Nachts cool – Zweihornchamäleons

Die Usambara-Berge im Nordosten Tanzanias gehören zu den ältesten Bergen dieser Erde. Sie enstanden bereits vor 600 Millionen Jahren. Es handelt sich um kühle, extem artenreiche Regenwälder, man spricht von einem ”Hotspot der Biodiversität”. Aus dieser Region erreichen uns  viele interessante Tierarten.

Zu diesen Tierarten zählen Zweihornchamäleons (Kinyonga spp.), eine faszinierende Gruppe von eierlegenden  Chamäleons. Einige werden mehr oder weniger regelmäßig importiert, andere stehen aus Nachzuchten zur Verfügung.

Kinyongia boehmei steht regelmäßig als Nachzucht im Hobby zur Verfügung.
Kinyongia boehmei

Natürliche Verbreitung
Die Usambara-Berge stellen nur einen Teil des Verbreitungsgebietes der Zweihornchamäleons dar. Sie leben entlang der Reste der etwa 3o Millionen Jahre alten Berg-Urwälder des so genannten Eastern Arc, der im Grenzgebiet zwischen Kenia und Tanzania verläuft und die Chyulu Hills, den Kilimandscharo, Mount Meru, die Taita Hills, North Pare, South Pare, die West- und Ost-Usambara-Berge, Nguu, Nguru und Uluguru – um nur die hierzulande geläufigsten zu nennen –  umfasst. Leider sind auch die Reste der einstigen Urwälder stark bedroht. Den Beginn des massiven Holzeinschlags machten u.a. die Deutschen, die im heutigen Tansania eine Kolonie unterhielten. Da das Klima in den Usambara-Bergen sehr angenehm ist, es wird ganzjährig tagsüber nicht wärmer als 30°C, nachts sinkt die Temperatur auf angenehme 15-17°C und es hier keine Malaria gibt, wurde das Gebiet bevorzugt von den Kolonialisten besiedelt. Das begann in den späten 1880er Jahren und aus dieser Zeit stammen auch die ersten Beschreibungen von Zweihornchamäleons.

Böhmes Zweihornchamäleon, eine relativ kleine Art, die inklusive des langen Schwanzes etwa 19 cm Länge erreicht.
Böhmes Zweihornchamäleon

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Schwierige Systematik
Früher stellte man alle Chamäleons in die Gattung Chamaeleo. Die Zweihornchamäleons wurden später in die Gattung Bradypodion überführt. Erst vor wenigen Jahren, nämlich 2006 (TILBURY et al.), stellte man für die eierlegenden  Chamäleons Ostafrikas eine eigene Gattung auf: Kinyongia. Hierher wurden auch die Zweihornchamäleons gestellt, die man wegen der undurchsichtigen Feinsystematik in der Regel als Kinyongia fischeri– Komplex ansprach. Hauptsächlich aufgrund molekularer Daten gelang es kurz darauf auch, Licht in das nomenklatorische Kuddelmuddel der Arten zu bringen (MARIAUX et al., 2009). In Folge dieser wichtigen Arbeit kam es zu weiteren Artbeschreibungen, insgesamt stellt man heute 18 Arten in die Gattung Kinyongia, von denen fünf erst in diesem Jahrtausend entdeckt und wissenschaftlich beschrieben wurden. Im Hobby werden nach wie vor viele der Import-Tiere als K. fischeri gehandelt. Allerdings ist just dies eine kaum je im Handel befindliche Art. Die meisten importierten ”K. fischeri” gehören wohl den Arten K. multituberculata und K. matschiei an. Bei Nachzuchttieren ist die richtige Bennenung dagegen meist gewährleistet, so etwa bei den K. boehmei.

Kinyonga multituberculata wird meist als K. fischeri angeboten. Man erkennt die Art ganz gut an dem Rücken­kamm, der sich bis auf den Schwanz ausdehnt. Länge bis ca. 35 cm. Oben Männchen, unten Weibchen.

Nicht easy-peasy, aber auch nicht unmöglich
Chamäleon-Haltung ist aus den verschiedensten Gründen nichts für Einsteiger in der Terraristik, sieht man von der zum Haustier gewordenen Art Chamaeleo calyptratus einmal ab. Die Tiere sind von Natur aus relativ kurzlebig, Wildfänge müssen regelmäßig gegen allerlei Plagegeister – innerliche Parasiten – behandelt werden, hinzu kommt, dass Chamäleons einen hohen Bedarf an Trinkwasser haben, das ihnen täglich gereicht werden muss (nur wenige lernen, aus Trinkschalen zu trinken, man muss es ihnen vorträufeln oder eine Tropftränke basteln), und sie sind auch nicht immer problemlose Kostgänger, denn sie verlangen Abwechslung in der Ernährung. Wegen ihrer Kurzlebigkeit haben sie eine für Reptilienverhältnisse hohe Stoffwechselrate und müssen täglich versorgt werden; das müssen berufstätige Menschen ebenso bedenken, wie alle, die gelegentlich in Urlaub fahren.


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Hinzu kommt, dass man bei Chamäleons viel stärker als bei den meisten anderen Echsen auf die artspezifisch sehr unterschiedlichen mikroklimatischen Ansprüche eingehen muss. Für die Zweihornchamäleons bedeutet das vor allem: eine kräftige Nachtabsenkung der Temperatur auf 15-18°C, was sich in Wohnräumen oft nicht so ohne weiteres realisieren lässt. In den meisten Fällen muss beim Terrarienbau eine Kühlvorrichtung vorgesehen werden, was erheblich mehr technischen Aufwand (und Kosten) verursacht als eine Heizung. Tagsüber kann die Temperatur 25-28°C betragen. Wer diese Nachtabsenkung der Temperatur nicht gewährleisten kann, sollte die Finger von den Zweihornchamäleonslassen, so schön sie auch sind. Es ist nicht möglich und sinnvoll in einem Blog ausführlich auf sämtliche Pflegebedingungen einzugehen kann, ich verweise darum auf die umfangreiche Spezialliteratur, die es ja glücklicherweise ausreichend gibt und um die ein gewissenhafter Pfleger dieser wunderschönen Tiere ohnehin nicht herumkommt. Zur Zucht siehe z.B. unseren Buchtipp, zur allgemeinen Pflege etc. empfehlen wir z.B. Necas, P. (2010): Chamäleons – Bunte Juwelen der Natur. Edition Chimaira, Frankfurt, 366 pp.

Usambaraveilchen und Chamäleons
Doch so viel möchten wir Ihnen noch mitgeben: glücklicherweise sieht es einiger maßen gut aus für viele Arten der Zweihornchamäleons. Trotz des hohen Alters ihres Lebensraumes können sich zumindest einige Arten ganz gut an den Menschen anpassen und treten als Kultur folger auf. Das ist auch der Grund, wes halb manche Arten regelmäßig im  Handel zu haben sind. Ein Terrarium mit einem Zwei horn cha mä le on (man wird sie in der Regel einzeln halten),  einigen flechtenbewachsenen Ästen und Usambara veilchen als Unterbe wuchs bringt den ganzen Zauber des uralten Afrikas ins Zimmer. Wenn Sie jetzt Lust auf die Pflege von Zweihornchamäleons bekommen haben: Ihr Zoofachhändler kann Ihnen sicher welche vom Großhändler seines Vertrauens bestellen.

Die unabhängig voneinander beweglichen Au­gen faszinieren immer wieder aufs Neue.

Lexikon
Bradypodion: bedeutet ”langsam-füßig”
Chamaeleo: bedeutet ”Erdlöwe”
Kinyongia: nach der Bezeichnung für Chamäleons auf Suaheli.
boehmei: Widmungsname für den Herpetologen Wolfgang Böhme (1944 – ).
fischeri: Widmungsname für den Herpetologen Johann Gustav Fischer (1819-1889)
matschiei: Widmungsname für den Zoologen Georg Friedrich Paul Matschie (1861-1926)
multituberculata: bedeutet ”mit vielen Knötchen”

Literatur
Mariaux, J., Lutzmann, N. & J. Stipala (2008): The two-horned chamaeleons of East Africa. Zoological Journal of the Linnean Society 152: 367–391.
Tilbury, C. R., Tolley, K. A. & W. R. Branch (2006): A review of the systematics of the genus Bradypodion (Sauria: Chamaeleonidae), with the description of two new genera. Zootaxa 1363: 23–38

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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Ein Kommentar zu “Nachts cool – Zweihornchamäleons

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