Im Rahmen einer naturnahen Aquaristik gewinnt die Erkenntnis immer mehr die Oberhand, dass die Pflege und Zucht von Fischen, Garnelen, Krebsen, Schnecken, Muscheln und Wasserpflanzen um so besser und befriedigender gelingt, je mehr man sich am Vorbild der Natur orientiert. Wer diesen Weg gehen möchte, der begegnet auf ihm sehr bald den größten Landpflanzen, die es gibt: den Bäumen. Ihre Äste und Wurzeln bieten Versteckmöglichkeiten, ihr Laub bildet die Basis der Nahrungskette in nahezu allen natürlichen Zierfischgewässern und ist für sehr viele kleine Tiere das tägliche Brot. Ihre medizinisch wirkenden Inhaltsstoffe kennen aber nur wenige Aquarianer – leider!
In Teil 1 (https://www.aqualog.de/blog/sekundaere-pflanzenstoffe-im-aquarium/) informierten wir Sie über die grundlegenden Vorteile von sekundären Pflanzenstoffen und Laub im Aquarium. In Teil 2 der Serie stellen wir Ihnen nun zwei der bezüglich der Inhaltsstoffe wirksamsten Laubbäume überhaupt vor: Walnuss und Schwarzerle.
Die Walnuss (Juglans regia)
In der Medizin wird Walnusslaub schon seit den alten Griechen verwendet. Es hilft, äußerlich angewendet, bei vielen Hauterkrankungen, besonders bei entzündeten Wunden und Geschwüren, bei Augenerkrankungen und anderen Leiden. Ganz besonders wirksam ist Walnusslaub bei der Behandlung von Drüsengeschwüren, so genannten Skrofulosen. Man benutzt seit jeher aber auch Abkochungen des Laubes zur innerlichen Anwendung bei Schleimhautreizungen und Durchfällen.
Grünes oder braunes Laub?
Grundsätzlich, das wurde in dem bereits erwähnten Artikel über sekundäre Pflanzenstoffe ausführlich beschrieben, benutzt man im Aquarium besser braunes Herbstlaub, da grünes Laub unter anderem Zucker enthält, der auf das Aquarienwasser ungünstige Auswirkungen hat. Denn der Zucker wird selbstverständlich bakteriell genutzt und abgebaut. Wassertrübungen und Sauerstoffmangel können bei zu reichlicher Anwendung die Folge sein.
Bei einigen Laubsorten, sind aber im grünen Laub Wirkstoffe enthalten, die im braunen Herbstlaub fehlen. Wenn man Walnusslaub zu medizinischen Zwecken einsetzen will, also zur Heilung von Hauterkrankungen bei Fischen, so muss man dazu manchmal grünes Laub verwenden. Auch zur Verwendung als Futter – Jungtiere vieler L-Welse, aber auch andere Pflanzenfresser wie Garnelen und Krebse lieben es – nimmt man im Falle der Walnuss grün geerntetes, schon endgetrocknetes Laub.
Das braune Herbstlaub hingegen kann genau wie das Laub von Cattappa (Seemandelbaum) benutzt werden. Es hat sanft desinfizierende und antibiotische Wirkung. Das braune Herbstlaub hat sich besonders beim Einsatz in Weichwasseraquarien bewährt, da es offensichtlich hemmend auf den gefürchteten Weichwasserparasiten Piscinoodinum (im allgemeinen Sprachgebrauch als Oodinum genannt) wirkt.
Grünes (hinten) und braunes (vorn) Walnusslaub haben ganz unterschiedliche Einsatzgebiete im Aquarium.
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Viele Wirkstoffe
Nach einer Publikation der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LAGONI, 2008) enthält das grüne Laub der Walnuss sehr viele Wirkstoffe, darunter etwa 10% hydrolysierbaren Gerbstoffen, drei bis vier Prozent Flavonoiden, verschiedene Pflanzensäuren, relativ viel Vitamin C und das berühmte Juglon. Juglon ist ein Naturfarbstoff, der intensiv braun färbt. Wer je frische Walnüsse schälte, weiß davon ein Lied zu singen. Der Baum benutzt das Juglon, um andere Pflanzen am Wachsen zu hindern und damit Konkurrenz auszuschalten. Juglon wirkt anitbakteriell und pilzhemmend. Der Anteil von Juglon im Walnusslaub ist stark von der Jahreszeit abhängig. Am meisten Juglon findet sich im jungen Laub (bis etwa Ende Juni), in braunem Herbstlaub ist kaum noch Juglon enthalten. Es ist also wichtig, dass man weiß, welches Laub zu welchem Zweck gesammelt werden soll. Es ist von großer Bedeutung, wann die Ernte des grünen Laubes erfolgt. Zu früh geerntet kann das Laub so viel Juglon enthalten, dass L-Welse daran sterben! Es ist naiv und falsch, Naturstoffe grundsätzlich als harmlos anzusehen. So fantastisch Walnusslaub wirkt, so potent ist es auch. Das ewige Argument der Schulmedizin gegen die Naturheilkunde ist, dass bei Naturprodukten der Wirkstoffgehalt nur ungenau einzuschätzen ist. Da ist etwas dran, besonders bei Stoffen wie Walnusslaub, das ja nicht unter standardisierten Bedingungen angebaut wird, wie es bei Medizinalpflanzen für den Einsatz in der Humanmedizin der Fall ist.
Sollte man deshalb auf den Einsatz von Walnusslaub im Aquarium sicherheitshalber verzichten? Nein, das ist Unsinn. Vorsicht ist die eine Sache, Übervorsicht die andere. Bei braunem Herbstlaub ist ein Blattfieder auf 20 Liter Wasser absolut unbedenklich. Grünes Laub zu Futterzwecken sollte man erst ab Mitte August sammeln und schonend trocknen. Dazu bindet man ca. 10 ganze Blätter am Ende des Stiels zusammen und hängt sie an einem kühlen, dunklen Ort (am besten in einem Keller) luftig auf. Es darf auf keinen Fall Schimmel auftreten! Derart getrocknet und dunkel, luftig und trocken aufbewahrt, ist es jahrelang haltbar.
Walnusslaub wird inzwischen von manchen Herstellern angeboten, wo man grünes Spätlaub (ohne hohen Juglon-Anteil, als Futter) und braunes Herbstlaub (zum Einsatz als Krankheitsprophylaxe) kaufen kann. Die Erforschung der Nutzung der Heilkräfte der Walnuss für die Aquaristik steht jedoch erst am Anfang, es sind noch viele weitere, nutzbringende Produkte in naher Zukunft zu erwarten.
Die Schwarzerle (Alnus glutinosa)
Diesmal geht es nicht um das Laub, sondern um die Früchte der Erle, da sich das an sich gut für das Aquarium geeignete Herbstlaub des Baumes wegen seiner Standorte normalerweise kaum sammeln lässt.
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
So dichtete Johann Wolfgang von Goethe 1782 in seiner wohl bekanntesten Ballade. Der Schwarzerle (Alnus glutinosa) haftet im Volksglauben seit jeher etwas Unheimliches an. Der Erlkönig ist zwar nur eine Erfindung der Romantik, aber die Eigenschaft der Schwarzerle, in sumpfiger, nasser Umgebung zu wachsen, machte sie den Menschen früher unsympathisch. Nicht jedoch den Pionieren der Aquaristik. Wer zuhause Nattern, Kröten und glitschige Fische hegt und pflegt, der ist um seinen Ruf nicht sehr besorgt und lehnt Vorurteile gegenüber der belebten Umwelt ab. So fanden unsere Vorväter im Hobby sehr bald heraus, dass mit den Fruchtständen der Schwarzerle, den so genannten Erlenzäpfchen, ein Naturheilmittel ersten Ranges zur Verfügung steht.
Die Schwarzerle, botanisch gesehen
Die Gattung Alnus – Erlen – ist in Mitteleuropa mit drei Arten vertreten. Weltweit sind es – je nach Auffassung der jeweiligen Wissenschaftler – zwischen 17 und 50 Arten. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Alle Erlen sind Bäume oder Sträucher. Doch nur die Schwarzerle ist perfekt an nasse Standorte angepasst, darum besteht keinerlei Verwechslungsgefahr. Die Schwarzerle gehört zu den Birkengewächsen (Betulaceae), ist also eine Verwandte von Birken (Betula) und Haselnüssen (Corylus). Wie bei diesen gibt es männliche und weibliche Blüten, beide befinden sich am gleichen Baum. Die männlichen Blüten, die den Pollen hervorbringen, nennt man Kätzchen. Die weiblichen Blüten sind sehr unscheinbar und sitzen in Trauben am Ende kleiner Äste. Die Bestäubung übernimmt der Wind.
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Überlebenskünstler
Wie alle Tiere und Pflanzen auf diesem Planeten braucht auch die Schwarzerle Sauerstoff für die Atmung. Bäume, die längere Zeit überflutet werden, ersticken und sterben ab. Schwarzerlen nicht. Warum? Die Schwarzerle verfügt als einzige heimische Baumart über die Fähigkeit, mit dem Stamm Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen und in die Wurzeln zu transportieren, wo er veratmet werden kann. Als Anpassung an nährstoffarme Moorböden ist die Schwarzerle zudem eine Symbiose mit Bakterien eingegangen, die Stickstoff direkt aus der Luft binden können. Stickstoff ist einer der wichtigsten Pflanzennährstoffe überhaupt. Und schließlich hat die Schwarzerle eine Menge fäulnishemmender Stoffe entwickelt, die verhindern, dass die Pflanze in der nassfeuchten Umgebung, in der sie lebt, verfault. Es sind vor allem diese fungiziden (pilzhemmenden) und bakteriziden (bakterienhemmenden) Wirkstoffe, die die Schwarzerle für uns so wertvoll macht.
Die Wirkstoffe
Leider liegen über die exakten Inhaltsstoffe der Erlenzäpfchen keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, jedenfalls sind uns keine bekannt. Da jedoch Rinde und Laub der Schwarzerle in der Humanmedizin Verwendung finden, sind deren Inhaltsstoffe gut bekannt. Wie bei allen Naturprodukten schwankt die Konzentration der einzelnen Stoffe in Abhängigkeit von Standort und Sammelzeitpunkt, aber ungefähr kann man angeben, dass etwa 10-20% Inhaltsstoffe Gerbsäuren sind (Gallussäureester), weitere Hauptwirkstoffe sind Phenylpropane, Flavonolglykoside (Hyperosid), Zimtsäure, Stilbenderivate, Steroide und Triterpensäuren (Taroxerol (Alnulin) und Taroxeron (Protaenulin)), Nebenwirkstoffe sind Anthrachinone (Emodin), Zucker, Harzsäuren und Wachse (alle Angaben nach LAGONI, 2003).
Anwendung
In der Humanmedizin werden Erlenrindentees als Gurgelmittel bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum, Zahn- und Halsschmerzen und bei Zahnfleischbluten eingesetzt, als Bad oder Umschlag nutzt man Erlenrinde und -blätter bei vielerlei Hauterkrankungen, Ekzemen, eitrigen Wunden, Verbrennungen und Hämorrhoiden. Die Erlenzäpfchen finden in der klassischen Medizin seltsamerweise keine Anwendung, nur in der Volksmedizin – hier macht man ein Aphrodisiakum daraus. Die Anwendung im Aquarium ist denkbar einfach und tausendfach erprobt: man wirft ein Erlenzäpfchen auf ca. 10-20 Liter Wasser in das Aquarium. Fertig. Man kann auch niedriger dosieren, bei Naturheilstoffen gilt ganz allgemein NICHT die Regel ”viel hilft viel”. Im Gegenteil, oft sind Spuren medizinisch viel wirksamer. Ein Überdosieren ist bei Erlenzäpfchen kaum möglich, allerdings wird das Wasser zunehmend undurchsichtig, bis es schließlich maximal die Farbe starken Kaffees annimmt. Auch dieses Wasser ist durchaus unschädlich für die Tiere, aber die Pflanzen werden unter dem durch die Braunfärbung verursachten Lichtmangel erheblich leiden.
Machen Erlenzäpchen sauer?
Grundsätzlich lautet die Antwort: ja! Der pH-Wert wird durch die Gerbsäuren durchaus beeinflusst, wie man sehr leicht feststellen kann. Destilliertes Wasser hat einen pH-Wert von 7 und keine Pufferkapazität, kann also keine Säuren ”einfangen” und neutralisieren. Wenn man acht Erlenzäpfchen in ein Glas mit 100 ml Wasser gibt, (was viel mehr ist, als man je im Aquarium dosieren würde), senkt das den pH-Wert von 7 auf knapp über pH 4 ab. Anderslautende Aussagen hängen vielleicht mit dem Sammelzeitpunkt zusammen. Erlenzäpfchen sammelt man am besten im Winter, wenn die Samen ausgeschüttelt sind. Erlensamen möchte man nicht im Aquarium haben, sie würden das Wasser nur unnötig belasten. Da die Schuppen der Zäpfchen sich nur bei trockenem Wetter öffnen und die Samen freigeben, kann es passieren, dass schon etliche Regengüsse über die Zäpfchen hinweg gingen, wenn der Erntezeitpunkt gekommen ist. Vielleicht haben frühreif geerntete und anschließend getrocknete Erlenzäpfen eine andere Wirkung auf die Wasserchemie und besonders den pH-Wert, ähnliches kann für im Frühjahr oder Sommer geerntete gelten, doch haben wir das nie ausprobiert. Die im Handel angebotenen Erlenzäpfchen stammen jedenfalls aus Winterernten und senken den pH-Wert in weichem Wasser ab.
Wann und wozu Erlenzäpfchen?
Man kann von Erlenzäpfchen sagen: sie schaden nie und nutzen fast immer. Es empfiehlt sich deshalb, ganz grundsätzlich niedrig dosiert (wegen der Pflanzen) Erlenzäpfchen im Aquarium zu haben. Nach jedem Teilwasserwechsel dosiert man nach, 1 Zäpfchen auf 10-20 Liter Wasser. Ältere, verbrauchte Zäpfchen sehen unschön aus und sollten deshalb entfernt werden, aber das ist Geschmacksache. Schaden richten sie keinen an. Wie für alle Naturheilmitteln gilt: bei akuten Erkrankungen unterstützen sie die Heilung, ersetzen aber NICHT konventionelle Medizin! Der wichtigere Effekt ist darin zu suchen, dass Tiere und Pflanzen in Aquarien mit Naturstoffen wie Erlenzäpfchen schlicht robuster sind und somit erst gar nicht krank werden!
Frank Schäfer
zitierte Literatur:
Lagoni, N. (2003): Arzneiliche Anmerkungen zur Schwarzerle – Alnus glutinosa (L.) GAERTNER. pp. 20- 22 In: Schmidt, O. (Hrg): Beiträge zur Schwarzerle. LWF Wissen 42. Berichte der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, 77pp.
Lagoni, N. (2008): Der Walnussbaum – nützlich für Pharmazie und Medizin. LWF Wissen 60: 54-58 in Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (Herausgeber): Beiträge zur Walnuss. LWF Wissen No. 60, 70 pp.
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