Es gibt Fischarten, die begleiten mich schon seit Jahrzehnten. Unter den Panzerwelsen ist das zum Beispiel die Verwandtschaft von Corydoras fowleri. Als ich vor über 20 Jahren bei Aqualog und Aquarium Glaser zu arbeiten begann, hatte noch nie ein Mensch diese Art lebend gesehen. Na ja, jedenfalls kein Mensch, der in ihnen nicht nur eine mäßig nahrhafte Suppenzutat sah. Wir hatten gerade den Aqualog-Band „all Corydoras“ fertiggestellt und bereiteten die damals noch zweisprachig und in Zeitungsformat erscheinenden Aqualog News vor, da kam das erste Exemplar herein. Mannomann, das war eine Aufregung!
Ein einziger Fisch, ziemlich groß, sehr teuer! Das war im Juli 1996. Mein Kumpel Frank Teigler fotografierte ihn und auch ich nahm das kostbare Exemplar vor die Linse. Natürlich gehen wir mit jedem Tier sorgfältig um, aber so ein Geschiss um einen einzelnen Fisch haben wir noch selten gemacht. Zu dieser Zeit wurden in Japan geradezu unverschämte Preise für seltene Panzerwelse bezahlt.
Kurze Zeit später, im August, trafen weitere Tiere ein. 15 Exemplare diesmal. Inzwischen hatte ich mit Han Nijssen vom Museum in Amsterdam, damals der Koryphäe in Sachen Corydoras, korrespondiert, der Zweifel darüber äußerte, dass die aus Peru importierten Tiere tatsächlich mit den von Böhlke beschrieben C. fowleri identisch seien. Von den frischen 15 Tieren übernahm der leider viel zu früh verstorbene Züchter Karl Lang, dem schon kurze Zeit später die Erstzucht gelang, vier Exemplare. Dieter Bork fotografierte die Nachzuchten von Karl Lang und so konnte erstmals die entwicklungsbedingte (= ontogenetische) Veränderung im Farbkleid der Art dokumentiert werden.
Die daraus gewonnenen Erkenntnisse halfen sehr, spätere Importe unbekannter Panzerwelse zu klassifizieren. Schon einige Zeit vor den Importen von C. fowleri kamen ebenfalls große, um 8 cm lang werdende Panzerwelse als „Black Peru“ herein. Dabei handelt es sich um die sehr eng mit C. fowleri verwandte Art C. semiaquilus. Es gibt mindestens zwei verschiedene „Black Peru“ und spätere Importe von C. fowleri erwiesen sich ebenfalls als ziemlich variabel. 1997 beschrieb Warren E. Burgess eine solche Variante als Corydoras coriatae.
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Was ist nun der „echte“ Corydoras fowleri? Ist es überhaupt sinnvoll bei solchen, durch Übergänge miteinander verbundenen Fischen wie C. fowleri und C. semiaquilus, die sich nur durch Farbmerkmale unterscheiden und ganz offensichtlich noch im Stadium der Artbildung befinden, von verschiedenen Arten zu sprechen?
Kommerzielle Importe von C. fowleri, C. semiaquilus, C. coriatae und „Black Peru“ kommen alle aus Peru und dort – soweit bekannt – aus dem Einzug des Rio Ucayali, einem der beiden Quellflüsse des Amazonas und aus der Umgebung von Pebas. Aber man sollte natürlich nicht unterschätzen, dass in Peru selbst kleinere, bei uns namenlose Nebenflüsse des Ucayali und des Amazonas die Dimensionen eines hierzulande größeren Flusses, wie des Mains oder Neckars haben. Natürlich können sich auch relativ kleinräumig verschiedene Arten entwickeln. Das der Erstbeschreibung von Corydoras fowleri zugrunde liegende Exemplar – der so genannte Holotypus – stammt aus der Nähe von Pebas und wurde von Wiliam G. Scherer an einem Ort names Caño del Chancho gesammelt. Pebas liegt am Amazonas. Heute ist der Holotyp von C. fowleri fast völlig verblasst, aber 1964 – übrigens meinem Geburtsjahr – hatte er noch ein wenig Farbe und Stanley Weitzman bildete ihn anlässlich seiner Beschreibung von C. semiaquilus ab. Wesentliche Unterschiede zu den aus Peru importierten C. fowleri sehe ich nicht. Und C. semiaquilus? Der wurde erstmals in Brasilien gesammelt, im Igarapé Preto, einem Dschungelbach, der die Schwarzwasser-Zuläufe des Rio Solimoes (so heißt der Oberauf des Amazonas) im Staat Amazonas in Brasilien speist. Also: die Verbreitungsgebiete der beschriebenen Arten liegen am Amazonas, in Peru und Brasilien, die exportierten Fische stammen aus Peru aus dem Einzug des Rio Ucacyali. Das ist schon ein bedenkenswert großes Gebiet.
In allerjüngster Zeit wurden wieder neue Varianten/Arten importiert; eine soll aus dem Rio Blanco (der gehört ebenfalls zum Ucayali-Einzug) stammen, die andere aus Kolumbien! Sie wurde mit der Fundortangabe „Mitu“ geliefert. Mitu ist eine kleine Stadt am Rio Vaupés in Venezuela, der in seinem weiteren Verlauf in Brasilien Uaupés heißt; der Uaupés mündet in Brasilien in den Rio Negro und gehört somit zum Einzug des Amazonas.
Noch immer gehören alle Arten/Formen der Verwandtschaft um Corydoras fowleri/semiaqulius zu den teuren Raritäten, obwohl sie sich ganz gut im Aquarium züchten lassen. Noch immer kommen diese Fische – wie die Mitu-Form oder die Variante vom Rio Blanco – nur in Einzelexemplaren oder in ganz kleiner Stückzahl herein.
Noch immer ist die Systematik dieser Fische, die mit einiger Sicherheit in eine neu zu beschreibende, eigene Gattung gehören, praktisch ungeklärt. Noch immer sind wir über die Verbreitung dieser Fische nur ganz unzureichend informiert. Noch immer wissen wir praktisch nichts über ihr Leben in freier Natur. Die besten Hinweise gibt Hans-Georg Evers in der Zeitschrift Amazonas No 32 (November/Dezember) 2010: 77: “Immer handelt es sich um Klarwasser führende, schmale Flüsse im intakten Regenwald. Durch ihre Zeichnung gut getarnt, lebt die Art die meiste Zeit des Jahres dort zwischen Falllaub, verhält sich ruhig und lässt sich, wenn man den Fisch erst einmal entdeckt hat, mit einem kleinen Handnetz verhältnismäßig einfach erbeuten.” Evers bezweifelt, dass C. fowleri in Schwarzwasser vorkommt und zweifelt darum auch die Fundortangabe “Rio Aguaytia” als Typusfundort von C. coriatae an, da dieser Fluss Schwarzwasser führt. Überhaupt hält Evers diese Art angesichts der enormen Variabilität von C. fowleri nicht für valide.
Sicher gibt es noch viel an diesem Artenkomplex zu forschen. Und so werden mich diese schönen Panzerwelse wohl noch viele weitere Jahre begleiten. Ich freue mich darauf!
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Und dann haben wir noch einen besonderen Surftipp für Sie; schauen Sie mal bei Martin und Tom Christoffersen vorbei; Tom hatte mir im Juli den Tipp gegeben, wo der Rio Blanco in Peru ist; er war fast dort, als er eine Expedition zum Rio Tapiche machte: http://apisto.sites.no/page.aspx?PageId=68
Frank Schäfer
PS: Dieser Beitrag erschien zuerst in Bookazine No 2, in dem zusätzlich auch der Zuchtbericht von Karl Lang zu finden ist.
Pingback: 撲朔迷離的佛利率鼠家族 - FISHBOOK
Dear sir,
Can i share this post in my Facebook page, really informative. Thank you.
Erik
Hi Erik,
yes, feel free to share it, I´m glad you like it.
Best wishes,
Frank