Vom Guppy gibt es eine ganze Reihe von Schwanzflossenformen, die von den Guppyzüchtern auch standardisiert wurden. In der Regel findet man diese Züchtungen aber nur bei privaten Züchtern. Im Zoofachhandel dominieren jedoch die Triangelguppys derartig, so dass bei Aquarianern, die sich nicht speziell über Guppys informieren, der Eindruck entstehen könnte, dies seien die „normalen Guppys“. In letzter Zeit zeigt sich jedoch eine Abkehr von diesem Trend. Einige der seit jüngster Zeit bei den Berufszüchtern erhältliche Formen zeigen wir hier.
Doppelschwertguppys sind eine alte Zuchtform. Schon bei vielen Wildguppys kann man angedeutet Unten- oder Obenschwerter – also einen spitzen Auszug entweder des oberen wie auch des unteren Schwanzflossenrandes – erkennen. Durch entsprechende Zuchtauslese lässt sich das Doppelschwert entwickeln. Erste Berichte über Doppelschwerter stammen aus dem Jahr 1928, bereits einige Jahre früher erscheinen Tiere mit deutlichen Anlagen zum Doppelschwert auf Abbildungen. Hingegen sind die heute so dominierenden Triangelguppys erst in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren entstanden.
Interessanterweise war allerdings das Doppelschwert ein direkter Vorgänger der Fächerschwänze, aus denen wiederum die modernen Triangelguppys erzüchtet wurden. Der Fächerschwanz – das lässt sich durch Kreuzungsexperimente zeigen – ist sozusagen ein Doppelschwert, bei dem der Zwischenraum der Schwerter mit Flossenmaterial gefüllt ist. Die Schwanzflossenform „Fächerschwanz“ kommt durch die Kombination eines bestimmten Farbgens mit dem Gen für Doppelschwerter zustande.
Meist sind Doppelschwertguppys, die man auf Ausstellungen sieht, grazile Tiere und die Schwerter sind nadelspitz ausgezogen. Hingegen wirken die von den Berufszüchtern entwickelten Fische sehr kräftig und erinnern diesbezüglich stark an die Traingelguppys. Dieser Eindruck wird noch unterstützt durch die breit abgerundeten Flossenenden. Vermutlich werden diese Guppys mit Triangel-Weibchen gezüchtet, während der klassische „Schwerttyp“ unter den Weibchen ein schlanker Fisch mit durchsichtiger Schwanzflosse zu sein pflegt. Im Handel tauchen auch keine Schwerttyp-Weibchen zu den Doppelschwert-Züchtungen auf.
Sehr hübsch ist übrigens die schwarze Rückenflosse bei dem hier abgebildeten bunten Männchen (rein technisch müsste man die Färbung des Fisches als grau-bunt beschreiben), ein seltenes Merkmal, das keinesfalls bei allen Männchen des Stammes auftritt.
In eine völlig andere Richtung geht ein zweiter Trend bei den berufsmäßigen Guppyzüchtern. Wie in vielen anderen Bereichen gibt es auch bei der Aquaristik eine Tendenz „zurück zur Natur“. Und so befriedigen die Züchter die entsprechende Nachfrage durch blutreine Wildformen.
Beim Guppy ist es so, dass zwar jedes Männchen individuell unterschiedlich gefärbt ist, jedoch gewisse Farbverteilungen typisch für einzelne Populationen sind. Durch entsprechende Zuchtwahl kann man zwar auch bei Wildstämmen dafür sorgen, dass alle Männchen mehr oder weniger identisch aussehen. Den natürlichen Verhältnissen entspricht das aber nicht. In der Natur entscheidet ein komplexes Wechselspiel verschiedener Faktoren darüber, wie die Guppymännchen aussehen. Ein ganz wichtiger Faktor sind die Weibchen. Sie lassen nämlich bevorzugt den buntesten Mann zur Begattung zu. Die Farben werden bei der komplizierten und fantastisch anzuschauenden Balz der Männchen daher besonders effektiv zur Geltung gebracht.
Ein dem entgegen wirkender Faktor sind die Fressfeinde der Guppys. Je mehr Räuber den Lebensraum der Tiere teilen, desto blasser bleiben die Farben der Männchen, weil besonders bunte Männchen schneller gefressen werden und daher einen geringeren Fortpflanzungerfolg haben. Schließlich entscheidet noch die Populationsgröße über die Farbigkeit. Wo es sehr viele Guppys gibt, herrscht eine starke Konkurrenz unter den Männchen. Hier entstehen bald so genannte Sneaker-Männchen, die ohne Balz von anderen Männchen bereits stimulierte Weibchen überfallartig begatten. Solche Sneaker unterliegen bezüglich der Färbung natürlich weder der Weibchenwahl noch dem Feinddruck.
Im ausreichend großen Aquarien kann man selbst ausprobieren, wie sich die Männchenfarben entwickeln, wenn der Züchter nicht eingreift. Das ist sehr spannend zu beobachten und bietet ein täglich wechselndes Bild. Man sollte sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen!
Frank Schäfer
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Pingback: Franky Friday: Doppelschwertguppys und Naturguppys - my-fish
Hallo Herr Schäfer.
Da Sie ein Experte sind, hoffe ich, Sie können mir vielleicht einige Fragen beantworten.
Das wäre wirklich sehr nett, wenn Sie mir weiterhelfen könnten.
Seit einigen Jahren habe ich Guppys. Immer wieder sind ein paar Wenige dabei, die solche Longfin-Flossen aufweisen. Ich habe auch im Internet nur ganz wenig Fotos solcher Guppys gefunden und keine einzige Erklärung, geschweige denn eine Internetseite auf Deutsch.
Ist das etwa so etwas wie eine Missbildung? Sind diese Longfin-Guppys überhaupt fruchtbar? Ich möchte keine Guppys vermehren, die irgendwie eingeschränkt oder krank sind. Deshalb möchte ich das gerne wissen.
Danke und schöne Grüße
Martina
Hallo Martina,
ich nehme an, es geht um so genannte Ribbon-Guppys und Swallow-Guppys. Bei der Mutation „Swallow“ sind sämtliche Flossen, also auch das Gonopodium (Begattungsorgan) der Männchen, stark vergrößert, beim „Ribbon“ sind Brust- und Schwanzflosse nicht betroffen. Da die Männchen mit dem übergroßen Gonopodium nicht befruchten können, wird die Erbanlage nur über die weibliche Linie rezessiv (verdeckt) vererbt. Wesentlich bekannter ist die Lyra-Mutation beim Schwertträger, die den gleichen Erbgängen folgt. Nach allem was wir wissen sind die betroffenen Tiere im Aquarium uneingeschränkt überlebensfähig und zeigen keine Anzeichen von Unwohlsein. Leidet ein Pfau unter seiner langen Schwanzfedern-Schleppe, die ihn selbstverständlich körperlich einschränkt? Ist ein kapitaler Hirsch, der ja jährlich sein Geweih unter hohem Energieaufwand erneuern muss, eine gequälte Kreatur? Wohl kaum. Es ist darum eine Frage des ästhetischen Empfindens des Pflegers und keine Tierschutzfrage, ob man diese Guppy-Varianten im Bestand belässt.
Viele Grüße
FS – Aqualog