Der Tanganjikasee im Herzen Afrikas ist ein riesiges Aquarium. Bereits in der Brandung und im kaum knöcheltiefen Wasser des Uferbereichs begegnen dem fischbegeisterten Besucher die ersten Buntbarsche, die – zumindest im südlichen Teil des Sees, etwa in Sambia – wie mit funkelnden Edelsteinen besetzt zu sein scheinen. Es handelt sich um kleine Buntbarsche, die Tanganjika-Clowns.
Es gibt mindestens fünf Arten von Tanganjika-Clowns, die sich auf drei Gattungen verteilen. Alle sehen sich außerordentlich ähnlich und sind ohne jeden Zweifel aufs engste miteinander verwandt. Die Einteilung in verschiedene Gattungen beruht auf den sehr unterschiedlichen Zahnformen. Solchen Merkmalen wurde früher große Bedeutung für die stammesgeschichtliche Beurteilung beigemessen. Heute sieht man das nicht mehr ganz so. Eigentlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich ein Wissenschaftler dieser reizenden Fische annimmt und alle Arten in eine Gattung zusammenführt. Doch noch ist es nicht so weit.
Erste Gattung: Eretmodus
Bereits 1898 wurde diese Gattung von Boulenger aufgestellt. Lange Zeit galt sie formell als monotypisch, d.h. nur die ebenfalls 1898 beschriebene Art E. cyanostictus wurde ihr zugeordnet.
2012 beschrieb Burgess Eretmodus marksmithi. So richtig „brandneu“ ist die Erkenntnis, dass es mindestens zwei Arten in der Gattung Eretmodus gibt, freilich nicht. Bereits seit etwa 30 Jahren kennt man diese erst kürzlich beschriebene Art in der Aquarienkunde, meist als Eretmodus sp. „cyanostictus north“, ein Name, der von Konings (1998) geprägt wurde. Er bezieht sich darauf, dass man den Fisch nicht im südlichsten Drittel des Tanganjikasees antrifft. Dort gibt es nur E. cyanostictus. Nach Konings, der von Burgess diesbezüglich zitiert wird, ist die südliche Verbreitungsgrenze von E. marksmithi an der Westküste (Kongo) bei Kapampa, an der Ostküste (Tansania) bei Kapemba. Das Unterscheidungsmerkmal der beiden Arten ist im Wesentlichen die Maulstellung: deutlich unterständig bei E. marksmithi und fast endständig bei E. cyanostictus. Hinzu kommen Farbunterschiede. So weist E. cyanostictus immer viele blaue Punkte im Kopfbereich auf, die bei E. marksmithi fehlen oder nur ganz vereinzelt vorhanden sind. E. marksmithi zeigt darüber hinaus deutlich abgesetzte vertikale Binden in voller Körperhöhe und über die gesamte Körperlänge, während sich bei E. cyanostictus senkrechte Binden auf die untere Körperhälfte beschränken und nie am Körperende oder dem Schwanzstiel auftreten. Typuslokalität ist Makombe in Burundi, das gesamte der Beschreibung von E. marksmithi zugrunde liegende Material (sieben Exemplare) stammt aus dieser Population. Beschrieben wurde die Art zu Ehren des amerikanischen Aquarianers Mark Smith. Männchen werden etwa neun Zentimeter lang, Weibchen bleiben rund 20% kleiner.
Leider muss ich feststellen, dass die Beschreibung von E. marksmithi kaum zeitgemäßen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Es wurde fast kein Museumsmaterial untersucht (lediglich fünf frisch gesammelte Exemplare von E. cyanostictus von Mpulungu, der Typuslokalität, werden aufgeführt), fast alle Angaben zu Verbreitung und Farbvarianz beruhen darum auf Literaturangaben (Konings und Tawil) und sogar die existierende Literatur wurde nur sehr unvollständig ausgewertet. So fehlt z.B. im Literaturverzeichnis die wichtige Arbeit von Rüber (1998), worauf schon Staeck (2013) hinwies. Schließlich ist es nicht gut, wenn eine wissenschaftliche Artbeschreibung in einer polnischen Liebhaberzeitschrift „versteckt“ wird. Denn wozu publiziert man eine solche Arbeit, wenn sie dann selbst für Fachwissenschaftler nur unter erheblichem Aufwand erhältlich ist? Ich danke übrigens Wolfgang Staeck sehr herzlich für die Überlassung einer Kopie.
Sollte es zu der in der Einleitung angedeuteten Zusammenlegung der Tanganjika-Clowns in eine einzige Gattung kommen, würde sie Eretmodus heißen. Die Typusexemplare von E. cyanostictus stammen aus dem Süden des Sees, wo die Tiere immer die namensgebenden blauen Tüpfel tragen.
Zweite Gattung: Spathodus
Nur ein Jahr noch Eretmodus beschrieb Boulenger auch Spathodus. Deren Typus-Art, S. erythrodon, sieht Eretmodus cyanostictus dermaßen ähnlich, dass man sie nur anhand der Zähne sicher auseinander halten kann. Sie sind bei Spathodus lang und zylindrisch, bei Eretmodus breit und spatelförmig. Allerdings zeigen die von Tawil (2005) abgebildeten S. erythrodon keinerlei senkrechte Binden, wie sie für Eretmodus so typisch sind. Die zweite Art der Gattung, S. marlieri, sieht hingegen ganz anders aus. Sie weicht in mancher Hinsicht von den anderen Tanganjika-Clowns ab, so in der Brutpflege und bezüglich der relativ ausgeprägten Geschlechtsunterschiede, worüber gleich noch zu sprechen sein wird.
Dritte Gattung: Tanganicodus
Diese Gattung wurde 1950 von Poll aufgestellt, sie ist monotypisch mit der Art T. irsacae. Wiederum ist es die Zahnstruktur – in diesem Fall lang und zugespitz – die die Gattung von Eretmodus und Spathodus trennt. Es gibt jedoch ein Farbmerkmal dieser bislang nur aus dem Norden des Sees bekannten Art, das es relativ leicht macht, sie von den anderen Tanganjika-Clowns zu unterscheiden: bei Tanganicodus befindet sich in der Mitte der Rückenflosse immer ein auffälliger Fleck. Tawil (2005) hält die Unterschiede der Tanganicodus von Kavalla (D. R. Congo) und M´Toto (ebenfalls D. R. Congo) für so gravierend, dass er in ihnen weitere, unbeschriebene Arten der Gattung sieht. Demnach enthält Tanganicodus eine beschriebene und zwei unbeschriebene Arten. Die von Kavalla zeichnet sich durch das Fehlen senkrechter Bänder aus; sie besitzt nur waagerecht angeordnete, türkisfarbene Flecken. Die Art vom M´Toto kann man daran erkennen, dass bei ihr die hellen senkrechten Bänder im hinteren Körperdrittel breiter als die dunklen Binden sind. Bei typischen T. irsacae ist das genau umgekehrt, d.h. die dunklen Binden sind breiter als die hellen.
Zwergbuntbarsche
Alle Arten der Tanganjika-Clowns bleiben unter der 10-cm-Marke, an der nur männliche Spathodus marlieri kratzen. Grundsätzlich werden die Männchen aller Arten etwas größer als die Weibchen. Bei vielen Farbformen ist das die einizige Möglichkeit, die Geschlechter zu unterscheiden. Eretmodus-Männchen werden etwa acht, Weibchen nur 6 cm lang, gleiches gilt für Spathodus erythrodon, S. marlieri wird 10 bzw. 8 cm lang und Tanganicodus ist mit höchstens 6,5 bzw 5,5 cm der kleinste aller Tanganjika-Clowns.
Uferhüpfer
Es wurde eingangs schon erwähnt: Tanganjika-Clowns sind ausgesprochene Flachwasser-Bewohner. Man stelle sich aber den Tanganjikasee bloß nicht wie einen Baggersee in heimischen Breiten vor. Das ist im Gegenteil ein riesiges Süßwasser-Binnenmeer mit einer entsprechenden Dünung. Auch bei ruhigem Wetter gibt es immer einen leichten Wellenschlag, doch bei Sturm können meterhohe Brecher entstehen. Im Geröll des Uferbereichs finden die Tanganjika-Clowns ihre Nahrung: Aufwuchs. Das sind Algen und die darin lebenden Klein- und Kleinstlebewesen. Dabei ist jede Art der Tanganjika-Clowns durch ihre besondere Zahnform etwas anders spezialisiert als die nahen Verwandten. So können bis zu drei Arten Clowns gemeinsam vorkommen, ohne sich in direkte Konkurrenz zueinander zu begeben. Bei allen Clowns ist die Schwimmblase reduziert, denn zuviel Auftrieb würde in ihrem Biotop mehr Schaden als Nutzen bringen. Die daraus resultierende, hüpfende, auf den Menschen erheiternd wirkende Schwimmweise führte, zusammen mit ihren breiten Lippen, die oft auffallend blau gefärbt sind, zu ihrer populären Bezeichnung. Diese darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Clowns ausgesprochen territoriale Fische sind, die besonders auf Artgenossen sehr aggressiv reagieren können. Speziell Männchen von Spathodus marlieri können sich zu wahren Tyrannen im Aquarium entwickeln. Trotz ihrer geringen Größe sollte das Aquarium für Tanganjika-Clown darum nicht zu klein sein und reichlich Versteckmöglichkeiten aufweisen.
Maulbrüter mit Elternfamilie
Neben ihrem hübschen Äußeren ist es vor allem ihre sehr spezielle Art der Brutpflege, die die Tanganjika-Clowns so anziehend für die Aquarianer macht. Es handelt sich nämlich um biparentale Maulbrüter, die eine dauerhafte Einehe eingehen. Das Wort biparental meint, dass beide Elternteile an der Brutpflege beteiligt sind. Das ist für maulbrütende Buntbarsche der afrikanischen Grabenseen absolut ungewöhnlich. Normalerweise handelt es sich hier um agame Maulbrüter im weiblichen Geschlecht. Das bedeutet, dass die Männchen nach dem Ablaichen keine Paarbindung mit dem Weibchen haben, das sich alleine um Eier und ggf. die Brut kümmert.
Das Ablaichverhalten der Tanganjika-Clowns sei am Beispiel von Eretmodus geschildert. Es beginnt damit, dass das Weibchen mit dem Maul das Ablaichsubstrat – in der Regel eine waagerecht liegende Steinplatte, in Ermangelung einer solchen wird im Aquarium oft die Bodenscheibe freigelegt – reinigt. Das Männchen schwimmt zu der gereinigten Stelle, scheint dort Sperma abzugeben und entfernt sich. Das Weibchen setzt unter schüttelnden Bewegungen an der gleichen Stelle ein oder wenige Eier ab, dreht sich um, und nimmt die Eier ins Maul. Das Männchen schwimmt zu diesem Zeitpunkt wiederum zur Ablaichstelle und gibt Sperma ab, das das Weibchen mit den Eiern ins Maul aufnimmt, wo die Befruchtung erfolgt. Es werden nur relativ wenige – etwa 30 – Eier abgesetzt, die jedoch vergleichsweise groß sind. Die einzelnen Eiablagen erfolgen immer in der geschilderten Reihenfolge, also Putzen durch das Weibchen, Absamen des Männchens, Aufnahme der Eier, Absamen des Männchens. Das Weibchen übernimmt nun für etwa 10-12 Tage die Maulbrutpflege, hält sich jedoch stets in der Nähe des Männchens auf. Nach dieser Zeit übergibt es den Laich an das Männchen, das in weiteren 7-10 Tagen die Maulbrutpflege zum Ende bringt. Eine über das Freischwimmen der Jungtiere hinaus gehende Brutpflege wird nicht ausgeübt.
Dieses Verhalten zeigen alle Tanganjika-Clowns mit Ausnahme von Spathodus marlieri, der eine rein mütterliche (=maternale) Maulbrutpflege ausübt.
Geschlechtsunterschiede
Einer der größten Hinderungsgründe für eine erfolgreiche Zucht der Tanganjika-Clowns im Aquarium ist, dass man die Geschlechter nur sehr schwer unterscheiden kann, die hohe innerartliche Aggressivität aber andererseits eine Gruppenhaltung nicht zulässt. Grundsätzlich bleiben die Weibchen immer kleiner, man wähle also möglichst das größte und das kleinste Tier aus einer Gruppe. Oft schwimmen die Paare auch beim Händler zusammen und man kann durch Beobachten herausfinden, wer zusammen passt. Aber bei manchen Populationen sind auch Farbunterschiede zu beobachten; so sind die Weibchen von vielen Eretmodus-Populationen dunkler gefärbt als die Männchen. Bei einigen Populationen von E. marksmithi weisen die Weibchen weniger blaue Farbanteile am Kopf auf. Bei der Population von Tanganicodus irsacae aus Ikola haben die Weibchen einen breiteren, farbigen Saum in der Schwanzflosse. Und bei Spathodus marlieri entwickeln die Männchen einen Stirnbuckel. Erstaunlicherweise sind die frisch aus dem Maul entlassenen Jungtiere von Eretmodus manchmal sexualdichrom, Männchen sind dann dunkel, Weibchen hell gefärbt; das gibt dem Züchter die Möglichkeit, die Tiere zu sortieren und mit Geschlechtsangabe abzugeben; der Farbunterschied zwischen den Geschlechtern verliert sich während des Wachstums wieder.
Insgesamt sind Tanganjika-Clowns wunderschöne, pflegeleichte Fische, deren erfolgreiche Zucht im Aquarium jedoch immer noch eine Herausforderung darstellt.
Frank Schäfer
Zitierte Literatur:
Burgess, W. E. (2012): A new species of goby cichlid of the genus Eretmodus, E. marksmithi (Pisces: Cichlidae) from the northern part of Lake Tanganyika. Tanganika Magazyn (12): 23-31
Konings, A. (1998): Tanganyika cichlids in their natural habitat. Zevenhuizen, Verdujin Cichlids, 272 pp.
Konings, A. (1999): Tanganjika-Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum. Cichlid Press.
Tawil, P. (2005): Les cichlidés gobies ou éretmodines. Nouvelles especès en provenance de la côte ouest du lac Tanganyika. L´an Cichlidé, Vol. 5.
Rüber, L. (1998): Die Gattungsgruppe Eremodini. Untersuchungen zur Stammesgeschichte. Datz-Sonderheft Tanganjikasee: 36-39
Staeck, W. (2013): Weiterer Buntbarsch aus dem Tanganjikasee taxonomisch bearbeitet. Aquaristik Fachmagazin 229: 97-99
Lexikon Tanganjika-Clowns:
Eretmodus: bedeutet “mit Ruderblatt-ähnlichen Zähnen”
Spathodus: bedeutet “mit schwertähnlichen Zähnen”
Tanganicodus: deutet an, dass die Gattung aus dem Tanganjikasee stammt und sich durch die Zähne (altgriechisch “odous” heißt Zahn) von den beiden zuvor genannten Gattungen unterscheidet.
cyanostictus: bedeutet “mit blauen Punkten”
erythrodon: bedeutet “mit roten Zähnen”
marksmithi: Widmungsname für Mark Smith
marlieri: Widmungsname für G. Marlier, dem ehemaligen Leiter der Forschungsstation IRSAC in Uvira
irsacae: nach der Forschungsstation IRSAC in Uvira
Anzeige
Pingback: Tanganjika