Vielen gelten die fantastisch bunten Korallenriffe als die artenreichsten Fischgründe der Erde. Das täuscht aber gewaltig. Verglichen mit der Vielzahl der Süßwasserfische (ca. 16.000 Arten) ist die Anzahl der Korallenfischarten (ca. 2.200) eher klein. Trotzdem sind es so viele, dass ein Aquarianerleben nicht ausreicht, alle einmal gepflegt zu haben. Das ist sehr schade, denn über viele Arten weiß man praktisch nichts. Dazu gehören die Torpedobarsche der Gattung Hoplolatilus, die ich ihnen im Folgenden etwas näher bringen will.
Zoologische Besonderheiten
Torpedobarsche sind eine Gattung der Familie Malacanthidae, die nur zwei Gattungen, Malacanthus und Hoplolatilus, mit insgesamt 16 Arten enthält. Malacanthus ist aquaristisch bedeutungslos, da die drei bekannten Arten zu groß (um 30 cm) und zu farblos sind, um in nennenswerter Zahl Interessenten zu finden; hingegen sind von den 13 bekannten Hoplolatilus-Arten einige sehr attraktiv gefärbt. Keine wird größer als etwa 15 cm, die meisten bleiben deutlich kleiner.
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Höhlenbewohner am Fuß des Riffes
Torpedobarsche findet man nicht im Riff selbst. Sie brauchen Höhlen, die sie sich in den Sand graben oder für die sie Wohnhügel bauen. Darum leben sie an der Riffkante, in größeren Tiefen ab 20 Meter, meist aber erheblich tiefer. Man kann sie darum auch nur mit voller Tauchausrüstung fangen und muss sie sorgfältig dekomprimieren, also über mehrere Tage hinweg an die Wasseroberfläche transportieren, damit der plötzliche Druckunterschied sie nicht umbringt. Torpedobarsche leben paarweise oder in kleinen Kolonien. Sie entfernen sich nie weit von ihren Wohnhöhlen, in die sie sich bei vermeintlicher oder echter Gefahr blitzschnell zurückziehen. Früher wurden sie darum sehr häufig mit Betäubungsmitteln gefangen. Dieses Betäubungsmittel, eine Blausäure-Verbindung, hat aber leider verheerende Nebenwirkungen, an denen die Fische und auch die Fänger oft sterben. Der Kampf gegen den Fang mit dem Betäubungsmittel Cyanid ist darum eine der wichtigsten Aufgaben der zeitgemäßen Meeresaquaristik. Sachgemäß gefangene und sorgfältig dekomprimierte Torpedobarsche sind wunderschöne, gut haltbare und sehr interessante Aquarienfische.
Friedliche Planktonfresser
In der Natur ernähren sich die Torpedobarsche ausschließlich von relativ kleinen Planktonorganismen. Je nach Art kann man sie darum relativ problemlos mit der großen Palette von tiefgefrorenen Futtermitteln, wie Mysis, Artemia, Mückenlarven, gehacktem Muschelfleisch, Fischrogen etc. ernähren. Man füttere immer möglichst abwechslungsreich, damit beugt man am sichersten Mangelerscheinungen vor. Beim Frostfutter darf man niemals am falschen Ende sparen: es muss sich um Top-Qualität handeln, darf nicht mehrfach aufgetaut und wieder eingefroren sein, denn dabei gehen jedes mal wertvolle Inhaltsstoffe verloren. Viele Exemplare lernen auch, Trockenfutter zu fressen. Das ist sehr gesund und gut verdaulich, muss aber unbedingt kühl, trocken und dunkel gelagert werden und nach Anbruch binnen 6 Wochen aufgebraucht sein, sonst gehen Vitamine und ungesättigte Fettsäuren verloren. Einige Arten, besonders der wunderschöne Blaukopf-Torpedobarsch (Hoplolatilus starcki), fressen in der Natur nur kleinstes Futter. Grobe Futterbrocken beachten sie erst gar nicht. Wenn diese Tiere erst einmal im Hungermodus sind, können sie oft nicht einmal gefrostete erwachsene Artemia verdauen. In solchen Fällen muss man die Tiere mit selbst erbrüteten, lebenden Artemia-Nauplien füttern, die man ggf. auch noch mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren anreichert. Das muss aber nicht unbeingt sein; die fotografierten Tiere – die Aufnammen entstanden bei Meeresaquaristik Reising in Alzenau-Wasserlos – fraßen und verdauten problemlos ”normalgroßes” Frostfutter.
Für Riffaquarien geeignet?
Aus dem bisher gesagten geht klar hervor: Jein! In einem sehr hell erleuchteten Steinkorallen-Aquarium, in dem nur sparsam gefüttert wird, können sich Hoplolatilus-Arten nicht wohlfühlen. Sie wollen etwas weniger Licht und zwei bis vier tägliche Futtergaben. Als Planktonfresser lassen sie allerdings sessile Wirbellose völlig in Ruhe, insofern eignen sie sich durchaus für Riff-Aquarien. Das Interesse an einer besonderen Fischart sollte aber bei der Pflege von Torpedo-Barschen im Vordergrund stehen, weniger der Wunsch, ein schönes Riffbecken mit einem dekorativen Fisch zu ergänzen.
Gruppenpflege
In der Natur leben Torpedobarsche niemals einzeln, sonder man findet sie zu zweit (Paare?) oder in Gruppen. Und so sollte man sie auch im Aquarium pflegen. Dabei müssen es nicht nur Angehörige der eigenen Art sein. Hoplolatilus sind unter einander sehr friedlich, da wird höchstens einmal mit offenem Maul gedroht, das war es dann auch schon. Ein Spezial-Becken mit verschiedenen Torpedobarschen ist eine echte Schau und bietet eine Unmenge von Beobachtungsmöglichkeiten. Man sollte unbedingt versuchen, von jeder gepflegten Art mindestens zwei, besser drei oder vier Exemplare zu erwerben. Das ist zwar leichter gesagt als getan; es gibt aber keine äußeren Geschlechts unterschiede und so muss man statistisch versuchen, in den Besitz beider Geschlechter zu kommen. Über das Ablaichverhalten oder gar die Jungfischaufzucht weiß man buchstäblich nichts. Man nimmt an, dass die Geschlechtsprodukte einfach frei ins Wasser abgegeben werden. Die Larven leben im Plankton und haben absonderliche stachelige Auswüchse im Kopfbereich.
Höhlen, Höhlen, Höhlen
Damit sich ein Fisch wie ein Torpedobarsch gut eingewöhnen kann, braucht er passende Verstecke. Auch wenn es nicht schön aussieht: PVC-Röhren eignen sich hervorragend dafür. Im Zoofachhandel wird außerdem eine ganze Reihe von getöpferten Höhlen angeboten, die eigentlich für Süßwasserwelse gedacht sind, aber das ist den Torpedobarschen egal: sie nehmen sie trotzdem gerne an. Man sollte auch einige flache Steine auf ausreichend tiefen Sand platzieren, unter denen sich die Hoplolatius ihre eigenen Höhlen bauen können.
Ausbruchkünstler
Eine unabdingbare Grundvoraussetzung für die langjährige erfolgreiche Pflege von Torpedobarschen ist ein absolut ausbruchsicheres Aquarium. Es kann einen in den Wahnsinn treiben, aber sie finden jeden noch so kleinen Spalt und schlüpfen hindurch. Da es mehr als nur unwahrscheinlich ist, dass ein Torpedobarsch Fluchtgedanken hegt, ist das vermutlich auf die angeborene Erkundung von kleinen Spalten als Versteckmöglichkeiten zurückzuführen. Diese in der Natur sicher sinnvolle ”Neugier” endet in unserem Fall jedoch immer tragisch, denn das Einzige, was die Torpedobarsche jenseits einer Spalte zwischen Deckscheibe und Aquarienrand finden, ist der Tod. Am besten ist es darum, einen innen lückenlos umlaufenden, etwa fünf Zentimeter breiten Glastreifen anzubringen.
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Lexikon
Torpedobarsche
Hoplolatilus: bedeutet ”bewaffneter Latilus”; bezieht sich auf die Kiemendeckeldornen; Latilus ist eine andere Gattung Fische.
chlupatyi: Widmungsname für den deutschen Meeresaquarianer Peter Chlupaty.
cuniculus: bedeutet ”Höhle”; bezieht sich darauf, dass Torpedobarsche Wohnhöhlen besitzen.
furmanoiri: Widmungsname für Pierre Fourmanoir.
marcosi: Widmungsname (Erstbescheibung liegt nicht vor)
purpureus: bedeutet ”der purpurfarbene”
starcki: Widmungsname für Walter A. Starck II
Frank Schäfer
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