Die Systematik der Gattung Axelrodia ist nur sehr unbefriedigend geklärt. So ist nicht völlig klar, ob das abgebildete Tier tatsächlich zur Art A. stigmatias gehört oder zu A. riesei oder zu einer unbeschriebene Hyphessobrycon-Art. Aber das soll hier gar nicht das Thema sein. Vielmehr geht es um die abweichende Färbung. Normalerweise ist Axelrodia stigmatias – importiert wird die Art hauptsächlich aus Kolumbien, es gibt sie aber auch in Brasilien, es handelt sich um einen typischen Begleitfisch des Roten Neon (Paracheirodon axelrodi) – zart rot oder gelblich gefärbt. Warum ist dieser hier golden?
Solche Goldstücke gibt es unter sehr vielen Salmler-Arten. Eine wurde sogar als eigene Art beschrieben, der Messingsalmler Hemigrammus armstrongi aus Guyana. Bei diesem Fisch ist die Goldfärbung in der Natur viel häufiger als die Normalfärbung. Erst als man die schönen Tiere im Aquarium nachzüchtete, stellte man enttäuscht fest, das unter den Nachkommen vom Goldglanz gar nichts zu sehen ist. Es sind ganz normale Hemigrammus rodwayi, ein so wenig farbenfroher Fisch, dass er noch nicht einmal einen gebräuchlichen Populärnamen hat.
Weitere Forschungen ergaben, dass der Goldglanz durch die Infektion mit Würmern hervorgerufen wird. Diese Würmer sind im Grunde harmlose Schmarotzer, die einen Wirtswechsel machen. Die erwachsenen Würmer leben in fischfressenden Vögeln. Mit dem Kot der Vögel werden die Wurmeier ausgeschieden, kleine Fische – hauptsächlich wohl Salmler – fressen den Kot und infizieren sich. Die Wurmlarven schlüpfen im Darm der Fische, wandern in die Haut und verkapseln sich hier. Das macht den Fischen nichts weiter aus, hat aber zur Folge, dass sich unter der Haut der Fische der Goldglanz bildet. Dadurch werden infizierte Artgenossen farblich auffälliger als nicht infizierte, die Wahrscheinlichkeit, dass sie von einem fischfressenden Vogel erbeutet werden, steigt gewaltig an. Zudem ändert sich das Verhalten der infizierten Fische: sie sind weit weniger scheu und fluchtbereit als nicht infizierte Artgenossen. Und genau das „will“ der Wurm erreichen. Denn erst im Endwirt, dem Vogel, kann er sich fertig entwickeln und seinerseits für Nachwuchs sorgen. Wahrscheinlich ist das verminderte Fluchtverhalten auch der Grund dafür, dass die goldenen Salmler bei manchen Arten (Hemigrammus rodwayi, Hyphessobrycon saizi) in großen Mengen Mengen gefangen werden können und viel häufiger als die nicht-infizierte Form auf den Zierfischmarkt kommen.
Unter Axelrodia stigmatias sind Goldstücke extrem selten, das fotografierte Exemplar ist das erste, das jemals dokumentiert wurde. Es schwimmt jetzt, zusammen mit einigen anderen Salmlern, in der Schauanlage von Aquarium Glaser. Die Chancen, dass es ein hohes Alter erreicht, sind gut, denn im Aquarium sind die goldenen Fische gegenüber normal gefärbten Tieren in keinster Weise benachteiligt und können auch genau so alt werden, wie Artgenossen, die nicht mit Würmen infiziert sind.
Frank Schäfer
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