Von Lungenfischen, Sechsstreifensalmlern und Klapperschlangen

Ich habe noch Urlaub und heute stand „Zoo“ auf dem Programm. Und warum in die Ferne schweifen, schließlich liegt das darmstädter Vivarium fast unmittelbar vor meiner Haustür. Da war ich ja auch schon viel zu lange nicht mehr…

Kaum waren wir dort, wurde klar, warum der Parkplatz sogar für winterliche Verhältnisse zu leer war: Vogelgrippe!  Das hatten wir völlig vergessen. Die armen Zooler müssen deswegen richtig la Ola machen. Darum war weit über die Hälfte des Zoos nicht zugänglich.

Natürlich gab es trotzdem genug zu sehen. Zutiefst beeindruckt hat mich ein Australischer Lungenfisch (Neoceratodus forsteri). Dieses lebende Fossil ist zwar immer extrem interessant, aber gewöhnlich bekommt man als Zoobesucher von dem Tier nicht viel Action geboten. Es lümmelt halt so vor sich hin, meist macht es keinen großen Unterschied, ob man ein präpariertes oder ein lebendes Exemplar vor sich hat. Der Lungenfisch im Vivarium hatte aber seine lebendigen fünf Minuten. Und die allein machten den Besuch zum Ereignis. Ich habe noch nie einen Knochenfisch so schwimmen sehen! Das erinnert eher an Vogelflug, an Rochen oder Chimären, aber doch nicht an einen Echten Knochenfisch! Sagenhaft! Ich pflege schon viele Jahre mehrere Arten afrikanischer Lungenfische, die „laufen“ mit ihren fadenförmigen Flossen. Man darf leider im Vivarium nicht mit Blitzlicht fotografieren, aber ich konnte ein Filmchen von dem einzigartigen Schwimm-Verhalten machen, klicken Sie auf den folgenden Link, um es zu sehen: neoceratodus1

Australischer Lungenfisch, Neoceratodus forsteri

Der Lungenfisch gründelt nach kleinen Futtertieren im Sand

Ein weiteres Highlight waren die großen Sechsstreifensalmer (Distichodus sexfasciatus) im Afrikahaus. Jugendliche Tiere dieser Art – sie kommt im gesamten Kongo vor, vom Unterlauf bis in den Tanganjikasee – gehören zu den schönsten Fischen überhaupt. Aber es sind leider die übelsten Pflanzenzerstörer, die es überhaupt gibt. Und untereinander sind sie richtig zänkisch. In iherer afrikanischen Heimat sind Sechsstreifensalmler sehr beliebte Speisefische. Sie werden nämlich oft bis zu 80 cm lang und mehrere Kilo schwer, der Angelrekord soll bei einem 1 Meter langen Tier von 20 Kilogramm Gewicht liegen.

Im Afrikahaus des Vivarium lebt eine Truppe rund 30-40 cm langer Tiere friedlich zusammen mit einer Familienschar Tilapia mariae. Ein sehr schönes Bild! Besonders bemerkenswert finde ich aber, dass die Distichodus absolut friedlich miteinander sind. Vor vielen, vielen Jahren hatten wir mal eine Gruppe Sechsstreifensalmler in einem 600-Liter-Aquarium mit Tanganjikasee-Cichliden in meinem Aquarienverein, der Hottonia in Darmstadt. Sie wuchsen recht schnell auf Handgröße heran, aber friedlich waren sie nie miteinander. Es herrschte ein ständiges gejage und gemobbe. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ein friedliches Miteinander dieser Tiere überhaupt möglich sei. Der Vivarium-Besuch hat mich eines Besseren belehrt.

Schließlich durchstreifen wir noch das Terrarium. Reptilien machen es den Zoo-Leuten grundsätzlich schwer, denn es liegt in der Natur der meisten Arten, sich zu verstecken. Darum ähneln die großen Terrarien der Zoos oft Suchbildern. Heute meinten es aber zwei Klapperschlangenarten besonders gut mit mir und posierten, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Im Vivarium pflegt man zwei relativ „banale“ Arten, die Prairieklapperschlange (Crotalus viridis) und die Waldklapperschlange (C. horridus). Beide sind in außerordentlich schönen Exemplaren vertreten, die schon lange eingewöhnt sind und sich durch Besucher nicht aus der Ruhe bringen lassen. Klappern tun sie nicht, auch wenn man sie aus unmittelbarer Nähe betrachtet. Aber gerade diese Vertrautheit ist es ja, die die Giftschlangenpflege so gefährlich für den Pfleger macht. So lange die Tiere nervös und aggressiv sind, passiert so gut wie nie etwas. Aber wenn man jahrelang mit den Tieren umgeht und sie nie versuchen, anzugreifen, lässt die Vorsicht nach. Man glaubt, es könne nichts passieren. Und doch beiben die Schlangen zeitlebens gefährlich. Eine ungewohnte Bewegung, irgend etwas Unvorhergesehenes und die vermeintlich harmlose, zahme Schlange beißt zu. Darum sind in den Terrarien im Vivarium verschließbare Schlupfkisten, wie man sie sonst aus ästhetischen Gründen in öffentlichen Schaustellungen selten sieht. Die Schlangen nehmen diese Schlupfkisten als Verstecke an. Sind sie wirklich einmal beunruhigt, etwa, weil die Pfleger das Terrarium umbauen oder reinigen, kriechen die Schlangen ganz ohne jeden Zwang in die Schlupfkisten, um sich zu verstecken. Man kann nun die Schlupfkiste mit einem Schlangenhaken aus sicherer Entfernung mit einem Schieber gefahrlos verschließen und die Umbau- oder Reinigungsarbeiten vornehmen.

Bleibt als Fazit: auch wenn derzeit wegen der Vogelgrippe in den meisten Zoos nur ein Bruchteil der Anlagen zugänglich ist: ein Zoo-Besuch lohnt immer!

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Von Lungenfischen, Sechsstreifensalmlern und Klapperschlangen

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