Plauderei über Guppys

Jeder auf dem Planeten kennt den Guppy … sogar Nicht-Aquarianer. Man kann wirklich sagen, dass der Guppy einer der allgemein bekanntesten Süßwasserfische der Welt ist, vielleicht noch zusammen mit dem Goldfisch oder dem Piranha. Der Guppy hat zugleich eine der längsten Historien in der Aquaristik, sowohl im Handel, wie im Hobby.

Guppy Green Cobra

Die Entdeckung des Guppys wird ganz gerne Robert John Lechmere Guppy zugeschrieben, einem Londoner, der 1866 auf Trinidad einen kleinen bunten Fisch fand, den er nach London in das British Museum of Natural History schickte, wo ihn der Fisch­kundler (Ichthyologe) Albert Günther unter­suchte und zu Ehren des „Entdeckers“ als Girar­d­inus guppii beschrieb. Später zeigte sich jedoch, dass Guppy gar nicht der Ent­decker der Art war. Denn bereits sieben Jahre zuvor (1859) hatte der deutsche Ichthyologe Wilhelm Karl Hartwig Peters die Art anhand von Exemplaren aus Venezuela als Poecilia reticulata beschrieben.

Guppy Dragon Head Tuxedo

Weitere Beschreibungen und weitere Namen folgten in der frühen Literatur. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich das riesige Verbreitungsgebiet der Art vor Augen hält (Venezuela, Barbados, Trinidad, das nördliche Brasilien, die Guyanas). Fische mit einer so großen Verbreitung zeigen fast ausnahmslos lokale Farb- und andere Unter­schiede und das führt oft dazu, dass verschie­dene Populationen von verschiedenen Wissenschaftlern unterschiedlich bewertet werden … manchmal sogar vom selben Wissenschaftler. In Folge dessen erhielt der Guppy in den Jahren nach seiner ersten Entdeckung noch so manchen neuen Namen. Der am besten bekannte dürfte „Lebistes reticulatus“ sein. Interessanterweise war es Peters selbst, der Erstbeschreiber des Guppys, der die ursprünglich als Poecilia reticulata beschriebene Art in die neue Gattung Lebistes stellte.
Es dürfte darum auch wenig überraschen, dass der Endlers Guppy bei seiner Ent­deckung (John Endler sammelte ihn 1975 in Venezuela) zunächst für eine weitere Varian­te des Guppys gehalten wurde. Der Populär­name „Endlers Guppy“ stellt den schönen Poecilia wingei bis heute in die unmittelbare Nähe des gewöhnlichen Guppys.


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Endler-Guppy Lime Green, eine Wildform-Selektion

Wenngleich die weite geografische Verbreit­ung des Guppys zweifellos einen großen Einfluss auf die farbliche Varianz der Art hat, so sind es doch lokale Gegebenheiten, die letztendlich darüber entscheiden. Zum Beispiel tendieren Guppymännchen dort, wo es viele Räuber gibt, dazu, blass gefärbt zu sein. Das liegt nicht an einer individuellen Fähigkeit von Guppymännchen, die Farben verblassen zu lassen – diese Fähigkeit ist bei ihnen nur vergleichsweise gering ausge­prägt – sondern daran, das bunte Männchen stärker auffallen und gezielter von Raub­fischen erwischt werden. Also haben Männ­chen mit einer genetisch bedingt blassen Fär­bung unter solchen Umständen eine größere Überlebens- und Fortpflanzungs­chance.

Diesem Trend wird – zumindest teilweise – dadurch entgegengewirkt, dass Guppyweib­chen bunte Männchen mit orangenen Flecken am Körper zur Paarung bevorzugen. So stellt sich die Färbung einer lokalen Guppy-Population als ein Resultat dieser beiden einander entgegenwirkenden Ten­den­zen (Fraßschutz versus Bevorzugung bunter Männchen durch die Weibchen) dar. Das ist natürliche Auslese in Aktion!

Black Bar…
… und White Peacock sind Auslesezuchten von Endler-Wildformen

In menschlicher Obhut wird diese natürliche Selektion durch künstliche Selektion ersetzt. Hier macht es die genetische Plastizität des Guppys möglich, dass Züchter bevorzugte Merkmale zur Erzielung neuer Spielarten selektieren und fördern können. Das ist geschehen, seit der Guppy erstmals in die Aquarien unserer Ahnen Einzug hielt, also Anfang der 1900er Jahre (die ersten Importe nach Deutschland erfolgten 1908). Die Folge ist eine verwirrende Vielfalt an Körperfarben und eine fast noch größere Vielfalt bezüglich der Flossenausprägung und deren Musterung.

Der Tiger-Endler ist eine Hybrid-Zuchtform

Diese Zuchtformen sind sehr verschieden vom Wildguppy, obwohl die grundsätzliche Körperform (wenn auch nicht in der Größe) immer noch der der Wildart entspricht. Einige moderne Guppy-Stämme sind tat­sächlich so groß und haben so große Flos­sen, dass sie kaum noch horizontal schwim­men, sondern in verschiedenen Kopf-nach-oben-Winkeln.

Interessanterweise erleben – vielleicht als Folge der Einführung von Endlers Guppy in breite Kreise im Hobby – einige der altbekannten, zwischenzeitlich jedoch in Vergessenheit geratenen Formen wie Obenschwert, Untenschwert und Doppel­schwert eine Renaissance. Diese Formen sind der Wildform des Guppys ziemlich nahe­stehend. Weil Guppy und Endlers Guppy fruchtbar miteinander gekreuzt werden können, eröffnen sich viele neue Mög­lichkeiten neuer, zierlicher Zuchtformen, die ja auch im Markt schon auftauchen.

Auch Ginga Rubra ist keine reine Art

Wie immer (!) stehen sich zwei Lager diesbezüglich mit gegen­sätzlicher Meinung gegenüber. Die einen begrüßen die Entwicklung und Möglichkeiten der neuen Zuchtformen. Die anderen bedauern, dass reinblütige Stämme verlorengehen, ähnlich wie bei Platys und Schwertträgern, bei denen kaum noch unverkreuzte Stämme im Hobby existieren.


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Red Chest Saddleback, eine weitere Hybride

Es wäre sicher ein großer Verlust, wenn beide Arten derart verkreuzt würden, dass sie zu einer einzigen Form verschmölzen. Aber es ist zu befürchten, dass der menschliche Trieb nach immer neuen Spielarten diesen Trend fördert. Dennoch besteht auch Hoffnung, dass es genug Hobbyisten gibt, die reine Stämme von Guppy und Endlers Guppy für künftige Aquarianergenerationen in ihren Becken erhalten.

John Dawes

Lexikon:
Poecilia: bedeutet “Buntheit, Mannigfaltigkeit”.
reticulata: bedeuted “genetzt”
wingei: Widmungsname für den Ge­netiker Øjvind Winge (1886 -1964)
Giradinus: Widmungsname für den Wissenschaftler Charles Frédéric Girard (1822-1895)
Lebistes: Bedeutung unbekannt, eventuell abgeleitet vom altgriechi­schen “Lebias”, was “kleiner Fisch” bedeutet.

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