Bayreuth ist eine Stadt in Nordbayern mit einer Bevölkerung von etwa 73.000 Menschen. Musikliebhaber kennen Bayreuth vor allem wegen der Opernfestspiele und natürlich wegen des Komponisten Richard Wagner (22.5.1813 in Leipzig; gestorben am 13.2.1883 in Venedig), der von 1872 bis 1882 in Bayreuth lebte.
Unter Fischliebhabern kennt man Bayreuth als Namenspaten für eine sehr markante Schwertträger-Zuchtform. Hierzulande wurde diese Variante erstmals 1968 ausgestellt (Bericht des Nordbayerischen Kuriers vom 11. Oktober dieses Jahres). Wie bei anderen Schwertträgern – Hamburger, Wiesbadener, Berliner – übernahm man den Namen der Stadt für diesen Helleri und so wurde aus ihm der Bayreuther Schwertträger.
Es gab ihn schon länger
Das war allerdings nicht das erste mal, dass ein Schwertträger vom “Bayreuth-Typ” erzüchtet wurde. Tatsächlich kreuzten bereits fünf Jahre früher die aus Hawaii lebenden Fischzüchter Eric und Larry Nishida ein rotes Simpson-flossiges Männchen mit einem normalflossigen Hamburger Weibchen. Hamburger sind schwarze Schwertträger, deren Schuppen einen grünen oder blauen Glanz aufweisen. Die schwarze Färbung kann sich bis auf die Flossen ausdehnen, manche Exemplare haben aber auch rote oder durchsichtige Flossen.
Das Resultat dieser Kreuzung hatte die hohe Simpson-Flosse, die Körperfärbung des Hamburger, ein gut ausgebildetes Schwert, eine leuchtend rote Kehlregion und rote Flossen. Ein Aufsatz über diesen “Nishida Highfin-helleri” erschien in der US-amerikanischen Liebhaberzeitschrift “The Aquarium” im November 1963.
Die Bayreuther Exemplare, die Walter F. Ranninger 1968 erzüchtete, wurden zunächst als “Bayreuther Kreuzung” auf einer lokalen Fischausstellung und -börse vorgestellt. Knapp ein Jahr später präsentierte er die neue Züchtung der breiten Öffentlichkeit auf der Zweiten Internationalen Bewertungsschau in Mönchengladbach; ein weiteres Jahr später stellte Karl W. Hamel aus Bensheim ebenfalls solche Tiere aus.
Zur Zucht von Simpson-Schwertträgern
Als Tipp für alle, die auch solche Fische züchten möchten (es funktioniert mit eher gelben und eher roten Tieren, auf die man schwarze Fische kreuzt), sei erwähnt, dass man nie zwei hochflossige Exemplare miteinander kreuzen sollte. Viel bessere Resultate werden erzielt bei der Paarung von hochflossigen Weibchen mit normalflossigen Männchen, wobei man mehr hochflossige Exemplare erzielt als bei der umgekehrten Paarung, also Simpson-Männchen mit normalflossigen Weibchen.
Seltsame Erbgänge
John Dawes hat einmal ähnliches bei der Hybridisierung zweier nahe verwandter Arten erlebt. Auch hier kam es gelegentlich dazu, dass die Jungtiere eine größere Ähnlichkeit mit der Mutter als mit dem Vater zeigten: bei einer Kreuzung von Limia vittata und L. melanogaster hatten die Jungtiere mehr Punkte, wenn L. vittata die Mutter war und mehr Streifen, wenn die Mutter L. melanogaster war.
Auf den ersten Blick ist dieses Ergebnis sehr verwirrend. Schließlich steuern beide Elterntiere doch 50% des Erbgutes, das sich in den Chromosomen findet, bei. Doch es könnte eine andere Erklärung dafür geben. In der Biologie kennt man solche Phänomene als zytoplasmatische, extra-chromosomale oder mütterliche Vererbung, also Vererbung von mütterlichen Merkmalen, die nicht auf Gene zurückzuführen sind, die sich in den Chromosomen finden.
Weil Spermien (zumindest in den allermeisten Fällen) kein oder kaum Cytoplasma enthalten, Eizellen hingegen eine ganze Menge – inklusive Genen, die nicht in den Chromosomen, sondern anderen Strukturen wie den Mitochondrien (den “Kraftwerken” der Zelle”) enthalten sind – können Mütter schlussendlich mehr Erbmaterial an die Nachkommen weitergeben als die Väter. Das kann dazu führen, dass sie eine größere Merkmalsvielfalt an ihre Nachkommen vererben als die Väter. Das müssen nicht unbedingt äußerlich sichtbare Merkmale sein, auch biochemische Charakteristiska werden vererbt.
Damit soll nicht gesagt werden, dass der Erbgang beim Bayreuther Schwertträger auf zytoplasmatische Vererbung zurückzuführen ist. Aber sie könnte zumindest einen Einfluss darauf haben, betrachtet man die berichteten Resultate.
Ob wir es je erfahren werden?
Frank Schäfer
Weiteren Lesestoff über Lebendgebärende Zahnkarpfen finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=lebendgeb%E4rend
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Bayreuth swordtail vs Hamburg swordtail.
Hi Frank, could you please elaborate the key difference between the type of swordtail in this post vs Hamburg swordtail?
Hi Richard,
the Bayreuth Swordtail is in fact a Hamburg Swordtail with a Simpson dorsal fin. The original cross was a red simpson male with a Hamburg female by the Hawaiian breeders Eric und Larry Nishida, named “Nishida Highfin-helleri” in 1963; but these fish obviously did not reach Europe, so a similar cross was presented in 1968 on a local fish exhibition in Bayreuth. At these times the Simpson finned helleri were still new and expensive, so the swordtail obtained a name on its own. Later, when for example Hamburg swordtails with delta finneage were bred, the interest in livebearers was only low and the nice tradition of naming varieties after cities or persons vanished.
Frank – editor AQUALOG –
In den letzten Beiträgen wurde viel über Hybridisierung mehrerer Arten geschrieben. Meine Frage dazu: Ich habe noch l Anfang diesen Jahres (also recht aktuell) von einem Biologielehrer an meiner Schule, der wirklich sehr fit und „Up to date“ ist, auf meine Nachfrage zu einem ähnliche Beispielerfahren, dass die in der Aquaristik übliche Bezeichnung von Tieren, deren gemeinsame Nachkommen sich Fortpflanzung können, als Angehörige verschiedener Arten biologisch unzulässig ist. Ich wüsste gerne Ihre Meinung und Erklärung dazu.
VG und einen schönen Sonntag
Hallo Maximilian,
grundsätzlich hätte Dein Biologielehrer völlig recht, wenn die Haustierformen in der Aquaristik fortlaufend gezüchtete Hybriden wären. Das sind sie jedoch nicht. Die Hybridisierung von Schwertträger und Platys z.B. gelingt nur zur ersten Generation (F1) relativ problemlos (auch das ist nicht so ganz einfach, wie es sich liest, wenn sie die Möglichkeit haben, ziehen die Tiere arteigene Partner grundsätzlich vor), spätestens in der dritten Generation (F3) ist Schluss, dann sind die Hybriden nicht mehr fortpflanzungsfähig. Was aber gut geht, ist die Rückkreuzung der Hybriden auf die Elternarten. Auf diese Art und Weise „transportiert“ man bestimmte Gene von der einen auf die andere Art, bei Schwertträgern und Platys vor allem Farben und Schwanzmuster. In den Rückkreuzungstieren dominieren jedoch ansonsten alle genetischen Merkmale, die für die ursprüngliche Art typisch sind, sowohl bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes (Phänotyp, Aussehen) als auch bezüglich des Verhaltens, während die Hybriden in beiden Merkmalsausprägungen intermediär (also dazwischen stehend) sind. Darum ist es völlig in Ordnung, z.B. bei Roten oder Schwarzen Schwertträgern weiterhin von Xiphophorus hellerii oder bei Simpson-Platys weiter von Xiphophorus maculatus zu sprechen. In der Natur tritt solche Hybridisierung in der F1 mit Rückkreuzung auf die Elternart(en) übrigens recht häufig auf und ist der wichtigste Motor bei der Entstehung neuer Arten, viel häufiger als die von Darwin vermutete Mutation. Gleichzeitig ist dieser genetische Austausch die Erklärung dafür, warum es z.B. bei Polypterus (Flösselhechten) seit 60 Millionen Jahren existierende Arten gibt, während Artbildungsprozesse bei Fischen sonst relativ rasch gehen (im Extremfall weniger als 50 Jahre). Ohne die „genetische Verjüngungskur“ durch Hybridisierung und Rückkreuzung ginge die Anpassungsfähigkeit an die sich ständig verändernden Umweltbedingungen und Krankheitserreger verloren. Selbstverständlich sind die z.B. Roten Schwertträger – ganz streng genommen – nicht mehr „reinblütig“, da sie genetisch von der Wildform abweichen. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass alle Angehörige einer Art genetisch voneinander abweichen und darum – super streng genommen – lediglich ein einziges Exemplar, der sogenannte Holotyp, auf dem die wissenschaftliche Beschreibung der Spezies beruht, die Art repräsentiert. Alle anderen Artangehörigen sind bereits minimale genetische Variationen davon. Darum ist es ja auch eine nie endende Diskussion unter Experten, wo die Variante aufhört und eine neue Art anfängt.
Viele Grüße und bleib so interessiert!
Frank
Vielen Dank für diese ausfürliche und informative Antwort. Zu einem ähnlichen Thema hätte ich auch nochmal eine Frage: Poecilia reticulata und P. wingeii gelten meines Wissens nach offiziell als verschiedene Arten, allerdings gibt es oft Berichte über Kreuzungen. Wissen Sie, wie sich da dass Verhältnis Art, Unterart oder doch ganz anders darstellt?
VG Maximilian
Hallo Maximilian,
die Antwort ist nicht einfach zu geben; ich habe gerade ein Bookazine in Zusammenarbeit mit Michael Kempkes in Produktion, in dem ich für diese Fragen 70 Seiten gebraucht habe. In aller (vereinfachten) Kürze: in der Natur gibt es Mechanismen, die eine Kreuzung von „normalem“ Guppy und P. wingei (Endlers Guppy) verhindern. Im Aquarium kann man beide Arten kreuzen, die Merkmalsübertragung verläuft, wie bei Schwertträger und Platy. Von den offiziell 5 beschriebenen Guppyarten (neben Poecilia reticulata und P. wingei noch P. guppii, P.obscura und P. kempkesi sind 4 allopatrisch, schließen sich also geografisch gegenseitig aus (P. reticulata, P. wingei, P. guppii und P. kempkesi). P. obscura ist nach aktuellen Forschungsergebnissen ein Synonym zu P. guppii, die gefundenen genetischen Unterschiede, die zur Beschreibung von P. obscura führten, haben einer Überprüfung auf breiterer Basis mit mehr untersuchten Populationen nicht standgehalten. Die meisten der weltweit von Regierungsorganisationen ausgesetzten Guppys stammten von Barbados, wo Guppys nicht ursprünglich heimisch waren. Der Barbados-Guppy stammt höchstwahrscheinlich von Trinidad und ist P. guppii. Entsprechend sind die meisten der weltweit zur Moskitobekämpfung ausgesetzten Guppys P. guppii. Aber bei der Entstehung des Haustierguppys zwischen 1908 und 1930 waren auch die Arten P. reticulata und P. kempkesi beteiligt. Da heutzutage überall, wo Menschen leben und es warm genug ist, auch Aquarienguppys ausgesetzt wurden, ist es heutzutage fast unmöglich, noch „reinblütige“ Guppys als Referenz für genetische Studien zu finden. Kurz und gut: nach gegenwärtigem Wissenstand ist Endlers Guppy (P. wingei) eine durch Farbmerkmale, Verhaltensmerkmale und geografische Isolation vom gewöhnlichen Guppy, P. guppii und P. kempkesi gut unterscheidbare Art, wahrend die Artunterschiede der drei anderen deutlich subtiler sind. Wir haben es hier mit Arten in Entstehung zu tun, es ist darum letztendlich eher eine Geschmacksache als eine wissenschaftliche Entscheidung, ob man sie als Arten, Unterarten oder geografische Varianten bezeichnen möchte.
Viele Grüße
Frank
Noch einmal vielen Dank für diese ausfürliche Antwort, wieder etwas schlauer.
Schönen Abend