Der Afrikanische Knochenzüngler, Heterotis niloticus, ist ein altertümlicher Fisch. Er gehört in den kleinen, exklusiven Kreis der Knochenzüngler, von denen heutzutage nur noch 15 Arten existieren, die dafür aber auf allen Kontinenten. In Australien leben zwei Arten Gabelbärte (Scleropages jardinii und S. leichardti), in Asien fünf Arten Gabelbärte (S. aureus, S. formosus, S. inscriptus, S. legendrei und S. macrocephalus), in Afrika der bereits erwähnte Knochenzüngler und schließlich in Südamerika zwei Arten Gabelbärte (Osteoglossum bicirrhosum und O. ferreirai) und fünf Arten der Gattung Arapaima (Arapaima arapaima, A. agassizii, A. gigas, A. leptosoma und A. mapae). Eine derartige Verbreitung zeigt, dass die Knochenzüngler schon vor dem Auseinanderbrechen des südlichen Urkontinents Gondwana vor etwa 150 Millionen Jahren existierten.
Von allen Knochenzünglern ist aber der Afrikaner insofern einzigartig, als dass er trotz seiner beträchtlichen Endgröße von etwa 1 m bei dann bis zu 11 kg Gewicht ein Plankton- oder, sagen wir besser – Kleinkramfresser ist. Die anderen aufgezählten Arten sind veritable Raubfische, die ordentliche Brocken verschlingen. Ihre Pflege ist darum, genügend Platz vorausgesetzt, wenig kompliziert. Anders bei Heterotis. Einen großen Fisch ausreichend mit kleiner Nahrung zu versorgen ist viel kniffeliger als umgekehrt. Auf Wale übertragen zeigt sich das sehr deutlich: während viele Zoos die räuberischen Weißwale (Delphinapterus leucas), die immerhin 6 m lang werden können oder Schwertwale, Orcinus orca, (die können sogar über 9 m lang werden) zeigen, sind die Kleinzeug fressenden Bartenwale noch nie erfolgreich in zoologischen Gärten gepflegt worden, auch nicht der Zwergglattwal (Caperea marginata), der „nur“ 6 m lang wird.
Aquaristisch ist der Afrikanische Knochenzüngler aus mancherlei Gründen ein Fisch nur für Spezialisten: die Färbung ist nicht auffällig, er wird sehr groß und er ist ein Nahrungsspezialist. In manchen Ländern Afrikas gilt er als invasive Art. Man hat ihn aus seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet im westlichen Afrika z.B. in den Kongo und nach Madagaskar verschleppt, da er, wie alle Knochenzüngler, Luft veratmen und dadurch auch in sauerstoffarmen Gewässern überleben kann. So kommt er auch unter schlechten Umweltbedingungen noch klar und bleibt auf Speisefischmärkten lang am Leben. Aber die Spezialisten müssen ja auch irgendwie an ihre Pflegeobjekte kommen und dafür gibt es Aquarium Glaser. Dort haben sich 25-30 cm lange Exemplare des Afrikanischen Knochenzünglers als ideal zur Eingewöhnung herausgestellt, denn die brauchen nicht übermäßig viel Platz und sind mit „normalem“ Zierfischfutter (Granulate, Mückenlarven etc.) gut zu ernähren.
Ich ging gerade so für mich hin durch die Anlage, als ein solcher Heterotis mich offenbar für einen Pfleger hielt und anbettelte. Er streckte dabei sein Maul vor. Das hatte ich noch nie gesehen! Und das wollte ich fotografieren! Das war aber viel leichter gesagt als getan. Kaum hatte ich die Fotoausrüstung aufgebaut, drückte sich der Fisch verschüchtert in der Ecke rum. Kein Maulvorstülpen, nein, nein. Nun gut. Also die große Beleuchtung wieder abmontiert, dann muss es eben der kleine, eingebaute Kamera-Blitz tun. Nun musste ich nur noch eine halbe Stunde lang desinteressiert tun und der Heterotis fing wieder das Betteln an. 63 (!) Aufnahmen später hatte ich nicht ein brauchbares Foto, denn immer, wenn ich sah, dass der Fisch das Maul öffnete und ich auf den Auslöser der Kamera drückte, war das Maul auf dem fertigen Bild bereits wieder geschlossen (Canon EOS 500D, 1/200 sec Belichtungszeit, Auslöseverzögerung bei manuellem Fokus nach einem Test der Zeitschrift CHIP 0.14 sec). So ging das also nicht. Ich musste den Fisch besser ausrechnen können. Also gab ich eine Portion lebender roter Mückenlarve ins Becken. Und beobachtete erstmal. Tatsächlich. Der Heterotis zeigte ein Verhaltensmuster, das sich berechnen ließ. Er schwamm erstmal eine Runde, betrachtete dabei das Häuflein zuckender Mückenlarven und ging dann zur Attacke über. Es war immer noch nicht einfach, aber weitere 45 Bilder später hatte ich meinen Schnappschuss! Ich präsentiere, tatahh: die erste mit bekannte frontale Lichtbildaufnahme eines Heterotis niloticus bei der Nahrungsaufnahme!
Frank Schäfer
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