Im Kongo gibt es eine Gruppe von Zwergbarben, die wegen ihres possierlichen Aussehens und dem flatterhaften Balzschwimmen unter dem Namen “Schmetterlingsbarben” zusammengefasst werden. Keine von ihnen wird größer als 3 cm.
In welcher Gattung stehen Schmetterlingsbarben?
Nachdem die asiatischen Kleinbarben in Hinsicht auf die Gattungszugehörigkeit überarbeitet wurden und die rund 120 Arten, die früher allesamt zumindest zeitweise Barbus oder Puntius zugeordnet wurden, nun in den Gattungen Barbodes, Bhava, Dawkinsia, Desmopuntius, Haludaria, Oliotius, Oreichthys, Pethia, Plesiopuntius, Puntigrus, Puntius, Rohanella, Sahyadria, Striuntius, Systomus und Waikhomia untergebracht sind, stehen die etwa 220 Arten afrikanischer Kleinbarben etwas doof da. Auch sie wurden ja wie ihre asiatischen Vettern alle Barbus oder Puntius zugeordnet. Bis auf zwei Zwergarten, die in Barboides stehen, nennt man darum alle afrikanischen Kleinbarben vorübergehend Enteromius. Dabei wird es aber sicherlich nicht langfristig bleiben.
Gemessen an der Artenzahl sind nur ganz wenige, nämlich nicht einmal 10 Arten afrikanischer Kleinbarben wenigsten ab und zu im Zierfischhandel vertreten. Im Kongo gibt es eine Gruppe von Zwergbarben, die unter dem Namen “Schmetterlingsbarben” zusammengefasst werden. Zu den begehrtesten unter ihnen gehört die eigentliche Schmetterlingsbarbe, Enteromius hulstaerti. Sie kommt, genau wie zwei weitere, sehr ähnliche Arten (E. candens und E. papilio), nur im zentralen Kongobecken vor. Das Fanggebiet für die gegenwärtig importierte Variante von E. hulstaerti liegt bei Lompole, etwa 150 km westlich des Lac Mai Ndombe.
Alle drei Arten leben in schattigen Waldbächen; mehr Details hierzu weiter unten. B. hulstaerti erreicht nur etwa 3 cm Körperlänge. Die Männchen erkennt man an der gelb-schwarzen Rückenflosse, die des Weibchens ist transparent und farblos.
Lange nicht verfügbar
Obwohl die ersten Schmetterlingsbarben schon in den 1960er Jahren nach Europa kamen und man auch damals schon das Geheimnis ihrer Vermehrung lüftete, verschwanden sie wieder aus den Aquarien. Ihre Vermehrung ist zu uneffektiv für Berufszüchter. Und dann kam der Malawi- und Tanganjika-Boom, der viele Barben und Salmler aus den Becken fegte, denn die breite Mehrheit der Aquarianer war nur noch bereit, für Buntbarsche aus den großen Grabenseen tiefer in die Tasche zu langen.
Keine Mode hält ewig, doch als man sich wieder auf diese kleinen Juwelen besann, war es unmöglich, sie zu beschaffen. Der entsetzliche Bürgerkrieg im Kongo machte die Fundgebiete unzugänglich.
Erst vor wenigen Jahren (2006) gelang es erstmal Roland Numrich von Mimbon-Aquarium, Köln, wieder Schmetterlingsbarben zu importieren. Er stellte sie auf der Interzoo in Nürnberg aus, wo sie großes Aufsehen erregten. Wenig später konnten auch Aquarium Glaser und andere die Tiere importieren.
Die anfängliche Hysterie um die Fische hat sich jetzt zwar wieder gelegt und die Importe kommen regelmäßiger herein. Alltäglich sind Importe aus dem Kongo aber nicht. Das liegt heutzutahe vor allem an den seit der Corona-Pandemie enorm gestiegenen Frachtpreisen für Luftfracht. Bekanntlich liegen die Hauptkosten des Zierfischimports ja in der Tatsache begründet, das dafür Wasser erste Klasse durch die Weltgeschichte geflogen wird. Hinzu kommen gewaltige Kosten für Bürokratie und auch logistische Probleme, da die im internationalen Handel geforderten Dokumente über den legalen Status, Gesundheitszeugnisse, Tierschutzauflagen etc. pp. nicht so einfach zu koordinieren sind. Daher bleiben Schmetterlingsbarben vergleichsweise teure Fische. Hinzu kommt, dass die Fanggebiete nur mit großem logistischen Aufwand zu erreichen sind und an einer Tatsache hat sich bis heute nichts geändert: die Fischchen sind ziemlich unproduktiv und damit für Berufszüchter uninteressant.
Die Arten
Bis heute sind drei Arten Schmetterlingsbarben wissenschaftlich beschrieben: Enteromius candens, E. hulstaerti und E. papilio. Zwei weitere Formen (Arten? Fundortvarianten? Status unbekannt!) wurden bereits bekannt (s. Schliewen, 2006), so dass es mindestens fünf unterscheidbare Schmetterlingsbarben gibt, von denen drei bereits ab und zu im Handel aufgetaucht sind.
Die Artmerkmale liegen in der Färbung der Rückenflosse und der Anordnung der Körperflecken auf den Flanken. Allerdings gelten diese Merkmale nur für geschlechtsreife Männchen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich in den beobachteten Fällen bei balzenden Männchen der mittlere Körperfleck in der Ausdehnung und Form stark verändern kann. Diese Veränderung tritt scheinbar zudem nur bei älteren Tieren auf, während jüngere, gerade geschlechtsreife Männchen diesbezüglich eher konstant gezeichnet sind. Bei E. candens und E. hulstarti ist die Rückenflossen dreifarbig. Die Basis der Flosse am Rücken ist schwarz, dann kommt eine helle Zone, die Flossenspitze ist wieder schwarz. Bei E. candens ist die helle Zone weißlich, bei E. hulstaerti kräftig gelb, oft mit orangefarbener Zone im oberen Bereich. Der mittlere Seitenfleck erscheint bei E. candens etwas dreieckig, bei E. hulstaerti kreisrund. E. papilio ist lebend noch nicht bekannt geworden. Bei den Männchen dieser Art sind alle Flossen pechschwarz, die mittleren Körperflecken zu einem Längsband verschmolzen. Von den von Schliewen 2006 vorgestellten Formen entspricht „Lompole“ besser E. hulstaerti. Der mittlere Lateralfleck ist allerdings längsoval und verschmilzt in der Balz mit dem vordersten der drei Lateralflecken zu einem breiten dunklen Band. Die Rückenflossenfärbung von „Lompole“ entspricht weitgehend E. hulstaerti. Die fünfte Form, die Schliewen „Yaka“ nennt, stammt, wie auch „Lompole“, aus dem Salonga-Nationalpark der Demokratischen Republik Kongo. Ihre Flossenfärbung entspricht der von E. papilio: pechschwarz. Die Flankenzeichnung ist ähnlich zu „Lompole“, allerdings ist der Schwanzwurzelfleck viel kleiner.
Enteromius hulstarti „Lompole“
Alle Arten sind einander also außerordentlich ähnlich und wohl nur in Lebendfärbung sicher voneinander zu unterscheiden. Die Weibchen sehen bei allen ziemlich gleich aus, ihre Flossen sind transparent. Leider werden die Tiere gelegentlich gemischt exportiert und es ist dann nicht leicht, die passenden Weibchen zuzuordnen.
Es ist übrigens keineswegs sicher, dass die hier benutzten Artzuordnungen wirklich zutreffen, denn übereinstimmend berichten alle Reisenden in Sachen Fischen aus dem Kongo, dass es in jedem Bach unterschiedlich aussehende Populationen von Schmetterlingsbarben gibt. Möglicherweise sind das alles auch verschiedene Arten und es wird bei einer künftigen Revision notwendig sein, von den Typenfundorten frisches Lebendmaterial zu beschaffen, um ganz sicher zu gehen, auf welche Arten sich die bereits vergebenen wissenschaftlichen Namen beziehen. Nichols & Griscom beschrieben 1917 E. candens aus Kisangani, Orientale Province, Poll beschrieb E. hulstarti 1945 aus Flandria, Momboyo River, Banister & Bailey 1979 E. papilio aus einem Waldbach, einem Zulauf des Kasuku River, bei dem Dorf Sciere nahe Kindu. Die drei in diesem Aufsatz im Bild vorgestellten Arten wurden von Aquarium Glaser importiert. Von den Lieferanten erhält man als Herkunftsangabe nur „Region des Lac Mai Ndombe“. Allerdings, auch dass muss erwähnt werden, liegen die Fundorte auch sehr unterschiedlich aussehender Formen oft nah beieinander. Die Fundorte im Salonga-Nationalpark von „Yaka“ und „Lompole“ liegen nach Uli Schliewen nur 10 km voneinander entfernt!
Der natürliche Lebensraum
Nach den Beobachtungen von Schliewen im Salonga-Nationalpark und von Matthes (1964, zitiert in Schliewen, 2006, ich habe die Quelle nicht selbst) leben Schmetterlingsbarben in kleinsten Waldbächen, in denen nur wenige andere Fischarten vorkommen, etwa Killifische der Aphyosemion elegans-Gruppe. Das Wasser ist nur wenige Zentimeter tief, der Boden sandig. Der pH-Wert liegt im Bereich von 5,0 – 5,7, Härte ist nicht nachweisbar. Das Wasser ist mit 21-23°C recht kühl. Matthes führte Magenuntersuchungen durch und fand kleine Krebstiere und Insektenlarven. Im September (Regenzeit) sezierte Weibchen hatten laichreife Eier, 55-70 an der Zahl, im Leib.
Aphyosemion polli ist ein Vertreter der A.-elegans_Gruppe. Das Bild zeigt ein Wildfangmännchen aus dem Fanggebiet von E. hulstaerti „Lompole“
Im Aquarium
Der entscheidende Faktor für die erfolgreiche Pflege und Zucht dieser Juwelen ist die Wassertemperatur. Über 22°C sterben Eier und Embryonen ab, auch erwachsene Fische bekommen bei solchen Temperaturen langfristig Probleme. Im Klartext: sie werden krankheitsanfällig und magern ab. Darum sollte die Pflege bei Raumtemperatur erfolgen, also 18-22°C. Anders als die meisten Kleinbarben ist E. hulstaerti kein Frei- oder Haftlaicher, sondern deponiert die Eier im Boden. In der Praxis bietet man im Zuchtaquarium dazu ausgekochten Torfmull an. Zur Zucht muss das Wasser weich und sauer sein, zur Haltung spielen diese Wasserwerte keine Rolle. Die Ernährung ist unproblematisch, jedes ausreichend kleine Zierfischfutter wird willig angenommen.
Einerseits kann man im Aquarium beobachten, dass sich mehrere Tiere im Trupp zusammenschließen (im zuletzt beobachteten Fall waren drei Pärchen im Fotobecken), andererseits können sich, wie Evers (2007) schreibt, in kleineren Aquarien laichwillige Männchen so stark mobben, dass es sogar zu Todesfällen kommen kann. Gegen artfremde Fische sind Schmetterlingsbarben indifferent. Im Fotobecken befanden sich noch fünf Epiplatys chevalieri aus dem gleichen Verbreitungsgebiet wie die Schmetterlingsbarben. Die Arten beachteten einander nicht.
Piscinoodinum ist die Seuche der Weichwasseraquaristik. Die Bilder zeigen infizierte E. hulstaerti „Lompole“, die ungeachtet der Erkrankung balzen.
Wie alle Weichwasserfische sind auch E. hulstaerti ständig von dem Parasiten Piscinoodinum bedroht. Allerdings zeigen sie sich auch bei bereits recht starkem Befall ziemlich unbeeindruckt und balzen, fressen und tun, was Fische eben so tun. Das ist doof, denn als Pfleger muss darum häufiger die Fische von hinten mit einer Taschenlampe anleuchten und sorgfältig begutachten. Andere Arten zeigen durch Flossenklemmen und scheuern an, dass sie gepiesackt werden; Schmetterlingsbarben nicht. So kann man einen Befall u.U. erst spät erkennen, nämlich dann, wenn er schon sehr weit fortgeschritten ist. Dann kann es für eine Behandlung schon zu spät sein! Da kupferhaltige Medikamente gegen Piscinoodium in weichem und sauren Wasser extrem fischgiftig sind, sollte man eine Behandlung besser in einem bodengrundlosen Aquarium durchführen, in dem man eine starke Strömungspumpe installiert. In starker Strömung können sich die schwimmenden Stadien von Piscinoodinum nicht an den Fisch anheften. Es ist Fingerspitzengefühl bei dieser Behandlung angesagt: die Pumpe sollte so stark sein, wie es eben möglich ist, ohne dass die Fische willenlos umhergewirbelt werden.
Epiplatys chevalieri, Wildfangmännchen aus dem Fanggebiet von E. hulstaerti „Lompole“
Besonderheiten der Zucht
Außer ihrer hübschen Färbung macht auch ihre Vermehrungsmethode die Schmetterlingsbarben interessant. Anders als alle anderen Kleinbarben sind diese Arten nämlich kein Frei- oder Haftlaicher, sondern legen ihre Eier in den Bodengrund ab, ganz ähnlich wie viele Killifische, mit den sie auch ihren Lebensraum in der Natur teilen!
Und genau wie bei den Killifischen brauchen zumindest manche Eier ungeheuer lang zur Entwicklung. Obwohl berichtet wurde, dass manchmal die Jungen schon nach drei Tagen schlüpften, dauert es doch meist um zwei Wochen. Und in noch einem Detail unterscheiden sich Schmetterlingsbarben von ihren Vettern: sie laichen nur bei 21-23°C. Andere aquaristisch übliche Kleinbarben züchten ab 26°C aufwärts.
Die Aufzucht macht keine großen Schwierigkeiten, da die Jungen bereits frisch geschlüpfte Artemia-Nauplien kleiner Sorten aufnehmen können. Ab einer Länge von etwa 5 mm kann man die Tiere auf Leitungswasser umgewöhnen. Gegen höhere Temperaturen als etwa 22°C sind sie in diesem Alter besonders empfindlich, ganze Bruten können an einem heißen Sommertag verloren gehen!
Fazit: Schmetterlingsbarben sind wundervolle Aquarienfische, aber wer sich für sie interessiert sollte eher die Mentalität eines Killianers mitbringen und weniger die eines Barbenfans. Dann gelingt es vielleicht, dauerhafte Aquarienstämme dieser Juwelen aufzubauen. Das wäre schön, denn wer weiß, wie lange es angesichts der politischen Entwicklungen noch Zierfischimporte geben wird.
Frank Schäfer
Literatur:
Evers, H. (2007): Gelungen: die Nachzucht der Schmetterlingsbarbe Barbus hulstaerti. Amazonas 3 (1): 52-57
Matthes, H. (1964): Les poissons du lac Tumba et de la region d’Ikela. Étude systématique et écologique. Annales, Musée Royal de l’Afrique Centrale, Tervuren, Série in 8o, Sciences Zoologiques No. 126: 1-204, 2 maps, tab. 1, Pls. 1-6.
Sans, W. (1962): Barbus candens (Nichols et Griscom). Datz 10 (9): 264-266
Schliewen, U. (2006): Barbus hulstaerti. Schmetterlingsbarbe wieder eingeführt. Datz 59 (7): 40
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