Die Kaiserfische gehören zweifelsohne zu den schönsten Meeresfischen überhaupt. An der westlichen Atlantikküste kommen sechs Arten vor. Die dortige Entdeckung einer neuen Art müsste geradezu als Sensation gewertet werden, denn das Gebiet ist ichthyologisch sehr gut erforscht.
Die sechs dort vorkommenden Arten sind: der Zwergkaiserfisch, Centropyge argi, die Felsenschönheit, Holacanthus tricolor, der Graue Kaiser, Pomacanthus arcuatus, der Franzosen-Kaiser, Pomacanthus paru, der Blaue Kaiser, Holacanthus bermudensis und der Königin-Engelfisch, Holacanthus ciliaris. Dabei muss man wissen, dass die beiden letztgenannten Arten lediglich durch die voneinander abweichende Färbung zu unterscheiden sind.
Warum wäre die Entdeckung eines neuen Kaisers sensationell?
Vielleicht kommt es dem einen oder anderen Leser so vor, als sei die Entdeckung einer neuen Fischart durchaus nichts Ungewöhnliches. Das stimmt aber nur teilweise. In aller Regel werden neue Fischarten entweder dann entdeckt, wenn in bis dato unerforschtem Gebiet gesammelt wird oder wenn die Tiere lebend bekannt werden. Zahlreiche Neuentdeckungen sind nämlich schon seit Jahrzehnten in den Museen vorhanden, man erkannte sie nur nicht als eigene Arten. Bei den Kaisern dagegen liegt der Fall ganz anders. Sie sind sehr gut erforscht. Als auffällige und häufige Fische wurden H. ciliaris bereits 1758 und H. bermudensis 1876 wissenschaftlich beschrieben (der Holotyp von Angelichthys isabelita Jordan & Rutter 1898 wurde zum Neotypen von Holacanthus ciliaris bermudensis Goode, 1876; dadurch wurde isabelita zum Juniorsynonym von ciliaris und der Name Angelichthys isabelita wurde in die offizielle Liste der nicht verfügbaren Namen in der zoologischen Namensgebung aufgenommen (ICZN, Opinion 2003)). Und selbst bei H. bermudensis dauerte das nur so lange, weil die Unterschiede zwischen den Arten so gering sind.
Später fand man heraus, dass die beiden Arten bastardieren (Feddern, 1968). Die Hybriden wurden z.T. sogar als eigene Arten beschrieben, z.B. Holacanthus townsendi (Nichols & Mowbray, 1914). Kurz und gut: Die Wahrscheinlichkeit, an der Atlantikküste Brasiliens einen neuen großen Kaiserfisch zu entdecken ist ungefähr so hoch, wie die Wahrscheinlichkeit in deutschen Wäldern eine neue Hirschart zu finden.
Wie wurde der neue Kaiser bekannt?
Luis Gladstone Neto und Hudson Crizanto aus Fortaleza in Brasilien besuchten uns in der Redaktion und baten mich, einen Kaiser zu identifizieren, der, wie sie sagten, bei Fortaleza vorkäme. Er wäre jedoch sehr selten und auf viele hundert Holacanthus ciliaris käme nur ein solcher Kaiser. Mir fiel, als ich die Bilder sah, sofort die Hybridisierung zwischen den Holacanthus ein: Hybridforschung ist meine große Leidenschaft. Doch scheint dieser neue Kaiser, ich will ihn einmal Gladstone-Kaiser nennen, nicht zu den Hybriden zu zählen. Abgesehen von der ungewöhnlichen Gesichtsmaske und der Augenringfärbung entspricht der Gladstone-Kaiser im Zeichnungsmuster fast vollständig dem Königin-Engelfisch, H. ciliaris.
Außerdem treten, genau wie beim Königin-Engelfisch, zwei Farbtypen auf: einer mit gelber und einer mit grüner Körpergrundfärbung. Man spricht in solchen Fällen von „Farbphasen“.
Wie geht es weiter mit dem Gladstone-Kaiser?
Nun bleibt zu erforschen, ob es sich beim Gladstone-Kaiser doch um einen Hybriden, eine Farbvariante oder gar um eine neue Art handelt. Doch solche Forschungsarbeit braucht Zeit. Ich hoffte, lebende und konservierte Exemplare von Holacanthus ciliaris und H. sp. „Gladstone“ aus Fortaleza zu erhalten, um diese offenen Fragen klären zu können, aber bislang hat das leider nicht geklappt.
El Niño ist an allem Schuld?
Möglicherweise ist das Wetterphänomen El Niño für die Entdeckung des neuen Kaisers verantwortlich. Die Engelfische betreiben nämlich keine Brutpflege, sondern laichen einfach im freien Wasser ab. Eier und Larven werden dann mit den Meeresströmungen verdriftet.
Möglicherweise ist der Gladstone-Kaiser ursprünglich eine wahrhaftig noch unentdeckte Inselform gewesen und erst jetzt wurden durch die Veränderungen in den Meeresströmungen Eier und Larven an die brasilianische Küste getragen. Doch ist das bislang nicht mehr als eine unbewiesene Hypothese. Sie wird lediglich dadurch gestützt, dass bei der sehr abseits gelegenen Inselgruppe der Saint-Pauls-Felsen im Westatlantik (https://de.wikipedia.org/wiki/Sankt-Peter-und-Sankt-Pauls-Felsen) Populationen von Holacanthus ciliaris mit wahrlich extrem abweichenden Farben und Proportionen gefunden wurden. Es gibt dort sogar rein weiße und koi-artig gescheckte Individuen. Alle sind deutlich billiger als üblich und es fehlen die für H. ciliaris so typischen lang ausgezogenen Flossenfilamente. Diese Tatsache wurde 1980 von dem leider nur ein Jahr später bei einem Autounfall tödlich verunglückten Roger Lubbock entdeckt und in jüngerer Zeit wiederholt bestätigt. Man führt die Ausbildung dieser formell nie benannten Unterart bei den Saint-Pauls-Felsen auf Inzucht und einen extrem kleinen Genpool zurück, obwohl nicht klar ist, wie das genau funktionieren soll; es muss dafür ja einen Mechanismus geben, der dafür sorgt, dass die bei Saint Paul abgelaichten, pelagischen Eier nicht mit der Strömung irgendwohin verdriften, sondern die Jungtiere nach der Metamorphose zu ihrem Heimatfelsen zurückgelangen. Da gibt es wahrhaftig noch einen riesigen Forschungsbedarf.
Zur Pflege von Engelfischen im Aquarium
Holacanthus ciliaris ist im Aquarium gut haltbar. Obwohl die Art, wie alle Großkaiser, im Freileben vorwiegend Schwämme frisst, gewöhnen sich die Tiere im Aquarium sehr rasch an die dargebotene Ersatznahrung. Gerade H. ciliaris ist ein wahrer Vielfraß. Campbell (1981) weist eindringlich auf die Notwendigkeit hin, die Holacanthus-Arten zur Aufnahme von mindestens 50% Grünfutteranteil (Algen, Spinat, Salat) zu bringen, um einer sonst unausweichlichen Erblindung durch fehlenden Vitamin-A-Aufbau entgegenzuwirken. Da die Kaiser Grünfutter nicht gerne freiwillig fressen, ist hier Einfallsreichtum gefragt. Am besten stellt man für solche Kostgänger ein eigenes Gelatine- oder Agar-Futter her. Holacanthus ciliaris wird etwa 45 cm groß und braucht entsprechend große Aquarien. Während Jungtiere (und das gilt ganz allgemein für Großkaiser) sehr territorial und entsprechend aggressiv sind, sind erwachsene Großkaiser verhältnismäßig friedfertige Fische – ausreichend Platz natürlich immer vorausgesetzt.
Literatur:
- Allen, G.R. (1979): Falter- und Kaiserfische. Bd. 2. Melle
- Blosser, Ch. B. (1909): Reports on the expedition to British Guiana of the Indiana University and the Carnegie Museum, 1908. Report No. 3. The marine fishes. Ann. Carnegie Mus. 6 (1): 295-300 + pl.
- Borodin, N. A. (1930): Scientific results of the Yacht „Ara“ Expedition during the Years 1926 to 1928, while in Command of William K. Vanderbilt. Fishes. Bull. Vanderbilt Mar. Mus. 1 (art.2): 56-57
- Campbell, D. (1981): Marines: their care and keeping. Holacanthus – Apolemichthys: Part one. Freshwater Mar. Aquar. 4 (3): 22-25, 79-80
- Feddern, H. A. (1968): Hybridization between the Western Atlantic Angelfishes, Holacanthus isabelita and H. ciliaris. Bull. Mar. Sci. 18: 351-382
- Feitoza, B. M., L. A. Rocha, O. J. Luiz, S. R. Floeter & J. L. Gasparini (2003): Reef fishes of St. Paul’s Rocks: new records and notes on biology and zoogeography. aqua, Journal of Ichthyology and Aquatic Biology v. 7 (no. 2): 61-82.
- Goode, G.B. (1876): Catalogue of the Fishes of the Bermudas. Bull. U.S. Natl. Mus. 1 (5): 82 pp.
- Jordan, D. S. & B. W. Evermann (1898): The Fishes of North and Middle America. Part II. 1679-1687
- Lubbock, R. (1980): The shore fishes of Ascension Island. Journal of Fish Biology v. 17 (no. 3): 283-303.
- Lubbock, R. & A. J. Edwards (1981): The fishes of Saint Paul’s Rocks. Journal of Fish Biology v. 18 (no. 2): 135-157.
- Luiz-Júnior, O. J. (2003): Colour Morphs in a Queen Angelfish Holacanthus ciliaris (Perciformes: Pomacanthidae) population of St. Paul’s Rocks, NE Brazil. Tropical Fish Hobbyist 51(5): 82-90
- Nichols, J. T. & L. L. Mowbray (1914): A new Angel-fish ( Angelichthys townsendi) from Key West. Bull. Am. Mus. Nat. Hist. 33 (art. 37): 581-583
Frank Schäfer
Weiteren Lesestoff zu Kaiserfischen finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=kaiserfisch
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