Dank der vergleichenden Anatomie wissen wir heutzutage so einiges über die Verwandtschaftsverhältnisse im Tierreich. Manches davon ist verblüffend. Wer denkt schon beim Anblick eines Klippschliefers, eines Tieres, das wie ein fettes Murmeltier aussieht, dass man hier einen unmittelbaren Verwandten der Elefanten vor sich hat? Einen ähnlichen Größenunterschied findet man bei den Fahnenbarschen und ihren nächsten Verwandten.
Die Fahnenbarsche (Anthiinae) sind eine Gruppe relativ kleinwüchsiger Fische, die meist atemberaubend bunt gefärbt sind. Man unterscheidet derzeit etwa 22 Gattungen mit zusammen fast 250 Arten. Alle Arten leben im Meer. Sie sind tatsächlich die nächsten Verwandten der Zackenbarsche (Epinephelinae), deren größter Vertreter immerhin gut 3 m lang und über 400 kg schwer werden kann. Zusammen mit diesen und den Serraninae bilden die Fahnenbarsche die Familie der Serranidae.
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Schwarmfische
Doch unterscheiden sich die Fahnenbarsche nicht nur äußerlich stark von ihren großen Vettern, auch ihr Verhalten ist völlig anders. Die Zackenbarsche sind nämlich sehr unverträgliche Einzelgänger, die man im Aquarium nur mühselig und mit viel Geduld aneinander gewöhnen kann, die Fahnenbarsche dagegen sind Schwarmfische. Man sollte immer versuchen, Fahnenbarsche in Gruppen zu pflegen. Dann zeigen sie ihr volles Verhaltensspektrum und auch ihre ganze Farbenpracht.
Protogyne Zwitter
Etwas aber haben die Fahnenbarsche und die Zackenbarsche gemeinsam: sie beginnen ihr Leben als Weibchen und beenden es als Männchen. Sie sind Zwitter und Arten mit dieser Reihenfolge der Geschlechtsumwandlung nennt man protogyn, beginnt ein Zwitter sein Leben als Männchen und verwandelt sich dann in ein Weibchen, nennt man das protandrisch. Zwitter, die gleichzeitig Männchen und Weibchen sind, nennt man funktionelle Zwitter, aber das kommt nur recht selten vor. Der Sinn einer protogynen Zwittrigkeit liegt auf der Hand. Ein Männchen kann den Laich vieler Weibchen befruchten. Da die Überlebenswahrscheinlichkeit ständig sinkt, je älter ein Tier wird, reicht es bei protogynen Zwittern, wenn nur ein Tier von vielen es zum Männchen schafft. Die Arterhaltung ist trotzdem gesichert. Fischarten mit protandrischem Zwittertum findet man darum auch nur vergleichsweise selten.
Ein Leben in Haremsverbänden
Ein Fahnenbarsch-Schwarm besteht zahlenmäßig stets aus viel weniger Männchen als Weibchen. Die Männchen imponieren untereinander heftig, was aber kaum zu Beschädigungskämpfen ausartet, sondern eher dazu dient, den Weibchen zu zeigen, was für ein toller Hecht man ist. Denn die Weibchen entscheiden bei den Fischen gewöhnlich, welches Männchen sich mit ihnen paaren darf.
Wenn man die Möglichkeit dazu hat, sollte man sich ein bis mehrere Männchen (das hängt natürlich von der Aquariengröße ab) und pro Männchen drei bis fünf Weibchen anschaffen. Leider werden aber häufiger Männchen als Weibchen exportiert, weil die Männchen viel schöner sind. Sie sind farblich attraktiver und besitzen größere Flossen.
Aber auch wenn es beim Händler nur Männchen gibt, sollte man lieber mehrere Exemplare erwerben. Denn derart soziale Tiere, wie es die Fahnenbarsche nun einmal sind, verkümmern geistig, wenn sie ohne Artgenossen gepflegt werden. Kauft man zwei Männchen, besteht das Risiko, dass eines der Tiere über das andere dominiert und das unterlegene Exemplar mittelfristig an den Folgen des permanenten negativen Stresses stirbt. Besser ist immer ein Trupp von mindestens fünf Exemplaren (wenn es die Aquariengröße zulässt), dann bildet sich ein komplexes Sozialgefüge, das zu beobachten viel Freude bereitet und sehr lehrreich ist.
Fahnenbarsche betreiben keinerlei Brutpflege, sie geben ihre Geschlechtsprodukte einfach frei ins Wasser ab, wo sich die befruchteten Eier im Plankton entwickeln. Diese Strategie ist scheinbar sehr erfolgreich, denn Fahnenbarsche zählen zu den häufigsten Fischen im Riff.
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Planktonfresser
Anders als ihre großen Vettern, die Zackenbarsche, die Raubfische sind, sind die Fahnenbarsche spezialisierte Planktonfresser. Als Plankton bezeichnet man alle frei im Meer lebenden Organismen. Das größte Planktontier ist demnach der Blauwal, der gleichzeitig das größte Tier auf Erden ist. Umgangssprachlich nimmt man das aber nicht so genau und bezeichnet als Plankton vor allem Kleinlebewesen.
Fahnenbarsche schnappen also so ziemlich nach allem, was frei im Wasser treibt und in das Maul passt. Die Eingewöhnung empfindlicher Arten muss manchmal mit Lebendfutter erfolgen, vor allem dann, wenn die Tiere sehr scheu sind. Sie haben dann so viel Angst vor dem Pfleger, dass das Frost- oder Trockenfutter längst verschwunden ist, bis sie sich wieder beruhigt haben. Einmal eingewöhnt, fressen aber fast alle Fahnenbarsche problemlos tote Futtermittel, wie das eben erwähnte Frost- oder Trockenfutter.
Trotzdem gelten Fahnenbarsche vielen Aquarianern als schwierige Pfleglinge. Warum das?
Diese Fische brauchen mehrmals täglich Futter, um gesund zu bleiben, da sie nicht in der Lage sind, Futter auf Vorrat zu fressen. Aber wer kann schon 5-7 mal täglich füttern? Ganz einfach, ein Futterautomat.
Hat man Fahnenbarsche, die Trockenfutter fressen, so kann man ihnen über einen Futterautomaten die Form der Ernährung bieten, die diese Planktonfresser brauchen.
Leider wird bei Futterautomaten und beim Trockenfutter viel falsch gemacht. Trockenfutter, egal ob als Flocken oder Granulat, sind empfindliche Lebensmittel, die kühl, dunkel und luftgeschützt aufbewahrt werden müssen. Sonst oxydieren die kostbaren ungesättigten Fettsäuren, werden Vitamine von Licht und Wärme zerstört, greifen Bakterien und Pilze die Kohlenhydrate und Eiweiße an. Man sollte also dieses Futter am besten im Kühlschrank aufbewahren und den Futterautomaten im Idealfall täglich frisch befüllen.
Eine angebrochene Futterdose sollte spätestens nach vier Wochen aufgebraucht sein. Wer nur größere Gebinde kaufen kann, sollte die Hauptmenge einfrieren.
Wenn man jetzt noch morgens und abends mit Frostfutter füttert, sind Fahnenbarsche nicht nur wunderschöne, sondern auch ziemlich problemlose Pfleglinge, die durch ihre Farbenpracht und ihr interessantes Sozialverhalten immer wieder begeistern.
Frank Schäfer
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