Die am häufigsten im Zoofachhandel angebotenen Krabbenarten, nämlich Rote Mangrovekrabben, Afrikanische Landkrabben und viele Winkerkrabben, entstammen der Mangrove. Man muss einige Besonderheiten bei der Einrichtung des Behälters beachten, um dauerhaft Freude an seinen Pfleglingen zu haben.
Als „Mangrove“ bezeichnet man eine bestimmte Waldformation, die sich an den Küsten tropischer Meere findet. Innerhalb dieses Waldes, der sehr stark von den Gezeiten des Meeres geprägt ist, gibt es ein gewaltiges Nährstoffangebot. Während der Flut spült das Meer massenhaft Tier- und Pflanzenmaterial in die Mangrove, das beim Zurückweichen des Wassers während der Ebbe in der Mangrove verbleibt. Dieses Nahrungsangebot nutzen u.a. verschiedene Krabbenarten. Zusätzlich nutzen die Krabben das abgefallene Laub der Mangrovenbäume und spielen im Ökosystem der Mangrove eine extrem wichtige Rolle als Destruenten, vergleichbar der der Regenwürmer in unseren Wiesen. Was ich hier „Mangrovekrabben“ nenne, hat aus systematischer Sicht nicht viel miteinander zu tun. Diese Krabben haben jedoch alle eine ähnliche Lebensweise. Die Flut verbringen sie meist gut versteckt, oft in selbstgegrabenen Röhren, die auch als Fluchtmöglichkeiten während der Ebbe genutzt werden können. Arten, die kaum noch über Kiemen atmen können, laufen dabei Gefahr, während der Flut zu ertrinken. Oft lösen sie das Problem dadurch, dass sie ihre Höhlen so geschickt mit Schlick verschließen, dass ein Luftvorrat in der Höhle verbleibt, auch wenn die Flut die Höhle bereits erreicht hat und das Wasser über dem verschlossenen Höhleneingang steht. Andere Arten, wie die beliebte Cardisoma armatum, haben zwei Atmungssysteme, eines, das sie unter Wasser zum Atmen verwenden (Kiemen) und eines, das sie an Land verwenden („Lunge“). Mit der Flut kommen eine Vielzahl von Meerestieren in die Mangrove, wo sie von dem bereits erwähnten Nährstoffreichtum nutznießen. Für die Krabben eine gefährliche Zeit, denn für viele dieser Tiere stellen sie eine schmackhafte Nahrungsergänzung dar. Fällt die Mangrove dann bei Ebbe trocken, wagen sich die Krabben aus ihren Verstecken. Auch jetzt ist es alles andere als sicher für sie, denn obwohl Krabben gut gepanzert sind und mit ihren Scheren schmerzhaft zwicken, sind ihre Fressfeinde Legion. Millionenfach werden daher täglich Mangrovekrabben der unterschiedlichsten Arten Opfer von Fressfeinden wie Stelzvögeln, Affen, Schlangen oder Echsen. Wie häufig diese Krabben trotzdem vorkommen mag man daran ermessen, dass sich z.B. der bis zu 130 cm lange Dumeril-Waran (Varanus dumerilii) auf Krabben als Nahrung spezialisiert hat. Und im indischen Bhitarkanika National Park werden die 3-4 m langen Zuchttiere des „Muggers“ oder Sumpfkrokodils (Crocodylus palustris) mir Mangrovekrabben ernährt…
Mangrovekrabben müssen nicht nur auf Ebbe und Flut flexibel reagieren können, sondern auch mit stark schwankendem Salzgehalt ihres Umgebungswassers klarkommen. Während der oft sturzbachartigen Regenfälle in den Tropen geraten die Tiere schnell von reinem Süßwasser in reines Meerwasser und umgekehrt. Besonders nährstoffreich und damit als Lebensraum besonders begehrt sind Mangroven dort, wo Flüsse ins Meer münden. Denn hier sterben nicht nur die Organismen ab, die während des Ebbe den Weg ins Meer nicht mehr finden, sondern sämtliche reinen Süßwasserorganismen, die das Salz des Meeres nicht vertragen und sämtliche Meerestiere, die mit Süßwasser nicht klarkommen. Für Allesfresser, wie es die Krabben sind, ein Schlaraffenland. Und so kommen sie in ungeheurer Zahl vor, trotz all der Fressfeinde, die sie bedrohen.
Obwohl die aus der Mangrove stammenden Arten mit stark schwankenden Umweltbedingungen zurechtkommen müssen, empfiehlt sich die Nachahmung dieser schwankenden Faktoren im heimischen Aqua-Terrarium – und ein solches braucht man für die Pflege und Zucht von Krabben aus der Mangrove – nicht. Im Gegenteil, oberstes Ziel ist das Erreichen eines möglichst stabilen Milieus im Wasserkörper. Aquaristik ist im wesentlichen Bakterienkultur. Und die Bakterien, die das Wasser für die Krabben in einem Zustand halten, dass die Krabben darin überleben können, reagieren sehr empfindlich auf Schwankungen z.B. im Salzgehalt des Wassers. Man sollte sich also bei der Pflege von Krabben aus der Mangrove am besten von vornherein für Brackwasser (etwa 15 ‰, also ca. 15 g Salz pro Liter Wasser) im Wasserteil des Aqua-Terrariums entscheiden. Der Mehraufwand gegenüber der Pflege in Süßwasser ist vernachlässigbar gering (man braucht lediglich Salz für Meerwasseraquarien und einen Dichtemesser, Aräometer genannt), die Vorteile jedoch ungeheuer.
Erstens ist die physiologische Giftwirkung von Stickstoffverbindungen wie Nitrat und Nitrit im Brackwasser deutlich geringer, als im Süßwasser. Zweitens kommen mit Brackwasser sowohl Individuen zurecht, die in Süßwasserregionen, wie auch solche, die in Meerwasserregionen gefangen wurden. Man schaltet also bei Neuerwerbungen, bei denen die Populationszugehörigkeit und somit die spezifischen Anpassungen an ein Mikroklima innerhalb der Mangrove ja meist unbekannt sind, die meisten Risiken aus.
Nun wird der eine oder andere Leser einwenden, dass er seine Cardisoma armatum oder Rote Mangrovekrabben schon geraume Zeit und bei offensichtlichem Wohlbefinden der Tiere in reinem Süßwasser pflegt. Ich sage auch nicht, dass das nicht geht. Es ist nur einfach so, dass, ähnlich wie bei Brackwasserfischen (mit denen wesentlich mehr Erfahrungen vorliegen, verglichen mit der Krabbenpflege), die in Brackwasser gepflegten Tiere langfristig wesentlich lebenstüchtiger sind als die Exemplare der gleichen Art, die in Süßwasser gepflegt werden.
Bei der Einrichtung kommen nur PVC-Röhren und Steine in Frage, da Wurzelholz im Brackwasser schnell fault. Eine Bepflanzung dürfte kaum möglich sein, da Pflanzen einerseits gefressen werden, andrerseits es nur ganz wenige im Handel erhältliche Gewächse gibt, die im Brackwasser gedeihen. Wer partout nicht auf Pflanzen verzichten will, der kann sein Glück mit Cryptocoryne ciliata versuchen. Diese bis zu 50 cm hoch werdende Pflanze gehört zu den Aronstabgewächsen. Sie kann sowohl unter- wie auch aufgetaucht wachsen und verträgt einen Salzgehalt bis hin zu vollem Seesalzgehalt des Meerwassers. Dabei sind ihre Lichtansprüche nur mäßig.
Eine Ebbe-Flut-Anlage hat sich bislang für die Pflege und Zucht als nicht notwendig erwiesen. Auch Arten wie die Winkerkrabben, deren natürlicher Lebensrhythmus extrem an die Gezeiten angepasst ist, gewöhnen sich rasch an einen einheitlichen Wasserstand.
Ein Landteil grenzt man am besten mit durch Silikon eingeklebte Glasstreifen von 10-15 cm Höhe ab. Höher braucht der Wasserstand nie zu sein. Nach unten wird der Glasstreifen aber nicht an die Bodenscheibe angeklebt, sondern man lässt einen etwa 5 mm breiten Spalt zwischen Bodenscheibe und Glasstreifen frei. Den Landteil füllt man zu 2/3 der Höhe mit Filtermatten aus, die man ganz genau einpasst. In die Filtermatten schneidet man jetzt die Löcher für die PVC-Röhren und setzt die Röhren ein. Eine Förderpumpe wird in eine ausgeschnittene hintere Ecke eingepasst. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Pumpe jederzeit zu Reinigungszwecken herausgenommen werden kann. Am einfachsten macht man das, indem man um die Pumpe ein Gehäuse aus mit Bohrlöchern versehenen Acrylglasscheiben bastelt. So kann man die Pumpe auch am besten vor den Krabben sichern. Nun füllt man das Landteil mit Sand auf. Eine Schicht feiner Filterwatte auf den Filtermatten verhindert, dass der Sand in die Filtermatten einsickert. In den Wasserteil füllt man 2 cm hoch Sand ein. Den Übergang vom Wasser- zum Landteil kaschiert man mit Steinen, die man auch zur Gestaltung des Landteils benutzen kann.
Mit dieser Konstruktion bewirkt man, dass der gesamte Landteil als Filter für das Paludarium dient. Angesaugt wird das Wasser über den schmalen Spalt zwischen Bodenscheibe und Glasstreifen, steigt durch die Filtermatten nach oben und wird dabei mechanisch und bakteriell gereinigt.
Das fertig eingerichtete Paludarium wird zunächst 6 Wochen ohne Tierbesatz betrieben. Damit die Bakterien, die sich bilden sollen, Nährstoffe vorfinden, streut man eine kleine Menge Trockenfutter für Zierfische (je 30 Liter etwa eine Fingerspitze voll) bereits am ersten Tag der Einrichtung ins Wasser. Das Wasser muss selbstverständlich von Anfang an Brackwasser sein! Manchmal wird das Wasser trübe, das gibt sich aber binnen weniger Tage. Bevor man Tiere einsetzt, muss der Nitrit-Gehalt gemessen werden. Er sollte deutlich unter 0,3 mg/l liegen, sonst muss man nochmals warten. Als Indikatorfische, ob mit dem Wasser alles in Ordnung ist, kann man Black Mollies (Poecilia sp.) ins Wasserteil einsetzen. Von diesen Fischen darf man 1 Pärchen je 50 Liter Wasser ab dem dritten Tag nach der Einrichtung des Paludariums einsetzen, vorausgesetzt, das Wasser ist nicht trübe geworden. Sonst muss man warten, bis das Wasser klar ist, bevor man die Indikatorfische einsetzen kann. Mollies reagieren sehr empfindlich auf schlechtes Wasser und zeigen das durch schaukelnde Schwimmbewegungen und Klemmen der Flossen an. Bei der angegebenen Fischdichte braucht kaum gefüttert zu werden. Die Mollies fressen Algen und anderen Aufwuchs, der sich schnell an den Scheiben und auf dem Boden bilden wird. Eine einmalige Fütterung täglich mit Trockenfutter, bei der nur so viel gefüttert wird, dass die Fische es binnen 5 min. restlos aufgefressen haben, reicht völlig aus.
Eine weitere Vergesellschaftung mit Fischen ist im Mangroven-Paludarium nur dann zu empfehlen, wenn man relativ kleine Krabbenarten, wie Winkerkrabben oder kleinbleibende Rote Mangrovekrabben pflegt. Die großen Cardisoma armatum und ähnliche Arten werden sich bei Gelegenheit nicht scheuen, einen Fisch als Zusatzmahlzeit zu sich zu nehmen. Auch bei den Mollies muss man damit rechnen, dass das eine oder andere Exemplar bei Nacht zum Opfer dieser ewig fressbereiten Krabben wird. Umgekehrt sind Kugelfische völlig ungeeignet zur Vergesellschaftung mit Krabben, denn diese Fische sehen in den Krabben eine Delikatesse. Auch großwüchsige Schlammspringer, wie der häufig im Handel befindliche Periophthalmus barbarus gehören nicht ins Krabben-Paludarium. Diese intelligenten Fische überfallen die Krabben vorzugsweise, wenn diese sich gehäutet haben und völlig wehrlos sind.
Frank Schäfer
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