Es gibt im Handel einige Süßwasser-Fischarten, die verhältnismäßig groß werden. Fast immer im Zoofachhandel vorhanden sind z.B. Pfauenaugenbuntbarsche oder Oskars (Astronotus ocellatus), die gewöhnlich rund 25 cm lang werden, aber der Angelrekord liegt bei 45,7 cm und 1,6 kg Gewicht. Oskars gehören also eigentlich eher in die Kategorie „Speisefisch“. Aber sie sind prachtvoll gefärbt und werden immer noch schöner, je größer und älter sie sind. Hinzu kommt, dass große Fische eine starke Persönlichkeit entwickeln und eine persönliche Beziehung zum Pfleger aufbauen. Aber ist es ethisch überhaupt vertretbar, solch große Fische im Aquarium zu pflegen?
Für Laien in der Tierhaltung erscheint der Verlust der Freiheit der gehaltenen Tiere – und damit ist in erster Linie die Bewegungsfreiheit gemeint – problematisch. Die Qualität einer Tierhaltung wird von Laien darum sehr stark daran bemessen, wie groß das Gehege für das jeweilige Tier ist; im Falle der Fischhaltung entsprechend, wie groß das Aquarium ist. Dabei herrscht die Meinung vor, ein zu großes Gehege/Aquarium könne es gar nicht geben, ein Tiere fühle sich um so wohler, je weniger es das Gefühl habe, eingesperrt zu sein.
Aus wissenschaftlicher Sicht könnte diese Ansicht falscher nicht sein. Ein Tier, das wissen Tierpsychologen und erfahrene Halter, fühlt sich niemals eingesperrt, weil es geistig gar nicht in der Lage ist, seine Situation zu erfassen. Freiheit und Gefangenschaft – diese Begriffe gibt es in der Tierwelt nicht, sie sind exklusiv menschliche Vorstellungen. Für einen Oskar ist die Weitläufigkeit des Amazonas völlig bedeutungslos. Als Buntbarsch hat er sein Revier, dessen Größe hauptsächlich von der verfügbaren Nahrung abhängt und dieses Revier verlässt er normalerweise nicht.
Bei Fischen endet eine unangemessene Einschränkung der Bewegungsfreiheit schlicht und ergreifend mit dem Tode, und der tritt in einem solchen Fall sehr schnell ein. Wer unvernünftigerweise versucht, eine Fischart, die einen großen Bewegungsdrang hat, in ein zu kleines Aquarium einzupferchen, in dem es diesem Bewegungsdrang nicht ausleben kann, wird das darum schnell bereuen.
Aber wie groß muss ein Aquarium sein, damit diese Situation nicht eintritt? Es gibt weder Untergrenzen, noch Obergrenzen, die sich sinnvoll pauschal benennen lassen. Als Aufzuchtbehälter für Fischlarven können schon Gefäße mit weniger als 1 Liter Inhalt dienen und selbst mehrere Kubikmeter Inhalt fassende Aquarien können auch für nur wenige Zentimeter lange Jungtiere bestimmter Arten zu klein sein, wenn sie nicht bestimmte bauliche Eigenschaften aufweisen, die diesen Tieren das Vorhandensein einer unbegrenzten Schwimmstrecke vorgaukeln.
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Sieht man jedoch von solchen Spezialfällen einmal ab, kann man trotzdem recht gute Faustregeln aufstellen. Ein Freiwasserfisch der üblicherweise in Aquarien gepflegten Arten – konkret: Barben, Salmler, freischwimmende Welse etc., wird niemals Schaden nehmen, wenn das Aquarium etwa 10x der Körperlänge lang ist und 5x tief und hoch. Hat man also ein Meterbecken, sollte die Endgröße der darin gepflegten Fische solcher Lebensweise 10 cm nicht überschreiten. Für ruhige, wenig schwimmaktive Tiere, wie etwa viele Buntbarsche, kann man diese Maße noch einmal halbieren. Ein etwa 30 cm langer Oskar ist auch in einem Aquarium von 150 x 50 x 50 cm noch gut aufgehoben. Er wird in einem Aquarium dieser Größe weder in körperlicher noch in geistiger Hinsicht gesundheitliche Probleme bekommen; dabei ist natürlich vorauszusetzen, dass das Aquarium in technischer Hinsicht (Filterung, Einrichtung etc.) den Anforderungen eines Oskars entspricht. Dabei ist zu bedenken, dass der Stoffwechsel kleiner, im Wachstum befindlicher Fische deutlich höher ist als der Stoffwechsel eines ausgewachsenen Oskars.
Es ist also durchaus möglich, auch vergleichsweise große Fische im heimischen Aquarium zu pflegen und sich an ihnen zu erfreuen, denn es sind wirklich tolle Tiere!
Insgesamt gehören großwüchsige Buntbarsche aus Südamerika in Mitteleuropa freilich nicht unbedingt zu den beliebten Aquarienfischen. Abgesehen von der Körpergröße wühlen sie nämlich gerne, betrachten Wasserpflanzen als Bestandteil ihrer Fütterung und machen zur Fortpflanzungszeit jedem Mitbewohner des Aquariums nachhaltig klar, wer der Chef im Ring ist. Darum betrachten die meisten Aquarianer die beeindruckenden Burschen lieber im Zoo als zuhause. Oskars finden aber trotzdem immer einen Käufer.
Der seltsame Name ”Oskar“ oder „Oscar” hat sich international für diesen Buntbarsch durchgesetzt, auf deutsch bezeichnet man den Fisch als Pfauenaugenbuntbarsch.
Warum der Oscar Oscar heißt? Ehrlich gesagt, so ganz genau weiß man das nicht. Aber sicher ist, dass der Name in den USA entstand. 1936 erschien in der Fachzeitschrift ”The Aquarium” ein Aufsatz von E. W. Clarke über Astrontus. Clarke besaß ein Pärchen namens Lena und Oscar. 1949 berichtete Gene Wolfsheimer in der Zeitschrift The Aquarium Journal, dass die Aquarianer in Kalifornien Astronotus-Buntbarsche als Oscars bezeichneten (Wayne Leibel, Aquarium USA Annual 2001). Aber es ist auch denkbar, dass das Wort ”Oscar” eine Verballhornung des wissenschaftlichen Namens (also Astronotus) oder aber des Tupi-Wortes für alle möglichen größeren Buntbarsche „Acara” ist. Tupi ist die Sprache der urspünglich, vor der Ankunft der Europäer in Amerika, in Brasilien lebenden Menschen.
Ursprünglich stammen Astronotus aus Südamerika. Sie leben in den großen Strömen des Paraguay-, des Amazonas- und des Orinoko-Gebietes sowie auf dem Guyana-Schild. Überall sind sie begehrte und beliebte Speisefische. Von den sieben wissenschaftlich beschriebenen Astronotus-Arten werden derzeit nur zwei von den meisten Ichthyologen anerkannt, nämlich A. crassipinnis und A. ocellatus; eine dritte, A. zebra, unterscheidert sich allerdings so deutlich farblich von den anderen, dass an ihrer Gültigkeit kaum Zweifel bestehen. Kürzlich wurde ein neuer Name aufgestellt: der Oscar aus dem Orinoko-Einzug und dem Golf von Paria im nördlichen Südamerika wurde als A. mikoljii wissenschaftlich beschrieben (Perez Lozano et al., 2022).
Die Unterscheidung der Oscar-Arten ist ausgesprochen kniffelig und gelingt mit Sicherheit nur mit molekularbiologischen Methoden (DNS-Analyse). Allerdings ist die Jungfischfärbung von drei der nunmehr vier als gültig angesehenen Arten sehr verschieden. Den „gewöhnlichen“ Oscar, A. ocellatus, kennt man ja hinlänglich aus dem Zoofachhandel. A. crassipinnis-Jungtiere sind sehr auffällig gelb-schwarz-gefärbt („Bumble-Bee-Oskars“) und A. mikoljii ist sehr bunt. Leider wurde bisher noch kein Jungfischbild von A. zebra publiziert – zumindest kenne ich keines.
Neben A. mikoljii gibt es – molekularen Daten zufolge – noch mindestens weitere drei Arten von Oskars in Südamerika, die in der Arbeit von Perez Lozano et al. als Astronotus sp. „East“, A. sp. „Negro“ und A. sp. „Jurua“ bezeichnet werden. Bei ihnen muss freilich genau geprüft werden, ob sie nicht bereits früher beschrieben wurden und zu unrecht als Synonym geführt werden. Einfach ist die Sache aber nicht, denn Oscars wurden und werden innerhalb Südamerikas auch immer wieder als Speisefische in Gebiete gebracht, in denen sie ursprünglich gar nicht heimisch waren. Zudem kann es dadurch zu Hybriden gekommen sein, die sich auch molekularbiologisch nur schwer darstellen lassen.
Benannt wurde A. mikoljii nach Ivan Mikolji, einem begeisterten Künstler, Naturliebhaber und Erforscher Venezuelas und Kolumbiens, der auch als Zierfischexporteur tätig ist. Mikoljis Oscar wird, wie alle Astronotus-Arten, gewöhnlich 25-30 cm lang und unterscheidet sich auch bezüglich Pflege und Zucht nicht von den anderen Arten.
Die beiden oberen Bilder zeigen Wildfang-Jungtiere aus Pará.
Die ersten Oscars wurden 1929 nach Europa exportiert. Aufgrund ihrer relativen Anspruchslosigkeit und schönen Färbung gehörten sie zu den bevorzugten Großcichliden, die aus Südamerika mitgebracht wurden. Man darf ja nicht vergessen, dass der Import früher mit Schiffen erfolgte und die Tiere meist von Seeleuten im Nebenerwerb mitgebracht wurden. Das heißt, die Fische waren von Brasilien 3-4 Wochen, oft auch länger, in so genannten Fischkannen unterwegs. Wenngleich man das Know-How der damaligen Fischtransporteure nicht unterschätzen darf, eine gewisse Robustheit mussten die Fische schon aufweisen. Andererseits gelang aber auch damals schon der erfolgreiche Export von Diskus…
Bildergalerie oben: Diese sehr hübschen, jungen Bumblebee-Oscars aus Brasilien werden unter dem Namen „Astronotus crassipinnis“ angeboten. Die Art A. crassipinnis gibt es in Brasilien, aber es gibt keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob die Artzuordnung stimmt. Ich vermute, es handelt sich bei den Tieren um (Teich-)Nachzuchten. Die bildschönen Fische zeigen das typische Verhalten aller Astronotus-Kinder: sie haben ein starkes Bedürfnis, mit Artgenossen zusammen zu sein. Die auffällige Färbung aller jungen Oscars ist in Wirklichkeit eine Tarnfärbung. Die Tiere schließen sich nämlich in größeren Verbänden zusammen und schwimmen so eng beieinander, dass sie für einen potentiellen Angreifer wie ein einziger, großer Fisch aussehen. Der Verlust der Kinderzeichnung deutet sich dadurch an, dass die Tiere ihren typischen Augenfleck auf der Schwanzwurzel entwickeln. Von da an fangen die jungen Oscars an, eher einzeln (bzw. in Kleinverbänden) zu leben. Der Augenfleck dient wiederum dazu, Angreifer (die sich beim Beutemachen nach dem Auge des Opfers orientieren) in die Irre zu führen. Oscars fressen ab dieser Größe selbst am liebsten kleine Fische, nehmen aber im Aquarium auch jede andere Sorte kräftigen Futters fleischlicher Natur.
Pfauenaugenbuntbarsche gehören, wie schon weiter oben diskutiert zu den großwüchsigsten der handelsüblichen Aquarienfische und können (!) über 40 cm Länge erreichen. Das ist zwar eine Ausnahmegröße, kann aber bei uralten Tieren in Riesenbecken vorkommen. Fast alle im Handel befindlichen Tiere sind Nachzuchten aus Südostasien. Wildfänge werden nur sehr selten angeboten und sind dann auch immer als solche ausgezeichnet.
Wer ein Aquarium von 150 bis 200 cm Kantenlänge zur Verfügung hat, sollte unbedigt auch einmal Oscars darin pflegen. Diese Tiere sind nämlich ausgesprochen zutrauliche und viel Freude bereitende Tiere., hinzu kommt, dass sie mit jedem Zentimeter, den sie wachsen, schöner werden. In kleineren Aquarien machen sie allerdings oft Ärger, da Oscars nun einmal Buntbarsche sind und einen Individualbereich ziemlich energisch verteidigen. Da Astronotus auch in kleineren Aquarien schnell auf 15-20 cm Länge heranwachsen ist ein Meterbecken zwar für einen einzelnen Oscar nicht zu klein, nur darf kein anderer Fisch darin wohnen. Darum sollte man lieber auf den Kauf von Pfauenaugenbuntbarschen verzichten, wenn kein wirklich großes Aquarium vorhanden ist.
Oscars sind Offenbrüter, laichen also auf Steinen oder Wurzeln etc. ab und bilden eine Elternfamilie, Männchen und Weibchen kümmern sich gleichberechtigt um Eier und Jungfische – oft mehr 1.000 pro Brut! Man kann die Geschlechter nur schwer unterscheiden (Weibchen bleiben kleiner und haben ein spitzeres Kopfprofil), am besten lässt man sich ein Pärchen aus einer Jungfischtruppe selbst finden.
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Dass die Zucht von Oscars in Deutschland gewöhnlich nicht betrieben wird, hat durchaus seinen Grund. Bis man die gefräßige Brut auf Verkaufsgröße hat, haben die Tiere nämlich schon mehr an Arbeitszeit, Strom und Wasser gekostet (vom Futter ganz zu schweigen) als sie einbringen. Aber wenn seltene Wildfänge hereinkommen – wie z.B. der spektakuläre Zebra-Oscar – sieht die Sache schon anders aus, dann ist der Ehrgeiz der echten Aquarianer geweckt und die pekuniären Fragen rücken in den Hintergrund!
Frank Schäfer
Zitierte Literatur:
Perez Lozano A, Lasso-Alcalá OM, Bittencourt PS, Taphorn DC, Perez N, Farias IP (2022): A new species of Astronotus (Teleostei, Cichlidae) from the Orinoco River and Gulf of Paria basins, northern South America. ZooKeys 1113: 111–152. https://doi.org/10.3897/zookeys.1113.81240
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