Warum heißt ein so wunderschöner und – für Buntbarschverhältnisse – friedlicher Fisch übersetzt „dämonischer Teufelsbarsch“? Und warum gibt man ihr den deutschen Namen „Teufelsangel“? Ganz genau weiß das niemand, nur wie es zu den Namen kam. Und diese Geschichte geht so: Johann Natterer entdeckte für Europa diesen Fisch im Rio Negro in Brasilien. Das war zwischen 1817 und 1835. Er übergab seine gesammelten Exemplare an das Naturhistorische Musem in Wien, wo Friedrich Heckel sie 1840 wissenschaftlich beschrieb. Leider sind von Natterer keine Tagebuchaufzeichnungen erhalten geblieben, er schrieb auch nie einen Expeditionsbericht über seine Brasilienreise, aber er wird in der Erstbeschreibung von Heckel wie folgt zitiert: „Dieser schöne Geophagus, der mit den Farben der Meeresfische prangt, kommt häufig im Rio Negro vor, sein in Marabitanas üblicher Name Jurùpari oder Schurùpari pampé bedeutet in der Lingua gerat Teufels-Klaue.“
Das war zu Natterers Zeiten sicher alles richtig; Jurupari wurde allerdings erst zur Zeit der katholischen Missionare in Brasilien (ab dem 16. Jahrhundert) zum Namen des Teufels. Vorher war es der Name einer Ordnung bringenden Gottheit. Der Legende nach aß ein Mädchen namens Ceuci, die Tochter der obersten, allmächtigen Gottheit, eine verbotene Frucht, Mapati genannt, die den erwachsenen Frauen vorbehalten war. Ceuci schlief ein und wurde vom Saft der Frucht schwanger. Aus dieser Schwangerschaft wurde ein Sohn geboren, Jurupari. Im Verständnis der Tupi-Indianer war Jurupari ein Sohn der Sonne, ein Ordnungsbringer und sein Kult war weit in Brasilien verbreitet. Die christlichen Missionare taten nun, was sie überall taten: sie setzten den verbreitetsten heidnischen Gott mit dem Teufel gleich und heutzutage gilt Jurupari ganz allgemein in Brasilien als Synonym zum Teufel.
Nun gut, aber was hat der Sohn der Sonne mit einem Buntbarsch zu tun? Folgt man den Etymologen, so bedeutet das Wort „Jurupari“ in etwa „mit dem Mund empfangen“ oder „Vom Mund übergeben“ – zumindest ist das eine mögliche Deutung (siehe https://pt.wikipedia.org/wiki/Jurupari_(mitologia)). Das macht auch Sinn, schließlich erfolgte die Zeugung Juruparis durch den Mund Ceucis, indem sie die Frucht aß.
Und nun dämmert es dem kundigen Buntbarschfreund: eine zweite Satanoperca-Art des Rio Negro, ebenfalls von Natterer entdeckt, heißt S. jurupari. Und diese Art ist Maulbrüter! Das ist den Tupi-Indianern, die ja zu einem sehr großen Teil von Fisch leben, ganz sicher bekannt gewesen. Also erklärt sich der Tupi-Name jurupari eigentlich ganz zwanglos für S. jurupari, er wurde gewählt, weil dieser Fisch, genau wie der Gott, im Mund gezeugt wird.
Satanoperca daemon hingegen ist kein Maulbrüter. Er legt Gruben im Boden an, in die er laicht; anschließend bedecken die Elterntiere den Laich mit Steinchen und Blättern, die sie erst wieder forträumen, wenn die Jungtiere schwimmfähig sind. Warum nun also „Teufels-Klaue“? S. daemon ist nicht stacheliger als andere Buntbarsche auch. Ich denke, der Name bezieht sich auf die langen, freien Flossenfilamente der Rückenflosse, die für S. daemon artcharakteristisch sind. Männchen und Weibchen haben sie gleichermaßen. Mit etwas Fantasie sehen die meist drei (selten bis fünf) Filamente aus wie dürre Finger, eine Klaue eben. Und demnach bedeutet der Tupi-Namen für S. daemon „der Fisch, der wie der Mundgezeugte aussieht, aber dessen Rückenflosse hinten wie eine Klaue wirkt“.
Der Gattungsname „Satanoperca“, also Teufelsbarsch, wurde 1862 von Albert Günther vom British Museum of Natural History (heute Natural History Museum) vergeben. Günther erklärt den Namen nicht, doch gliedert er in seine neue Gattung die Arten daemon und jurupari ein, darum ist selbsterklärend wie er auf den Namen verfiel.
Gegenwärtig werden neun Satanoperca-Arten unterschieden: S. daemon ist die Typusart, hinzu kommen S. acuticeps, S. curupira, S. jurupari, S. leucosticta, S. lilith, S. mapiritensis, S. pappaterra und S. rhynchitis. Abgesehen von S. daemon und S. jurupari wurden sie mit „normalen“ Artnamen ausgestattet, die sich auf das Aussehen oder die Herkunft beziehen. Nur für die 1988 von Kullander und Ferreira beschriebene Art S. lilith griff man noch einmal das teuflische Motiv auf. Es handelt sich dabei um die Schwesterart zu S. daemon. S. lilith unterscheidet sich von S. daemon in erster Linie durch nur einen Flankenfleck (zwei bei S. daemon). Lilith war, der Mythologie des Nahen Ostens folgend, die erste Frau Adams, aber im christlichen Volksglauben wurde aus ihr die Braut Satans, ein weiblicher Dämon. Die Beschreiber wählten den Artnamen „lilith“, um die verwandtschaftliche Nähe zu S. daemon herauszustellen.
Und auch die zuletzt beschriebene Art, S. curupira (man kannte sie zuvor als Satanoperca sp. “Jaru” im Hobby), greift das Thema nochmal auf. Diese Art, die S. jurupari ziemlich ähnlich ist, wurde nach einem Waldgeist benannt. Die Autoren (Ota et al.) schreiben dazu: „Der spezifische Name Curupira bezieht sich auf ein mythologisches Wesen der brasilianischen Folklore, das den Wald und seine Bewohner schützt und diejenigen bestraft, die zum Vergnügen jagen oder brütende Weibchen oder wehrlose Jungtiere töten (Pereira 1994). Die Curupira-Legende offenbart die Beziehung zwischen den Indigenen und dem Wald: Es geht nicht um Erkundung und wahllose Nutzung, sondern um Respekt vor dem Leben.“ (Übersetzung FS)
So lebt also eine untergegangene Religion in einem schönen Fisch weiter. Die wissenschaftliche Bezeichnung und der deutsche Gebrauchsname wurden in Unwissenheit der wahren Umstände vergeben. Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass Satanoperca daemon eigentlich ein Kind der Sonne ist?
Frank Schäfer
Weitere Literatur über Geophagus & Co. finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=geophagus und hier: https://www.animalbook.de/Suedamerika
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Sehr interessanter Beitrag – dieses tollen Blogs würdig