Rotkopfsalmler

Die Rotkopf- oder Rotmaulsalmler sind ein wunderschöner Blick­fang für jedes Aquarium mit fried­lichen Fischen. Ein Schwarm dieser Tiere, und  15 – 20 Exemplare sollten es möglichst immer sein, be­geistert jeden Betrachter. Die Pflege ist nicht schwer und so schwim­men Rotkopfsalmler in sehr vielen Aquarien. Nur die rich­tige Benennung der Arten, die ist nicht ganz einfach. Drei Arten kennen wir, die immer wieder verwechselt wurden und werden. Trotz der großen äußerlichen Ähnlichkeit wurden die drei Arten bislang in zwei verschiedenden Gattungen untergebracht, zwei in Hemigrammus und eine in Petitella. Das erinnert sehr an die Verhältnisse bei den Neonsalmlern, die lange Zeit sogar in drei verschiedenen Gattungen standen, der Neonsalmler hieß Paracheirodon innesi, der Rote Neon Cheirodon axelrodi und der Blaue Neon Hyphessobrycon simulans, bis Weitzman und Fink 1983 alle drei unter Paracheirodon vereinigten. Die Arbeit von Weitzman & Fink sei allen, die sich für Hintergründe der Kleinsalmlersystematik interessieren, sehr ans Herz gelegt.

In eine ganz aktuellen Arbeit wurde die Verwandtschaft der Neons erneut untersucht, diesmal mit dem neuen zur Verfügung stehenden Instrument der molekularbiologischen Analyse (Bittencourt et al., 2020). Dabei wurde bestätigt, dass die drei Neons tatsächlich eine gemeinsame evolutionäre Verwandtschaftslinie repräsentieren, also eine phylogenetische Einheit darstellen uns somit in eine Gattung gehören. Ferner untersuchte das Team, welches die nächstverwandten Kleinsalmler zu den Neons sind und fanden, dass es die seltsamen Brittanichthys sind. Brittanichthys unterscheidet sich von den meisten anderen Salmlern dadurch, dass die Männchen ein kompliziert gebautes Organ in der Schwanzflosse haben, das eigentlich eher an die Schwanzdrüsensalmler (Stevardiinae, früher auch Glandulocaudinae) erinnert. Und die nächste molekulare Überraschung: die Rotkopfsalmler sind nach Brittanichthys (Brittanichthys ist nach den Ergebnissen von Bittencourt et al. sogar eine Schwestergattung zu Paracheirodon) die nächsten Verwandten der Neons.

Brittanichthys axelrodi, Männchen

Die Rotköpfe sind so eng miteinander verwandt, dass sie nun alle in einer gemeinsamen Gattung, Petitella, zusammengefasst werden. Molekular stellte sich außerdem heraus, dass die Art P. georgiae wohl in Wirlichkeit aus zwei Arten besteht, die sich äußerlich allerdings nicht unterscheiden, soweit man das bislang beurteilen kann. Jedenfalls unterschied sich ein P. georgiae aus Brasilien (Rio Purus) auf molekularer Ebenen recht deutlich von Artgenossen aus Peru, von wo die Art beschrieben wurde. Aber hier sind ganz sicher noch weitere Untersuchungen nötog, die auch P. rhodostomus mit einbeziehen müssen, der den Autoren für eine DNS-Untersuchung bislang nicht vorlag.

Bislang nannte man die drei Rotkopfsalmler Hemigrammus rhodostomus, H. bleheri und Petitella georgiae. Nun stehen sie also alle in Petitella.

Der schönste aller Rotkopfsalmler: Petitella bleheri

Die Arten wurden so oft ver­wechselt, dass man wirklich verwirrt werden kann. Tat­sächlich ist es relativ einfach: Bei den im Handel befindlichen Fischen handelt es sich fast immer um Petitella bleheri, bezeichnet werden sie aber fast immer als Petitella georgiae.

Schon vor längerer Zeit, nämlich 1924 beschrieb E. Ahl den Rotmaulsalmler als Hemigrammus rhodostomus. Der Fund­ort lag nahe Belem in Brasilien. Und so, nämlich als Hemigrammus rhodostomus, wurde in der Folge jeder Rotmaul- oder  Rot­­kopf­salmler in der Aquaristik bezeich­net. Sicher merkte man, daß die Fische je nach Fundort etwas anders aus­sahen, hielt das jedoch für eine inner­art­liche Varianz. 

Petitella rhodostomus ist die am längsten bekannte Art

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1964 beschrieben der Salm­­ler­­spezialist J. Gery mit H. Boutiere eine dem schon bekannten Rot­maul­salm­ler sehr ähnliche Art als Petitella georgiae. Die Un­ter­schiede in der Fär­bung der beiden Arten sind un­wesent­lich, der Grund für die art­liche Trennung lag in Unter­schieden der Be­zah­nung begründet. Diese neue Art stammt haupt­sächlich aus dem Oberlauf des Amazonas in Peru. Sie fand keine son­­der­lich weite Ver­breitung, weil sie eher etwas farbloser ist als der Rot­maul­salmler, den man schon kannte. 

Petitella georgiae, Wildfang aus Peru

Die schönsten Rotmaulsalmler kamen und kommen aber aus dem Rio Negro. Sie haben eine herrliche, weit über die Kie­men­­deckel hinausgehende rote Kopf­­­fär­bung. Begehrte Fische brau­chen eine eige­­­ne Handelsbezeichnung und so wur­de kurzerhand der neue Name Petitella georgiae für diesen Salmler ver­wen­det, ohne die Richtigkeit dieses Unter­fan­gens zu überprüfen. 

1986 be­schrieb J. Gery zusammen mit V. Mahnert diesen rötesten aller Rotkopf­salmler als Hemigrammus bleheri und das Chaos war per­fekt, weil so ziemlich jede der drei Arten in der Literatur schon einmal unter einem falschen Namen abgebildet worden war.

Durch das Fehlen eines schwarzen Längsbandes auf dem Schwanzstiel ist Petitella bleheri am leichtesten zu identifizieren.

Man erkennt P. bleheri immer gut daran, dass er im Gegensatz zu den beiden anderen Arten kein schwar­zes Längsband auf dem Schwanzstiel besitzt. Petitella georgiae und P. rhodostomus haben ein solches Längsband und sind optisch kaum auseinanderzuhalten. Bei ein­ge­­wöhnten Tieren schaut man am besten auf das Endes des Schwanzstiels. Dort hat P. georgiae nur einen Fleck oben vor der Schwanz­flosse, P. rhodostomus hat oben und unten einen Fleck.


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Petitella rhodostomus hat zwei dunkle Striche am Ansatz der Schwanzflosse.
Petitella georgiae hat nur einen dunklen Strich am Ansatz der Schwanzflosse.

In der Pflege unterscheiden sich die drei (vier) Arten nicht. Es ist auch kaum an­­zu­neh­men, daß die Praxis des Han­dels, alle Rot­kopf­salmler mit reichlich rot als Petitella georgiae und alle blassen als Petitella (oder Hemigrammus) rhodo­sto­mus zu be­zeich­nen, geän­dert wer­den wird.  Doch für Aquarianer, die züchten möch­ten, ist es gut, die Unter­schiede zu kennen: Denn es deutet alles darauf hin, daß sich die drei Arten (bzw. zusätzlich bei P. georgiae: die beiden genetisch unterschiedlichen Populationen aus Peru und dem Rio Purus) nicht kreuzen lassen. Wenn Ihre Tiere im Zuchtbecken mit­ein­an­der nicht „zu Potte kommen“ (der Zucht­­ansatz erfolgt am besten im Schwarm, Männchen in der Überzahl), liegt es vielleicht daran, daß sie ver­schie­de­nen Arten angehören.

Frank Schäfer

Literatur:

Bittencourt, P. S., V. N. Machado, B. G. Marshall, T. Hrbek and I. P. Farias (2020): Phylogenetic relationships of the neon tetras Paracheirodon spp. (Characiformes: Characidae: Stethaprioninae), including comments on Petitella georgiae and Hemigrammus bleheri. Neotropical Ichthyology v. 18 (no. 2): 1-11.

Weitzman, S. H. and W. L. Fink (1983): Relationships of the neon tetras, a group of South American freshwater fishes (Teleostei, Characidae), with comments on the phylogeny of New World Characiforms. Bulletin of the Museum of Comparative Zoology v. 150 (no. 6): 339-395.

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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