In den fast 30 Jahren, die ich nun schon sozusagen hauptberuflicher wissenschaftlicher Aquarianer bin, war ich an der Entdeckung zahlreicher bis dato der Wissenschaft noch unbekannter Fischarten direkt oder indirekt beteiligt. Viele davon hatten nur eine kurze aquaristische Karriere, waren sozusagen „one hit wonder“, aber der Phönix-Salmler kam, um zu bleiben.
Der Phönix ist ein mythologischer Vogel, der der Legende nach von Zeit zu Zeit spontan verbrennt und anschließend aus seiner Asche wieder aufersteht. Er wird oft als goldener Vogel mit rotem Schwanz dargestellt.
Der Salmler, um den es hier geht, hat ein wenig mit diesem mythologischen Vogel, der als Glücksbringer gilt, gemeinsam. Da wäre zum einen der hübsch gefärbte, rote Schwanz und der zarte Goldglanz auf dem Körper. Aber auch im übertragenen Sinne hat der Phönixsalmler etwas mit dem Vogel zu tun: er tauchte schon einmal in der Aquaristik auf und ging wieder vergessen; dann ist er wieder auferstanden!
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2011: Eine unbeschriebene Art
Importiert wurde das schöne, etwa 3,5 – 4 cm lang werdende Tierchen als Hyphessobrycon stegemanni aus Brasilien. H. stegemanni ist ein ziemlich unbekanntes Fischchen und da die Recherche zwischen einem Import und der vorläufigen Bestimmung leicht einige Wochen dauern kann, wurde der Phönixsalmler zunächst als Hyphessobrycon cf. stegemanni bezeichnet. Im Zuge der Recherchen stellte sich dann heraus, dass der Phönixsalmler schon einmal importiert wurde und zwar 1989. Damals stellten ihn Lothar Seegers und Jaques Géry zusammen mit einigen anderen neuimportierten Salmlern als “S7” in der Zeitschrift DATZ vor. Man versuchte, analog zu dem sehr erfolgreichen L-Nummern-System, das für unbestimmbare Harnischwelse Anwendung findet, ein S-Nummern-System für Salmler zu etablieren; allerdings scheiterte dieser Versuch. Ohne die Tiere näher untersucht haben zu können, stellen Seegers und Géry S7 in die Nähe von Hemigrammus brevis, hielten ihn jedoch für eine wissenschaftlich vermutlich noch unbeschriebene Art. Es gibt aufgrund des beigefügten Fotos keinen Zweifel, dass S7 und der Phönixsalmler identisch sind. Lediglich die Maximalgröße, die für S7 mit 5 cm angegeben wird, wird von den derzeit im Hobby vorhandenen Phönixsalmlern nicht erreicht, weder von Wildfängen, noch von Nachzuchttieren.
Der Fundort des Phönixsalmlers
In der Regel ist es sehr schwer, oft sogar unmöglich, den genauen Fundort eines kommerziell importierten Fisches herauszufinden. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Exporteur die Fische gewöhnlich nicht selbst fängt, sondern von Zulieferanten aufkauft. Auch der Zulieferant ist normalerweise nicht der Fänger, sondern kauft seinerseits die Fische bei den Fängern auf. Kein Glied dieser Kette hat ein besonderes Interesse daran, einen Fundort preiszugeben und damit der Konkurrenz leichtes Spiel zu bereiten. So erfährt man hier in Europa gewöhnlich nur, aus welchem Flusssystem ein Tier stammt, was aber auch oft schon sehr hilfreich ist.
Im Falle des Phönixsalmlers liegen die Dinge nun etwas anders, denn die Tiere, die als S7 in der DATZ vorgestellt wurden, waren von Arthur Werner 1988 selbst auf einer Forschungstour gesammelt worden. So wissen wir, dass der Phönixsalmler bei Filadélfia im Einzug des Rio Tocantins (7° 20’ 9’’ S, 47° 29’ 24’’ W) zum ersten Mal gesammelt wurde.
Der neuerliche Import
Im Jahr 2010 importierte Aquarium Glaser in Rodgau erneut Phönixsalmler unter der Bezeichnung H. stegemanni, die unter diesem Namen von einem Zierfischgroßhändler der Region aufgekauft wurden. Einige dieser Fische gerieten dem bekannten, bei Hanau lebenden Aquarianer Dieter Bork (1945 – 2023), in Hände, der die unscheinbaren Fischchen großzog und sich für sie begeisterte. Er züchtete sie nach und gab die Nachzucht an Aquarium Glaser ab – der Kreis schloss sich. Bork machte die Mitarbeiter von Aquarium Glaser auch auf die ursprüngliche Quelle für diesen attraktiven Fisch aufmerksam. Nun ist es nicht so, dass man als Fischimporteur lediglich eine Order in das Ursprungsland einer gewünschten Art schickt und hat dann ein paar Tage später was man braucht; das Importgeschäft ist ausgesprochen kompliziert. Dennoch gelang es Aquarium Glaser nach einigen Wochen noch einmal “Hyphessobrycon stegemanni” von dem in Frage kommenden Exporteur zu beziehen. Leider waren aber nur ganz wenige Phönixsalmler in der Sendung enthalten, der Großteil bestand aus einer damals wissenschaftlich ebenfalls noch unbeschriebenen Art, die Seegers und Géry als S9 (Cheirodon? sp.) bezeichnen. Dieser Fisch wurde im Hobby zwischenzeitlich als 7 Rays Mint Tetra bezeichnet, 2012 beschrieb Zarske ihn als Serrapinnus sterbai. Weitere Beifange waren Astyanax goyacensis und Ctenobrycon hauxwellianus.
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Unterschiede zwischen Wildfängen und Nachzuchten beim Phönixsalmler
Es ist ganz normal, dass zwischen Wildfängen und Nachzuchten gewisse Unterschiede bestehen. Zum einen sind die Lebensbedingungen im Aquarium, verglichen mit der freien Natur, als geradezu paradiesisch anzusehen. Nachzuchten werden, gerade bei Salmlern, gewöhnlich deutlich größer und bauen erheblich mehr Körpermasse auf, als freilebende Exemplare. Zudem gibt es in der Natur in Südamerika zumindest zu bestimmten Zeiten kaum Fische mit unbeschädigten Flossen, da sich eine Vielzahl von Fischarten auf das Flossenfressen spezialisiert hat. Beim Phönixsalmler zeigen die Nachzuchttiere jedenfalls ganz wunderbar ausgezogene Rücken- und Afterflossen, was bei den Wildfängen (jedenfalls in den ersten Wochen nach dem Import) kaum zu beobachten ist.
Die wissenschaftliche Beschreibung
Dr. Axel Zarske (Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Museum für Tierkunde) erhielt von Dieter Bork konservierte Exemplare des Phönixsalmlers und untersuchte sie genau. Er kam dabei zu dem Schluss, dass diese Art mit Hyphessobrycon stegemanni überhaupt nichts zu tun hat, in die Gattung Hemigrammus gehört und benannte sie als Hemigrammus filamentosus. Der wissenschaftlichen Erstbeschreibung lagen die Importtiere zugrunde.
Pflege und Zucht
Phönixsalmler sind nicht nur wunderschön, sie sind auch ausgesprochen pflegeleicht. Man sollte sie im Trupp von mindestens 10 Exemplaren pflegen, dann zeigen sie ihr volles Verhaltensspektrum und vor allem sind die Männchen dann ständig am zanken und balzen. Gefressen wird jedes übliche Fischfutter und auch bezüglich der Wasserzusammensetzung ist der völlig friedliche Phönixsalmler anspruchslos. Die Zucht verläuft nach typischer Kleinsalmler-Art. In weichem, leicht sauren Wasser und bei rund 28°C sind die Männchen sehr balzfreudig.
Inzwischen gehört der Phönixsalmler zum festen Sortiment der im Handel regelmäßig anzutreffenden Kleinsalmler. Gehandelt wird die Art ganz überwiegend als Nachzucht, doch kommen ab und zu auch Wildfänge herein. Hoffen wir, dass es bei dieser erfreulichen Situation bleibt!
Frank Schäfer
Literatur:
Seegers, L. & J. Géry (1989): Neue oder seltene Salmler aus Maranhão, Brasilien. Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift 42 (6): 363-365
Zarske, A. (2011): Hemigrammus filamentosus spec. nov. — der Südamerikanische Fadensalmler, ein neuer Salmler (Teleostei: Characiformes: Characidae) aus dem Araguaya-Becken in Brasilien. Vertebrate Zoology v. 61 (no. 1): 3-12.
Zarske, A. (2012): Serrapinnus sterbai spec. nov. — Beschreibung eines neuen Salmlers (Teleostei: Characiformes: Characidae: Cheirodontinae) aus Brasilien mit Bemerkungen zu S. gracilis (Géry, 1960) comb. nov. und S. littoris (Géry, 1960) comb. nov. Vertebrate Zoology v. 62 (no. 1): 3-17
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