zulauf des Kasuku River, bei dem Dorf Sciere nahe Kindu. Die drei in diesem Aufsatz im Bild vorgestellten Arten wurden von Aquarium Glaser importiert. Von den Lieferanten erhält man als Herkunftsangabe nur „Region des Lac Mai Ndombe“. Allerdings, auch dass muss erwähnt werden, liegen die Fundorte auch sehr unterschiedlich aussehender Formen oft nah beieinander. Die Fundorte im Salonga-Nationalpark von „Yaka“ und „Lompole“ liegen nach Uli Schliewen nur 10 km voneinander entfernt! 

Enteromius hulstaerti “Lompole”, balzendes Männchen.
Enteromius hulstaerti “Lompole”, Männchen in neutraler Stimmung. Diese Art bleibt sehr schlank und klein.
Enteromius hulstaerti “Lompole”, Weibchen.

Der natürliche Lebensraum

Nach den Beobachtungen von Schliewen im Salonga-Nationalpark und von Matthes (1964, zitiert in Schliewen, 2006, ich habe die Quelle nicht selbst) leben Schmetterlingsbarben in kleinsten Waldbächen, in denen nur wenige andere Fischarten vorkommen, etwa Killifische der Aphyosemion elegans-Gruppe. Das Wasser ist nur wenige Zentimeter tief, der Boden sandig. Der pH-Wert liegt im Bereich von 5,0 – 5,7, Härte ist nicht nachweisbar. Das Wasser ist mit 21-23°C recht kühl. Matthes führte Magenuntersuchungen durch und fand kleine Krebstiere und Insektenlarven. Im September (Regenzeit) sezierte Weibchen hatten laichreife Eier, 55-70 an der Zahl, im Leib.

Aphyosemion polli ist ein Vertreter der A.-elegans_Gruppe. Das Bild zeigt ein Wildfangmännchen aus dem Fanggebiet von E. hulstaerti „Lompole“

Im Aquarium

Der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Pflege und Zucht dieser Juwelen ist die Wassertemperatur. Über 22°C sterben Eier und Embryonen ab, auch erwachsene Fische bekommen bei solchen Temperaturen langfristig Probleme. Im Klartext: sie werden krankheitsanfällig und magern ab. Darum sollte die Pflege bei Raumtemperatur erfolgen, also 18-22°C. Anders als die meisten Kleinbarben ist E. hulstaerti kein Frei- oder Haftlaicher, sondern deponiert die Eier im Boden. In der Praxis bietet man im Zuchtaquarium  dazu ausgekochten Torfmull an. Zur Zucht muss das Wasser weich und sauer sein, zur Haltung spielen diese Wasserwerte keine Rolle. Die Ernährung ist unproblematisch, jedes ausreichend kleine Zierfischfutter wird willig angenommen. 

Einerseits kann man im Aquarium beobachten, dass sich mehrere Tiere im Trupp zusammenschließen (im zuletzt beobachteten Fall waren drei Pärchen im Fotobecken), andererseits können sich, wie Evers (2007) schreibt, in kleineren Aquarien laichwillige Männchen so stark mobben, dass es sogar zu Todesfällen kommen kann. Gegen artfremde Fische sind Schmetterlingsbarben indifferent. Im Fotobecken befanden sich noch fünf Epiplatys chevalieri aus dem gleichen Verbreitungsgebiet wie die Schmetterlingsbarben. Die Arten beachteten einander nicht.

Piscinoodinum ist die Seuche der Weichwasseraquaristik. Die Bilder zeigen infizierte E. hulstaerti „Lompole“, die ungeachtet der Erkrankung balzen.

Wie alle Weichwasserfische sind auch E. hulstaerti ständig von dem Parasiten Piscinoodinum bedroht. Allerdings zeigen sie sich auch bei bereits recht starkem Befall ziemlich unbeeindruckt und balzen, fressen und tun, was Fische eben so tun. Das ist doof, denn als Pfleger muss darum häufiger die Fische von hinten mit einer Taschenlampe anleuchten und sorgfältig begutachten. Andere Arten zeigen durch Flossenklemmen und scheuern an, dass sie gepiesackt werden; Schmetterlingsbarben nicht. So kann man einen Befall u.U. erst spät erkennen, nämlich dann, wenn er schon sehr weit fortgeschritten ist. Dann kann es für eine Behandlung schon zu spät sein! Da kupferhaltige Medikamente gegen Piscinoodium in weichem und sauren Wasser extrem fischgiftig sind, sollte man eine Behandlung besser in einem bodengrundlosen Aquarium durchführen, in dem man eine starke Strömungspumpe installiert. In starker Strömung können sich die schwimmenden Stadien von Piscinoodinum nicht an den Fisch anheften. Es ist Fingerspitzengefühl bei dieser Behandlung angesagt: die Pumpe sollte so stark sein, wie es eben möglich ist, ohne dass die Fische willenlos umhergewirbelt werden.

Epiplatys chevalieri, Wildfangmännchen aus dem Fanggebiet von E. hulstaerti „Lompole“

Besonderheiten der Zucht

Außer ihrer hübschen Färbung macht auch ihre Vermehrungsmethode die Schmetter­lings­barben interessant. Anders als alle anderen Kleinbarben sind diese Arten näm­lich kein Frei- oder Haftlaicher, sondern legen ihre Eier in den Bodengrund ab, ganz ähnlich wie viele Killifische, mit den sie auch ihren Lebens­raum in der Natur teilen!

Und genau wie bei den Killifischen brauchen zumindest manche Eier ungeheuer lang zur Entwicklung. Obwohl berichtet wurde, dass manchmal die Jungen schon nach drei Tagen schlüpften, dauert es doch meist um zwei Wochen. Und in noch einem Detail unterscheiden sich Schmetterlingsbarben von ihren Vettern: sie laichen nur bei 21-23°C. Andere aquaristisch übliche Kleinbarben züchten ab 26°C aufwärts.

Die Aufzucht macht keine großen Schwierigkeiten, da die Jungen bereits frisch geschlüpfte Artemia-Nauplien kleiner Sorten aufnehmen können. Ab einer Länge von etwa 5 mm kann man die Tiere auf Leitungswasser umgewöhnen. Gegen höhere Temperaturen als etwa 22°C sind sie in diesem Alter besonders empfindlich, ganze Bruten können an einem heißen Sommertag verloren gehen! 

Fazit: Schmetterlingsbarben sind wundervolle Aquarienfische, aber wer sich für sie interessiert sollte eher die Mentalität eines Killianers mitbringen und weniger die eines Barbenfans. Dann gelingt es vielleicht, dauerhafte Aquarienstämme dieser Juwelen aufzubauen. Das wäre schön, denn wer weiß, wie lange es angesichts der politischen Entwicklungen noch Zierfischimporte geben wird.

Frank Schäfer

Literatur:

Evers, H. (2007):  Gelungen: die Nachzucht der Schmetterlingsbarbe Barbus hulstaerti. Amazonas 3 (1): 52-57

Matthes, H. (1964): Les poissons du lac Tumba et de la region d’Ikela. Étude systématique et écologique. Annales, Musée Royal de l’Afrique Centrale, Tervuren, Série in 8o, Sciences Zoologiques No. 126: 1-204, 2 maps, tab. 1, Pls. 1-6.

Sans, W. (1962): Barbus candens (Nichols et Griscom). Datz 10 (9): 264-266

Schliewen, U. (2006): Barbus hulstaerti. Schmetterlingsbarbe wieder eingeführt. Datz 59 (7): 40

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Oskars: Große Fische – großartig!

Es gibt im Handel einige Süßwasser-Fischarten, die verhältnismäßig groß werden. Fast immer im Zoofachhandel vorhanden sind z.B. Pfauenaugenbuntbarsche oder Oskars (Astronotus ocellatus), die gewöhnlich rund 25 cm lang werden, aber der Angelrekord liegt bei 45,7 cm und 1,6 kg Gewicht. Oskars gehören also eigentlich eher in die Kategorie „Speisefisch“. Aber sie sind prachtvoll gefärbt und werden immer noch schöner, je größer und älter sie sind. Hinzu kommt, dass große Fische eine starke Persönlichkeit entwickeln und eine persönliche Beziehung zum Pfleger aufbauen. Aber ist es ethisch überhaupt vertretbar, solch große Fische im Aquarium zu pflegen?

Erwachsener Oskar der Zuchtform Red Tiger.

Für Laien in der Tierhaltung erscheint der Verlust der Freiheit der gehaltenen Tiere – und damit ist in erster Linie die Bewegungsfreiheit gemeint – problematisch. Die Qualität einer Tierhaltung wird von Laien darum sehr stark daran bemessen, wie groß das Gehege für das jeweilige Tier ist; im Falle der Fischhaltung entsprechend, wie groß das Aquarium ist. Dabei herrscht die Meinung vor, ein zu großes Gehege/Aquarium könne es gar nicht geben, ein Tiere fühle sich um so wohler, je weniger es das Gefühl habe, eingesperrt zu sein.

Wildfang aus Brasilien. Auch adulte Wildfänge gewöhnen sich rasch im Aquarium ein.

Aus wissenschaftlicher Sicht könnte diese Ansicht falscher nicht sein. Ein Tier, das wissen Tierpsychologen und erfahrene Halter, fühlt sich niemals eingesperrt, weil es geistig gar nicht in der Lage ist, seine Situation zu erfassen. Freiheit und Gefangenschaft – diese Begriffe gibt es in der Tierwelt nicht, sie sind exklusiv menschliche Vorstellungen. Für einen Oskar ist die Weitläufigkeit des Amazonas völlig bedeutungslos. Als Buntbarsch hat er sein Revier, dessen Größe hauptsächlich von der verfügbaren Nahrung abhängt und dieses Revier verlässt er normalerweise nicht.

Zwar kann kein noch so großes Aquarium die Weitläufigkeit der Natur imitieren, doch ist diese Weitläufigkeit für die dort lebenden Fische de facto bedeutungslos, weshalb gar keine Notwendigkeit besteht, sie zu imitieren.

Bei Fischen endet eine unangemessene Einschränkung der Bewegungsfreiheit schlicht und ergreifend mit dem Tode, und der tritt in einem solchen Fall sehr schnell ein. Wer unvernünftigerweise versucht, eine Fischart, die einen großen Bewegungsdrang hat, in ein zu kleines Aquarium einzupferchen, in dem es diesem Bewegungsdrang nicht ausleben kann, wird das darum schnell bereuen.

Aber wie groß muss ein Aquarium sein, damit diese Situation nicht eintritt? Es gibt weder Untergrenzen, noch Obergrenzen, die sich sinnvoll pauschal benennen lassen. Als Aufzuchtbehälter für Fischlarven können schon Gefäße mit weniger als 1 Liter Inhalt dienen und selbst mehrere Kubikmeter Inhalt fassende Aquarien können auch für nur wenige Zentimeter lange Jungtiere bestimmter Arten zu klein sein, wenn sie nicht bestimmte bauliche Eigenschaften aufweisen, die diesen Tieren das Vorhandensein einer unbegrenzten Schwimmstrecke vorgaukeln.

Sardellen kennen keine Begrenzungen. Obwohl sie klein sind, brauchen sie ein riesiges Spezialaquarium mit gebogenen Scheiben, in dem die Fische das Gefühl haben, unbegrenzt geradeaus schwimmen zu können. Photo: Alessandro Duci

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Sieht man jedoch von solchen Spezialfällen einmal ab, kann man trotzdem recht gute Faustregeln aufstellen. Ein Freiwasserfisch der üblicherweise in Aquarien gepflegten Arten – konkret: Barben, Salmler, freischwimmende Welse etc., wird niemals Schaden nehmen, wenn das Aquarium etwa 10x der Körperlänge lang ist und 5x tief und hoch. Hat man also ein Meterbecken, sollte die Endgröße der darin gepflegten Fische solcher Lebensweise 10 cm nicht überschreiten. Für ruhige, wenig schwimmaktive Tiere, wie etwa viele Buntbarsche, kann man diese Maße noch einmal halbieren. Ein etwa 30 cm langer Oskar ist auch in einem Aquarium von 150 x 50 x 50 cm noch gut aufgehoben. Er wird in einem Aquarium dieser Größe weder in körperlicher noch in geistiger Hinsicht gesundheitliche Probleme bekommen; dabei ist natürlich vorauszusetzen, dass das Aquarium in technischer Hinsicht (Filterung, Einrichtung etc.) den Anforderungen eines Oskars entspricht. Dabei ist zu bedenken, dass der Stoffwechsel kleiner, im Wachstum befindlicher Fische deutlich höher ist als der Stoffwechsel eines ausgewachsenen Oskars.

Eine prachtvolle Variante, Wildfang von A. mikoljii aus Kolumbien.

Es ist also durchaus möglich, auch vergleichsweise große Fische im heimischen Aquarium zu pflegen und sich an ihnen zu erfreuen, denn es sind wirklich tolle Tiere!

Insgesamt gehören großwüchsige Buntbarsche aus Südamerika in Mitteleuropa freilich nicht unbedingt zu den beliebten Aquarien­fischen. Abgesehen von der Körpergröße wühlen sie nämlich gerne, betrachten Wasserpflanzen als Bestandteil ihrer Fütterung und machen zur Fortpflanzungszeit jedem Mitbewohner des Aquariums nachhaltig klar, wer der Chef im Ring ist. Darum betrachten die meisten Aquarianer die beeindruckenden Burschen lieber im Zoo als zuhause. Oskars finden aber trotzdem immer einen Käufer.

Erwachsener wildfarbener Nachzucht-Oscar, Astronotus ocellatus. Arttypisch sind die Flecken im Bereich der Rücken­flosse.  

Der seltsame Name ”Oskar“ oder „Oscar” hat sich international für diesen Buntbarsch durchgesetzt, auf deutsch bezeichnet man den Fisch als Pfauenaugenbuntbarsch.

Nicht alle Wildfänge sind besonders farbenprächtig. Dies ist ein Exemplar aus dem Rio Branco in Brasilien.

Warum der Oscar Oscar heißt? Ehrlich gesagt, so ganz genau weiß man das nicht. Aber sicher ist, dass der Name in den USA entstand. 1936 erschien in der Fachzeitschrift  ”The Aquarium” ein Aufsatz von E. W. Clarke über Astrontus. Clarke besaß ein Pärchen namens Lena und Oscar. 1949 berichtete Gene Wolfsheimer in der Zeit­schrift The Aquarium Journal, dass die Aquarianer in Kalifornien Astronotus-Buntbarsche als Oscars bezeichneten (Wayne Leibel, Aquarium USA Annual 2001). Aber es ist auch denkbar, dass das Wort ”Oscar” eine Verballhornung des wissen­schaftlichen Namens (also Astronotus) oder aber des Tupi-Wortes für alle möglichen größeren Bunt­barsche „Acara” ist. Tupi ist die Sprache der urspünglich, vor der Ankunft der Europäer in Amerika, in Brasilien lebenden Menschen.

Erwachsener Oscar, Wildfang aus Kolumbien. Diese Art wurde 2022 als A. mikoljii beschrieben.

Ursprünglich stammen Astronotus aus Südamerika. Sie leben in den großen Strömen des Paraguay-, des Amazonas- und des Orinoko-Gebietes sowie auf dem Guyana-Schild. Überall sind sie begehrte und beliebte Speisefische. Von den sieben wissenschaftlich beschriebenen Astronotus-Arten werden derzeit nur zwei von den meisten Ichthyologen anerkannt, nämlich A. crassipinnis und A. ocellatus; eine dritte, A. zebra, unterscheidert sich allerdings so deutlich farblich von den anderen, dass an ihrer Gültigkeit kaum Zweifel bestehen. Kürzlich wurde ein neuer Name aufgestellt: der Oscar aus dem Orinoko-Einzug und dem Golf von Paria im nördlichen Südamerika wurde als A. mikoljii wissenschaftlich beschrieben (Perez Lozano et al., 2022).

Die Unterscheidung der Oscar-Arten ist ausgesprochen kniffelig und gelingt mit Sicherheit nur mit molekularbiologischen Methoden (DNS-Analyse). Allerdings ist die Jungfischfärbung von drei der nunmehr vier als gültig angesehenen Arten sehr verschieden. Den „gewöhnlichen“ Oscar, A. ocellatus, kennt man ja hinlänglich aus dem Zoofachhandel. A. crassipinnis-Jungtiere sind sehr auffällig gelb-schwarz-gefärbt („Bumble-Bee-Oskars“) und A. mikoljii ist sehr bunt. Leider wurde bisher noch kein Jungfischbild von A. zebra publiziert – zumindest kenne ich keines.

Neben A. mikoljii gibt es – molekularen Daten zufolge – noch mindestens weitere drei Arten von Oskars in Südamerika, die in der Arbeit von Perez Lozano et al. als Astronotus sp. „East“, A. sp. „Negro“ und A. sp. „Jurua“ bezeichnet werden. Bei ihnen muss freilich genau geprüft werden, ob sie nicht bereits früher beschrieben wurden und zu unrecht als Synonym geführt werden. Einfach ist die Sache aber nicht, denn Oscars wurden und werden innerhalb Südamerikas auch immer wieder als Speisefische in Gebiete gebracht, in denen sie ursprünglich gar nicht heimisch waren. Zudem kann es dadurch zu Hybriden gekommen sein, die sich auch molekularbiologisch nur schwer darstellen lassen.

Benannt wurde A. mikoljii nach Ivan Mikolji, einem begeisterten Künstler, Naturliebhaber und Erforscher Venezuelas und Kolumbiens, der auch als Zierfischexporteur tätig ist. Mikoljis Oscar wird, wie alle Astronotus-Arten, gewöhnlich 25-30 cm lang und unterscheidet sich auch bezüglich Pflege und Zucht nicht von den anderen Arten.

Wildfang von Astronotus ocellatus aus dem brasilianischen Bundesstaat Pará.

Die beiden oberen Bilder zeigen Wildfang-Jungtiere aus Pará.

Die ersten Oscars wurden 1929 nach Europa expor­tiert. Aufgrund ihrer relativen An­spruchs­losigkeit und schönen Färbung gehörten sie zu den bevorzugten Groß­cichliden, die aus Südamerika mitgebracht wurden. Man darf ja nicht vergessen, dass der Import früher mit Schiffen erfolgte und die Tiere meist von Seeleuten im Neben­erwerb mitgebracht wurden. Das heißt, die Fische waren von Brasilien 3-4 Wochen, oft auch länger, in so genannten Fischkannen unterwegs. Wenngleich man das Know-How der damaligen Fischtransporteure nicht unterschätzen darf, eine gewisse Robustheit mussten die Fische schon aufweisen. An­dererseits gelang aber auch damals schon der erfolgreiche Export von Diskus…

Jungtiere von Oskars haben eine völlig ab­weichende Färbung. Dies sind Wildfang-Jungtiere von A. mikoljii  aus Kolumbien.

Bildergalerie oben: Diese sehr hübschen, jungen Bumblebee-Oscars aus Brasilien werden unter dem Namen „Astronotus crassipinnis“ angeboten. Die Art A. crassipinnis gibt es in Brasilien, aber es gibt keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob die Artzuordnung stimmt. Ich vermute, es handelt sich bei den Tieren um (Teich-)Nachzuchten. Die bildschönen Fische zeigen das typische Verhalten aller Astronotus-Kinder: sie haben ein starkes Bedürfnis, mit Artgenossen zusammen zu sein. Die auffällige Färbung aller jungen Oscars ist in Wirklichkeit eine Tarnfärbung. Die Tiere schließen sich nämlich in größeren Verbänden zusammen und schwimmen so eng beieinander, dass sie für einen potentiellen Angreifer wie ein einziger, großer Fisch aussehen. Der Verlust der Kinderzeichnung deutet sich dadurch an, dass die Tiere ihren typischen Augenfleck auf der Schwanzwurzel entwickeln. Von da an fangen die jungen Oscars an, eher einzeln (bzw. in Kleinverbänden) zu leben. Der Augenfleck dient wiederum dazu, Angreifer (die sich beim Beutemachen nach dem Auge des Opfers orientieren) in die Irre zu führen. Oscars fressen ab dieser Größe selbst am liebsten kleine Fische, nehmen aber im Aquarium auch jede andere Sorte kräftigen Futters fleischlicher Natur.

Pfauenaugenbuntbarsche gehören, wie schon weiter oben diskutiert zu den großwüchsigsten der handelsüblichen Aqua­­rien­fische und können (!) über 40 cm Länge erreichen. Das ist zwar eine Aus­nahme­größe, kann aber bei uralten Tieren in Riesenbecken vorkommen. Fast alle im Handel befindlichen Tiere sind Nachzuchten aus Südostasien. Wildfänge werden nur sehr selten angeboten und sind dann auch immer als solche ausgezeichnet.

Jugendliche Exemplare der Zuchtvariante „Red Tiger“

Wer ein Aquarium von 150 bis 200 cm Kantenlänge zur Verfügung hat, sollte unbedigt auch einmal Oscars darin pflegen. Diese Tiere sind nämlich ausgesprochen zutrauliche und viel Freude bereitende Tiere., hinzu kommt, dass sie mit jedem Zentimeter, den sie wachsen, schöner werden. In kleineren Aquarien machen sie allerdings oft Ärger, da Oscars nun einmal Buntbarsche sind und einen Individualbereich ziemlich ener­gisch verteidigen. Da Astronotus auch in kleineren Aquarien schnell auf 15-20 cm Länge heranwachsen ist ein Meterbecken zwar für einen einzelnen Oscar nicht zu klein, nur darf kein anderer Fisch darin wohnen. Darum sollte man lieber auf den Kauf von Pfauen­­augen­buntbarschen verzichten, wenn kein wirklich großes Aquarium vorhanden ist. 

Dieser Oscar-Wildfang kommt aus Paraguay; wahrscheinlich handelt es sich um Astronotus crassipinnis.

Oscars sind Offenbrüter, laichen also auf Steinen oder Wurzeln etc. ab und bilden eine Elternfamilie, Männchen und Weibchen kümmern sich gleich­berech­tigt um Eier und Jungfische – oft mehr 1.000 pro Brut! Man kann die Geschlechter nur schwer unter­scheiden (Weibchen blei­ben kleiner und haben ein spitzeres Kopf­pro­fil), am besten lässt man sich ein Pärchen aus einer Jungfischtruppe selbst finden.


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Diese spektakulären Oscars konnte Aquarium Glaser aus Brasilien (Rio Tapajós) importieren. Es handelt sich wohl um Astronotus zebra Pellegrin, 1904.

Dass die Zucht von Oscars in Deutschland gewöhnlich nicht betrieben wird, hat durch­aus seinen Grund. Bis man die gefräßige Brut auf Verkaufsgröße hat, haben die Tiere näm­lich schon mehr an Arbeitszeit, Strom und Was­ser gekostet (vom Futter ganz zu schweigen) als sie einbringen. Aber wenn seltene ­Wildfänge hereinkommen – wie z.B. der spek­ta­kuläre Zebra-Oscar – sieht die Sache schon anders aus, dann ist der Ehrgeiz der echten Aquarianer geweckt und die pekuniären Fragen rücken in den Hintergrund!

Frank Schäfer

Zitierte Literatur:

Perez Lozano A, Lasso-Alcalá OM, Bittencourt PS, Taphorn DC, Perez N, Farias IP (2022): A new species of Astronotus (Teleostei, Cichlidae) from the Orinoco River and Gulf of Paria basins, northern South America. ZooKeys 1113: 111–152. https://doi.org/10.3897/zookeys.1113.81240 

Die Rotbauch-Spitzkopfschildkröte (Emydura subglobosa) – ein Traum von einer Wasserschildkröte

Immer wieder wird nach pflegeleichten, schönen, lebhaften und nicht zu groß werdenden Schildkröten gefragt. Nun, die Rotbauch-Spitzkopfschildkröte ist exakt das Tier, auf das alle diese Attribute passen. Der zungenbrecherische deutsche Populärname ist wahrhaftig schon das komplizierteste an dem Tier!

Die attraktive Rotfärbung des Panzers bleibt zeitlebens erhalten.

Im Hobby ist die schöne Schildkröte, die im männlichen Geschlecht etwa 20 cm Panzerlänge erreicht, Weibchen werden gut 25 cm lang, schon seit den späten 1970er Jahren. Der Altmeister der Terraristik, Wilhelm KLINGELHÖFFER, erwähnt sie in seinem Standardwerk „Terrarienkunde“ von 1959 noch gar nicht, während 1984 OBST, RICHTER & JACOB in ihrem Klassiker „Lexikon der Terraristik und Herpetologie“ zu der Art schreiben „… wiederholt in Generationen gezüchtet … Empfehlenswert auch für Anfänger.“ Was für ein Wandel in nur gut 20 Jahren! Bis in die 1990er Jahre wurden Nachzuchten von Emydura subglobosa überall angeboten, dann wurde es still um die Art.
Erst vor etwa 10 Jahren erinnerte man sich des Tieres und seither erfreut es sich wieder einer ständig wachsenden Popularität.

Der Hals wird bei Emydura S-förmig in den Panzer gezogen (Halswender-Schildkröte).

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Verwirrung um den Namen
Zunächst war die Rotbauch-Spitzkopfschildkröte im Hobby unter dem Namen Emydura albertisii bekannt. Diese Art war 1888 von BOULENGER beschrieben worden, der sie gegen E. subglobosa abgrenzte. Später setzte sich jedoch die Auffassung durch, dass beide „Arten“ der selben Spezies angehören und so wurde E. albertisii zum jüngeren Synonym von E. subglobosa, die bereits 1876 beschrieben worden war. Die Art ist ganz offensichtlich recht variabel und es gibt weitere Namen, die ihr zugeordnet wurden; die aktuellste wissenschaftliche Übersicht über die Schildkröten Australiens (Georges & Thomson, 2010) unterscheidet die typische rotbäuchige Form von aus dem südlichen Neu-Guinea – hier ist sie etwa ab der Vogelkop- und Bomberi-Halbinsel im Westen bis zum Kemp-Welsh-Enzug im Osten verbreitet – und dem Jardine River auf der Cape-York-Halbinsel in Australien als Emydura subglobosa subglobosa und eine weitere, gelbbäuchige Unterart, die zudem im Alter häufig einen breiten Kopf bekommt, nämlich E. s. worrelli, von den hoch liegenden Einzügen des Arnhem-Land-Plateaus im Northern Territory und den Flüssen, die in den Golf von Carpentaria entwässern. Die wissenschaftliche Beschreibung der letzteren wird von Georges & Thomson scharf kritisiert, was jedoch nichts an ihrer Gültigkeit ändert. Andererseits lässt sich wohl nicht ausschließen, dass die beiden Unterarten sogar verschiedene Arten repräsentieren. 2019 wurde eine weitere Unterart dieser Schildkröte beschrieben: Emydura subglobosa angkibaanya. Typuslokalität ist der Jardine River, Queensland, Australien. Diese Unterart wird aktuell nicht von den damit befassten Wissenschaftlern akzeptiert und der Nominatform zugeordnet (Rhodin et al., 2021). Die sehr bedrohte Population des Jardine River ist dennoch bemerkenswert und wird wissenschaftlich untersucht (Freeman & Ebner, 2020).

Sei dem wie es ist: Wildfänge der Rotbauch- Spitzkopfschildkröte sind ohnehin so selten im Handel, dass man ruhig sagen kann, es gibt sie überhaupt nicht. Alle im Hobby vertretenen Stämme sind Nachzuchten von Tieren aus Neu-Guinea und entsprechen der Nominatform, während E. s. worelli, wenn überhaupt, nur bei einigen wenigen Spezialisten gepflegt wird.

Erwachsenes Männchen in der Draufsicht.

Weitgehend im Wasser lebend
Die Rotbauch-Spitzkopfschildkröte ist eine Fluss-Schildkröte, die das Land nur gelegentlich aufsucht. Es gibt Haltungserfahrungen, dass sie auch vollständig im Aquarium, ganz ohne Landteil zu pflegen ist, doch empfehle ich das nicht. Wenngleich sich die Art wesentlich seltener sonnt, als das viele andere Schildkröten tun, gibt es in dieser Hinsicht zum einen erhebliche individuelle Vorlieben der einzelnen Tiere und zum anderen dient das Vorhandensein eines trockenen (!) Landteils der Krankheitsprophylaxe. Denn als Fließwasserbewohnerin stellt E. subglobosa vergleichsweise hohe Anforderungen an die Wasserqualität. Ist diese schlecht, so neigt das Tier zu infektiösen Haut- und Panzererkrankungen. Doch auch wenn im Wasser alles in Ordnung ist: wie alle Lebewesen können auch diese Schildkröten mal krank werden und dann suchen sie gerne das Landteil auf, sonnen sich und so vergehen leichte Infekte oft wieder von selbst, ohne dass der Pfleger es überhaupt mitbekommt.

Jungtiere von Emydura subglobosa sind allerliebst.
Photo: Chris Lukhaup

Das Aquarium für Rotbauch-Spitzkopfschildkröten
Wegen ihrer prachtvollen rosa-schwarz-weiß Färbung ist Emydura subglobosa ein herrliches Schautier, das sich gut in großen, abwechslungsreich eingerichteten Aquarien pflegen lässt. Besonders empfehlenswert ist es, Fische im gleichen Aquarium mit zu pflegen. Denn die Fische zeigen durch Unwohlsein sehr schnell an, wenn die Wasserqualität einmal nicht so toll ist und es ergibt sich ein abwechslungsreiches, stets anregendes Bild. Ausreichend gefütterte Schildkröten machen kaum Jagd auf Fische. Nur gelegentlich fällt einmal ein krankes oder geschwächtes Fischlein den Tieren zum Opfer, aber das ist in der Natur ja auch nicht anders.

Für ein solches Schauaquarium sollte man Becken von 150 cm Länge oder mehr wählen. Das erleichtert die Einrichtung und kommt dem starken Bewegungsdrang der Schildkröten, die exzellente Schwimmer sind, sehr entgegen. Die chemische Wasserzusammensetzung ist dabei von untergeordneter Bedeutung, die Wassertemperatur sollte bei 22-26°C liegen. Ein kräftiger Filter, in den aus Sicherheitsgründen auch gleich der Heizer integriert sein sollte (ein loser Heizstab, wie er in reinen Fischaquarien zum Einsatz kommt, ist weniger gut geeignet, da bei größeren Schildkröten Bruchgefahr besteht), sorgt für klares, gutes Wasser. Es ist extrem wichtig, dass die Lufttemperatur über dem Aquarium nicht wesentlich niedriger als die Wassertemperatur ist, es kommt sonst leicht zu Atemwegserkrankungen. Unter dem Heizstrahler auf dem Landteil sollten 30- 35°C erreicht werden. Am sinnvollsten wählt man als Leuchtmittel einen Spot mit UV-Anteil. Besonders hochträchtige Weibchen machen von diesem Sonnenplatz gerne ausgiebig Gebrauch.

Erwachsenes, albinotisches Tier.
Photo: Christoph Fritz, www.reptilia24.com

Rotbauch-Spitzkopfschildkröten sind gewöhnlich sehr friedlich untereinander, so dass sich eine Gruppenhaltung anbietet. Um den Weibchen etwas Ruhe vor den stets paarungswilligen Männchen zu verschaffen, sollte man, wenn es die räumlichen Möglichkeiten erlauben, ein Männchen mit mehreren Weibchen vergesellschaften. Doch selbst Männchen vertragen sich erstaunlich gut. Ab dem Eintritt der Geschlechtsreife kann man die Männchen übrigens sehr leicht am fast doppelt so langen Schwanz verglichen mit dem Schwanz der Weibchen erkennen.

Hauptsächlich Fleischfresser
Die Ernährung der Rotbauch-Spitzkopfschildkröte ist einfach. Das Tier ist hauptsächlich Fleischfresser (carnivor). Erwachsene füttert man mit handelsüblichen Schildkrötensticks, getrocknete Gammarus und Tiefkühlfutter, wie Garnelen, Stinte, Muschelfleisch, Tintenfisch etc. Warmblüterfleisch sollte möglichst nicht gereicht werden, da es nur ungenügend verdaut wird und das Wasser stark verschmutzt. Tartarbällchen als Leckerbissen bieten sich aber an, wenn man den Schildkröten einmal Medikamente über das Futter verabreichen muss. Die Aufzucht der handelsüblichen Jungtiere gestaltet sich problemlos. Im Prinzip hält man sie wie die erwachsenen Tiere, doch muss das Futter natürlich entsprechend kleiner sein. Neben den oben aufgezählten Futtermitteln sind tiefgekühlte Rote Mückenlarven (Aquarienfischfutter) bei der Aufzucht ein wichtiges Futtermittel.

Man kann immer wieder einmal probieren, auch pflanzliches Futter anzubieten, etwa süßes Obst, Löwenzahn oder dergleichen. Manche Tiere fressen das sehr gerne, andere rühren es nicht an, das muss der Pfleger selbst herausfinden. Zu bedenken ist jedoch, dass Grünfutter stark abführend wirkt, deshalb sollte man vorsichtig damit sein.

Portrait des Männchens.

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Zucht leicht und ergiebig
Schon lange wird der Weltbedarf für den Terraristik-Handel bei der Rotbauch-Spitzkopfschildkröte über Nachzuchten gedeckt. Auch wenn noch nie eine Tierart durch den Lebendhandel ausgerottet wurde, ist das ein positives Zeichen, denn es zeigt, dass wir alles bei der Pflege dieser schönen Schildkröten richtig machen. Als sehr seltene Mutation treten unter den Nachzuchten gelegentlich albinotische Tiere, das sind in diesem Fall Weißlinge mit roten Augen, auf. Die Rotbauch-Spitzkopfschildkröte ist sehr produktiv und ein Weibchen bringt leicht mehrere Gelege pro Jahr, die jeweils 6-12 (maximal 15) Eier umfassen. Die Schildkröten sind wenig anspruchsvoll, was den Eiablageplatz angeht. Zur Not legen sie die Eier sogar unter Wasser ab; solche Eier sind aber normalerweise nicht entwicklungsfähig. Die Inkubation der Eier erfolgt in feuchtem Vermiculite oder vergleichbaren Substanzen bei 27-30°C und 90-95% relativer Luft feuchte, der Schlupf erfolgt nach 45-60 Tagen.

Links Männchen, rechts Weibchen, von der Bauchseite aus gesehen.

Die Balz der Männchen, die durch ein sehr rasches Kopfnicken gekennzeichnet ist, ist interessant anzuschauen. Sollte ein Männchen das oder die Weibchen zu sehr bedrängen, empfiehlt es sich, das Tier zumindest zeitweise aus der Gruppe zu nehmen. Eine regelrechte Überwinterung vertragen diese Schildkröten als Bewohner der Tropen nicht. Es hat sich aber bewährt, sie 3-4 Monate bei reduzierten Wassertemperaturen von 20-22° (nicht kühler, im Zweifelsfall lieber etwas wärmer!) zu pflegen, damit die Weibchen sich von den Eiablagen gut erholen können.

Frank Schäfer

Lexikon zur Rotbauch-Spitzkopfschildkröte
Emydura: bedeutet in etwa „Emys mit Schwanz“; Emys ist eine andere Schildkrötengattung.
albertisii: Widmungsname zu Ehren des Sammlers, des umstrittenen italienischen Forschungsreisenden Luigi Maria d’Albertis (1841-1901).
subglobosa: bezieht sich auf die Panzerform und bedeutet in etwa „nahezu kugelförmig“
worrelli: Widmungsname für Eric Worrell vom Australian Reptile Park, Gosford, New South Wales angkibaanya: nach dem Wort für „Regenbogen“ der Gudang, der Ureinwohner des Vorkommensgebietes, wegen der bunten Färbung.

Literatur:

Freeman, AB & Ebner, B. C. (2020): The Jardine River turtle (Emydura subglobosa subglobosa); summary of five years of survey and monitoring on Cape York Peninsula Queensland. Brisbane: Department of Environment and Science, Queensland Government.

Georges, A. & S. Thomson (2010): Diversity of Austalasian freshwater turtles, with an annotated synonymy and key to species. Zootaxa 2496: 1-37

Rhodin, A.G.J., Iverson, J.B., Bour, R., Fritz, U., Georges, A., Shaffer, H.B., and van Dijk, P.P. (2021): Turtles of the World: Annotated Checklist and Atlas of Taxonomy, Synonymy, Distribution, and Conservation Status (9th Ed.). In: Rhodin, A.G.J., Iverson, J.B., van Dijk, P.P., Stanford, C.B., Goode, E.V., Buhlmann, K.A., and Mittermeier, R.A. (Eds.). Chelonian Research Monographs 8:1–472. doi:10.3854/crm.8.checklist.atlas.v9.2021


Neue alte Gattungsnamen für Panzerwelse

Corydoras wurden überarbeitet – „neue“ Gattungsnamen!

Die Panzerwelse (Callichthyidae) sind eine artenreiche Familie, die exklusiv in Südamerika vorkommt. Man unterscheidet zwei Unterfamilien, die Schwielenwelse (Callichthyinae) und die corydoras-artigen Panzerwelse (Corydoradinae). Letztere sind besonders artenreich.  Aktuell (Juni 2024) gelten 231 als gültig beschrieben, 171 Arten davon werden allgemein anerkannt; dazu kommen noch 159 C-Nummern und 207 CW-Nummern, die sich größtenteils keiner der beschriebenen Arten zweifelsfrei zuordnen lassen.

In einer brandaktuellen Revision aller corydoradinen Panzerwelse (die Schwielenwelse wurden nicht berücksichtigt) wurde diese große Zahl auf verschiedene Gattungen verteilt. Das war schon lange erwartet worden und entspricht im großen und ganzen dem, was Corydoras-Freunde in aller Welt denken. Als Grundlage für die Neueinteilung dienten sowohl anatomische Befunde wie auch DNS-Untersuchungen.

In der bisherigen Gattung Corydoras verblieben nur die meisten Langschnäuzer vom Sattelschnäuzer-Typ. Typusart ist Corydoras geoffroy aus Surinam, eine lange Zeit mysteriöse Art. Mehr über C. geoffroy finden Sie hier: https://www.aquariumglaser.de/fischarchiv/corydoras-geoffroy-3/. In der Revision werden folgende Arten als Corydoras zugehörig bezeichnet: Corydoras acutus, Corydoras amapaensis, Corydoras areio, Corydoras aurofrenatus, Corydoras blochi, Corydoras caramater, Corydoras cervinus, Corydoras coriatae, Corydoras cortesi, Corydoras desana, Corydoras filamentosus, Corydoras fowleri, Corydoras fulleri, Corydoras geoffroy (Typusart), Corydoras maculifer, Corydoras narcissus, Corydoras negro, Corydoras ourastigma, Corydoras oxyrhynchus, Corydoras pastazensis, Corydoras saramaccensis, Corydoras sarareensis, Corydoras semiaquilus, Corydoras septentrionalis, Corydoras serratus, Corydoras simulatus, Corydoras solox, Corydoras spilurus, Corydoras stenocephalus, Corydoras treitlii, Corydoras vittatus und Corydoras zawadzkii. 

Bei Aspidoras bleibt im Grunde alles wie gehabt. Die Autoren listen diese Arten: Aspidoras albater, Aspidoras aldebaran, Aspidoras azaghal, Aspidoras belenos, Aspidoras brunneus, Aspidoras carvalhoi, Aspidoras depinnai, Aspidoras fuscoguttatus, Aspidoras gabrieli; Aspidoras kiriri, Aspidoras lakoi, Aspidoras maculosus, Aspidoras mephisto, Aspidoras poecilus, Aspidoras psammatides, Aspidoras raimundi, Aspidoras rochai (Typusart) und Aspidoras velites. Der früher zu Aspidoras gestellte pauciradiatus fehlt hier. Damit bestätigen die Autoren den bereits in einer früheren Revision von Aspidoras  (Tencatt, L. F. C., Britto, M.R., Isbrücker, I.J.H. et al. (2022): Taxonomy of the armored catfish genus Aspidoras (Siluriformes: Callichthyidae) revisited, with the description of a new species. Neotropical Ichthyology 20: e220040) aufgezeigten Befund. Aktuell wird pauciradiatus in der Gattung Gastrodermus geführt (siehe weiter unten) und die korrekte Namenskombination ist Gastrodermus pauciradiatus.

Die bärtigen Arten aus dem Süden stehen weiterhin in Scleromystax. Auch hier hat sich nicht viel geändert, nur wurde Corydoras lacerdai jetzt auch formell in Scleromystax überführt. In der Praxis wurde das schon länger so gehandhabt. Und die Überführung des früheren Aspidoras virgulatus in Scleromystax wurde ebenfalls bestätigt. Dies sind die Arten: Scleromystax barbatus (Typusart), Scleromystax lacerdai, Scleromystax macropterus, Scleromystax prionotos, Scleromystax reisi, Scleromystax salmacis und Scleromystax virgulatus.

Die elegans-artigen (inklusive der Zwergpanzerwelse) wurden der alten Gattung Gastrodermus zugeordnet, die zuvor als Synonym zu Corydoras galt. Gastrodermus wurde 1878 von Cope für Corydoras elegans aufgestellt. Hier sah man bislang die Arten, die einen Sexualdichromatismus aufweisen (geschlechtsreife Männchen und Weibchen sich also farblich unterscheiden) und häufig frei im Wasser schwimmen. Aktuell wird die Gattung aber deutlich weiter gefasst, etwas, das sicher noch diskutiert werden muss. Dies sind die Arten: Gastrodermus bilineatus, Gastrodermus elegans (Typusart), Gastrodermus gracilis, Gastrodermus guapore, Gastrodermus hastatus, Gastrodermus latus, Gastrodermus mamore, Gastrodermus nanus, Gastrodermus napoensis, Gastrodermus nijsseni, Gastrodermus paucerna, Gastrodermus pauciradiatus, Gastrodermus pygmaeus und Gastrodermus undulatus. Ich persönlich vermisse hier pantalanensis, der von den Autoren zu Brochis gestellt wurde.

Für die Metallpanzerwelse wurde ebenfalls ein alter Name reaktiviert: Osteogaster. Osteogaster wurde 1894 von Cope für Corydoras eques aufgestellt. Die Autoren der Revision räumen ein, dass es sich hier wohl um eine paraphyletische Gruppe handelt, die einer weiteren Bearbeitung bedarf, zumal einige wichtige Arten nicht in die Analysen einbezogen werden konnten und die Alpha-Taxonomie (also die Frage, wieviele Arten es wirklich gibt und wie sie gegeneinander abzugrenzen sind) speziell bei den eigentlichen Metallpanzerwelsen absolut unzureichend geklärt ist. Bis das genauer untersucht werden kann, stehen in Osteogaster folgende Arten: Osteogaster aeneus, Osteogaster eques (Typusart), Osteogaster hephaestus, Osteogaster maclurei, Osteogaster melanotaenia, Osteogaster rabauti und Osteogaster zygatus. In der auf Research Gate (das ist so eine Art Facebook für Wissenschaftler) geführten Diskussion mit den Autoren der Revision wird darauf hingewiesen, dass das grammatikalische Geschlecht von Osteogaster weiblich ist. Entsprechend müssen Artnamen, die adjektivischen Ursprungs sind, im Geschlecht angepasst werden. Das betrifft Osteogaster zygatus, der demnach Osteogaster zygata zu heißen hat.

 

Bis hierhin kann wohl jeder folgen, der sich etwas mit diesen Fischen befasst hat. Nun wird es aber dann doch ziemlich diskussionswürdig: eine Vielzahl von Arten kommt mit den Smaragdpanzerwelsen in eine Großgattung Brochis! Hier steht jetzt auch der frühere Corydoras agassizii nebst eng verwandten punktierten Spezies und etlichen ganz anderen Arten. Das ist zumindest intuitiv nicht nachvollziehbar. Das klassische Konzept von Brochis beruht vor allem auf der langen Rückenflosse mit erheblich mehr Strahlen als bei allen anderen Corydoradinae. Das wurde zuvor schon (für mich unverständlicherweise) als irrelevant abgetan. Mal sehen, welche Aufnahme dieses neue Konzept von Brochis wohl finden wird, das (neben zahlreichen anderen Befunden) wesentlich darauf beruht, dass inneren Zacken des Brustflossenstachels vorwiegend Richtung Körper gerichtet sind. Diese Arten werden Brochis zugeordnet: Brochis agassizii, Brochis amandajanea, Brochis ambiacus, Brochis approuaguensis, Brochis arcuatus, Brochis bethanae, Brochis bifasciatus, Brochis britskii, Brochis brittoi, Brochis condiscipulus, Brochis costai, Brochis crimmeni, Brochis crypticus, Brochis delphax, Brochis deweyeri, Brochis difluviatilis, Brochis ephippifer, Brochis garbei, Brochis geryi, Brochis gomezi, Brochis haraldschultzi, Brochis heteromorphus, Brochis imitator, Brochis incolicana, Brochis isbrueckeri, Brochis lamberti, Brochis leopardus, Brochis multiradiatus, Brochis noelkempffi, Brochis ornatus, Brochis orphnopterus, Brochis pantanalensis, Brochis pinheiroi, Brochis pulcher,  Brochis reticulatus, Brochis robineae, Brochis robustus, Brochis seussi, Brochis sodalis, Brochis spectabilis, Brochis splendens (Typusart), Brochis sychri und Brochis virginiae. Mir kommt diese Brochis-Gruppe heterogen und höchstwahrscheinlich polyphyletisch vor; es handelt sich hauptsächlich um das, was wir im Hobby als „Langschnäuzer“ bezeichnen. Ich hätte jedoch einige dieser Tiere (allen voran heteromorphus) eher in Corydoras s. str. gesehen, aber wie gesagt, warten wir die Diskussion ab.

Die zweite „neue“ Sammelgattung ist Hoplisoma. Auch diese Gattung wurde schon früh für Corydoras punctatus aufgestellt (1838) jedoch bislang mit Corydoras synonymisiert. Hoplisoma umfasst nach meiner Auffassung eigentlich nur die den julii-Komplex (copei, julii, punctatus, trilineatus etc.), wird bei den Autoren aber sehr viel weiter gefasst. Hier finden sich praktisch alle so genannten „Rundschnäuzer“. Es sind dies folgende Arten: Hoplisoma acrensis, Hoplisoma adolfoi, Hoplisoma albolineatus, Hoplisoma amphibelus, Hoplisoma apiaka, Hoplisoma araguaiaensis, Hoplisoma armatus, Hoplisoma atropersonatus, Hoplisoma axelrodi, Hoplisoma baderi, Hoplisoma benattii, Hoplisoma bicolor, Hoplisoma boehlkei, Hoplisoma boesemani, Hoplisoma bondi, Hoplisoma breei, Hoplisoma brevirostris, Hoplisoma burgessi, Hoplisoma carlae, Hoplisoma caudimaculatus, Hoplisoma cochui, Hoplisoma colossus, Hoplisoma concolor, Hoplisoma copei, Hoplisoma coppenamensis, Hoplisoma cruziensis, Hoplisoma davidsandsi, Hoplisoma diphyes, Hoplisoma duplicareus, Hoplisoma ehrhardti, Hoplisoma esperanzae, Hoplisoma evelynae, Hoplisoma eversi, Hoplisoma flaveolus, Hoplisoma froehlichi, Hoplisoma gladysae, Hoplisoma gossei, Hoplisoma granti, Hoplisoma griseus, Hoplisoma gryphus, Hoplisoma guianensis, Hoplisoma habrosus, Hoplisoma julii, Hoplisoma kanei, Hoplisoma knaacki, Hoplisoma lacrimostigmata, Hoplisoma leucomelas, Hoplisoma longipinnis, Hoplisoma loretoensis, Hoplisoma loxozonus, Hoplisoma lymnades, Hoplisoma melanistius, Hoplisoma melini, Hoplisoma metae, Hoplisoma micracanthus, Hoplisoma microcephalus, Hoplisoma multimaculatus, Hoplisoma nattereri, Hoplisoma oiapoquensis, Hoplisoma ortegai, Hoplisoma osteocarus, Hoplisoma paleatus, Hoplisoma panda, Hoplisoma paragua, Hoplisoma parallelus, Hoplisoma pavanelliae, Hoplisoma petracinii, Hoplisoma polystictus, Hoplisoma potaroensis, Hoplisoma punctatus (Typusart), Hoplisoma revelatus (nur fossil bekannt), Hoplisoma reynoldsi, Hoplisoma sanchesi, Hoplisoma schwartzi, Hoplisoma similis, Hoplisoma sipaliwini, Hoplisoma steindachneri, Hoplisoma sterbai, Hoplisoma surinamensis, Hoplisoma trilineatus, Hoplisoma tukano, Hoplisoma urucu, Hoplisoma weitzmani und Hoplisoma xinguensis. In der Diskussion bei Research Gate wurden zudem Corydoras psamathos, C. hypnos und C. thanatos von den Autoren ebenfalls Hoplisoma zugeordnet; es wird offenbar gerade an einer Verbessungsversion gearbeitet, einem so genanntes Erratum, in dem auch auf grammatikalische Dinge eingegangen werden soll.

Bei  Hoplisoma gibt es ähnliche Fragestellungen wie oben bei Brochis. Meiner Meinung nach sind in dieser Gruppe mühelos fünf oder mehr verschiedene Gattungen aufstellbar. Aber man darf in solchen Dingen nicht zu ungeduldig sein. Es muss einmal jemand den Anfang machen, der ist jetzt getan und es wird unzweifelhaft in Folgearbeiten der nächsten Jahre noch ein Finetuning kommen, dass diese Punkte untersucht und bewertet. So war das bei den ehemaligen Cichlasoma, bei der Barbus/Puntius-Verwandtschaft, bei den Botia-Verwandten etc. pp. und so wird das auch hier sein. Insofern: fangen wir schon mal mit dem Umlernen von Namen an, Gehirnjogging hält jung und fit und die Corydoradinae bieten wahrhaftig genug Stoff für noch so manchen Gehirnjogging-Trimm-Dich-Pfad!

Literatur:

Dias, A.C., Tencatt, L.F.C., Roxo, F.F., Silva, G.S.C., Santos, S.A., Britto, M.R., Taylor, M.I. & Oliveira, C. (2024): Phylogenomic analyses in the complex Neotropical subfamily Corydoradinae (Siluriformes: Callichthyidae) with a new classification based on morphological and molecular data. Zoological Journal of the Linnean Society, zlae053, Published: 11 June 2024

Text & Photos: Frank Schäfer

Rote Hemichromis – die perfekten Einsteiger-Buntbarsche

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Was macht einen guten Einsteiger-Fisch aus? Er sollte schön aussehen; leicht zu ernähren sein; typische Einsteiger-Pflegefehler verkraften, ohne krank zu werden oder gar zu sterben; er sollte sich in allen Wasserverhältnissen, die aus dem häuslichen Wasserhahn fließen, pudelwohl fühlen; und er sollte ein interessantes Verhalten zeigen, damit das Beobachten Spaß macht. Rote Hemichromis (der wissenschaftliche Gattungsname lautet seit dem Jahr 2022 Rubricatochromis) haben alle diese Eigenschaften. Sie sind oft geradezu atemberaubend schön, fressen alles, was man anbietet, egal ob Trocken-, Frost- oder Lebendfutter, werden kaum jemals krank und ob weich oder hart, sauer oder alkalisch, ihnen ist jedes Wasser recht. Rote Hemichromis bleiben zudem klein, viele jedenfalls, und können meist zu den Zwergbuntbarschen gezählt werden. Große Platzansprüche haben sie also auch nicht. Und schließlich: wer je ein Pärchen Roter Hemichromis bei der Brutpflege sah, wird diesen Anblick nie wieder vergessen!

Hemichromis sp. "Gabun", eine besonders hübsche Form der Roten Hemichromis. Sie hat viel Ähnlichkeit mit Hemichromis stellifer.
Rubricatochromis sp. „Gabun“, eine besonders hübsche Form der Roten Hemichromis. Sie hat viel Ähnlichkeit mit Rubricatochromis stellifer.

Wo ist der Haken? Es gibt ihn, den Haken, leider. Man muss nämlich ein wenig von Artbestimmung und Verhaltensanalyse bei Fischen verstehen, damit man uneingeschränkt Freude an Roten Hemichromis hat. Der deutsche Name „Rote Hemichromis“ oder auch „Rote Cichlide“, „Roter Buntbarsch“ etc. bezieht sich auf eine ganze Reihe verschiedener Arten. Und einige davon sind sehr, sehr unverträglich. Sie können so biestig sein, dass sie dem Pfleger die Freude an Roten Hemichromis gründlich verleiden! Ich hörte schon von Aquarianern, die geschworen haben, nie wieder Rote Hemichromis zu pflegen.

Wie kann man solche traumatischen Erfahrungen verhindern? Es ist nicht ganz einfach, aber durchaus möglich. Die Art Roter Cichliden, mit der man beginnen sollte, heißt wissenschaftlich Rubricatochromis guttatus. Dieser Fisch ist weit entlang der westafrikanischen Küste verbreitet. Er ist sehr anpassungsfähig und wandelbar, am selben Fundort findet man gewöhnlich verschiedene Farbvarianten. Auch bezüglich der Körperform ist die Art variabel. Es hat schon seinen Grund, weshalb bis zum heutigen Tage viele Fachwissenschaftler diese Art nicht anerkennen, sondern in ihr lediglich ein Synonym zu Rubricatochromis bimaculatus sehen. In der Aquarienliteratur bis ca. 1980 war das auch so. Man nannte alle Roten Cichliden Hemichromis bimaculatus. Entsprechend wichen die Pflege- und Zuchtberichte in den Fachzeitschriften und -büchern teils extrem voneinander ab. Mal hieß es: völlig unverträglich, wird bis zu 15 cm lang und wühlt wie eine Wildsau, dann wieder: ein friedlicher und kleinbleibender Fisch, der ohne Bedenken in gut bepflanzten Aquarien gepflegt werden kann. So etwas ist nur zu erklären, wenn man in Betracht zieht, dass einfach von verschiedenen Arten die Rede ist.

Der "echte" Hemichromis bimaculatus - dies ist ein Wildfang-Männchen aus Ghana - ist nur sehr selten im Hobby zu finden.
Der „echte“ Rubricatochromis bimaculatus – dies ist ein Wildfang-Männchen aus Ghana – ist nur sehr selten im Hobby zu finden.

Es gibt derzeit neun verschiedene, anerkannte Arten Roter Hemichromis: Rubricatochromis bimaculatus, R. cerasogaster, R. cristatus, R. exsul, R. guttatus, R. letourneuxi, R. lifalili, R. paynei und R. stellifer; manchmal wurde zu dieser Gruppe auch Hemichromis angolensis gezählt; 2022 wurde er zu den Fünffleck-Buntbarschen, also den eigentlichen Hemichromis im engeren Sinne (s.u.) gestellt. Weitere Rote Hemichromis sind R. sp. „Ankansa“, R. sp. „Bangui“, R. sp. „Blue Neon“, R. sp. „Gabun“, R. sp. „Guinea I“, R. sp. „Guinea II“, R. sp. „Kongo“ und R. sp. „Muanda“, die teils wohl Standortvarianten der bereits aufgezählten, beschriebenen Arten darstellen, teils aber auch neue, noch unbeschriebene Spezies. Viele dieser Roten Hemichromis-Arten sehen einander verflixt ähnlich und im Hobby sind zudem auch noch jede Menge Hybriden unterwegs. Es gibt noch eine zweite Gruppe von Hemichromis, die Fünffleck-Buntbarsche. Sie wurden bis zum Jahr 2022 gemeinsam mit den Rubricatochromis in eine Gattung gestellt. Hierher gehören aktuell Hemichromis camerounensis, H. elongatus, H. fasciatus und der oben erwähnte H. angolensis; der lange Zeit als valide anerkannte H. frempongi wurde in die Synonymie von H. fasciatus gestellt. Die Fünffleck-Buntbarsche sind Fische, die sich nur für Buntbarsch-Spezialisten eignen, denn sie werden groß – um 20 cm -, sind Raubfische und vor allem im Jugendstadium extrem unverträglich gegen alle anderen Fische, nicht nur Artgenossen. Man kann sie aber nicht mit Roten Hemichromis verwechseln, denn alle Fünffleck-Buntbarsche haben, wie der Name schon sagt, fünf Flecken entlang der Flanke.

Fünffleck-Hemichromis - dies ist ein junges Wildfang-Tier von H. elongatus aus Nigeria - sind extrem aggressiv ud nur für Buntbarsch-Spezialisten empfehlenswert.
Fünffleck-Hemichromis – dies ist ein junges Wildfang-Tier von H. elongatus aus Nigeria – sind extrem aggressiv und nur für Buntbarsch-Spezialisten empfehlenswert.

Die gute Nachricht ist: die allermeisten Roten Hemichromis, die im Zoofachhandel erstanden werden können, gehören zur Art R. guttatus, auch wenn sie meist unter falschem Namen angeboten werden. So sind z.B. weder Rubricatochromis bimaculatus noch R. lifalili im Hobby verbreitet, praktisch alle so gehandelten Fische sind in Wirklichkeit H. guttatus. Für die Entscheidung, ob man sich an einen im Handel angebotetenen Roten Hemichromis heranwagen sollte, hilft es etwas Zeit mitzubringen. Beobachten Sie die Fische im Händlerbecken! Haben Artgenossen unbeschädigte Flossen und sind gar noch andere Arten mit im Verkaufsbecken, die sich ganz ungeniert unter die Roten Hemichromis mischen, dann handelt es sich um eine friedliche Art/Variante Roter Buntbarsche. Und lassen Sie sich Zeit beim Kauf. Kommen Sie vielleicht eine Woche später wieder und schauen Sie, wie die Tiere dann aussehen. Rote Hemichromis sind freche Tiere, die sich sehr schnell eingewöhnen und sehr bald arttypisches Verhalten zeigen.

Es ist an dieser Stelle nicht möglich, alle Artunterschiede Roter Hemichromis aufzuführen, das würde viel zu viel Platz erfordern und wäre auch nicht zielführend. Aber es gibt ein körperliches Merkmal, das einen guten Hinweis auf das spätere Verhalten der Fische gibt: je spitzer und länger die Schnauze, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Tier zu den aggressiven Vertretern der Gruppe gehört.

Man pflegt Rote Hemichromis am besten als Paar; es ist fast immer möglich, Paare willkürlich zusammenzustellen, sie werden sich vertragen und für Nachwuchs sorgen. Männchen werden größer als die Weibchen und zumindest bei Rubricatochromis guttatus gibt es auch Farbunterschiede. Es gibt Stämme, bei denen die Männchen mehr rote, die Weibchen mehr grüne Farbanteile zeigen, es gibt aber auch Stämme, bei denen das umgekehrt ist. Nehmen Sie von einer Truppe gleichalter Roter Hemichromis das größte Exemplar mit vergleichsweise langen Bauchflossen und einer eher spitz ausgeszogenen Rücken- und Afterflosse und das kleinste, das einen schönen runden Bauch aufweist und eher kurze Bauchflossen und eine abgerundete Rücken- und Afterflosse aufweist, dann haben Sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Paar.

Über kein Thema kann man so streiten wie über die Frage, wie groß ein Aquarium sein sollte. Ich habe harmonisierende Paare schon über Jahre in winzigen Aquarien von 40 x 20 x 20 cm gepflegt, die hier mehrmals jährlich eine Brut aufzogen. Sie bewohnten dieses Aquarium natürlich allein. Einem Anfänger würde ich so winzige Becken aber niemals empfehlen, hier kann zu viel schiefgehen und wie gesagt, die Paare harmonisierten und waren zuvor in wesentlich größeren Aquarien untergebracht, bis sie sich gefunden hatten. In 60cm-Standard-Aquarien kann man jede Art Roter Cichliden pflegen und züchten, aber eine Vergesellschaftung mit anderen Fischarten gelingt in so kleinen Aquarien nur selten und überhaupt nur dann, wenn man einen besonders friedlichen Stamm Roter Hemichromis erwischt hat. In Meterbecken oder – besser noch – 120-140 cm langen Aquarien (Standardmaße) sieht das aber ganz anders aus. Hier kann man Rote Hemichromis genießen und trotzdem eine abwechslungsreiche Fischgesellschaft pflegen. Am besten eignen sich flinke, mittelgroße Salmler und Barben zur Vergesellschaftung, auch Buschfische eignen sich sehr gut. Will man weitere Cichliden pflegen, kommen z.B. Buckelkopfcichliden (Steatocranus) in Betracht. Grundsätzlich sind Fische des freien Wassers und oberflächennah lebende Arten zu bevorzugen, denn Brut führende Rote Hemichromis errichten ihr Revier bodennah.

Hemichromis stellifer stammt aus dem Kongo; je nach Fundort sehen die Tiere unterschiedlich aus. Zuerst zwei Exemplare aus dem Lac Mai Ndombe, dann kommen Tiere aus der Umgebung von Kinshasa.
Rubricatochromis stellifer stammt aus dem Kongo; je nach Fundort sehen die Tiere unterschiedlich aus. Zuerst zwei Exemplare aus dem Lac Mai Ndombe, dann kommen Tiere aus der Umgebung von Kinshasa.
Hemichromis sp. Guinea II ist ein ungewöhnlicher Roter Cichlide.
Rubricatochromis sp. Guinea II ist ein ungewöhnlicher Roter Cichlide.
Bei diesen Fischen - es sind Wildfänge aus Nigeria (Delta State) - handelt es sich entweder um H. cristatus oder und H. guttatus.
Bei diesen Fischen – es sind Wildfänge aus Nigeria (Delta State) – handelt es sich entweder um R. cristatus oder und R. guttatus.

Rote Cichliden sind Offenbrüter und bilden eine Elternfamilie. Das bedeutet, die Tiere laichen auf einem Stein, einer Wurzel oder dergleichen offen (nicht in einer Höhle) ab und beide Eltern betreuen gemeinsam und gleichberechtigt die Brut. Jungfische weisen bis zu einer Länge von 1,5-2 cm ein charakteristisches Kinderkleid auf, das aus einem dunklen Längsstreifen besteht. So lange sie diese Färbung haben, bleibt der Jungfischschwarm immer dicht beisammen und wimmelt um die Eltern herum. Ein fantastischer Anblick, zumal die Eltern jetzt in Brutpflegefärbung in den herrlichsten Farben erstrahlen! Erst im Alter von drei bis vier Wochen bildet sich der typische Seitenfleck aus und die Jungen beginnen, sich zu zerstreuen. Die Aufzucht junger Roter Cichliden ist extrem einfach und gelingt sogar bei ausschließlicher Trockenfutter-Gabe. Natürlich muss das Trockenfutter sehr fein zerrieben sein. Man sollte außerdem darauf achten, ein Futter mit hohem Protein-Anteil zu reichen. Aber ganz ehrlich: bemühen Sie sich nicht, zu viele Jungtiere großzuziehen, es finden sich in der Regel kaum Abnehmer dafür. Darum ist auch die Pflege im größeren Gesellschaftsaquarium besser, da dort die Jungen früher oder später trotz guter Pflege der Eltern von den Mitbewohnern gefressen werden, genau wie in der Natur. Auch dort wird ja – statistisch gesehen –  immer nur ein einziges Pärchen aus den zehntausenden Nachkommen, die ein Rubricatochromis-Paar hat, erwachsen und kann selbst für Nachwuchs sorgen.

Ich jedenfalls habe immer Freude an Roten Cichliden. Und auch wenn sie manchmal aus Platzgründen eine Weile weichen müssen, dauert es meist nicht lang, bis wieder ein Pärchen dieser herrlichen Tiere ein Becken bezieht und eine Familie gründet…

Frank Schäfer


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Apteronotus: Geisterstunde im Aquarium

Auf den Stocklisten der Zierfisch-Exporteure werden „Black Ghosts“ und „Brown Ghosts“, also Schwarze und Braune Geister angeboten. Ihre deutschen Namen klingen profaner: Weißstirn-Seekuhmesserfisch und Brauner Messerfisch. Doch die in dieser Hinsicht begabteren englischsprachigen Liebhaber haben den einzigartig eleganten Tieren deutlich passendere Namen gegeben. In unvergleichlicher Eleganz gleiten diese Geschöpfe durch das Wasser, als hätten sie das Schweben erfunden – wie Geister eben! Wissenschaftlich heißen diese beiden Arten Apteronotus albifrons und A. leptorhynchus.

Ein wenig geisterhaft erscheint er schon, der Weißstirn-Seekuhmesserfisch, Apteronotus albifrons

Übersicht

Die Südamerikanischen Messerfische kommen in weit über 100 Arten auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent vor, einige haben es auch bis nach Mittelamerika geschafft. Alle Arten besitzen ein elektrisches Organ, das zur Orientierung und zur Kommunikation eingesetzt wird. Sie haben richtig gelesen: diese Fische kommunizieren mittels elektrischer Impulse miteinander! Bei der Orientierung kann man sich den Einsatz der elektrischen Organe analog zu dem Radar oder Sonar vorstellen, das wir Menschen zu diesem Zweck benutzen. Nur eine einzige Art Südamerikanischer Messerfische, nämlich der Zitteraal Electrophorus electricus hat ein elektrisches Organ, das auch als Waffe eingesetzt werden kann. Dieses bis zu 2 m lange Tier kann damit Stromschläge von 500 Volt bei 1 Ampere austeilen. Wenn es dumm läuft, kann das ausreichen, um einen Menschen zu töten! Aber keine Sorge, das elektrische Organ unserer Geisterfische kann nicht einmal 1 Volt produzieren und selbst bei ausgewachsenen Tieren ist nichts spürbar, wenn man sie anfasst. Mehr zum Zitteraal gibt es hier: https://www.aqualog.de/blog/zitteraale-sie-koennen-angreifen/


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Systematik

Nach diesen einleitenden Worten kurz etwas zur Stellung der Geisterfische im zoologischen System: sie gehören in die Gruppe der Ostariophysii und haben einen Weber´schen Apparat. Das ist ein komplizierte, aus kleinen Knöchelchen bestehende Struktur, die mit der gasgefüllten Schwimmblase der Fische in Verbindung steht. Da die Schwimmblase ein äußerst empfindliches Organ darstellt, das sowohl auf minimale Wasserdruckänderungen reagiert, wie auch als Resonanzkörper für Geräusche dient, kann der Webersche Apparat sehr viele Umgebungsreize an den Fisch weitergeben. Dieses komplizierte Ding ist sicherlich nur einmal in der Evolution “erfunden” worden und kann darum für Aussagen zu Verwandtschaftsverhältnissen herangezogen werden. Demnach stehen die Südamerikanischen Messerfische in einer evolutionären Reihe mit den Karpfenfischen, Salmlern und Welsen.

Man fasst die Südamerikanischen Messerfische in einer Ordnung Gymnotiformes zusammen. Unsere Geisterfische wiederum gehören zur Familie Apteronotidae, die 60-70 Arten in über einem Dutzend Gattungen umfasst. Genauere Angaben sind leider nicht sinnvoll, da derzeit ständig neue Arten entdeckt werden und das Gattungskonzept überprüft wird.

Apteronotus albifrons

Schwarzer Geist

Die am häufigsten im Zoofachhandel anzutreffende Geisterfischart ist Apteronotus albifrons. Sie ist sehr weit in Südamerika verbreitet (Argentinien, Brasilien, Ecuador, Französisch Guyana, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Surinam und Venezuela), doch erscheint es wahrscheinlicher, dass hier mehrere Arten, die sich sehr ähnlich sehen, existieren und nur noch nicht erkannt wurden. Wildfang-Importe erfolgen aus Kolumbien, doch wird diese Art in Indonesien und auch in Mitteleuropa kommerziell für den Aquarienfischhandel gezüchtet. Die Maximallänge liegt bei etwa 50 cm,was jedoch nur für kapitale Männchen gilt. Gewöhnlich erreichen diese Fische eine Länge von 20-30 cm. Nur mal zum Vergleich: der größte bekannte Mensch war etwa 270 groß, aber das ändert nichts daran, dass Mitteleuropäer meist im Bereich von 160-180 cm groß werden. Es ist darum wenig sinnvoll, davon auszugehen, dass Fische grundsätzlich zu den von der Spezies gemeldeten Rekordmaßen heranwachsen. Statt dessen sollte man von Durchschnittsmaßen ausgehen, wie sie z.B. bei der internationalen, von Wissenschaftlern erstellen Datenbank Fishbase bei den jeweiligen Arten angegeben werden.

Apteronotus cf. macrostomus (leptorhynchus)

Brauner Geist

Jahrzehntelang glaubte man, auch der Brown Ghost habe ein riesiges Verbreitungsgebiet in Südamerika. 2013 veröffentlichten die Wissenschaftler Carlos David de Santana und Richard P. Vari  eine Studie, in der sie zeigten, dass es nicht eine weitverbreitete Art gibt, sondern dass sich mindestens neun verschieden Arten identifizieren lassen, die jeweils nur ein relativ kleines Verbreitungsgebiet haben. Rein äußerlich lassen sie sich an lebenden Tieren aber nicht unterscheiden. Die im Hobby angebotenen Fische stammen aus Kolumbien und gehören mit höchster Wahrscheinlichkeit zu Apteronotus macrostomus. Diese Art kommt aus der Umgebung der Stadt Villavicencio am Rio Meta, wo zahlreiche Zierfischfänger tätig sind. Der „echte“ A. leptorhynchus wird wohl nicht importiert; er stammt aus dem Einzug des Essequibo River in Guyana. Da es jedoch, wie gesagt, keine nennenswerten äußerlichen Unterschiede zwischen den Arten des Brown Ghost gibt, wird man sie wohl weiterhin im Handel allesamt als „Apteronotus leptorhynchus“ bezeichnen. Der Brown Ghost bleibt kleiner als der Black Ghost, die Maximallänge wird mit weniger als 30 cm angegeben, wobei die Geschlechtsreife um 12 cm einsetzt.

Apteronotus cf. macrostomus (leptorhynchus)

Warum Geister?

Man sagt, dass es in Südamerika Stämme gibt, die glauben, die Seelen ihrer Verstorbenen würden in diese Fische fahren und die sie darum als Geisterfische bezeichnen. Ob das der Wahrheit entspricht oder nur eine schöne Anekdote ist, weiß ich nicht. Aber die in der Einleitung zu diesem Aufsatz gegebene Erklärung könnte auch zutreffen. Denn kaum eine andere Fischart kann so geschmeidig und in jede Richtung des dreidimensionalen Raumes schwimmen wie die Messerfische. Das machen sie zudem kopfüber, kopfunter, auf dem Rücken oder in normaler Schwimmstellung, vorwärts wie rückwärts! Niemand, der auch nur einen Rest von Naturliebe besitzt, kann sich diesem fesselnden Schauspiel entziehen.

Apteronotus cf. macrostomus (leptorhynchus)

Pflege und Zucht

Im Aquarium sollte man diese Fische grundsätzlich in Gruppen pflegen (5-8 Tiere). Die Geschlechter lassen sich bei den handelsüblichen Jungtieren noch nicht unterscheiden, aber bei einer Länge von 10-12 cm (A. leptorhynchus) bzw. 15-20 cm (A. albifrons) erkennt man die Männchen am vergleichsweise längeren Kopf. Die Männchen sind auch raschwüchsiger, bei gleichalten Exemplaren also größer. Ein 300-400 Liter fassendes Aquarium mit vielen Versteckmöglichkeiten, darunter auch PVC-Rohren, sollte man diesen Fischen bieten. PVC-Rohre sind recht wichtig, denn hier können die Fische bei Bedarf dem “Elektrosmog” entgehen, wenn ihre Artgenossen grade ein Plauderstündchen abhalten und die vergangene Nacht für einzelne Tiere hart war.

Eine Vergesellschaftung mit anderen Fischarten lässt man besser bleiben. Gegen robuste Arten haben die Geister nicht viel entgegenzusetzen und umgekehrt haben sie die unangenehme Eigenschaft, harmlosen Schwarmfischen gelegentlich die Augen auszubeißen. Wenn dennoch eine Vergesellschaftung erfolgen soll, sind diverse Welsarten noch am besten geeignet. Als Hauptfutter können bei den Geistern Rote und Weiße Mückenlarven (lebend und gefroren) dienen, es werden aber fast alle üblichen Futtermittel akzeptiert, wenn sie nur ins Maul passen. Lediglich Flockenfutter eignet sich kaum. Da Messerfische für Fischverhältnisse sehr intelligent sind, werden sie zahm und lassen sich auch in einem gewissen Rahmen dressieren. Hans Frey berichtete einmal über einen A. albifrons, der besonders gern Tubenfutter fraß (das gibt es heute nicht mehr). Der Messerfisch kam zur Fütterung an die Wasseroberfläche und ließ sich das pastenartige Tubenfutter direkt ins Maul drücken.

Dieser goldgelbe A. leptorhynchus ist keine Zuchtform, sondern eine Mutante. Das Exemplar ist ein Wildfang aus Kolumbien.

Wenn man züchten möchte, muss man wissen, dass diese Fische Saisonlaicher sind, die ihre Geschlechtsorgane außerhalb der Fortpflanzungszeit so stark reduzieren, dass sie funktionsunfähig sind. Um die Geschlechtsorgane zum Reifen zu bringen, muss man eine Regenzeit simulieren, was dadurch geschieht, dass man über einige Wochen hinweg den Leitwert des Wasser immer weiter absenkt (bis etwa 200-250 µS/cm), dabei den Wasserstand im Aquarium um 10-20 cm schwanken lässt und auch das Beregnungsgeräusch kann ein zusätzlicher, wichtiger Auslöser sein. Die Geister laichen in Spalten von Steinen oder Wurzeln ab und betreiben keine Brutpflege. Die Jungfische fressen von Anfang an Artemia Nauplien, die Aufzucht gestaltet sich wenig problematisch. Wer sich näher mit der Zucht dieser Fische beschäftigen möchte, lese bitte bei Kirschbaum & Schugardt (2002) nach.

Zuchtform „Black Marble“ von A. albifrons

Alles in allem sind diese Geisterfische sehr zu Recht trotz ihrer Größe jetzt schon seit Jahrzehnten beliebte Aquarienbewohner. Man kann nur empfehlen, es auch einmal mit ihnen zu versuchen. Im Aquarium werden diese Tiere, die in der Natur wohl nur selten älter als drei Jahre werden, ziemlich alt. Über 20 Jahre haben sie ihre Besitzer schon erfreut!


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Entengeister

Apteronotus anas aus Eigenmann und Allen, 1942

Zum Schluss sei noch die bizarrste Art der Geisterfische erwähnt, die von Aquarium Glaser sogar schon einmal aus Peru importiert werden konnte: der Enten-Geisterfisch oder Enten­kopf-Messerfisch (Parapteronotus bona­partii). Bei dieser bis zu 50 cm langen Art entwickelt das Männchen eine geradezu unglaublich lange Schnauze!

Parapteronotus bonapartii wird etwa 40-50 cm lang und hat eine wechselhafte Namensgebung erfahren müssen. Wissenschaftlich am meisten Aufsehen erregte die Art 1942, als Eigenmann und Allen einen grotesken Messerfisch mit riesiger Schnauze als Apteronotus anas beschrieben. Erst 2002 stellte man dann fest, dass A. anas lediglich das erwachsene Männchen der schon 1913 als A. hasemani beschriebenen Art darstellt. Man konnte nachweisen, dass bei dieser Art mit dem Eintritt der Geschlechtsreife die männliche Schnauze immer länger wird. Somit wurde A. anas zum Synonym (ungültiger Name) von A. hasemani.

Bereits ein Jahr vor dieser Entdeckung, nämlich 2001, stellte Albert die Gattung Parapteronotus mit der einzigen Art hasemani für diesen Fisch auf, was leider – wohl aufgrund zeitlicher Überschneidungen zwischen Publikation von Alberts Beschreibung und der Manuskripteinreichung durch Fernandes et al. – in der 2002er Arbeit nicht berücksichtigt wurde.

2007 stellte Triques schließlich fest, dass Parapteronotus hasemani und der bereits 1855 von Castelnau beschriebene Sternarchus bonapartii identisch sind, wodurch der Fisch heute korrekt Parapteronotus bonapartii heißen muss.

Parapteronitus bonapartii, Männchen

Die Exemplare, die Aquarium Glaser im Jahr 2010 importieren konnte, waren bereits 30-35 cm lang. Die Tiere hatten auffällige Zähne im Maul, deren Sinn unbekannt ist. Futterfische verweigerten die Tiere als Nahrung. Darum wurden sie vorwiegend mit lebenden Tubifex gefüttert, was sie gerne annahmen.

Frank Schäfer

Literatur:

Albert, J. S. (2001): Species diversity and phylognetic systematics of American knifefishes (Gymnotiformes, Teleostei). Miscellaneous Publications, Museum of Zoology, University of Michigan No. 190: i-vi + 1-127.

Castelnau, F. L (1855): Poissons. In: Animaux nouveaux or rares recueillis pendant l’expédition dans les parties centrales de l’Amérique du Sud, de Rio de Janeiro a Lima, et de Lima au Para; exécutée par ordre du gouvernement Français pendant les années 1843 a 1847 … Part 7, Zoology. Animaux nouveaux or rares recueillis pendant l’expédition dans les parties centrales de l’Amérique du Sud, de Rio de Janeiro a Lima, … v. 2: i-xii + 1-112, Pls. 1-50.

Cox Fernandes, C. C. , J. G. Lundberg, & C. Riginos (2002): Largest of all electric-fish snouts: Hypermorphic facial growth in male Apteronotus hasemani and the identity of Apteronotus anas (Gymnotiformes: Apteronotidae). Copeia 2002 (no. 1): 52-61.

de Santana, C. D. & R. P. Vari (2013): Brown ghost electric fishes of the Apteronotus leptorhynchus species-group (Ostariophysi, Gymnotiformes); monophyly, major clades, and revision. Zoological Journal of the Linnean Society v. 168 (no. 3): 564-596.

Kirschbaum, F. & C. Schugardt (2002): Reproductive strategies and developmental aspects of mormyrid and gymnotiform fishes. Journal of Physiology-Paris 96: 557–566.

Triques, M. L. (2007): Parapteronotus bonapartii (Castelnau), considerado sinônimo sênior de Parapteronotus hasemani (Ellis) (Teleostei, Apteronotidae). Revista Brasileira de Zoologia v. 24 (no. 1): 84-86.

Die Karausche, Carassius carassius

Die Karausche gehört zu den Kar­pfen­fischen (Cyprinidae), die Aquarianer vor allem in Form der zahlreichen Arten der Barben und Bärblinge kennen. Oberflächlich betrachtet ähnelt sie stark der Wildform des Karpfens (Cyprinus carpio), von dem sie allerdings leicht dadurch zu unterscheiden ist, dass ihr die Barteln fehlen (der Karpfen hat vier davon). Der Karpfen hat außerdem einen harten, gesägten Rückenflossenstachel, wäh­rend bei der Karausche alle Rücken­flos­senstrahlen relativ weich und flexibel sind. Manchmal hybridisieren Karpfen und Karausche aber und solche Hybriden sind oft selbst für Spezialisten schwer zu erkennen, denn sie vereinigen Merkmale beider Arten in sich.

Karausche: rechts großwüchsige Seekarausche, links unten kleinwüchsige Teichkarausche, links ein Hybride aus Karpfen und Karausche, ein so genannter Karauschkarpfen. Aus Walter, Emil (1913): Unsere Süßwasserfische, Leipzig, Quelle & Meyer

In Mitteleuropa leben drei Arten der Gattung Carassius: die Karausche (C. carassius), der Giebel (C. gibelio) und der Goldfisch (C. auratus). Die Systematik der Gattung ist schlecht verstanden und es besteht großer Forschungsbedarf. Derzeit sind sechs Arten allgemein anerkannt, neben den drei auch in Mitteleuropa heimischen Arten gibt es noch die Arten C. cuvieri und C. langsdorfii, die in Ostasien verbreitet sind und die Zwergart Carassius praecipuus aus Laos, die nur 7 cm lang werden soll. Siehe hierzu auch den Blog „Wer kennt die Wildform des Goldfisches“: https://www.aqualog.de/blog/wer-kennt-die-wildform-des-goldfisches/

Wildfarbener Goldfisch, Carassius auratus. Alle Goldfische sind anfangs so gefärbt, die Goldfärbung tritt erst im Alter von 1-2 Jahren ein. Vele Exemplare bleiben aber zeitlebens wildfarben.

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Junge Karauschen, wie sie für die Aquarienpflege in Betracht kommen, kann man am leichtesten dadurch von Giebel und Goldfisch unterscheiden, dass die Karausche normalerweise einen dunklen Schwanzwurzelfleck besitzt, der den beiden anderen Arten fehlt. Außerdem ist die Rückenflossenkante bei der Karausche nach außen gewölbt (konvex), die der bei­den anderen Arten gerade oder konkav. Alle drei Arten sind in Abhängigkeit ihrer Le­bensräume so ungeheuer wandlungs­fähig, dass eine allgemeine, arttypische Be­schreibung kaum möglich ist – dazu gleich mehr.

Teich-Karausche, Carassius carassius (Population Görlitz, Deutschland)

Die Karausche ist bezüglich des Lebens­raumes der am höchsten spezialisierte Fisch Europas. Man kann das auch anders herum formulieren: die Karausche ist der an­spruchsloseste Fisch Europas. Keine andere Art kann in derart schlechten Wasser­ver­hält­nis­sen existieren, in denen die Karausche noch ein Auskommen findet. Sie kann sogar tage- und wochenlang im Bodenschlamm ausgetrockneter Gewässer überleben. Mit physiologischen Tricks, die erst in jüngster Zeit erforscht werden, kann sie als einziger rein auf Kiemenatmung angewiesener Fisch sogar in sauerstofflosem Wasser in Kleinst­gewässern unter Eis überleben. Nun ist es zwar nicht so, dass die Karausche ungünstige Wasserverhältnisse zum Leben braucht. Aber ihre Spezialisierung macht es ihr möglich, auch solche Gewässer zu besiedeln, in denen keine andere Fischart überleben kann. Und das tut sie auch. In Kleingewässern, in denen die Karausche als einzige Fischart lebt, tritt ein Effekt ein, den man in der Fischer­ei­sprache „Verbuttung“ nennt. Es wird keine Energie in das Wachstum gesteckt, die Fische verzwergen und werden zeitlebens nur 5 – 10 cm groß. Karauschen solcher Popula­ti­onen waren in den Anfangszeiten der Aqua­rien­kunde, also im späten 19ten und frühen 20sten Jahrhundert als „Moor­karpfen“ be­kannt. Sie galten als Anfängerfische, die so ziemlich jeden Fehler verziehen, den man als Anfänger in der Aquaristik machen kann.

Giebel, Carassius gibelio. Vom Giebel gibt es viele Populationen, die ausschließlich aus Weibchen bestehen. Zur Fortpflanzung mischen sie sich in laichende Trupps anderer Karpfenfische. Das artfremde Sperma regt aber nur die Entwicklung der Einzelle an, es kommt zur Bildung eines weiblichen Klons des Muttertieres, nicht zur Hybridisierung.

Andererseits können sich Karauschen aber auch völlig anderen Verhält­nissen an­passen. In großen Gewässern mit vielen Raub­fischen, vor allem ihrem Hauptfeind, dem Hecht (Esox lucius), werden Karauschen groß und vor allem hochrückig. Hier können sie eine Länge von bis zu 60 cm er­reichen und 3.5 bis 5 kg schwer werden. Karauschen können als Allesfresser gelten, die weiche pflanzliche Nahrung ebenso nutzen, wie sämtliche Klein­lebewesen, die ins Maul passen. Unter natürlichen Bedingungen dürften jedoch Zuckmückenlarven (Chironomidae), die wir Aquarianer als „Rote Mückenlarven“ kennen, den Hauptteil der Nahrung darstellen. Von den oben erwähnten „Moorkarpfen“ war bekannt, dass sie oft eine Hungerform mit überdimensioniert großem Kopf und schwächlichem Körper ausbildeten, wo das Nahrungsangebot in der Natur nur spärlich war.

Junger, wildfarbener Karpfen (Cyprinus carpio)

Die Fortpflanzungszeit der Karausche fällt in das späte Frühjahr (Mai/Juni). Die Geschlechtsreife setzt im dritten Lebensjahr ein, dann sind die Tiere – je nach Nahrungsangebot und Temperatur – maximal 8 – 15 cm lang. Die Fische sind sehr fruchtbar, bereits kleine Weibchen können mehrere tausend Eier produzieren, in der Literatur finden sich Angaben von bis zu 300.000 Eiern pro Weib­chen. Dabei handelt es sich aber wohl um wirklich große, alte Damen. Über eine Zucht im Aquarium gibt es nur wenige Angaben, was aber darauf zurückzuführen sein dürfte, dass es kaum jemand publiziert hat und nicht darauf, dass es nicht geht. Selbst die Aquarien-Zucht des nahen Vetters der Karausche, des Goldfisches, wird von Hobby­aquarianern normalerweise nicht betrieben. Wer es dennoch einmal probieren möchte, der ziehe zunächst einige Karauschen im Aquarium auf. Wie bei fast allen europäischen Fischen wird die Produktion von Eiern und Spermien durch Hor­mone gesteuert, die von der Tageslichtlänge reguliert werden. Ein weiterer, aber nicht so entscheidender Regulator ist die Wasser­temperatur. Sind die Fische gut genährt und geschlechtsreif, über­wintert man sie bei 6-8°C und einer maximalen Beleuchtungs­dauer von 6 Stunden täglich. Es ist auch durchaus möglich, sie in völliger Dunkelheit in einem Kühlschrank zu überwintern. Füttern braucht man in dieser Zeit nicht. Nach 8 – 10 Wochen holt man die Tiere dann wieder in die Wohnung. Man kann sie problemlos binnen weniger Stunden aus der Winterruhe holen: einfach in einem Eimer in den Wohnraum stellen, das Wasser erwärmt sich dann auf Raumtemperatur; den Eimer gut abdecken, damit die durch den Umgebungswechsel nervösen Tiere nicht heraus­springen können! Idealer­weise trennt man vor dem eigentlichen Zucht­ansatz die Geschlechter. Weibchen sind fülliger, die Männchen bekommen zur Laich­zeit weiße Pickel auf Kiemendeckel und Brust­flossenstrahlen. Es geht aber auch bei ge­mein­samer Pflege der Geschlechter, doch kann man dann den Zeitpunkt des Ab­lai­chens nicht so gut steuern. Man füttert die Tiere jetzt gut und reichlich, ist aber spar­sam beim Wasserwechsel. Gleichzeitig stei­gert man die Beleuchtungsdauer schritt­weise auf 14 Stunden. Ein großer Wasser­wechsel (80-90% des Beckeninhaltes) mit wei­chem Wasser (2-5° GH) löst das Ablaichen aus. Die Wasser­temperatur bei der Zucht sollte 22-24°C betragen. Da die Männchen stark treiben, sollte man das Aquarium nicht zu klein wählen, 100 – 120 cm Kantenlänge sollte es auch bei kleinen Karauschen­vari­anten haben.

Wildfarbene Goldfische mit Komet-Beflossung

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Woher ich das weiß, obwohl ich doch oben geschrieben habe, dass es über die Zucht von Karauschen im Aquarium kaum An­gaben gibt? Nun, so habe ich im Aquarium schon gewöhnliche Goldfische gezüchtet, es ist wirklich nicht zu erwarten, dass sich die Karausche in ihrem Fortpflanzungsverhalten stark von diesen unterscheidet. Man kann die Tiere paarweise ansetzen oder in der Gruppe. Die Eier kleben am Substrat fest. Normalerweise laichen die Fische auch ohne spezielles Ablaichsubstrat ab, aber es ist praktischer, grobe grüne Filterwolle als Ablaichsubstrat anzubieten. Denn nach dem Ablaichen ist das Wasser stark durch Spermien und Schleim­hautfetzen belastet und weil man ge­­wöhnlich keine vieltausendfache Nach­zucht braucht, überführt man einfach die Perlonwolle mit den daran anhaftenden Eiern in ein Aufzuchtaquarium mit iden­tischem, abgestandenen Wasser zur weite­ren Entwicklung. Es schadet dabei nicht, wenn die Eier kurz an die Luft kommen. Im Ab­laichbecken macht man noch einmal einen großen Wasserwechsel. Die über­schüssigen Eier lässt man von den Eltern fressen. Die Larven schlüpfen nach etwa drei Tagen, weitere zwei Tage später schwimmen sie frei. Sie können sofort mit Artemia-Nauplien angefüttert werden.

Zuchtform „Messing“ des Goldfisches. Man kann einfache Goldfische und auch alle Karauschen-Wildarten im Aquarium züchten, allerdings wird das kaum praktiziert.

Obwohl sich die Karausche sowohl im Aquarium wie auch im Garten­teich wegen ihrer enormen Anpas­sungs­fähigkeit – sie erträgt große Temper­atur­schwan­kungen, hohe (um 30°C) wie auch niedrige (um 4°C) Tem­peraturen, etc. – problemlos halten lässt, wird sie doch wegen ihrer relativ geringen Attraktivität nie ein beliebter Fisch im Hobby werden. Dennoch wäre es schön, wenn ein paar mehr Aquarianer die Aufmerksamkeit auf ein bewundernswertes Geschöpf lenken würden, das durch die Zerstörung ihres ureigensten Lebensraumes, nämlich kleiner und kleinster Gewässer, immer seltener zu werden droht.

Von der Karausche gab es eine goldene Zuchtform (unten rechts), die allerdings wahrscheinlich ausgestorben ist – oder? Ich würde mich über ein paar Exemplare sehr freuen… Aus Walter, Emil (1913): Unsere Süßwasserfische, Leipzig, Quelle & Meyer

Frank Schäfer

Das neue Standardwerk zum Thema Schlangenkopffische

Das Warten hat ein Ende! Das neue Standardwerk „Schlangenkopffische – Wissenschaft, Aquaristik und Natur von Dominik Niemeier“ ist endlich verfügbar.

In diesem einzigartigen Buch werden alle drei Gattungen mit mehr als 62 Arten von Schlangenkopffischen auf über 800 Fotos, Illustrationen und Karten präsentiert. Auf 552 Seiten informieren wir über die Haltung und Vermehrung dieser Fische im Aquarium, stellen aber auch ihre Anatomie, Geschichte und ihre Bedeutung als invasive Arten, als Speisefische und die Bedrohungssituation der natürlichen Populationen vor.

Dieses Buch wird ein unschätzbarer Leitfaden für Aquarianer und Ichthyologen über die beiden Familien der Schlangenkopffische sein.

Geschrieben wurde das Buch von Dominik Niemeier. Domi, wie er in Fachkreisen genannt wird, ist seit 1992 in der Aquaristik aktiv und hat sich seit 1999 auf Schlangenkopffische spezialisiert. Er publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften und hält Vorträge, unter anderem auf dem von ihm organisierten internationalen Schlangenkopffischtreffen (Channa-Treffen). Er ist weltweit als Experte für Schlangenköpfe bekannt und trägt auch selbst zu wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema bei. Neben seinem Engagement in verschiedenen Social-Media-Gruppen und Foren betreibt er die größte deutschsprachige Website zum Thema.

Inzwischen hat Dominik Niemeier die meisten der bekannten Schlangenkopffische im Aquarium gehalten und erfolgreich vermehrt, darunter auch einige Erstnachzuchten. Derzeit widmet er sich der Vermehrung von Channa barca im Aquarium und ist mit der weltweit ersten dokumentierten Eiablage dem Ziel nahe. Seit seiner Kindheit engagiert er sich aktiv und passiv für den Tier-, Natur- und Artenschutz und arbeitet als Tier(-schutz)beauftragter für den Zoofachhandel. Die Intention für sein Buch über Schlangenköpfe basiert auf dem Wunsch, dass das Wissen über diese einzigartigen Lebewesen zu einem besseren Schutz dieser Fischfamilien in ihren Lebensräumen und gleichzeitig zu einer optimalen Pflege in der Aquaristik führt.


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Süßwassernadeln: Die süßen Seepferdchen

Die Nadeln bilden zusammen mit den Seepferdchen die Familie Syngnathidae, die etwa 50 Gattungen und 215 Arten umfasst. Die überwiegende Mehrzahl der Nadeln und alle Seepferdchen sind marin oder zumindest auf starkes Brackwasser angewiesen, doch finden sich weltweit Nadeln, die ganz oder vorwiegend im Süßwasser leben.

In Europa ist das zum Beispiel die Art Syngnathus abaster (Schwarzmeer-See­nadel), die jedoch aquaristisch keine Rolle spielt. Die für die Aquarienhaltung interes­santen Arten kommen aus dem westlichen Afrika, aus Brasilien, aus Indien und aus Süd­ostasien. Bevor auf die zurzeit importierten und kommerziell gezüchteten Arten einge­gangen wird, sollen hier einige allgemeine Informationen zur Pflege dieser Fische im Aquarium vorangestellt werden.

Syngnathus abaster bei Rab, Kroatien. Photo: Roberto Pillon
Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

Die erste und wichtigste Grundregel für die Pflege von Nadeln: alle Arten brauchen Lebend­­futter als Nahrungsgrundlage. Bei kleinen Arten reichen als Nahrungsgrund­lage Artemia-Nauplien. Zur Züchtung sind sie allerdings als all­eini­ges Futter auf Dauer nicht aus­rei­chend. Bei etwas größeren Arten müssen zudem größere Futtertiere her. Am besten geeignet sind Weiße Mücken­larven (Chaoboridae), die von allen Arten, die sie als Beute bewältigen können, begeistert an­genommen werden. Weiße Mückenlarven halten sich ohne Probleme tagelang im Aquarium, man kann also so üppig füttern, dass die Nadeln immer im Futter stehen. Außerdem vertragen Weiße Mückenlarven auch Brackwasser ganz gut. Sie sind daher neben Artemia-Nauplien das ideale Basis­futter für Süßwassernadeln. Andere Lebend­futtersorten gehen auch, haben aber ihre Tücken: Schwarze Mückenlarven (Culicidae) werden gerne angenommen, doch ent­wickeln sie sich im Warmwasseraquarium sehr schnell. Da die Weibchen der Mücken­arten, die aus Schwar­zen Mückenlarven schlüpfen, Blut saugen, rächen sich die Tierchen auf ihre Weise. Rote Mückenlarven (Chironomidae) sind ein gu­tes Futter, doch verkriechen sich die Tiere, die nicht gleich gefressen werden und ent­ziehen sich so den Nadeln als Futter. Wasser­flöhe (Daphniidae u.a.) werden gefressen und halten sich ganz gut im Aquarium, sind aber relativ nähr­stoffarm. Hüpferlinge (Copepoda) sind ein tolles Futter, können aber nur selten ganzjährig gefangen wer­den. Neu geborene Lebendgebärende Zahn­karpfen (Poeci­li­idae) werden von großen Nadelarten gerne gefressen, stehen aber nur selten in ausreichender Menge zur Verfügung. Tubifex und andere Würmer fressen Nadeln nicht oder nur sehr unwillig.

Microphis brachyurus, eine Süßwassernadel aus Südostasien.


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Nadeln sind Pirschjäger, die sich an ein potentielles Beutetier heranschleichen und dann überraschend zuschnappen.
Der Magen von Nadeln ist kaum dehnbar, die Tiere können daher nicht auf Vorrat fressen. Die Haupt-Todesursache für Nadeln im Aquarium dürfte der Hungertod sein. Man kann Nadeln leider nur sehr schlecht an­sehen, in welchem Ernährungszustand sie sich befinden. Denn genau wie die See­pferdchen haben sie ein knöchernes Außenskelett und sehen daher nie mager aus. Es ist absolut notwendig, Nadeln so zu füttern, dass sie ganztägig Futterorganismen finden. Mit 1-2 Fütterungen mit abgezählten Futtertieren pro Tag kommt man nicht aus. Auch wenn die eine oder andere Nadel lernen mag, tote Futtertiere (Frostfutter, ent­kapselte Artemia-Eier etc.) zu akzep­tieren: darauf verlassen kann man sich nicht!

Kleine Arten von Süßwassernadeln, die Brack­wasser vertragen, aber nicht brauchen, sollte man trotzdem besser in Brackwasser pflegen. Das kann ruhig ganz schwaches Brack­wasser sein (1-5 g Salz pro Liter), doch hat es den Vorteil, dass Artemia-Nauplien dann viel länger am Leben bleiben und die Na­deln so immer im Futter stehen. Außer­dem bewirkt Salz im Wasser (man sollte immer und ausschließlich Salz verwenden, wie es für Korallenriff-Aquarien hergestellt wird), dass die Nadeln weniger empfindlich auf erhöhte Nitratkonzentrationen im Wasser reagieren.

Nachzuchttiere von Enneacampus ansorgii im Aufzuchtaquarium.

Obwohl die hier besprochenen Nadeln zu den friedlichsten Fischen überhaupt ge­hören, gestaltet sich eine eventuelle Verge­sellschaftung ausgesprochen schwierig. Erstens sind nahezu alle eventuellen Mitbe­wohner auch Nahrungskonkurrenten und zweitens mögen Nadeln es weder, wenn sie angeknabbert werden, noch wenn es um sie herum allzu hektisch zugeht. Die Pflege im Artenbecken ist also grundsätzlich Mittel der Wahl, aber es ist trotzdem sinnvoll, einige klei­ne fischige Mitbewohner im Aquarium zu haben. Der Grund hierfür liegt darin, dass Nadeln einerseits vergleichsweise em­pfindlich auf Wasserverschlechterungen (Schadstoffbelastung, Bakteriendichte, Sauer­stoffgehalt, pH-Wert-Schwankungen etc.) reagieren, andererseits aber über wenig Möglichkeiten verfügen, Unbehagen auszu­drücken. Flossenklemmen, schaukelnde Schwimmbewegungen, Lustlosigkeit beim Fressen, kurz, die ganze Körpersprache mit der ein „normaler“ Fisch dem Aquarianer zeigt, dass ihm etwas nicht passt und eine Katastrophe im Anzug ist, wird von Nadeln nicht betrieben. Am besten pflegt man da­her einige wenige Guppys als Bioindikatoren mit den Nadeln. Je nach Größe der Nadeln wählt man dazu wenige Tage alte, halb­wüchsige oder erwachsene Guppys. Guppys können problemlos auch Brackwasser ver­tragen.

Enneacampus ansorgii, Wildfangexemplar aus Nigeria.

Nadeln können alle Krankheiten be­kommen, die andere Fische auch bekom­men, aber auf eine Besonderheit muss aufmerksam gemacht werden: Niemals dürfen Nadeln hart angefasst werden. Die Haut über dem den Körper umhüllenden Knochenpanzer ist sehr dünn. Kommt es hier zu Quetschungen, stirbt die Haut ab, eine bakterielle Infektion ist die Folge, die prak­tisch immer zum Tod des betroffenen Tieres führt. Besonders gefürchtet ist in diesem Zusammenhang das Absterben der Schwanz­­­spitze, das eine unaufhaltsame, fortschreitende Nekrose zur Folge hat. Tiere mit diesem Symptom sind meist unrettbar verloren.

Alle Süßwasser-Nadeln betreiben Brutpflege im männlichen Geschlecht. Die Weibchen legen die Eier an die Bauchunterseite der Männchen in eine spezielle Bruttasche, wo sie das Männchen bis zum Schlupf (das ist temperaturabhängig, meist 2-3 Wochen) mit sich herumträgt. Es gibt Hinweise darauf, dass die Eier und Embryonen in der Bruttasche vom Männchen ernährt werden. So paradox es klingt: je schlechter das Männchen während der Trächtigkeit gefüttert wird, desto größer scheinen die Jungen beim Schlupf zu sein. Der biologische Sinn dieses Paradoxons mag darin begründet sein, dass eine Fütterung während der Trächtigkeit dem Männchen das Signal gibt „hier gibt es reichlich Futter, produziere viele und kleine Jungtiere“, indes Hunger während der Trächtigkeit das biologische Signal funkt „wenn Deine Jungen hier durchkommen sollen, müssen sie groß und kräftig sein.“

Ichthyocampus carce, eine Enneacampus. ansorgii sehr ähnliche Art aus Indien.

Bezüglich Wasserhärte und pH-Wert ist zu sagen, dass eine mittlere Wasserhärte und ein stabiler pH-Wert im Bereich 6.5 –8.5 keiner Süßwasser-Nadel schadet. In der Natur findet man sie vor allem in Fließgewässern oder in den flachen Regionen von Seen und Lagunen. Große Aquarien brauchen Süßwassernadeln nicht. Es sind ruhige Tiere. Selbstverständlich sollte die Beckengröße aber der Körperlänge der einzelnen Arten Rechnung tragen. Die 40 cm lange Doryichthys boaja braucht als größte Art der Süßwasser-Nadeln ein 150-cm-Aquarium, während die kleine, 8 – 12 cm erreichende Enneacampus ansorgii in einem 40-cm-Aquarium glücklich ist.

Aus dem bisher Gesagten dürfte schon hervorgegangen sein, dass Süßwassernadeln besondere Aufmerksamkeit verlangen und sich auf gar keinen Fall für irgendwelche Gesellschaftsaquarien eignen. Dennoch ist die erfolgreiche Pflege und Zucht auch Anfängern in der Aquaristik möglich, wenn man nur bereit ist, die sehr speziellen Ansprüche dieser Fische zu erfüllen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die in den letzten Jahren importierten Arten vor. Die fotografierten Tiere wurden von den Firmen Aquarium Glaser und Aquaristik Service Reuter importiert.

Arten aus Südost-Asien

Doryichthy boaja, Männchen
Doryichthys boaja, Weibchen

Doryichthys boaja
Diese Art ist der Riese unter den Süßwasser-Nadeln. Sie kann gut 40 cm lang werden. Es handelt sich um eine reine Süßwasser-Art. Die Hauptschwierigkeit bei der Pflege liegt auch hier in der Beschaffung des Futters, von dem die Nadel reichlich braucht. Bereits kurze Hungerperioden machen die Tiere anfällig. Die Anschaffung dieser Art sollte also gut überlegt sein. Die Fische wurden schon gelegentlich nachgezüchtet. Man darf für die Pflege dieser langschnäuzigen Freiwasserart nicht zu kleine Becken wählen, denn die Fische sind während der Eingewöhnungszeit schreckhaft und können sich übel die Schnauze verletzen, wenn sie in Panik durch das Aquarium schießen. Derart verletzte Tiere können oftmals keine Nahrung mehr zu sich nehmen und sind dann zum Hungertod verurteilt. D. boaja ist weit im südostasiatischen Raum verbreitet und kommt vor allem in Flüssen vor; Importe erfolgen gewöhnlich aus Thailand.

Doryichthys martensii

Doryichthys martensii
Diese bis zu 15 cm lang werdende Art ist weit in Südostasien verbreitet, man kennt sie aus Indonesien, Malaysia und Thailand. In der Natur werden vor allem Fließgewässer (Bäche, kleine Flüsse) bewohnt, wo man die Tiere im Gestrüpp der Ufervegetation antrifft. Wie bei allen Nadeln übernimmt das Männchen die Brutpflege und trägt die Eier in der bei dieser Art großen und gut erkennbaren Bruttasche mit sich herum, bis die Jungtiere schlüpfen. Die erwachsenen Tiere leben ausschließlich in Süßwasser, es ist jedoch nicht bekannt, ob die frisch geborenen Jungtiere eventuell eine Zeit ihres Lebens im Brackwasser oder Meer verbringen. D. martensii lebt bodengebundener als die langschnäuzigen Arten, schwimmt jedoch auch häufig im freien Wasser.

Hippichthys spicifer

Hippichthys spicifer
Diese relativ langschnäuzige Art ist weit im südostasiatischen Raum verbreitet. Es handelt sich um eine Brackwassernadel, die zwar gelegentlich auch in reinem Süßwasser gefunden wird, jedoch eine Charakterart der Ästuare ist. Die Pflege erfolgt daher am besten in Brackwasser (5 – 15 g Salz pro Liter). H. spicifer ist eine Freiwasserart, die sich nur gelegentlich am Boden oder zwischen Pflanzen aufhält. Die Maximallänge liegt bei etwa 15 cm.

Microphis brachyurus, Exemplar aus Indien
Microphis brachyurus von Sumatra mit rotem Bauchstrich
Microphis brachyurus von Sumatra

Microphis brachyurus
Microphis brachyurus wurde aus Indonesien beschrieben. Lange Zeit glaubte man, es handele sich um eine Art mit weltweiter Verbreitung, die sich in den verschiedenen Verbreitungsgebieten nur geringfügig auf Unterartenebene unterscheide. Und so wurden M. lineatus und M. aculeatus lange Zeit als Unterarten von M. brachyurus betrachtet. Heute sieht man alle drei als eigenständige Arten an. Als erwachsenes Tier lebt M. brachyurus in Süßwasser, wo auch die winzigen Jungen geboren werden. Diese verdriften allerdings binnen 2-3 Tagen ins Meer, wo sie einige Zeit im Plankton leben, bis sie wieder ins Süßwasser einwandern. Die Aufzucht in Süßwasser ist m. W. bislang noch nicht gelungen. Manche Exemplare von M. brachyurus haben einen tiefroten Streifen auf dem vorderen Körperdrittel. Es ist unbekannt, was dieser Streifen, der bei beiden Geschlechtern auftreten kann, bedeutet. Die Männchen erkennt man übrigens leicht an der Bruttasche auf dem Bauch. M. brachyurus ist im gesamten indo-west-pazifischen Raum verbreitet.


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Indische Arten

Ichthyocampus carce

Ichthyocampus carce
Bei I. carce handelt es sich um eine kurzschnäuzige Nadel, die wie Microphis cuncalus in den Unterläufen der Flüsse gefunden wird, wo die Gezeiten noch deutlich zu spüren sind. Man pflegt diese 8 – 12 cm lange Art daher am besten mit Salzzusatz. Diese bunte Nadel ist ein Bodenfisch, der sich nur gelegentlich ins freie Wasser begibt. Die Zucht der kleinen Art ist gut möglich, die Jungtiere lassen sich direkt mit Artemia-Nauplien anfüttern.

Microphis cuncalus

Microphis cuncalus
Diese Brackwasserart wird etwa 15 – 20 cm lang. Farblich gesehen ist sie die am schlichtesten gefärbte Art der bislang eingeführten Süßwasser-Nadeln. Die Pflege in reinem Süßwasser ist möglich, in Brackwasser (5 – 15 g Salz pro Liter) hält sich der Fisch jedoch deutlich besser. Bei M. cuncalus entwickelt das Männchen nur eine ganz schwach ausgebildete Bruttasche, so dass es aussieht, als wären die Eier direkt an den Bauch geheftet. Die Tiere schwimmen am liebsten nur wenige Zentimeter über dem Boden, oft stützen sie sich mit dem Schwanz am Boden ab. Von M. cuncalus erzählen sich die Fischer, die Nadeln würden Krokodilen die Fleischreste zwischen den Zähnen herauspicken. Die nette Geschichte gehört allerdings in das Reich der Legenden.

Die indische Microphis deocata ist mit Sicherheit die schönste Süßwassernadel.

Microphis deocata
Diese Nadel ist die schönste aller Süßwasser-Nadeln – und die schwierigste. In der Natur kommt sie entlang des Himalaya in relativ rasch fließenden Bächen vor, es handelt sich um eine reine Süßwasser-Nadel, die niemals ins Brackwasser geht. Auch andere Fische dieser Region haben sich im Aquarium als heikel erwiesen. Besonders empfindlich zeigen sich die Tiere gegen bakterielle Wasserbelastungen. Die Maximallänge liegt bei rund 30 cm, doch fangen sie (in der Natur) mit etwa 8 cm Länge an, sich fortzupflanzen. Die Jungtiere können direkt mit Artemia-Nauplien angefüttert werden. Die Weibchen können ein fantastisches Bauchsegel entfalten, allerdings tun sie das nur am frühen Morgen, so dass ich persönlich in den drei Jahren, die ich mich mit der Art befasst habe, das noch nicht gesehen habe. Man pflege M. deocata nicht zu warm, 15 – 22°C sind günstig, dauerhaft werden Temperaturen über 24°C schlecht vertragen, dann sind die Fische noch hinfälliger als sonst schon. Interessanterweise frisst diese Art sehr gerne Eintagsfliegenlarven (Ephemeroptera), obwohl diese normalerweise bewegungslos dasitzen. Die relativ langschnäuzige Art schwimmt oft im freien Wasser, sucht aber auch oft Deckung hinter Steinen etc.. Die Jungtiere wachsen sehr rasch und sind nach 6 Wochen bereits 4 cm lang.

Microphis cf. dunckeri, Paar, oben das Weibchen

Microphis cf. dunckeri
Als Beifang von M. deocata kam diese kleine (6 – 8 cm) Nadel aus Indien zu uns. Es handelt sich entweder um eine wissenschaftlich noch unbeschriebene Art oder um die aus Burma beschriebene M. dunckeri. Zur Pflege lässt sich nicht viel sagen, die ersten Tiere kamen Ende November 2009 nach Deutschland und seither habe ich nichts mehr von ihnen gehört, doch sollte man sich an dem unter M. deocata Gesagten orientieren.

Syngnathoides biaculeatus

Syngnathoides biaculeatus
Von Sri Lanka wird diese weit im Indo-West-Pazifik verbreitete Art gelegentlich als Süßwasser-Nadel exportiert. Es handelt sich aber in Wirklichkeit um einen Meeresfisch, der nur gelegentlich in die Unterläufe von Flüssen einwandert. Da auch diese Art ausschließlich lebendes Futter frisst, ist die Futterfrage für einen Binnenländer kaum zu lösen. Wer nicht über eine verlässliche Bezugsquelle für lebende Mysis, ausgewachsene Artemia oder frischgeborene Lebendgebärende Zahnkarpfen verfügt, sollte von vornherein die Finger von diesen Fischen lassen. Eine erfolgreiche Pflege ist auf Dauer nur in einem Meerwasseraquarium möglich. Es handelt sich um eine freischwimmende Art.

Südamerikanische Arten

Micophis lineatus
Es handelt sich hierbei um eine langschnäuzige, etwa 20 cm lang werdende, frei im Wasser schwimmende Nadel, die entlang der gesamten Atlantikküste von Mexiko bis Brasilien vorkommt und auf den karibischen Inseln angetroffen wird. Während die erwachsenen Tiere vorwiegend in Süß- und Brackwasser leben, entwickelt sich die Brut wahrscheinlich im Meer, was auch das weite Verbreitungsgebiet erklärt. Gelegentlich wird die Art auch als Unterart der asiatischen M. brachyurus gesehen (s. o.). M. lineatus ist sehr gut haltbar, die Art laicht auch willig ab, die Aufzucht der Jungen ist jedoch äußerst kniffelig.

Pseudophallus mindii oder P. brasiliensis
Diese Art wird gelegentlich als Beifang zu Microphis lineatus importiert. Die Systematik der Nadeln ist nicht ganz einfach und P. brasiliensis wird von einigen Autoren als Synonym zu P. mindii gesehen, von anderen als gute Art. Wie dem auch sei, diese Art ist deutlich kurzschnäuziger und lebt eher bodengebunden, verglichen mit M. lineatus. Bei Pseudophallus handelt es sich um Fische des Süß- und Brackwassers, die als erwachsene Tiere niemals ins Meer gehen. Larven sollen aber auch schon im Meeres-Plankton gefunden worden sein.

Afrikanische Arten

Es gibt drei Arten Süßwassernadeln in Westafrika. Sie leben entlang der Küste im Binnenland und haben eine sehr weite Verbreitung, die vom Senegal bis nach Angola, also ca. von 16°N bis 18°S, reicht. Der Begriff „Westafrika“ meint hier also nicht nur die im Sinne der UN erfassten Staaten, sondern die gesamte Westküste des Kontinents.

Enneacampus ansorgii
Diese wunderhübsche, kleine (8 – 12 cm) Süßwasser-Nadel ist die Art, die am häufigsten für das Hobby zur Verfügung steht, zumal sie von kommerziellen Züchtern vermehrt wird. Die bodengebunden lebende Nadel gehört zu den kurzschnäuzigen Vertretern der Familie. Sie ist in Westafrika zuhause und wird gelegentlich auch als Wildfang aus Nigeria angeboten. Die Jungtiere lassen sich gleich nach der Entlassung aus der väterlichen Bruttasche mit Artemia-Nauplien anfüttern.

Enneacampus kaupi
Ziemlich spektakulär ist Ennecampus kaupi, denn diese Art präsentiert sich sehr bunt. Leider wird sie stets nur zufällig mit Microphis aculeatus importiert. Bei einem solchen Import sind z.B. einmal 5 Exemplare mitgekommen, eines leuchtend gelb, drei ziegelrot und eines fast schwarz. Ich nehme an, dass es sich dabei um Laichfarben handelt, denn in der wissenschaftlichen Literatur wird E. kaupi als eher braun mit rotem Bauch beschrieben. Diese Art wird etwas größer als E. ansorgii, die Geschlechtsreife setzt mit 8,5-9 cm Länge ein, das größte bislang bekannt gewordene Exemplar war etwa 17 cm lang. Beide Enneacampus-Arten sind sich auf den ersten Blick ziemlich ähnlich, aber wenn man genauer hinschaut, so sieht man, dass die Schnauze bei E. kaupi erheblich länger als bei E. ansorgii ist.

Microphis aculeatus
Diese langschnäuzige Nadel vertritt den Formenkreis von M. brachyurus auf der atlantischen Seite von Afrika. Importe erfolgen aus Nigeria. Zur Pflege und Zucht dieser ebenfalls rund 20 cm lang werdenden Art gilt, was bereits bei M. brachyurus und M. lineatus gesagt wurde.


Damit endet dieser Streifzug durch die Welt der Süßwassernadeln. Wer sich intensiver mit diesen Tieren beschäftigen möchte, dem sei Heft 5 der Zeitschrift „Amazonas“ empfohlen, in dem sich viele, sehr lesenswerte Aufsätze zu dem Thema finden.

Frank Schäfer

Wunderschöne Leierfische

Die Leier- oder Spinnenfische (Callionymidae) sind eine Familie vor­wiegend im Meer lebender, nahezu weltweit verbreiteter Boden­fische. Lediglich zwei Arten wurden bisher aus dem Süßwasser bekannt, einige wenige dringen ins Brackwasser vor. Insgesamt kennt man derzeit 197 Arten, die sich auf 17 Gattungen verteilen.

Obwohl einige der nachfolgend näher besprochenen Arten relativ eng mit Korallen assoziiert leben, führen z.B. Lieske & Myers in ihrem Bestimmungsbuch „Korallenfische der Welt“ (1994) nur 8 Arten auf: Synchiropus picturatus, S. splendidus, S. stellatus, S. ocellatus, S. morrisoni, S. ijimae und zwei Vertreter der Gattung Callionymus: C. delicatulus und C. simplicicornis.

In der Nordsee und westlichen Ostsee, im Mittelmeer, Schwarzen Meer und im nordöstlichen Atlantik kommt Callionymus lyra vor. Oberes Bild Männchen, unteres Weibchen.

In europäischen Meeren kommen auch einige Arten vor. 10 Arten werden aus dem Ostatlantik (inklusive Nordsee, Mittelmeer und dem Schwarzen Meer) gemeldet. Leider kommen sie aber nur selten ins Flachwasser, weshalb sie beim Strandurlaub kaum angetroffen werden. Es sind häufige Fische, doch schwer lebend in gutem Zustand zu bekommen. Beim Krabbenfischen gehören die Leierfische zum regelmäßigen Beifang in der Nordsee; dabei handelt es sich um Callionymus lyra und C. maculatus. Erstere Art hat gestreifte Flossen und wird maximal 30 cm lang, letztere gepunktete Flossen und erreicht nur 16 cm. Die Weibchen bleiben bei beiden Arten deutlich kleiner. Die Fischer mögen die Leierfische nicht gern, denn sie reißen mit ihren Kiemdeckelstacheln, denen man gelegentlich sogar eine Giftwirkung nachsagt, schmerzhafte Wunden. In Schauaquarien bekommt man manchmal Leierfische zu sehen. Die Mittelmeer-Arten gelten nach Neumann & Paulus (Mergus Mittelmeer-Atlas, 2005) als grundsätzlich leicht haltbar. Allerdings sollen sich diese Arten fast den ganzen Tag über eingraben und erst abends aus dem Sand auftauchen. Zumindest C. lyra präsentierte sich aber in den Schauaquarien, in denen ich ihn bewundern konnte, sehr offen, etwa im Hirtshals Oceaneum in Dänemark.

Die Pflege von europäischen Leierfischen wird aber stets die Sache von Spezialisten bleiben. Es gibt ja schon kaum Süßwasseraquarianer, die sich mit heimischen Fischen befassen und Nordsee- oder Mittelmeer-Aquarianer gibt es noch viel weniger. Wenn sich diese Menschen mit Leierfischen befassen, werden sie schon wissen, worauf sie grundsätzlich zu achten haben und brauchen dazu nicht meinen Blog. Nur ganz grob soll daher darauf hingewiesen werden, dass man europäische Leierfische in Aquarien mit Sandboden pflegen muss und dass die Wassertemperaturen bei Exemplaren aus der Nordsee möglichst 18°C, bei solchen aus dem Mittelmeer 22°C nicht dauerhaft übersteigen sollten. Alles übrige wie nachfolgend für tropische Leierfische beschrieben.

Mandarinfisch, Synchiropus splendidus, Männchen

Von der großen Vielfalt tropischer Leierfische gelangen vor allem zwei Arten wegen ihrer unglaublichen Farbenpracht regelmäßig in den Fach­han­del: der Mandarinfisch Synchiropus splendidus und der LSD-Fisch S. picturatus.

Der Mandarinfisch
Der Mandarinfisch, Synchiropus splendidus, ist weit im West-Pazifik verbreitet, man findet ihn von den Riukiu-Inseln bis nach Austra­lien. Je nach Herkunft sieht er etwas unter­schied­lich in der Grundfärbung aus, doch wur­de bislang noch nicht systematisch daran gegangen, diese Farbschläge zu beschreiben.
In der Natur lebt der Mandarinfisch auf offenen Böden nahe bei Korallenriffen, ist aber kein Korallenfisch im eigentlichen Sinne. Wie alle Leierfische ist er ein Klein­tier­picker, der den ganzen Tag damit beschäftigt ist, nach Nahrung zu suchen. Unun­ter­brochen beobachten dabei die großen, aus­drucks­vollen Augen die Umgebung.
Die Maximalgröße des Mandarinfisches liegt bei etwa 8 cm, gewöhnlich bleibt er aber kleiner und bereits 4 cm lange Tiere sind laichfähig.


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Geschlechtsunterschiede
Die Geschlechter sind bei allen Leierfischen relativ einfach zu unterscheiden, so auch beim Mandarinfisch, denn die Männchen besitzen eine im Vergleich zu den Weib­chen stark vergrößerte erste Rückenflosse, die sie zur Balz einsetzen.
Es ist von erheblicher praktischer Bedeu­tung, dass man die Geschlechter so leicht un­ter­scheiden kann, denn die Männchen sind untereinander völlig unverträglich.

Pflege und Zucht
Mandarinfische pflegt man am besten paar­weise, dann kann man diese herrlichen Klein­ode im Aquarium voll genießen, denn ihr Verhalten ist sehr abwechslungsreich und sie laichen im Aquarium auch regelmäßig ab.

In den Anfangsjahren der modernen Seewasseraquaristik, in den 1950er und 1960er Jahren, galten Mandarinfische als extrem heikle Pfleglinge, die nur von Spezialisten erfolgreich gepflegt werden konnten. Heutzutage zählt man sie eher zu den Anfängerfischen. Wie das?

Der wesentliche Grund für diese neue Einschätzung liegt in der völlig veränderten Form, in der die Meerwasseraquaristik heutzutage betrieben wird. Früher stand der Fisch im Mittelpunkt des Interesses. Es gab – das darf man nicht vergessen – keinen Tauchsport mit Pressluftflaschen. Man kannte die Unterwasserwelt nur durch das Schnorcheln. Korallenfische waren praktisch unbekannt. So pflegte man zunächst reine Fischaquarien, hauptsächlich besetzt mit robusten Arten, denen die noch wenig ausgereifte technische Ausstattung der Aquarien genügte, die mit den noch einfachen Seesalzmischungen klarkamen und denen die im Binnenland verfügbaren Futtermittel ausreichten. Unter solchen Bedingungen konnten erstaunlich viele Fischarten ausgezeichnet gedeihen, oft laichten sie auch ab, in Einzelfällen (Clownfisch & Co.) gelang sogar die Aufzucht. Aber Kleintierfresser, die den ganz Tag nach Futter suchen, ständig kleine Mengen Nahrung zu nehmen, hatten in diesen Fischaquarien, in denen wegen hoher Nitrat- und Phosphatwerte nur wenige oder gar keine wirbellosen Tiere und kaum höhere Algen wuchsen, kaum eine Chance zu gedeihen. Heutzutage ist das völlig anders. Ein modernes Seewasseraquarium ist in aller Regel ein Biotop für Wirbellose, in denen die Fische belebendes Beiwerk sind. Ein gut eingefahrenes Seewasseraquarium wimmelt von Mikroleben und bei ausreichender Größe und geringem Besatz müssen Mandarinfische nur noch wenig zugefüttert werden. Mit Artemia salina steht ein Lebendfuttermittel zur Verfügung, das ganzjährig gereicht werden kann. Von der Nauplie bis zum erwachsenen Artemium ist jedes Lebensstadium als Futter für Mandarinfische geeignet und bleibt im Meerwasser praktisch unbegrenzt am Leben, so dass auch berufstätige Aquarianer mit normalem Sozialleben Mandarinfische erfolgreich pflegen können, da eine einmalige Fütterung am Tag ausreichend ist.

Die Zucht ist freilich ein anderer Stiefel, vor allem in Hinsicht auf den erforderlichen Zeitaufwand. Mandarinfische sind, wie alle Leierfische, Freilaicher. Das Balzverhalten ist spektakulär, ein fantastischer Tanz. Schon allein deshalb sollte man Leierfische immer paarweise pflegen, damit man dieses wundervolle Verhalten beobachten kann.

Männchen des Mandarinfisches vertragen sich nicht. Dauerhaft kann man nur ein Männchen pro Aquarium pflegen.

Die Laichabgabe erfolgt abends. Leider ist es äußerst schwierig, des Laichs habhaft zu wer­den, denn die Aufzucht im Aquarium ist durch­aus schon gelungen, sogar über meh­rere Generationen, obwohl Eier und Larven sehr winzig sind. Brutpflege betreiben Man­darinfische nicht, die Eier und Larven sind pelagisch, also frei im Wasser treibend. Einen ausführlichen Zuchtbericht liefert Mai in Brockmann (Nachzuchten für das Korallenriff-Aquarium, Birgit Schmettkamp Verlag, 2004).

Die kleinen und wenig schwimmfreudigen Mandarinfische kann man zur Zucht gut paarweise in kleinen Meerwasseraquarien pflegen, vorausgesetzt, sie sind gut biologisch eingefahren und weisen das oben beschriebene reiche Mikroleben auf.

Warum sind Mandarin- und LSD-Fische so bunt?
Die ungeheure Farbigkeit können sich die kleinen und weitgehend wehrlosen Fische (einige Leierfische besitzen allerdings Stacheln auf den Kiem­en­deckeln, so der oben bereits erwähnte Callionymus lyra; der Stich gilt als schmerzhaft und ist mög­licherweise giftig) leisten, weil sie ein widerlich schmeckendes Hautgift haben, das sie für die meisten Fischfresser unattraktiv macht. Die auffallende Schwimmweise und das wenig scheue Verhalten erinnert zudem an giftige Nacktschnecken und Strudelwürmer, was von vornherein viele potentielle Fressfeinde abschreckt.

Langsame Fresser
Im Prinzip sind Mandarinfische perfekte Aquarien­fische, da sie kaum krankheits­anfällig sind, klein bleiben, sehr bunt sind, ein interes­santes Verhalten zeigen und Wirbel­lose unbeachtet lassen. Aber – es muss noch einmal eindringlich darauf hingewiesen werden – es sind sehr langsame und be­dächtige Fresser. Man darf Mandarinfische darum niemals in Gesellschaft gieriger Fresser pflegen, sonst verhungern die Mandarin­fische über kurz oder lang. Am besten füttert man täglich eine große Portion lebender Artemia-Nauplien, die man sich ja leicht erbrüten kann, und idealerweise zweimal täglich anderes Futter. Frostfutter wird gern genommen, auch Granulate akzeptieren viele Individuen, was die Fütterung sehr vereinfacht.


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LSD-Fisch, Synchiropus picturatus

Weitere Arten
Im Prinzip gilt alles, was für den Man­darinfisch gesagt wurde, auch für die anderen Leierfische. Der LSD-Fisch, Synchiro­pus picturatus, wird rund 7 cm lang und ist im Indo-West-Pazifik verbreitet. Der Rote Man­darinfisch, S. stellatus (Indischer Ozean, etwa 7,5 cm Maximallänge), und der sehr ähnliche Marmorierte Mandarinfisch, S. mar­moratus (maximal 13 cm, westlicher Indik), sind zwar nicht so knallig bunt gefärbt, aber ebenfalls sehr attraktive Fische..
Die Callionymus-Arten werden nur sehr sporadisch eingeführt; sie sind Sandboden­bewohner und hier perfekt getarnt. Manchmal erkennt man die Tiere erst, wenn sie sich bewegen. Auch bei diesen Arten, die umgangssprachlich auch als Spinnenfische bezeichnet werden, haben die Männchen auffällig gefärbte und stark vergrößerte Rückenflossen, die bei den imposanten Balzspielen zum Einsatz kommen.

Synchiropus marmoratus

Leider nur sehr selten zu bekommen: Sandbewohner
Im Eingangstext wurde es gesagt: der überwältigende Teil der Leierfische hat mit Korallenriffen nichts zu tun. Sie bewohnen Sandflächen und graben sich gerne ein. Sandbewohner haben grundsätzlich nicht die schreienden Farben, die viele Riff-Fische zeigen. Aber sie sind dennoch herrliche Fische mit teils riesigen Flossen. Für ihre Pflege gilt alles, was schon gesagt wurde, also: häufige Futtergaben, möglichst oft Lebendfutter reichen, das lange im Meerwasser am Leben bleibt, paarweise Pflege. Es ist oft sehr komplex, den Versuch zu starten, solche Arten zu bestimmen. Ein gutes Merkmal sind die oft sehr farbigen ersten Rückenflossen der Männchen, die diese Tiere zur innerartlichen Erkennung, zum imponieren und drohen benutzen. Das kann man sehr gut vergleichen mit den kleinen Baumleguanen der Gattung Anolis. Auch diese Echsen stellen eine sehr artenreiche Gruppe dar, deren Bestimmung am besten anhand der farbigen Kehllappen der Männchen gelingt. Am Körper sind Anolis braun oder grün, tarnfarben halt, denn wer auffällt wird gefressen. Aber die sehr bunten Kehllappen sind ein ausgezeichnetes Kommunikationssystem selbst über einige Meter Entfernung hinweg.

Dactylopus dactylopus

Die größten Leierfische aus dieser Sandbewohner-Gruppe sind die Vertreter der Gattung Dactylopus, auch Finger-Leierfische genannt: Dactylopus dactylopus und D. kuiteri. Joachim Frische berichtet ausführlich über diese Tiere hier: https://www.aqualog.de/blog/der-finger-leierfisch-dactylopus-dactylopus-imposanter-auftritt-unscheinbare-faerbung/

Dactylopus kuiteri

Wesentlich kleiner bleibt der monotypische (das heißt, es gibt in der Gattung nur eine Art) Anaora tentaculata, nämlich höchstens 6 cm. Er kommt oft auf Sandböden in Pools von Riffen vor.

Anaora tentaculata

Wer das Glück hat, solche Tiere im Handel zu entdecken, sollte zugreifen, denn Farbe ist wirklich nicht alles. Auch und gerade an Tieren, die etwas versteckt leben und gedeckte Farben haben, kann man spannende Beobachtungen machen!

Frank Schäfer