Die Spornschildkröte – beliebt, imposant und zahm werdend

Noch vor wenigen Jahrzehnten dominierten die relativ kleinbleibenden europäischen Landschildkröten der Gattung Testudo den Heimtiermarkt. Sie konnten spottbillig als „pflegeleichte“ Heim- und Gartentiere überall erworben werden. Heute hat sich die Sichtweise auf Reptilien allgemein und auf Landschildkröten speziell sehr gewandelt. Man weiß heute, dass Land­schildkröten zwar grundsätzlich von jedermann gepflegt und gezüchtet werden können, doch dass dazu auch sehr viel Fachwissen gehört, das man sich erst anlesen muss. Der unvergleichlich höhere Bildungsgrad der heutigen Schildkrötenpfleger rückt auch Arten in den Focus des Handels, die dort früher kaum zu finden waren, darunter eine der imposantesten Landschildkröten Afrikas, die Spornschildkröte Centrochelys (oder Geochelone) sulcata*.

Die Spornschildkröte hat ihren Namen von großen, spornartigen Schuppen an den Oberschenkeln der Hinterbeine erhalten. In der Natur bewohnt sie einen ca. 8.000 km langen und etwa 500-700 km breiten Gürtel, der sich quer durch ganz Afrika erstreckt, mit Mauretanien als west­lichs­ten und Eritrea als östlichsten Staat. Dieser Gürtel ist in großen Teilen auch unter dem Begriff „Sahel-Zone“ bekannt ge­wor­den und zählt zu den tro­ckensten Gebieten der Erde. Die Sporn­schildkröte kann als einzige, hoch spezi­alisierte Land­schildkröte dort überleben. Doch auch sie braucht 200 bis 800 mm Niederschlag pro Jahr, um existieren zu können. Sie ist mit 84,5 cm Rekord-Panzer­länge und 105,5 kg Rekord-Gewicht die größte das Festland bewohnen­de Schild­kröten­art. Nur die Riesenschild­krö­ten der Seychellen und der Galapagos-Inseln werden noch größer. Vermutlich ist die ge­wal­tige Maximal-Größe der Art ein Schutz ge­gen Austrocknung, denn ein kleiner Kör­per ist dafür erheblich anfälliger als ein großer.

Keine Wildfänge
Leider gehört die Spornschildkröte in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes zu den stark bedrohten Arten. Der Mensch zer­siedelt ihren Lebensraum immer mehr. Seit es Menschen gibt, haben sie die Sporn­schildkröte auch gejagt, gegessen und als lebenden Vorrat oder als Tauschmittel mit sich geführt. Darum ist es heutzutage oft sehr schwierig, herauszufinden, ob ein lokales Vorkommen der Spornschildkröte tatsächlich ein natürliches Vorkommen (der Fachausdruck lautet autochthon) ist, oder ob ein solches Vorkommen auf Verschleppung durch den Menschen zurückzuführen ist (= allochthon). Wegen der starken Bedrohung der wildlebenden Bestände gibt es schon seit längerer Zeit keine Importe von Wild­fängen mehr im Handel. Doch gibt es sehr viele Exemplare in den Händen von Schild­krötenliebhabern. Die Zucht gelingt so effek­tiv und regelmäßig, dass der Weltbedarf für die Liebhaberei leicht aus Nachzuchten ge­deckt werden kann. Nahezu alle heutzutage in Europa und den USA gepflegten Bestände gehen auf ursprünglich aus Mali importierte Tiere zurück. Obwohl zur Zeit keine Unter­arten bei der Spornschildkröte anerkannt werden, gibt es aber doch lokale Unter­schiede bezüglich des Größenwachstums der einzelnen Populationen. Und so wissen wir, dass die malinesischen Spornschild­kröten nicht ganz so riesig werden.
Weib­chen erreichen 40-50 cm Länge, Männchen 50-60 cm; das Höchstgewicht beträgt 45-60 kg. Die Männchen werden grundsätzlich größer als die Weibchen und Rekordtiere bezüglich Größe und Gewicht dürften ausnahmslos Männchen darstellen. Man kann das Geschlecht der Spornschild­kröte erst relativ spät, ab einer Länge von 25-30 cm, sicher erkennen. Davor bleibt die Geschlechtserkennung meist spekulativ. Es gelten die üblichen Geschlechtsunter­schiede von Landschildkröten: der Schwanz des Männchens ist erheblich länger als der des Weibchens und der Bauchpanzer des Männchens ist stark konkav eingebuchtet. Alte Männchen entwickeln auch ein ins­gesamt anderes Aussehen. So flacht sich ihr Rückenpanzer mehr und mehr ab, die seitlichen Randschilder des Panzers (Margi­nalia) rollen sich nach oben, der Kopf wirkt ausgezehrt, manchmal regelrecht wie ein Totenkopf (das ist völlig normal und nicht auf die Gefangenschaft zurückzuführen), es bilden sich deutlich hervortretende Schlä­fen­wülste und auch die Augen treten hervor; der „Schnabel“ wirkt bei Männchen hakiger.

Grundlage der Pflege
Es ist mehr als verständlich, dass solch imposante Tiere Begehrlichkeiten wecken; nicht umsonst ist Centrochelys sulcata zu einer der beliebtesten Landschildkröten­arten in Europa und den USA avanciert. Dazu trägt sich bei, dass diese Schildkröten sehr zahm werden können, eine Eigenschaft, die bereits der Altmeister der Terrarienkunde Wilhelm Klingelhöffer erwähnt. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass diese Zahmheit bei großen Männchen der Sporn­schildkröte auch unangenehm werden kann, denn sie betrachten den Menschen gelegentlich als Rivalen, den sie dann mit Bissen und Rammstößen traktieren, was zu ernsten Verletzungen führen kann. Wer also Spornschildkröten pflegen möchte, braucht vor allem eines: viel Platz. Dabei ist auch in Mitteleuropa eine Freilandhaltung von Früh­jahr bis Herbst möglich. Die Tiere sollten dabei eine Gelegenheit erhalten, sich lokal unter einem Strahler auf ca. 40°C aufwärmen zu können. Die Temperaturen können in Extremfällen auch in ihrer Heimat nachts unter den Nullpunkt fallen; man sollte aber im Normalfall darauf achten, dass Nacht­temperaturen von 15°C nicht deutlich unter­schritten werden. Das alles lässt sich am besten dadurch verwirklichen, indem man den Tieren in ihrem Freigehege ein über eine Art „Katzenklappe“ zugängliches Gewächs­haus baut. Dieses muss im unteren Bereich sehr massiv gebaut sein, sonst manchen die großen und starken Schildkröten schnell Kleinholz daraus. Viel schwieriger als die Temperatur ist das Thema „Trockenheit“. Zu viel Feuchtigkeit ist für die Tiere von Übel, man bedenke, dass sie aus einer sehr trockenen Landschaft stammen. Der Boden des Freilandterrariums und auch des Winter­quartieres, das sich selbstverständlich in einem Innenraum befinden muss, muss daher sehr gut drainiert sein, damit sich wirklich niemals Staunässe bildet. In der Natur graben sich Spornschildkröten mehre­re große und tiefe Höhlen. Das ist über­lebensnotwendig für sie, denn hier können sie der größten Tageshitze ausweichen, hier verbringen sie aber auch ihre Trockenruhe, in der sie die trockenste Zeit des Jahres „ver­schlafen“. Die Erfahrung zeigt, dass das Grab­verhalten bei den Nachzuchttieren stark nachlässt. Aber es gibt hier deutliche Indi­viduelle Unterschiede und man muss auf alle Eventualitäten gerüstet sein. Darum ist sowohl im Freiland wie auch im Innenraum eine 2-3 m dicke, das Graben von Höhlen zulassende Bodenfüllung einzubringen. Im Innenraum muss man für eine hohe Licht­intensität und ausreichend UV-Licht sorgen. Es bietet sich bei etwas größeren Tieren unbedingt an, in unserer kalten Jahreszeit die Trockenruhe zu simulieren, die die Schildkröten in der Natur halten. Das tut den Spornschildkröten außerordentlich gut und sie danken es mit robuster Gesundheit.

Fütterung
Man sollte immer daran denken, dass im natürlichen Lebensraum der Spornschild­kröte Schmalhans Küchenmeister ist. Diese Tiere haben keine Freßbremse, sie futtern, was das Zeug hält, so lange es etwas gibt. Dafür müssen sie in der Natur auch tage-, wochen- oder monatelange Fastenperioden überstehen. So etwas gibt es natürlich unter den Bedingungen der Haltung in mensch­licher Obhut nicht. Man sollte darum spar­sam füttern, ein hoher Rohfaseranteil sollte das Futter charakterisieren. Gut geeignete Futtermittel sind Gräser aller Art, Heu, Karotten und alle möglichen Salate (Endi­vien, Romana, Radiccio), auch eingeweichte Heupellets (Kaninchenfutter) können ge­reicht werden. Wildlebende Spornschild­kröten finden sich oft an Aas ein und machen regelrecht Jagd auf Untermieter in ihren Wohnhöhlen (Heuschrecken, kleine Warane etc.). Derartige Zufütterungen sollte aber in menschlicher Obhut unterbleiben oder eine ganz seltene Ausnahme darstellen. Wichtig ist es, den hohen Kalziumbedarf mit Futterergänzungsmitteln, die der Zoo­fach­handel in breiter Auswahl anbietet, zu decken. Die meisten Gesundheitsprobleme von Spornschildkröten sind auf zu üppige Futtergaben zurückzuführen, die ein zu schnelles Wachstum hervorrufen. Seien Sie sich dessen bitte stets bewusst und – nochmal – füttern Sie sparsam. Bei gut angelegten Freilandterrarien kann über den Sommer oft völlig auf Zufütterung verzichtet werden, die Tiere grasen dann einfach den natürlichen Bewuchs der Anlage ab.

Verträgliche Riesen
Erstaunlicherweise kann man Sporn­schild­kröten gut in Gruppen pflegen. Sogar die Männchen vertragen sich vergleichsweise gut untereinander. Es sollte aber für jedes Männchen die Möglichkeit bestehen, sich gelegentlich zu paaren. Da der Lebensraum der Tiere in den Tropen liegt, haben sie keine streng festgelegte Paarungszeit. Paarungen können daher ganzjährig beobachtet wer­den. Es würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen, auch noch auf die Zucht der Spornschildkröte einzugehen. Dazu vielleicht später einmal mehr…

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*Über die Gattungszugehörigkeit der Spornschildkröte streiten die Ge­lehrten. Manche sehen in ihr die einzige Art der Gattung Centroche­lys, andere glauben, die Verwandt­schaft zu den asiatischen Arten Geochelone elegans und G. platynota sei so groß, dass eine eigenständige Gattung nicht zu vertreten sei. Dies ist ein akademischer Streit, der an dieser Stelle nicht weiter interessieren muss und auch ohne praktische Be­deutung ist. Man muss nur wissen, dass weitere Informationen zu dem Tier in der Literatur unter den Namen Testudo sulcata, Centrochelys sulcata und Geochelone sulcata zu finden sind.

Lexikon

Spornschildkröte
Centrochelys: bedeutet „Stachel-Schildkröte“.
sulcata: bedeutet „gefurcht“. Geochelone: bedeutet „Erdschildkröte“.
Testudo: bedeutet „Schildkröte“.

Frank Schäfer

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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