Es mag überraschen, aber Schleimfische gehören für mich nach wie vor zu den geheimnisvollen Flossenträgern in Riff und Aquarium. Zwar hat Wickler schon 1965 detaillierte Verhaltensweisen zu Ecsenius bicolor veröffentlicht, doch mag man den Eindruck gewinnen, dass die versteckte Lebensweise diese schuppenlosen Wasserbewohner seit jener Zeit nur wenig zu ihrer Biologie offenbart haben.
Warum heißen Schleimfische so?
Schleimfische tragen ihren Namen deshalb, weil ihr Körper statt von Schuppen mit einer dicken Schleimschicht überzogen ist, die sie ziemlich widerstandsfähig gegen ektoparasitären Befall macht. Man nimmt heute sogar an, dass der Schleim viele Substanzen mit antibakterieller und fungizider Wirkung enthält. Die eigentliche Aufgabe der Schleimhaut liegt in der Reduzierung des Verletzungsrisikos, da Blenniiden zwischen scharfkantigen Steinen, Korallenbruch und den Ästen messerscharfer Steinkorallen leben. Durch die dicke Schleimschicht können sie sich ungefährdet durch das Gestein und die Korallenäste bewegen. Hätten sie hingegen Schuppen, würden sie immer wieder mit diesen hängen bleiben und sich verletzen. Schleimfische lassen sich in drei Kategorien einteilen:
– die Boden bewohnenden, vornehmlich herbivor lebenden Arten; hierher gehört Escenius lividanalis
– die freischwimmenden, friedfertigen Arten
– die räuberischen, ebenfalls freischwimmenden Arten.
Boden bewohnende Schleimfische
Aufgrund ihres natürlichen Nahrungserwerbs werden Boden bewohnende Schleimfische gern im Riffaquarium gepflegt. Sie befreien die Dekoration und die Aquarienscheiben von Aufwuchs, solange dieser kurz ist. Fadenalgen werden nicht gefressen. Das Gebiss der Schleimfische ist für Raspeln ausgelegt und nicht auf das Abbeißen oder Abreißen von längeren Algen. Zahlreiche Boden bewohnende Schleimfische sind gegenüber Fischen, sowohl der eigenen Art als auch fremden Arten, die der gleichen Nahrungsaufnahme nachgehen, überraschend aggressiv. Immer wieder wird auch berichtet, dass sich Schleimfische an Korallen gütlich tun.
Blenniiden lernen im Aquarium schnell, Ersatznahrung anzunehmen und diese aus dem freien Wasser zu fischen. Die Zufütterung von Frost- und Flockenfutter ist unabdingbar, da eine ausschließliche Ernährung durch Aufwuchs auf die Dauer nur selten ausreicht. Einige Arten warten mit Geschlechtsmerkmalen auf, die es erlauben, eine paarweise Vergesellschaftung vorzunehmen. Bei Ecsenius bicolor besitzen die Männchen zu Spitzen ausgezogene Schwanzflossen. Allerdings können diese, als Fähnchen bezeichneten Flossenverlängerungen, während des Transports abbrechen und ein als Weibchen erworbenes Tier stellt sich dann im Aquarium überraschend als Männchen heraus. Die Vergesellschaftung zweier Männchen ist meiner Erfahrung nach zumindest bei Boden bewohnenden Schleimfischen dauerhaft kaum möglich und ein Geschlechtswechsel ist bis dato nicht beschrieben oder von zuverlässiger Seite beobachtet und zur Diskussion gestellt worden. Dass alle Schleimfische zahlreiche Unterschlupfmöglichkeiten benötigen, versteht sich von selbst. Ein eingerichtetes Riffaquarium sollte diese reichlich bieten.
Ecsenius lividanalis Chapman & Schultz, 1952
In den letzten Jahren sind neben Ecsenius bicolor, die bei Aquarianern bekannteste Schleimfischart, der Riffaquaristik weitere Arten zugänglich gemacht worden. Dazu gehören Ecsenius lividanalis, E. gravieri und E. bimaculatus. Bedenkt man allerdings, dass derzeit in dem Integrated Taxonomic Information System (ITIS) 51 Arten der Gattung genannt werden, ist die Anzahl der für die Aquaristik eingeführten Ecsenius gering. Ecsenius lividanalis heißt im Angelsächsischen Blackspot Blenny. Abgeleitet wurde der Trivialname von den schwarzen Flecken im Bereich der Anale. Die Kenntnis dieses Merkmals ist insofern wichtig, da es einige andere, ähnlich farbige Schleimfische gibt, mit denen E. lividanalis sonst verwechselt werden könnte. E. namiyei (Jordan & Evermann, 1902) sei hier als Beispiel genannt.
Das Verbreitungsgebiet von Ecsenius lividanalis erstreckt sich laut Allen et al. (2003) im Norden bis Taiwan und im Osten von Indonesien, den Philippinen bis hinüber zu den Salomonen. Auch vor den Riffen der Molukken lebt diese Art. Im Juli 2006 hatte ich das Glück drei dieser Schleimfische, von den Philippinen stammend, erwerben zu können, ohne allerdings zu wissen, wie die Geschlechterverteilung war.
Aquarienbeobachtungen
Hoffend, dass Ecsenius lividanalis sich als Gruppe in meinem Riffaquarium einleben würde, war ich zunächst von der Keckheit der Fische überrascht. Ohne Scheu besiedelten sie das Aquarium und schienen soweit zu harmonieren, dass jeder die Reviergrenzen des anderen respektierte. Es fiel allerdings auf, dass zwei der drei Exemplare nach kurzer Zeit ihren gelben Saum verloren und nun ein einheitliches Grau den Körper umgab. Auch wurde das Körpergrau wesentlich dunkler, als dieses bei Einsatz der Fall war. Trotz der farblichen Änderungen schienen sich die Tiere zu akzeptieren und verbrachten den größten Teil des Tages damit, Algenaufwuchs von Steinen und Scheiben des Aquariums abzuraspeln. Das Gewebe der rötlich-braunen Montipora spp., die ich pflege, wurde gelegentlich vom Kalkskelett abgeschabt. In dieser Zeit ähnelte die Koralle einem Fliegenpilz und ich möchte nicht verhehlen, dass dieser Anblick schmerzlich war, da die Koralle seit vielen Jahren in meinem Aquarium siedelt. Inzwischen aber lassen die Ecsenius lividanalis alle Korallen zufrieden, was ich auf die ausreichende Aufnahme von geeigneter Ersatznahrung zurückführen würde, denn anfangs war eine aktive Aufnahme von Ersatzfutter nicht zu beobachten. Jedoch sorgte der konsumierte Aufwuchs für runde Bäuche.
Vier Wochen später ging alles schnell und überraschend: die beiden ähnlich gefärbten Exemplare machten sich plötzlich das Revier streitig, was an zahlreichen weißen Streifen, die sich einer Lightshow gleich, ständig wechselnd über den Körper verteilten, unübersehbar war. Zwar tauchten Striche, Linien und kleine Balken stets auf, wenn sich die Fische begegneten, doch in dieser Intensität war es bislang nicht zu beobachten gewesen. Am nächsten Tag sollte der Unterlegene ein jähes Ende vor dem Aquarium gefunden haben. Danach gab es zwar auch unter den beiden verbliebenen E. lividanalis Gerangel um die besten Reviere, doch war das Ende einer solchen Auseinandersetzung wenig dramatisch. Nach einjähriger Pflege sitzen die beiden Tiere oft vereint auf dem Teller einer Pilz-Lederkoralle (Sarcophyton spp.) und vermitteln einen zufriedenen Eindruck. Gefressen wird heute vor allem Granulatfutter der Firma Naturefood®, Spirulina-Flakes geeigneter Größe, Salinenkrebse und weiße Mückenlarven. Genanntes Futter wird gerne von der Dekoration gefressen und gelegentlich auch aus dem freien Wasser geschnappt. Leidenschaftlich gern sitzen sie zwischen den hochgewachsenen Tentakel der Margaritenkorallen (Goniopora spp.) und sollte „Chef“ (das dominante und vermutlich männliche Tier) mal wieder übel gelaunt sein, taucht „sie“ in die Wirren der Polypen ab und nur das Köpfchen zeigt sich gelegentlich. Dann wieder teilen sich beide eine geräumige Spalte zwischen den Straußenweichkorallen und ich platze vor Neugier, zu erfahren, ob hier vielleicht die Suite der sich Liebenden zu finden ist. Ein Indiz dafür ist das angeschwollene Bäuchlein von „ihr“, welches sich inzwischen in wiederkehrenden Abständen füllt und einige Tage später wieder verschwunden ist. Danach ist „Herr“ E. lividanalis zwischen fünf bis sieben Tage nur wenig zu sehen. Aber! Solange ich das Gelege nicht mit eigenen Augen gesehen (und hoffentlich fotografiert) habe, möchte ich es bei meiner Mutmaßung belassen, denn die Brutzeit vieler Blenniiden beträgt acht bis vierzehn Tage (Frische 1999).
Ein „liebenswerter“ Aquarienbewohner
Ich habe in meiner Zeit als Meerwasseraquarianer schon einige Arten aus der Familie Blenniidae gepflegt. Einige verlor ich durch den Sprung aus dem Aquarium, andere wiederum erwiesen sich als aggressiv und den Korallen wenig zugetan. In Ecsenius lividanalis findet sich ein klein bleibender, liebenswerter Schleimfisch, der – wenn möglich, paarweise gepflegt – nur wenig die Korallen „nervt“ und sich wunderbar auch für kleinere Aquarien eignet. Mein Aquarium ist nicht abgedeckt und wenngleich ich eines meiner ursprünglich dreier Tiere dadurch einbüßte, scheint mir E. lividanalis grundsätzlich durchaus für „oben-ohne-Aquarien“ geeignet zu sein. Dies bestätigte sich, als ich vor Kurzem ein Paar Ecsenius bicolor (Day, 1888) zugesetzt habe. Statt der befürchteten Ausschreitungen der Reviere innehabenden E. lividanalis gegen die sich neu ansiedelnden E. bicolor war man sogar bereit – ganz gegen die übliche Manier unter Schleimfischen – sich den Teller der Pilz-Lederkoralle zu teilen. Eine erstaunliche Beobachtung, die so gar nicht in das Bild der territorialen Schleimfische passen will. Mir soll es recht sein: zeigt sich doch ein schöner farblicher Kontrast, wenn die beiden Ecsenius-Arten Seite an Seite rasten.
Joachim Frische
Literatur:
Allen, G. , Steene, R., Humann, P. & N. Deloach (2003): Reef Fish Identification Tropical Pacific. New World Publ., Jacksonville.
Frische, J. (1999): Erfolgreiche Nachzuchten im Meerwasseraquarium. Bede-Verlag, Ruhmannsfelden.
Wickler, W. (1965): Zur Biologie und Ethologie von Ecsenius bicolor, Pisces, Teleostei, Blenniidae. Zeitschrift für Tierpsychologie 22(1), 37-49.
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