Punktierte Kopfsteher (Chilodus spp.) sind die kleinsten Arten der Kopfsteher, sie werden nur 6-9 cm lang; gegenwärtig werden vier Arten unterschieden, von denen jedoch nur zwei gelegentlich im Handel auftauchen, nämlich Chilodus punctatus und C. gracilis. Dabei wird in aller Regel nicht zwischen beiden Arten unterschieden, im Handel nennt man meist alles C. punctatus.
Farblich ähneln sich die vier Arten – und auch ihr Doppelgänger, Caenotropus labyrinthicus – frappierend. Chilodus punctatus ist die – dem Namen nach – häufigste Art und wurde schon aus fast ganz Südamerika gemeldet: Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru und Surinam. Das dürfte jedoch nicht stimmen, sondern die drei anderen Arten mit einbeziehen; die Art aus Kolumbien, Venezuela, dem amazonischen Teil von Peru und dem Dept. Amazonas in Brasilien ist Chilodus gracilis, die sich von den anderen dreien dadurch unterscheidet, dass sie stets ein breites dunkles Längsband zeigt. Das Längsband ist bei Tieren aus Peru solider als bei denen aus dem Orinoko, möglicherweise handelt es sich bei letzterer um eine kryptische, noch unbeschriebene Art.
Im mittleren und unteren Amazonas sowie Guyana wird C. gracilis dann wohl von C. punctatus abgelöst, dem dieses Längsband fehlt oder das nur vergleichsweise schwach ausgeprägt ist. Beide Arten kommen aber vielleicht auch stellenweise gemeinsam vor, denn ein früher in der Aquarienliteratur viel benutztes Photo von Timmerman zeigt sie zusammen. Allerdings wurde C. gracilis als Männchen und C. punctatus als Weibchen gedeutet.
Soweit die wissenschaftliche Theorie. In der Praxis ist die farbliche Unterscheidung von C. gracilis und C. punctatus nicht einfach, denn Chilodus können ihr Längsband ein- und ausschalten, ganz nach Lust und Laune, jedenfalls so lange sie leben. C. punctatus ist aber deutlich hochrückiger als C. gracilis, daran kann man beide Arten auch dann gut unterscheiden, wenn C. punctatus ein Längsband zeigt. Oberhalb des Längsbandes hat C. gracilis meist drei Längsreihen schwarzer Punkte, C. punctatus vier. Allerdings ist C. punctatus nach Isbrücker & Nijssen (1988) je nach Fundort so variabel, dass die beiden Autoren die Existenz noch etlicher Arten nicht ausschließen.
Verwechslungsgefahr besteht mit Caenotropus labyrinthicus, der stets ein Längsband trägt, aber waagerecht schwimmt und eine andere Maulform hat. C. labyrinthicus ist weit in Südamerika verbreitet und wurde früher oft gemischt mit Wildfängen von C. gracilis importiert.
Die beiden anderen Chilodus-Arten sind hochrückig wie C. punctatus, sollen aber angeblich in keiner Stimmungslage ein Längsband zeigen.
Chilodus zunevei soll nur in Französisch Guyana und angrenzenden Teilen Brasiliens (Oyapock) vorkommen und keinen Schulterfleck und kein Längsband aufweisen. Typusfundort (es gibt keine Typenexemplare) ist ein Bach, der in den Itany-Fluss mündet. Der Itany wiederum gehört zum Einzug des Maroni. Isbrücker & Nijssen (1988), denen frisches Material aus Französisch Guyana (allerdings nicht von der Typuslokalität) und Surinam vorlag, das sich sehr einheitlich zeigte, geben ein gutes Merkmal an, um C. zunevei von C. punctatus zu unterscheiden: die Punkte im Bereich der Brustflossen sind bei C. punctatus nur undeutlich oder fehlen, bei C. zunevei sind sie in diesem Bereich hingegen kräftig ausgeprägt. Ein Lebendfoto, das ein Exemplar aus Französisch Guyana zeigt (in Planquette, Keith & Le Mail, 1996), hat aber einen Humeralfleck und keine Punkte im Bereich der Pectoralflossen und gleicht völlig Chilodus fritillus.
Chilodus fritillus wurde als letzte Art 1997 aus dem Madre de Dios in Peru beschrieben. Dieser Fluss ist bemerkenswert und hat eine eigenständige Fischfauna; C. fritillus hat einen gut sichtbaren Humeralfleck und kein Längsband, die Punktierung im Bereich der Brustflossen fehlt wie bei C. punctatus.
Die Punktierten Kopfsteher im Handel sind zwischenzeitig überwiegend Nachzuchten, die in Indonesien für die Aquaristik vermehrt werden. Ich halte sie für Chilodus gracilis der Orinoko-Variante. Auch in Privathand gelang die Zucht von Chilodus schon häufig, wenngleich es oft Probleme mit dem Schlupf gibt. Die Fische laichen zwar willig, der Laich wird auch gut befruchtet und entwickelt sich normal, doch sind die schlupfreifen Larven oft nicht in der Lage, die Eihaut zu sprengen. Wenn der Züchter nicht nachhilft und jedes einzelne Ei mit einer Präpariernadel ansticht, sterben die Jungtiere elendiglich ab (Franke, 1979).
Obwohl Chilodus durch ihre ungewöhnliche Kopf-nach-unten-Schwimmweise sehr attraktiv sind, können sie doch nicht als wirklich beliebte Aquarienfische gelten, jedenfalls nicht in Europa, wo man am liebsten harmonische Fischgemeinschaften in gut bepflanzten Aquarien pflegt. Dafür eignen sich Chilodus nicht gut. Sie sind ziemlich zänkisch und fressen gerne zarte Wasserpflanzen. Darum pflegen in Europa vor allem Buntbarschfreunde Kopfsteher, da deren unangenehme Eigenschaften in Gesellschaft von Cichliden weniger ins Gewicht fallen.
Wegen der immer noch unklaren Bestimmung bei Chilodus-Arten achte ich bei dieser Gattung besonders auf Wildfänge. So entdeckte ich zwischen Wildfängen des Schmetterlingsbuntbarsches (Mikrogeophagus ramirezi) aus Venezuela drei kleine Kopfsteher (Chilodus gracilis), die als Beifang mitgekommen waren. Außer den Kopfstehern waren noch ein einzelnes Weibchen des Kaisertetras (Nematobrycon palmeri) und ein Marmor-Beilbauch (Carnegiella strigata) in den Transport geraten. Ich fischte alle Beifänge ab und setzte sie in das Fotobecken, in dem sich gerade einige Panzerwelse befanden. Es war Freitag, ich fütterte noch einmal und verabschiedete mich in das Wochenende. Das Fotobecken ist sehr gut eingefahren, da muss man sich keine Sorgen machen.
Am Montag bot sich jedoch ein Bild des Jammers. Die Panzerwelse und der Beilbauch hatten arg zerfledderte Flossen und trauten sich gar nicht mehr aus ihren Ecken heraus. Nur Frau Kaisertetra schwamm unbehelligt zwischen den Chilodus umher, die den Kaisertetra in keinster Weise beachteten, untereinander aber – ganz nach Kopfsteher-Art – fröhlich zankten. Nun gut, Flossen wachsen nach, aber interessant ist dieser Befund schon. Warum interessierten sich die Kopfsteher nicht für den Kaisertetra? Ist es das schwarze Längsband? Punktierte Kopfsteher können, wie in der Einleitung bereits erwähnt, recht drastisch die Farbe wechseln. Ein schwarzes Längband ist oft, aber durchaus nicht immer zu sehen. Besonders in Kampfsituationen blenden die Chilodus das Längsband manchmal total aus, dann ist nur noch ein Schulterfleck vorhanden. Ist womöglich das breite, dunkle Längsband der Kaisertetras ein „Über-Signal“ an die Kopfsteher, das jede Aggressionshandlung im Keim erstickt?
Ich habe mir jedenfalls fest vorgenommen: sobald ich ein Becken frei habe, werde ich es testweise mit Chilodus und Nematobrycon besetzen und mal schauen, wie diese beiden so grundverschiedenen Arten miteinander interagieren. Ich bin schon sehr gespannt!
Frank Schäfer
Literatur:
Franke, H.-J. (1979): Geburtshilfe beim Punktierten Kopfsteher. Paarungsverhalten und künstlicher Schlupf. Aquarien Magazin 11/1979: 530-540
Isbrücker, I. J. H. & H. Nijssen (1988): Review of the South American characiform fish genus Chilodus, with description of a new species, C. gracilis (Pisces, Characiformes, Chilodontidae). Beaufortia v. 38 (no. 3): 47-56.
Müller, J. & F. H. Troschel (1845): Horae Ichthyologicae. Beschreibung und Abbildung neuer Fische. Die Familie der Characinen. Erstes und Zweites Heft. Viet & Comp., Berlin. Nos 1 & 2: 1-40, Pls. 1-11.
Planquette, P., P. Keith & P.-Y. Le Bail (1996): Atlas des poissons d’eau douce de Guyane (Tome 1). Muséum National d’Histoire Naturelle, Ministère de l’Environnement, Paris. 1-429.
Puyo, J. (1946): Chilodus zunevei poisson d’eau douce de la Guyane française. Bulletin de la Société d’Histoire Naturelle de Toulouse v. 80 (no. 3-4) (for 1945): 183-185
Vari, R. P. & H. Ortega (1997): A new Chilodus species from southeastern Peru (Ostariophysi: Characiformes: Chilodontidae): description, phylogenetic discussion, and comments on the distribution of other chilodontids. Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 8 (no. 1): 71-80.
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