Uralter Hochadel: Soldaten- und Husarenfische

Sieht man zum ersten Mal einen Soldatenfisch der Gattung Myripristis, so drängt sich unmittelbar der Gedanke „Mondkalb” auf. Sehr kurios wirken die riesigen Augen und die kurze Schnauze. Doch sind diese Fische alles andere als Missbildungen. Seit Millionen von Jahren besiedeln sie sehr erfolgreich die Meere und gehören zu den altertümlichsten noch existierenden Fischen.

Myripristis murjan

Etwa 90 Arten, die sich auf acht Gattungen verteilen gehören zu den Soldatenfischen (Holocentridae). Sie werden in zwei Unterfamilien eingeteilt, die Husarenfische (Holocentrinae) und die eigentlichen Soldatenfische (Myripristinae). Am leichtesten unterscheidet man die beiden Unterfamilien anhand der Schnauzenform: rund und stumpf bei den Soldatenfischen, relativ spitz bei den Husarenfischen. Husarenfische haben außerdem immer einen langen Dorn am unteren Kiemendeckelrand, der den Soldatenfischen fehlt.

Sargocentron seychellensis

Warum die militärischen Namen?
Als man vor rund 250 Jahren mit der Erforschung der tropischen Fischwelt begann, erinnerte die teils prachtvolle, immer jedoch auffällige Färbung der Korallenfische die Wissenschaftler an die Uniformen der Militärs des 18. Jahrhunderts. Auch andere Fische wurden militärisch benannt.

Zum Namen „Soldatenfische“ eine Kuriosität am Rande: im großen Standardwerk von Marcus Eliser Bloch (1723-1799) „Naturgeschichte der Ausländischen Fische“ findet sich als „Soldat“ der Schwielenwels (Callichthys callichthys). Bloch schreibt: „In Brasilien heisst dieser Fisch Tamoata; die dasigen Portugiesen nennen ihn, seines gepanzerten Körpers wegen, Soldido, oder Soldat; in Surinam führt er den Nahmen Quiqui ; die Holländer in Ostindien nennen ihn Dreg-Dolfin und Bootshaken; die Franzosen Callicte; die Schweden Kryp-Ring-Ming, und die Deutschen Soldat…“ Heutzutage nennt aber niemand mehr Schwielenwelse „Soldat“ und seine artenreiche Verwandtschaft ist als „Panzerwelse“ aquaristisch sehr bedeutsam.

Bloch kannte aber auch schon echte Soldatenfische. Den typischen Soldatenfisch Holocentrus sogo bezeichnet Bloch schlicht als „Sogo“. Diese Art ist heute nicht mehr gültig und wird als Synonym zu Holocentrus adscensionis geführt. Damit genug zum alten Bloch und wieder zurück zur Frage, warum die Soldatenfische Soldatenfische heißen.

Da Soldatenfische vorwiegend rot gefärbt sind und die Röcke der Infanterie der früher ebenfalls oft rot waren (eine praktischer Farbe, denn darauf sieht man die Blutflecken nicht so sehr) kam man auf den Namen „Soldatenfische”. Und analog erinnerte die gestreifte Färbung der Husarenfische die frühen Ichthyologen an die mit Schnüren verzierten Jacken (Dolmane) der Husaren (leicht bewaffneter Reiterkrieger). Im englischen Sprachgebrauch bezeichnet man die Soldatenfische ebenfalls als „soldierfishes”, die Husarenfische jedoch als „squirrelfishes”, also Eichhörnchenfische. Letztere Name ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass in  Nordamerika sehr viele gestreifte Hörnchenarten vorkommen.

Sargocentron rubrum

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Friedliche Zeitgenossen
Ungeachtet ihrer säbelrasselnden Populärnamen sind alle Soldaten- und Husarenfische sehr friedliche Zeitgenossen und das macht sie, neben ihren attraktiven Farben und der ungewöhnlichen Gestalt, zu durchaus begehrenswerten Aquarienfischen. Niemals würden Soldatenfische andere Fische angreifen oder sich gar Frechheiten dem Pfleger gegenüber herausnehmen. Aber etwas aufpassen muss man dennoch, wenn man mit ihnen umgeht. Denn alle Holocentridae haben viele scharfe Stacheln am Körper und den Flossen, die Husarenfische zusätzlich einen langen Dorn am unteren Kiemendeckelrand. Dieser Dorn führt sogar bei manchen Arten Gift (nachgewiesen bei Sargocentron). Aber gestorben ist noch nie jemand daran, wenngleich Stiche als sehr, sehr schmerzhaft geschildert werden. Allergiker sollten allerdings besonders gut beim Umgang mit den Tieren aufpassen. Das Baden des gestochenen Körperteils in sehr heißem Wasser (so heiß, wie man es gerade noch aushält) hilft meist rasch, da die Gifte sehr temperaturempfindliche Eiweißverbindungen sind.

Sargocentron diadema

Tiefseefische?
Nein, die Mehrzahl aller Soldaten- und Husarenfische kommt in relativ flachem Wasser bis etwa 30 Meter Tiefe vor. Nur ganz wenige Arten gehen wirklich tief. Soldaten- und Husarenfische gelten sogar als ausgesprochene Korallenfische und werden hauptsächlich in Korallenriffen gefunden. Dennoch sind die großen Augen vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Soldaten- und Husarenfische ursprünglich in der Tiefsee entstanden sind. Dafür  spricht u.a., dass nahe Verwandte der Holocentridae bis heute in der Tiefsee leben und dort übrigens uralt werden: der als Speisefisch kommerziell genutzte, weltweit verbreitete Hoplostethus atlanticus (Granatbarsch) soll bis zu 160 Jahre alt werden. Weiterhin haben andere enge Verwandte der Holocentridae Leuchtorgane entwickelt, was man sonst auch nur von Tiefseefischen kennt. Diese so genannten Blitzlichtfische (Anomalopidae) haben unter den Augen Leuchtorgane, die sie abdecken und aufblenden können. Aufgeblendet leuchten sie so hell, dass Taucher angeblich in ihrem Licht lesen können…

Neonphion sammara

Nachtschwärmer
Die großen Augen sind also ein Überbleibsel der Tiefseevergangenheit, werden aber von den heute existierenden Arten genutzt, um nächtens auf Raubzug zu gehen. Den Tag verbringen Soldaten- und Husarenfische in Höhlen und Unterständen, oft vergesellschaftet mit Kardinalbarschen (Apogonidae), Großaugen (Priacanthidae) und anderen dämmerungsliebenden Arten. Dabei findet man sehr oft mehrere Arten von Soldaten- und Husarenfischen gemeinsam. Zu den Besonderheiten dieser Fische gehört es, nicht immer ”normal” zu schwimmen, sondern auch sehr oft mit dem Bauch nach oben.

Myripristis adusta

Kleine Räuber
Soldaten- und Husarenfische ernähren sich ausschließlich von fleischlicher Kost. Dabei bevorzugen die Husarenfische bodennah lebende Krebstiere, während die Soldatenfische eher größere Planktonorganismen (kleine Fische, Garnelen, Tintenfische etc.) aus dem freien Wasser nehmen. Im Aquarium gewöhnen sie sich aber sehr schnell an die übliche Tiefkühlkost und sind wirklich problemlose Kostgänger. Bereits kurze Zeit nach der Eingewöhnung fressen sie sogar Futtersticks von der Wasseroberfläche.
Die allermeisten Soldaten- und Husarenfische bleiben ziemlich klein und werden kaum länger als 20 cm. Weil sie jedoch sehr häufig sind, werden sie überall gefangen und gegessen. Die größte Art überhaupt ist bei den  Soldatenfischen Myripristis adusta, der maximal 32 cm, gewöhnlich jedoch auch im Freileben nur 25 cm lang wird; alle anderen Soldatenfisch-Arten bleiben kleiner. Die größte Art der Husarenfische ist Sargocentron spiniferum mit  maximal 45 cm, gewöhnlich aber nur 35 cm Länge. Die übrigen Arten werden auch hier gewöhnlich um die 20 cm lang.

Sargocentron seychellensis

Unspektakuläre Fortpflanzung
Genau wie die überwältigende Mehrzahl der Meeresfische setzen die Soldaten- und Husarenfische auf die Strategie „Masse statt Klasse”, wenn es um die Fortpflanzung geht. Brutpflege in irgendeiner Form wird nicht ausgeübt, sondern die Eier werden einfach in großer Menge ins freie Wasser abgegeben, wo sie sich selbst überlassen bleiben. Äußerlich erkennbare Geschlechtsunterschiede sind bisher nicht beschrieben worden, ebenso sind Details zu Balzverhalten unbekannt. Hier tut sich ein weites Betätigungsfeld für forschende Aquarianer auf, denn wie man auf den Bildern sieht, sehen sich viele Arten von Soldaten- und Husarenfischen außerordentlich ähnlich. Da zudem in der Natur oft drei oder vier Arten gemeinsam vorkommen, muss es irgendwelche Mechanismen geben, die eine Bastardisierung verhindern. Bastarde von Soldaten- oder Husarenfischen sind in der Literatur bislang nicht erwähnt worden, wenn es sie also gibt, sind sie zumindest selten. Vermutlich sind die Kreuzungsbarrieren im Balzverhalten zu suchen, aber das lässt sich aus naheliegenden Gründen in der freien Natur nur schwer oder gar nicht beobachten (man denke an die Nachtaktivität). Im Aquarium haben Soldatenfische (Myripristis murdjan) bereits in den 1960er Jahren abgelaicht, sie sind also in dieser Hinsicht durchaus zugängliche Fische (DE GRAAF, 1970).


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Myripristis kuntee

Im Aquarium
Soldaten- und Husarenfische eignen sich ausgezeichnet zur Pflege im Aquarium. Als Planktonfresser lassen sie sessile Wirbellose völlig unbeachtet und auch andere Fische haben von ihnen nichts zu befürchten, wenn sie nicht als Futter in Frage kommen. In meinem Aquarium mit zwei großen, gut 20 cm langen Myripristis konnte ich beobachten, dass auch kleine Fische nur einige Tage lang verfolgt wurden. Hatten sie diese Zeit überstanden und sich an die Umgebung gewöhnt, stellten die Soldatenfische keine Bedrohung mehr für sie dar. Die Soldatenfische schwammen dann nur noch halbherzige Angriffe, denen die kleinen Fische leicht ausweichen konnten.

Sargocentron seychellensis

Das Aquarium für Soldaten- und Husarenfische sollte allerdings möglichst groß sein, denn es handelt sich um schwimmaktive Tiere, die für Aquarienfische doch recht stattlich sind. Entsprechend hoch ist auch die Wasserbelastung, denn Soldaten- und Husarenfische sind kräftige Fresser. Die Ernährung der Fische stellt, wie schon früher geschildert, keinerlei Problem dar.

Neonphion sammara

Anders als in der Natur sind Soldaten- und Husarenfische im Aquarium keineswegs dämmerungs- oder nachtaktiv, sondern sind nach kurzer Eingewöhnungszeit den ganzen Tag über unterwegs. Eine große Höhle oder dergleichen sollte aber trotzdem für diese Fische vorhanden sein, schon damit man das interessante bauch-nach-oben-schwimmen ab und zu beobachten kann.

Sargocentron diadema

Auch wenn Soldaten- und Husarenfische keine ausgesprochenen Schwarmfische sind, sollte man sie in einer kleinen Gruppe, mindestens aber zu zweit pflegen. Eine Gruppe darf auch durchaus aus verschiedenen Arten bestehen. Leider werden Soldaten- und Husarenfische nur sehr sporadisch im Zoofachhandel angeboten. Wer über ein großes Aquarium verfügt sollte ruhig zugreifen, wenn sich die Gelegenheit ergibt – es lohnt sich bestimmt.

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Uralter Hochadel: Soldaten- und Husarenfische

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