Eine für alle: Neocaridina heteropoda

Zwerggarnelen der Gattungen Caridina und Neocaridina sind die Modetiere der Aquaristik des 21. Jahrhunderts. Als Uwe Werner 1998 das erste Buch überhaupt zu dem Thema „Garnelen, Krebse und Krabben im Süßwasseraquarium“ im Aqualog-Verlag publizierte, kannte man zwar schon ein paar Arten im Hobby. Jedoch war es kaum möglich, gesicherte Informationen über die damals mehr oder weniger pauschal als Bienen- oder Hummelgarnelen importierten Tierchen zu erhalten.

Das hat sich in den letzten knapp 20 Jahren gründlich geändert. Zwar ebbt der ganz große Hype um die Garnelen zwischenzeitlich etwas ab und vor allem haben sich die Preise auf ein angemessenes Niveau gesenkt; dadurch wird die Garnelenpflege wieder ein Hobby für breite Schichten und bleibt kein Thema für Aquarioten – eine Entwicklung die nur zu begrüßen ist. Dass für Tiere oder Pflanzen in der Liebhaberei teilweise unvernünftig hohe Preise bezahlt werden, ist übrigens keine Erfindung der Neuzeit. Es sei nur an die Tulpenmanie der Jahre 1620-1637 in den Niederlanden erinnert, deren Zusammenbruch schließlich sogar eine Art Weltwirtschaftskrise auslöste. Damals wurde für bestimmte Tulpenzwiebeln so viel bezahlt, wie das teuerste Haus an einer Amsterdamer Gracht kostete…

Wunder der Anpassungsfähigkeit

Was die Zwerggarnelenzucht so interessant macht, ist die große Wandelbarkeit der Tierchen in menschlicher Obhut in Verbindung mit einem sehr raschen Generationswechsel. Das Maximalalter einer Zwerggarnele liegt bei etwa 1,5 Jahren und die Weibchen von Neocaridina heteropoda produzieren bei Temperaturen über 18°C nahezu ununterbrochen Gelege. Jedes Gelege umfasst ca. 20-50 Eier und wird vom Muttertier bis zum Schlupf der Jungen an den Beinen (Pleopoden) des Hinterleibes angeheftet herumgetragen und so beschützt. Bereits in freier Natur sind viele Zwerggarnelen äußerst variabel gefärbt. Ich erinnere mich an einen Fall, da ein Karlsruher Züchter bei einem Züchterfreund Zwerggarnelen sah, die er nie zuvor gesehen hatte. Er bat den Züchterfreund um ein paar Exemplare und erfuhr, dass es sich bei den Tiere um seine eigenen Nachzuchttiere handelte, die er dem Züchterfreund einige Monate zuvor überlassen hatte. So veränderlich sind diese Garnelen! Neocaridina heteropoda ist ursprünglich aus Ostchina bekannt, zwischenzeitlich aber auch in verschiedene andere Teile der Welt verschleppt worden. Ihre leichte Vermehrbarkeit in Verbindung mit einer großen Toleranz gegenüber den unterschiedlichsten Wasserzusammensetzungen ließ sie als Futtertier in der Aquakultur besonders geeignet erscheinen. Von hier aus entwich die kleine Garnele – man möchte sagen, selbstverständlich – früher oder später und bildete freilebende Kolonien. Heute findet man sie in weiten Teilen Chinas, Japans und Taiwans, ferner auf Hawaii. Die im Hobby verbreiteten Tiere sollen ursprünglich aus Taiwan stammen. Da Neocaridina heteropoda auch in Deutschland ganzjährig im Freien überleben kann, sollte man peinlichst darauf achten, dass keine Tiere in die freie Natur gelangen. Wer absichtlich oder unabsichtlich Tiere aussetzt – egal ob Hunde, Katzen, Vögel oder Aquarienbewohner – macht sich strafbar, auch daran sollte man denken.

Blood Red Variante von Neocaridina heteropoda, vorne das Weibchen, hinten das Männchen.

Mit Cherry Red fing alles an

Neocaridina heteropoda ist in der Natur so variabel gefärbt, dass man sie an der Farbe nicht erkennen kann. Das Spektrum reicht von Schwarz bis Transparent, dazwischen gibt es Grün-, Braun- und Rottöne. Auch bläuliche Tiere kommen vor. Aber wenn es so etwas wie eine eiserne Regel bei der Zucht von Ziertieren gibt – seien es jetzt Kanarienvögel, Goldfische oder eben Zwerggarnelen – wenn es die Möglichkeit gibt, sie in der Farbe „Rot“ zu züchten, wird das auch gemacht. Und so entstand schnell die Zuchtform Cherry Red (also „kirschrot“), die Neocaridina heteropoda bald zur populärsten Zwerggarnele überhaupt machte. Noch intensiver wurde die Färbung bei der „Fire Red“ (also „feuerrot“). Allmählich gab man dem Tierchen aber nun auch schon despektierliche Beinamen, wie „Guppygarnele“, womit man ausdrücken wollte, diese Garnele könne man ebenso wenig wie den Guppy daran hindern, sich fortzupflanzen. Nun, das ist beim Guppy allerdings Blödsinn. Solche Behauptungen können nur Menschen machen, die sich nie mit der Zucht von Guppys auseinandergesetzt haben. Aber es gab und gibt auch gegenläufige Strömungen. So wurde für rote Neocaridina heteropoda, bei denen auch die Beinchen schön rot sind, die japanisch klingende Bezeichnung „Sakura“ geprägt, was an die Bezeichnungen bei Koi erinnern soll oder an die Klassifizierung bei Crystal Red-Garnelen. So etwas wertet ungemein auf.

Diese hübsche Variante von Neocaridina heteropoda wird “Rili”genannt. Das Bild zeigt ein eiertragendes Weibchen.

Kein Ende in Sicht

Neben den roten werden aber zwischenzeitlich auch quietschgelbe Neocaridina heteropoda gezüchtet. Eine sehr hübsche Variante ist die rot-weiß-gescheckte „Rili“-Form. Sie wurde vermutlich in Taiwan erzüchtet und wird auch gelegentlich als „Kohaku“ Shrimp bezeichnet. Wieder eine Reminiszenz an Koi… Die Rili-Garnele ist erbrein und genauso zu pflegen und zu züchten, wie die altbekannte Cherry Red. Das bedeutet im Klartext: Man sollte die Tiere möglichst in Gruppen von 10 oder mehr Exemplaren pflegen; eine möglichst strukturreiche Unterwasserlandschaft sollte geboten werden, also Pflanzen, Totholz, totes Laub, größere Kiesel etc.; der Bodengrund sollte aus mittelgrobem Kies (Körnung 3-6 mm) bestehen, damit viele Jungtiere, die anfangs bodenorientiert leben, Deckung finden; die Wasserparameter bezüglich Härte und pH-Wert sind nebensächlich, so lange Extreme vermieden werden; die Wassertemperatur kann zwischen 4 und 28°C liegen, allerdings sind abrupte Temperaturschwankungen zu vermeiden; die Fütterung sollte mit Zierfischfutter (am besten Tablettenfutter) als Nahrungsgrundlage erfolgen. Männchen und Weibchen von Neocaridina heteropoda unterscheiden sich deutlich in der Körperform, ich verweise in diesem Zusammenhang auf die den Beitrag begleitenden Bilder. Einen gut eingeführten Populärnamen hat Neocaridina heteropoda übrigens nicht. Gelegentlich wird „Rückenstrich-Zwerggarnele“ verwendet, doch ist der Name wenig diagnostisch, weil es einerseits auch andere Arten mit Rückenstreifen gibt, andererseits einige Farbvarianten von N. heteropoda gar keinen Rückenstrich aufweisen.

Kennen Sie schon „Alles über Garnelen, Krebse & Krabben im Süß- und Brackwasseraquarium und Paludarium“ aus dem Hause Aqualog?

Männchen der “Rili”-Variante. Männchen erkennt man an dem schlanken Hinterleib.


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Ein Kommentar zu “Eine für alle: Neocaridina heteropoda

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