Zum ersten Mal in Deutschland: Creagrutus paraguayensis

Bei einem Gang durch die Anlage sah ich zufällig, dass in einem Aquarium mit kleinen Pinselalgen-Salmlern (Apareiodon affinis, auch bekannt unter dem früheren Namen Parodon affinis) ein paar Beifänge aus Paraguay mitgekommen waren. Bei zwei der insgesamt sieben Exemplare handelte es sich um junge Rotflossensalmler (Aphyocharax), doch fünf konnte ich zunächst nicht einsortieren. Auffällig war die „schwanzlastige“ Schwimmweise, die an Schwanzdrüsensalmler erinnert. Ich fing die Fischchen – sie waren etwa 3 cm lang – also heraus, um sie zu fotografieren und etwas näher zu begutachten.

Balzschwimmen, im Vordergrund das vermutliche Weibchen

Im Fotobecken kamen die Tiere sofort in Stimmung und eines entwickelte eine hübsche Schwanzflossenzeichnung. Die Kopfform deutete auf einen Vertreter der Gattung Creagrutus. Das ließ mich zunächst seufzen, denn Creagrutus ist mit 70 Arten ausgesprochen artenreich und wegen der Ähnlichkeit der Arten zueinander unübersichtlich, obwohl eine aktuelle, sehr gute Revision von Vari & Harold aus dem Jahr 2001 existiert. Aber von fast keiner Art sind Lebendfotos bekannt, da Creagrutus aquaristisch bislang keinerlei Rolle spielen.

Doch in diesem Fall ging die Bestimmung erstaunlich flott, denn bei Vari & Harold werden überhaupt nur zwei Arten der Gattung aus Paraguay aufgeführt, nämlich C. meridionalis und C. paraguayensis. Der Vergleich dieser beiden Arten brachte schnell das Ergebnis, dass es sich bei den Beifängen nur um C. paraguayensis handeln kann, da C. meredionalis erheblich hochrückiger ist.

Im Fotobecken sind Creagrutus paraguayensis sehr lebhafte, oberflächennah schwimmende Tiere. Untereinander sind sie in ständige Kabbeleien verstrickt. Bei der Balz schwimmt das vermutliche Männchen, erkennbar an der kräftig gefärbten Schwanzflosse, blitzschnell auf das vermutliche Weibchen zu. Beide Tiere bewegen sich anschließend in einer Kopf-an-Schwanz Position im Kreis herum.

Ganz sicher ist Creagrutus paraguayensis Mahnert & Géry, 1988 keine aquaristische Offenbarung. Die Art soll laut Literatur rund 6-7 cm lang werden können. Aber schon jetzt kann man sagen: ein weiterer kleiner weißer Fleck auf der Landkarte des Lebens konnte dank dieses Zufallsimportes mit Farbe gefüllt werden.

Frank Schäfer

Literatur:

Vari, R. P. & A. S. Harold (2001): Phylogenetic study of the neotropical fish genera Creagrutus Günther and Piabina Reinhardt (Teleostei: Ostariophysi: Characiformes), with revision of the Cis-Andean species. Smithsonian Contributions to Zoology No. 613: i-v + 1-239.


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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5 Kommentare zu “Zum ersten Mal in Deutschland: Creagrutus paraguayensis

  1. Pingback: Blog Fische – aquaterra70

  2. Bruno Brenner

    Also ich finde ihn sehr hübsch, den Paraguayensis! Ich entnehme Ihrer Bemerkung, er sei „keine aquaristische Offenbarung“, dass der Fisch sich auf dem Zierfisch-Markt wohl nicht durchsetzen wird? Schade, gerade bei Salmlern finde ich es sehr „sympatisch“, wenn sie einem ihre Reize erst auf den zweiten Blick offenbaren.

    Da der Fisch als Beifang von Apareiodon affinis zu Ihnen kam kann man davon ausgehen dass er das / die gleiche(n) Habitat(e) bewohnt?

    Wie dem auch sei, ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen für diesen interessanten und unterhaltsamen Blog bedanken! Er hat mir in diesem durchs Häusliche geprägten Jahr viel Spaß gemacht und durch so manches Zoom-Meeting geholfen Bitte machen Sie weiter so.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch und ein rundum tolles Jahr 2021!

    Antworten
    1. Frank Schäfer Beitragsautor

      Vielen lieben Dank für diese aufmunternden Worte!
      Wegen der Markttauglichkeit der Creagrutus: es hat schon seinen Grund, weshalb nur rund 80 Zierfischarten weltweit in nennenswerten Mengen gehandelt werden. Denn bei den meisten anderen Arten – diese Creagrutus sind ein Paradebeispiel dafür – würden nur besonders vorgebildete Eingeweihte das Portemonnaie zücken, um die unscheinbaren Silberlinge (um es mit Hans Evers zu sagen: prachtvoll weißweinfarbenen Tiere) käuflich zu erwerben. Trotzdem: auch ich habe gerade für Paraguay-Fische (weil man die im Sommer gut draußen halten und zu großen, fotogenen Tieren aufziehen kann) immer ein Becken laufen und finde: Farbe ist nicht alles.

      Auch Ihnen ein schönes, erfolgreiches und gesundes Jahr!

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  3. Eugen Heil

    Schließe mich (wenngleich verspätet) an und wünsche Ihnen ein schönes, im positiven Sinne spannendes und erfolgreiches Jahr 2021!

    Bin schon jetzt auf den mit Sicherheit riesigen Bericht zu den L-Welsen in der nächsten Aqualog Ausgabe gespannt. Auch zu weiteren tollen und spannenden Berichten auf der Homepage. Hoffe es kommen auch weiter neben der eigentlichen Beschreibung diverser Tiere noch Berichte zu verschiedenen Randthemen. Ausführungen zu den Wasserwerten, Laub und Bodengrund fand ich hier sehr interessant und in vielen Punkten aufschlussreich. Zwei große Tüten Laub in unserem HWR können dies bestätigen 😉 Interessant wäre hier auch eine Ausführung zum Thema UV Strahlung. UV-A und UV-B in der Terraristik und deutlich kontroverser diskutiertes Thema UV-C in der Aquaristik. Dieser Bericht (btw. auch sonstige Themen sind bei diesem Aquarium in Seeheim sehr aufschlussreich, das Filtersystem ist schon ein starkes Stück für einen Privatbecken) war durchaus recht aufschlussreich. https://5m3.de/steuerung/uv-c-klaerer/uv-c-klaerer

    Kurzum. Herr Schäfer weiter so! Mit Ihren spannenden, fundierten und gleichzeitig kurzweiligen Beiträgen sowohl online als auch im Print sind Sie ein Fels in der (manchmal etwas flachen) Aquariumbrandung. 🙂

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    1. Eugen Heil

      Und die neue Ausgabe ist nun da. Die rieisige LDA Beschreibung ist tatsächlich genial. Herzlichen Dank an das gesamte Aqualog Team für die tolle Arbeit!

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