Hemigrammus ulreyi (Boulenger, 1895), der Flaggensalmler

Unter den zahlreichen Arten von Kleinsalmlern, die im Aquarium gepflegt und gezüchtet werden, fällt diese etwa 5 cm lang werdende Art besonders auf. Üblicherweise sind nämlich Arten mit einem Längsstreifenmuster eher schlank und zierlich, während hochrückige Arten, die wie Hemigrammus ulreyi gebaut sind, eher Schulter- oder Schwanzstielmuster (oder eine Kombination aus beidem) aufweisen. In der älteren Aquarienliteratur wurde H. ulreyi darum häufiger mit ganz anderen Arten verwechselt, vor allem der Dreibandsalmler, Hyphessobrycon heterorhabdus wurde so oft in der Aquarienliteratur als Hemigrammus ulreyi vorgestellt, dass er sogar die Populärbezeichnung „Falscher Ulreysalmler“ bekam. Sicher hat zu der allgemeinen Verwirrung auch beigetragen, dass der Erstbeschreiber von Hyphessobrycon heterorhabdus eben jener Herr Ulrey war, zu dessen Ehren Boulenger ein Jahr nach der Beschreibung von H. heterorhabdus seine neue Art H. ulreyi benannte.

Albert Brennus Ulrey (1860-1932) war eigentlich Meeresbiologe, verfasste aber auch eine Arbeit über die Klassifizierung von Salmlern, die George Albert Boulenger (1858-1937), der damals einer der weltweit führenden Fischkundler und am British Museum in London tätig war, so außergewöhnlich nützlich fand, dass er einen neu entdeckten Salmler aus dem Mato Grosso in Brasilien zu Ehren Ulreys „Tetragonopterus ulreyi“  nannte.

Die Klassifizierung der kleinen Salmler ist bis heute nicht befriedigend gelungen. Früher, zu Boulengers und Ulreys Zeiten, nannte man noch alles „Tetragonopterus„, wovon sich bis heute die englische Populärbezeichnung „Tetras“ für die Salmler ableitet. Vorrangig nach Bezahnungsmerkmalen, aber auch danach, ob und wie die Schwanzflosse beschuppt ist, unterscheidet man heute die Gattungen Astyanax, Moenkhausia, Hemigrammus, Hyphessobrycon und einige weitere; Tetragonopterus umfasst nur noch wenige, aquaristisch weitgehend bedeutungslose Arten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hemigrammus ulreyi nicht auf Dauer in der Gattung Hemigrammus verbleiben wird.

Sieht man die Lebendfotos, so ist es kaum verständlich, dass man einst Hemigrammus ulreyi und Hyphessobycon heterorhabdus verwechselte.

Die Pflege von Hemigrammus ulreyi, der als deutschen Populärnamen „Flaggensalmler“ trägt, ist einfach und gelingt auch weniger versierten Aquarianern. Bezüglich der Zusammensetzung verträgt das Tier jedes Wasser, wie es in Deutschland aus der Trinkwasserleitung fließt. Da die Art im Einzug des Rio Paraguay in Brasilien und Paraguay (die fotografierten Fische sind Wildfänge aus Paraguay), also in subtropischen Bereichen lebt, ist sie gegen niedrige Wassertemperaturen genauso unempfindlich wie gegen hohe; zwischen 16 und 28°C darf die Wassertemperatur betragen, wobei allerdings darauf zu achten ist, dass schnelle Temperatursprünge unbedingt zu vermeiden sind. Es wirkt sich sehr günstig auf die Vitalität und Fortpflanzungsbereitschaft aus, wenn man den Tieren jährlich einige Wochen im unteren Temperaturbereich (16-20°C) gönnt.

Kleine Salmler werden gerne pauschal als „Schwarmfische“ bezeichnet. Tatsächlich sollte man den Flaggensalmler niemals einzeln pflegen, sondern in Gruppen von vier Individuen oder mehr. Allerdings schwimmen die Tiere nur sehr selten im Schwarm. Gefressen wird jegliches übliche Aquarienfischfutter, gegen artfremde Fische ist der „Broken Line“ (= „unterbrochener Strich“), wie der schöne Fisch im englischsprachigen Raum genannt wird, vollkommen friedlich und auch Pflanzen werden nicht behelligt. Männchen sind etwas kleiner und schlanker als die Weibchen, die Geschlechtsunterschiede sind nur gering ausgeprägt. Der Flaggensalmler ist ein produktiver Freilaicher, der keinerlei Brutpflege betreibt.

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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