Die rätselhafte Ludwigie

Während einer Exkursion in der Umgebung der Stadt Pak Chong in Zentral-Thailand stießen wir an einem kleinen Tümpel auf eine wunderschön blühende Wasserpflanze, deren Bestimmung uns einige Schwierigkeiten bereitete.

Die wunderschöne Blüte unserer rätselhaften Ludwigie

Wir erkannten schnell, dass es sich um einen Angehörigen der Gattung Ludwigia handelt. Diese Gewächse stellen einige der beliebtesten Aquarienpflanzen. Es gibt sogar eine in Deutschland heimische Art, das Sumpfheusenkraut, Ludwigia palustris. Leider ist diese Art überall im Bestand bedroht, ohne dass die Ursachen hierfür bekannt wären. Unsere heimische Art hat nur ganz unauffällige Blüten, da sie keine Kronblätter ausbildet. Die in Thailand gefundene Art hingegen zeigte sich mit prächtigen, gut 3 cm breiten Blüten, die schneeweiß und nur an der Basis der Blütenblätter gelb waren. Die Gattung Ludwigia gehört zu den Nachtkerzengewächsen (Onagraceae), die wir in Deutschland vor allem in Form der ursprünglich aus Nordamerika stammenden Nachtkerzen (Oenothera) kennen.

Wurzeln als Atmungsorgane
Die Ludwigia, die wir bei Pak Chong fanden, hatte ganz charakteristische, zu Atmungsorganen umgewandelte Wurzeln. Unter den auch aquaristisch bekannten Ludwigia-Arten ist eine solche Wurzelbildung für die Art Ludwigia helmintorrhiza ganz typisch. Ludwigia helmintorrhiza ist ein sehr selten im Aquarium gepflegtes Gewächs, da die Art äußerst lichtbedürftig ist. Gelingt die Kultur, so wird man mit einer prachtvollen Pflanze belohnt. Doch meist kann man L. helminthorrhiza nur über den Sommer an einem sonnigen Gartenteich kultivieren und hat seine liebe Mühe, die Pflanze über den Winter zu bringen. Im Zoofachhandel ist L. helminthorrhiza gewöhnlich nicht erhältlich, gelegentlich kann man sie aus botanischen Gärten bekommen. Ihre Heimat liegt in Südamerika.


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Die Atemwurzeln sind bei Ludwigia adscendens nicht ganz so zahlreich wie bei L. helminthorrhiza, aber immer noch sehr auffallend.

Welche Art?
In keiner der recht zahlreichen Publikationen über L. helminthorrhiza wird erwähnt, dass diese Pflanze in Asien verwildert sei. Die Literatur über asiatische Pflanzen – vor allem über Reisunkräuter – brachte uns jedoch schnell auf die Art Ludwigia adscendens. Auch viele Abbildungen im Web zeigten „unsere“ Pflanze, sowohl die weiße Blüte als auch die zu Atmungsorganen umgewandelten Wurzeln.

Ludwigia adscendens
NAPLES & KESSLER (2005) geben drei Ludwigia-Arten als Reisunkräuter in Laos und Kambodscha an: L. adscendens, L. hyssopifolia und L. octovalvis. Man kann sie leicht an den Blüten unterscheiden, denn L. hyssopifolia und L. octovalvis haben gelbe Blüten mit vier Kronblättern, L. adscendens hingegen hat weiße, gelbgrundige Blüten mit fünf Kronblättern. Alle drei Arten sind auch in Thailand zu erwarten. Ludwigia adscendens ist keine unproblematische Pflanze, da sie für Vieh giftig ist und Entzündungen des Magen-Darm-Traktes hervorrufen kann. Andererseits wird L. adscendens in der Humanmedinzin gegen vielerlei Gebrechen eingesetzt (nach NAPLES & KESSLER, 2005): Ein Aufguss der Blätter wird gegen manche sexuell übertragene Krankheiten eingesetzt, man macht Paste gegen Pickel aus ihr, nutzt sie gegen Durchfälle und als Umschlag gegen Schwellungen und Hauterkrankungen, in Papua Neuguinea gilt die Pflanze sogar als schwangerschaftsverhütend und andernorts isst man junge Triebe als Salat. Für uns Aquarianer ist ganz interessant, dass der gesamten Gattung Ludwigia antiseptisch wirkende Heilkräfte zugeschrieben werden.


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Habitus der Pflanze

Im Aquarium sehr schwierig
Leider ist diese schöne und wegen ihrer Atemwurzeln auch interessante Pflanze in Zimmerkultur wohl kaum zu gebrauchen. Es finden sich jedenfalls in der einschlägigen aquaristischen Literatur keine Hinweise. Allerdings wird das Gewächs gelegentlich für die sommerliche Kultur am sonnigen Gartenteich empfohlen. Wer die Pflanze bekommen kann, sollte es probieren, die wunderschönen Blüten lohnen den Versuch allemal.

Frank Schäfer

Literatur:
Naples, M.L. & P.J.A. Kessler. Weeds of Rain Fed Lowland Rice Fields of Laos & Cambodia. Illustrations, Identification, and Information Retrieval. Version: 12 september 2005.
http://www.nationaalherbarium.nl

Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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