Man findet ihn in jedem Zoogeschäft der Erde und kann ihn für wenig Geld kaufen, den Blauen Fadenfisch. Er scheint also etwas ganz alltägliches und uninteressantes zu sein. Alltäglich – vielleicht.
Uninteressant – ganz und gar nicht!
Beschreibung aus Versehen
Alle diese Millionen und Abermillionen Blauer Fadenfische, die heutzutage in Zoogeschäften schwimmen, stammen von Tieren ab, die 1933 von der in Hamburg ansässigen Firma „Aquarium Hamburg“ von der Insel Sumatra importiert wurden. Aquarium Hamburg, gegründet 1926, war seinerzeit einer der weltweit führenden Zierfischgroßhändler, die Firma exportierte u.a. auf einer festgebuchten Dampferlinie in die USA. Die Inhaber der Firma, Walter GRIEM und Hugo SCHNELL, hatten den jungen Biologen Werner LADIGES angestellt, um die Importe aus aller Welt fachkundig zu begleiten und auch, um neue und interessante Arten zu finden. 1934 erschien ein Katalog der Firma „Aquarium Hamburg“, verfasst von Werner LADIGES. Allerdings war LADIGES in Guyana, als der Katalog gedruckt wurde, weshalb der damals sehr bekannte Autor von Fachartikeln in Aquarienmagazinen Christian BRÜNING das Endlektorat übernahm. Beim Blauen Fadenfisch machte BRÜNING dabei einen Fehler. Jedenfalls sagt LADIGES später (1957), dass er nie vorhatte, den Blauen Fadenfisch als eigenständige Art zu beschreiben, sondern lediglich als Varietät vom Punktierten Fadenfisch (Trichogaster trichopterus) und BRÜNING habe bei der Bildunterschrift, die „Trichogaster trichopterus sumatranus“ hätte lauten sollen, kurzerhand das „trichopterus“ gestrichen.
Ob Versehen oder nicht: die Beschreibung genügt formell allen Anforderungen, die an eine wissenschaftliche Beschreibung zu stellen ist. Trichogaster sumatranus LADIGES, 1934 ist ein regelkonformer, verfügbarer Name im Sinne der Regeln der zoologischen Nomenklatur. Das Publikationsdatum ist 1934, nicht, wie in vielen Büchern zu lesen ist, 1933. Dieser Irrtum geht übrigens auf das deutsche Standardwerk der Aquarienfische aus dieser Zeit, den Arnold-Ahl aus dem Jahr 1936 zurück. Man sieht, die wissenschaftliche Erfassung des Blauen Fadenfisches stand unter keinem glücklichen Stern und ist mit vielen Irrtümern und Fehlern behaftet. Einen kostenlosen Download der Erstbeschreibung finden Sie <<hier>> – denn das Buch – in dem sie erschien, ist selbst in der Deutschen Nationalbibliothek nur in Leipzig einsehbar.
Mysteriöse Abstammung
Erstmals nach Deutschland eingeführt hat den Fisch 1933 ein Hamburger Seemann – sein Name ist nicht überliefert – der für die HAPAG fuhr und der die Tiere bei B. BERTHOLD in Medan gekauft hatte. BERTHOLD wiederum hatte diese Tiere tatsächlich aus freier Wildbahn bekommen. Er war Tierhändler der alten Schule, der vom Orang Utan über Tiger, Vögel, Reptilien und Fische so ziemlich jedes Viech lieferte, das bei drei nicht auf dem Baum war. Die Zeichnung der Blauen von LADIGES in dem 1934er Katalog ist nicht gut, vor allem ist die Rückenflosse viel zu weit vorne angesetzt. Im beschreibenden Text von T. sumatranus wird aber nichts dergleichen erwähnt, vielmehr schreibt LADIGES dort, dass der Fisch, bis auf die – allerdings sehr außergewöhnliche Färbung – ganz dem gewöhnlichen Trichogaster trichopterus gleiche, aber „robuster“ gebaut sei. Auch später, 1957, wiederholt LADIGES die Tatsache, dass es beim Blauen Fadenfisch „im Habitus mancherlei augenfällige Abweichungen von der bekannten Form“ gäbe; leider spezifiziert er das aber nicht. In Aquarianerkreisen werden Blaue Fadenfische bis heute gerne als die „Blauen Zigarren“ bezeichnet, denn es gibt auffallend viele Tiere dieser Farbform mit kurzem Kopf und eher walzenförmigem Körper. Bei Weibchen ist das auffälliger als bei Männchen.
Es gelang bislang nie wieder, Blaue Fadenfische in der Natur nachzuweisen und man muss davon ausgehen, dass alle heutzutage im Aquarium schwimmenden Blauen Fadenfische auf den ersten Import 1933 zurückgehen. Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass irgendwann zwischendurch „normale“ T. trichopterus eingekreuzt wurden. Medan, die Hauptstadt der Provinz Nord-Sumatra (Sumatera Utara) liegt am Fluss Deli.
Es wäre wirklich interessant, einmal Wildfänge aus dem Einzug des Deli zu untersuchen, um festzustellen, ob bei dieser Population eine Tendenz zur „Zigarrenform“ vorliegt. Allerdings: wer je eine größere Anzahl Wildfänge des Punktierten Fadenfisches (Trichogaster trichopterus) sah, der weiß auch, dass je nach Ernährungszustand und allgemeiner Kondition individuell recht erhebliche Unterschiede feststellbar sind. Wir wissen übrigens recht genau, wie die ersten Blauen aussahen. Bei Aquarium Hamburg fotografierte W. HOPPE (leider weiß ich nicht einmal den vollständigen Vornamen) und dokumentierte auch die Blauen Fadenfische der damaligen Zeit; wir bringen das Bild hier, um zu dokumentieren: seit 87 Jahren gelingt die ununterbrochene Erhaltungszucht dieses Fisches im Aquarium.
Blaue Mutanten
Zumindest die blaue Farbe ist kein Merkmal, das eine Unterart rechtfertigt. Es handelt sich dabei um eine Farbmutation, eine spontane Änderung des Erbgutes. Sie tritt bei ganz unterschiedlichen Fischen auf, ist aber sehr, sehr selten. Gegenwärtig kennt man sie vom Paradiesfisch (Macropodus opercularis) vom Segelflosser (Pterophyllum scalare) und vom Aland (Leuciscus idus). LADIGES erwähnt auch einen blauen Döbel (Squalius cephalus) aus der Würm in Bayern, doch wurde das Tier offenbar nicht zum Aufbau eines Zuchtstammes benutzt. Kürzlich (2009) tauchten erstmals unter 43.000 Nachzuchttieren der Äsche (Thymallus thymallus) 11 blaue Exemplare auf, die jetzt in der Lehranstalt für Fischerei Aufseß gepflegt werden. Es erscheint grundsätzlich also möglich, dass die blaue Mutation bei allen möglichen Fischen auftaucht. Einen eigenen Namen gibt es nicht für diese blaue Mutation, mir ist jedenfalls keiner bekannt.
Lesen Sie mehr über die blaue Mutation hier: https://www.aqualog.de/blog/blauer-blog-ueber-skalare-und-fadenfische/
Der Marmor-Fadenfisch
Es ist geradezu ein Fluch: das Auftreten von Mutationen bei Aquarienfischen ist für gewöhnlich nur extrem schlecht dokumentiert. In einem 1957 erschienenen Buch über Guramis schreibt der Autor, Sol KESSLER, dass etwa 15 Jahre zuvor (also 1942, mitten im 2. Weltkrieg!) in Europa verschiedene, auf Mutation des Punktierten Fadenfisches beruhende Varianten der Art erzüchtet worden seien. Mit diesen, offensichtlich in Deutschland nicht weiter gezüchteten Tieren soll ein Züchter namens COSBY in Texas, er hat nach KESSLER eine eher kleine Zierfischzüchterei betrieben, einen erbfesten Stamm, den Marmor- oder Cosby-Gurami erzüchtet haben.
Es ist wirklich sehr interessant, dass es demnach noch nach der Kriegserklärung der USA gegen Deutschland im Dezember 1941 einen Austausch unter europäischen und amerikanischen Aquarianern gegeben haben muss. Wann der Cosby nach dem Krieg genau nach Deutschland kam, ist mir nicht bekannt. Erstmals vorgestellt wurde er in der Zeitschrift DATZ 1960 von Helmut A. PFEIFER als „Marmorierter Fadenfisch“. PFEIFER schrieb: „In den letzten Jahren tauchte ein neuer Labyrinther auf, der am Anfang recht teuer war, jetzt jedoch preislich erschwinglich ist. Er wird unter verschiedenen Namen gehandelt, so z.B. Trichogaster crospy, marmoratus oder opaline. Alle diese Namen sind ohne wissenschaftlichen Wert.“
Der schöne Fisch zeigt, vor allem im Jugendstadium, auf blauer Grundfarbe ein dunkelblaues, unregelmäßiges Marmormuster. Der Vorläufer des Cosby, den KESSLER mit einem Foto des deutschen Tierfotografen G. J. M. TIMMERMAN belegt, war im Prinzip ein „gewöhnlicher“ Blauer Fadenfisch, bei dem die sonst nur als Balzkleid gezeigte dunkle, senkrechte Streifung immer zeigte. Es gibt solche Exemplare auch heute noch ab und zu, sie werden aber nicht gezielt gezüchtet, sondern fallen nur als Nebenprodukt bei der Cosby-Züchtung an. Der Cosby- oder Marmor-Fadenfisch ist erbfest und die Jungen ähneln allesamt den Eltern, wenngleich der Grad der Marmorierung schwankt. Im Handel sind ausschließlich auf der blauen Mutation basierende Marmor-Guramis.
Weitere Mutanten
Anfang der 1970er Jahre erschienen plötzlich goldene (der Fachausdruck lautet: xanthoristische) Exemplare des Punktierten Fadenfisches auf dem Markt. Auch ihr Ursprung ist kaum dokumentiert, doch publizierte Helmut STALLKNECHT bereits 1973 in der damaligen DDR einen Zuchtstandard für Trichogaster trichopterus, in dem die Goldenen beinhaltet sind. Importiert wurden die Goldenen Fadenfische über die staatliche Importstelle „Zoologica“ 1970 in die DDR, die Herkunft dieser Tiere lässt sich nicht mehr nachvollziehen.
Zeitgleich mit den Goldenen, denen übrigens stets der Seitenfleck fehlt, wurde von der Zoologica auch eine silberfarbene Form importiert, der ebenfalls der Seitenfleck und auch der Schwanzwurzelfleck fehlt (RICHTER, 1982). Im Handel nennt man solche Tiere mit silberner Grundfärbung Opal-Guramis. VIERKE (1978) gab den Erbgang dieser Formen an. Kreuzt man Blaue und Goldene Fadenfische, so sehen die Nachkommen zu 100% wie wildfarbige Tiere, also gelb-braun mit Seiten- und Schwanzwurzelfleck, aus. Diese wildfarbigen Fische sind aber alle mischerbig (der Fachausdruck lautet: heterozygot), die Nachkommen sind teils blau, teils golden und zu einem geringen Anteil auch silberfarben. Die silberfarbenen Tiere sind also das Ergebnis in zweiter Generation (F2) einer Kreuzung von blauen und goldenen Tieren. Diese F2-Tiere sind die empfehlenswerteste Methode, um zu silber-gelbfarbenen Exemplaren zu kommen, denn obgleich man die Tiere auch reinerbig weiterzüchten kann, so zeigten doch die (allerdings sehr spärlichen) Zuchtberichte von Aquarianern, die sich damit befassten, dass die Vitalität von Silber- oder Opalguramis in Reinzucht stark nachlässt. Aber auch bei der Reinzucht Goldener Guramis fallen bis zu 50% silberfarbene Fische (VIERKE, 1976), die gleichfalls sehr vital sind. Bei Goldenen Fadenfischen kann man heutzutage zwei Zuchtlinien beobachten, eine mit leuchtend rotem Augenring, und eine, bei der sich die Rotfärbung auf den oberen Irisrand beschränkt. In Europa, besser gesagt, von Liebhabern, werden Trichogaster trichopterus kaum gezüchtet, denn die Jungtiere wären im Vergleich zu kommerziell gezüchteten Tieren viel zu teuer. Das ist schade, denn so wissen wir leider nicht zuverlässig, wie die Erbgänge der Kreuzung mit Cosby-Guramis aussehen.
Es gibt aber einen Artikel in der Zeitschrift „Der Makropode“, der sehr gute Hinweise gibt. Der Autor, Elmar SÄNGER, kreuzte ein Gold-Gurami Männchen mit einem Cosby-Weibchen. Das Ergebnis waren braune (wildfarbene) Tiere, darunter auch Braun-Marmor. Die Kreuzung braunwildfarbig (Männchen) mit braun-cosby (Weibchen) – Geschwisterpaarung – ergab Jungfische der Farben braun, blau, braunmarmor, blau-marmor, gold und silber, wobei goldene und silberfarbene Tiere darunter waren, die rußig überhaucht aussahen und nach Ansicht des Autors den Marmor-Faktor trugen. Die Verpaarung eines solchen goldmarmor Männchens mit einem braunmarmor Weibchen – Geschwisterpaarung – ergab ausschließlich marmorierte Tiere in den Grundfarben braun, blau, gold und silber. Ein zweites Geschwisterpaar, diesmal ein blau-marmor Männchen und ein braunmarmor Weibchen ergab 50% braun-marmor und 50% blau-marmor Nachkommen, während die Geschwisterpaarung blaumarmor x blau-marmor zu 100% blaumarmorierte Nachkommen ergab.
Pflege von Fadenfischen
Jungtiere des Punktierten Gurami, wie sie überall im Zoofachhandel erhältlich sind, sind sehr hübsche und problemlose Aquarienfische. Die Tiere sind sehr friedlich und lassen die Pflanzen in Ruhe, lassen sich leicht mit jeglichem Zierfischfutter passender Größe ernähren und stellen keinerlei Ansprüche an Härte und pH-Wert. Die Wassertemperatur kann sich zwischen 18 und 30°C bewegen, wobei man den Fadenfischen nachsagt, dass sie höhere Temperaturen (24-28°C) bevorzugen; wenn die Tiere herangewachsen sind, erreichen sie eine Gesamtlänge zwischen 8 und 12 cm. Werden sie sexuell aktiv, können manche männlichen Exemplare aggressive Verhaltensweisen entwickeln. In kleineren Aquarien können sie nicht nur Artgenossen, sondern auch artfremde Fische umbringen. Leider ist es unmöglich vorherzusagen, welche Exemplare aggressiv werden und welche friedlich bleiben. Es ist darum verständlich, wenn manche Aquarianer, die einmal das Pech hatten, ein bösartiges Tier zu pflegen, kaum noch dazu zu bringen sind, es erneut mit Punktierten Fadenfischen zu versuchen. Allerdings gelten goldene, silberfarbene und Cosby-Mutanten grundsätzlich als friedfertiger, verglichen mit wildfarbigen Tieren. Auch die Blauen, die seit über 80 Jahren ausschließlich als Nachzuchten gepflegt werden. In den Zuchtanstalten arbeitet man gewöhnlich nicht mit übermäßig aggressiven Männchen. Und da auch Verhalten zu einem großen Teil vererbt wird, sind viele Blaue Guramis ziemlich friedlich. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass Fadenfische in den Zuchtanstalten gewöhnlich in großen Freilandteichen vermehrt werden. Hier fällt es nicht weiter ins Gewicht, wenn einmal ein garstiges Männchen zur Fortpflanzung kommt. Pech kann man immer haben…
Fadenfischzucht
Trichogaster-Fadenfische sind ganz und gar typische Schaumnestbauer. Das bedeutet, das Männchen besetzt ein Revier und baut darin aus mit einem in der Mundhöhle gebildeten Sekret umhüllten Luftbläschen ein Schaumnest an der Wasseroberfläche. Alle Farbvarianten/Mutanten des Punktierten Fadenfisches verwenden dabei typischerweise KEINE zusätzlichen Baustoffe, sondern nur Bläschen. Der Mosaik- und der Mondscheinfadenfisch (Trichogaster leerii und T. microlepis) bauen dagegen sehr gerne feine Pflanzenwurzeln, Algen etc. mit ein. Die Art T. pectoralis (Schaufelfadenfisch) wiederum gleicht bezüglich des Schaumnestbaues dem Punktierten Fadenfisch, nur ist das Nest des deutlich größeren, 15-20 cm langen T. pectoralis eher klein und kompakt, das des Punktierten Fadenfisches großflächiger. Man weiß aber von vielen Labyrinthfischen, dass beim Nestbau auch immer wieder einmal individuelle Abweichungen vorkommen. Bei der Zucht ist es wichtig, einen niedrigen Wasserstand (maximal 20 cm, 15 cm sind besser) und eine hohe Wassertemperatur zu wählen; 30-32°C sind angemessen. Die Härte und der pH-Wert spielen eine untergeordnete Rolle, jedes normale Leitungswasser eignet sich auch für die Zucht. Da das Männchen während der Nestbauphase sehr aggressiv sein kann, muss man dem Weibchen Versteckmöglichkeiten bieten. Das können Pflanzenbüsche sein (die meisten Pflanzen vertragen allerdings die hohen Temperaturen nicht), aber auch senkrecht stehende Steinplatten. Ideal, wenn auch potthässlich, sind schwimmende Stücke von PVC-Rohr mit 5 cm Durchmesser, wie sie für Wasserleitungen in Baumärkten angeboten werden. Hier finden die Weibchen Deckung, sind für das Männchen weitgehend unsichtbar und müssen zum Luftholen nicht weit aus dem Versteck heraus. Man sollte immer nur Weibchen mit bereits deutlich sichtbarem Laichansatz zur Zucht ansetzen, sonst kann das Männchen das Weibchen zu Tode hetzen. Ein laichreifes Weibchen hingegen sucht aktiv die Nähe des Männchens und signalisiert Paarungsbereitschaft.
Man erkennt die Weibchen beim Punktierten Fadenfisch immer sicher an der Form der Rückenflosse, die beim Männchen lang und spitz ausgezogen ist, beim Weibchen dagegen kürzer und am hinteren Ende abgerundet. Das Ablaichen ist wieder ganz labyrinthfisch typisch. Das Männchen umschlingt das Weibchen in Form eines U und kippt so mit dem Weibchen auf die Seite. Währenddessen werden Eier und Spermien abgegeben. Die winzigen Eier enthalten ein Öltröpfchen und steigen daher von alleine zur Wasseroberfläche auf, wo sie das Männchen einsammelt und in das Nest spuckt. Das Weibchen beteiligt sich nicht an der Brutpflege, die ist Männersache. Darum fängt man das Weibchen nach dem Ablaichen auch am besten aus dem Aquarium, es stört eher als das es nutzt und läuft zudem Gefahr, von dem brutpflegenden Männchen angegriffen und verletzt oder getötet zu werden. Die winzigen Jungfische, es sind bis zu 1.500 – 2.000 von ihnen, schlüpfen bei Temperaturen um 30°C bereits nach ca. 24 Stunden, zwei weitere Tage später ist der Dottersack aufgezehrt und das Babygewimmel lässt sich nicht mehr im Nest zusammenhalten. Jetzt sollte auch der Papa abgefischt werden. Man sollte gar nicht erst versuchen, mehr als 100-150 Jungtiere aufzuziehen, bereits das erfordert sehr viel Platz und Zeit. In der Natur überleben statistisch gesehen nur zwei Tiere (also höchstens 0,1%, gewöhnlich jedoch viel weniger) von allen Nachkommen eines Paares und sorgen selbst für Nachwuchs, 99,9% gehen vorher zugrunde. Wenn wir 10% der Jungen aufziehen, ist das also mehr als genug.
Die Aufzucht der Jungen
Das Wachstum der Jungtiere ist rasant, bereits nach 8 Tagen können sie Artemia – Nauplien bewältigen; davor reicht in einem alteingerichteten Aquarium das dort vorhandene Mikroleben, das man mit einem Blatt getrockneten Salats noch ankurbelt. Eine winzige Prise (!) Eigelb eines hartgekochten Hühnereis, das man nach dem Kochen auf einem Brettchen zu einer flachen, rund 1 mm dicken Schicht ausstreicht (nur das Eigelb!) und bei 60°C im Backofen getrocknet hat, ist ebenfalls als Erstnahrung sehr gut geeignet. Ich rate davon ab, bei der Aufzucht einen Filter zu verwenden. Stattdessen darf der Wasserstand nicht höher als 10-15 cm sein. So kommt es aufgrund der Heizung zu einer ausreichenden Durchmischung des Wassers (warmes Wasser steigt vom Heizer zur Oberfläche auf, kühleres, sauerstoffangereichertes Wasser sinkt von der Wasseroberfläche nach unten). Ab der zweiten Lebenswoche sollte ein täglicher Teilwasserwechsel von ca. 30% des Beckeninhalts durchgeführt werden, wobei die Temperatur des Frischwassers identisch mit der Temperatur des Beckens sein sollte. Einige kleinere Paradies-Schnecken (Marisa cornuarietis) halten das Becken sauber. Bereits nach 4 Wochen bildet sich das Labyrinth. Man erkennt das daran, dass die Jungtiere an der Wasseroberfläche Luft holen. Sie sind zu diesem Zeitpunkt ca. 1-1,5 cm groß. Während der Bildung des Labyrinthes verengt sich der Schlund und die Jungfische können an zu großen Futterbrocken ersticken. Darum füttert man am besten bis zu einer Größe von ca. 2 cm Artemia-Nauplien als Hauptfutter, dazu staubfeines Trockenfutter, das im Zoofachhandel angeboten wird. Wenn das Labyrinth fertig ausgebildet ist, kann man den Wasserspiegel auf Normalhöhe bringen und einen kleinen mit Luft betriebenen Blubberfilter installieren. Leider wachsen die Jungfische unterschiedlich rasch und vorwüchsige Tiere unterdrücken ihre Geschwister; dagegen hilft nur sortieren und auseinandersetzen. Nach ca. 5 Wochen sehen die Jungtiere bereits wie Miniatur-Ausgaben der Eltern aus. Zum Schluss: Niemals die Deckscheibe vergessen! Eine Deckscheibe auf dem Aquarium ist absolute Grundvoraussetzung für die Pflege und Zucht des Blauen Fadenfisches (und der meisten Labyrinthfische). Denn wenn die Luft über dem Aquarium kühler ist als das Wasser, so erkälten sich die Tiere beim Luftholen. Zwischen Deckscheibe und Wasseroberfläche muss mindestens 1 cm Abstand sein, etwas mehr ist besser. Labyrinthfische können tatsächlich ertrinken, wenn man sie am Lufholen hindert.
Das war sie, die Geschichte vom Blauen Fadenfisch. Und es gäbe noch so viel mehr zu erzählen. Aber das können Sie ja auch zuhause selbst beobachten….Das war sie, die Geschichte vom Blauen Fadenfisch. Und es gäbe noch so viel mehr zu erzählen. Aber das können Sie ja auch zuhause selbst beobachten…
Frank Schäfer
PS: Trichogaster oder Trichopodus?
Wer sich für Nomenklatur, also die Lehre von der zoologischen Namensgebung, interessiert, der wird wissen, dass seit einiger Zeit von manchen Wissenschaftlern für die hier besprochene Trichogaster-Art der Gattungsname Trichopodus verwendet wird. Andere Wissenschaftler, so auch ich, lehnen diese Umbenennung ab. Warum?
Die wissenschaftliche Namensgebung wird durch einen Ehrencodex, den so genannten Code (richtig auf deutsch: Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur) geregelt. Daran muss man sich nicht halten, der Code ist kein Gesetz, aber es herrscht Einigkeit unter den allermeisten Forschern, dass es sinnvoll ist, den Code zu respektieren und seine Vorgaben umzusetzen. Den Code gibt es seit 1843, derzeit ist die 4. Auflage aus dem Jahr 2000 gültig.
Der wichtigste und allem übergeordnete Sinn des Codes besteht darin, dass die wissenschaftliche zoologische Namensgebung so stabil und universell wie nur irgend möglich sein soll. Diesem obersten Leitsatz sind alle anderen Artikel des Code untergeordnet.
Seit 1923 wird aufgrund einer Publikation von George S. Myers universell der Gattungsname Colisa für die westlichen und Trichogaster für die östlichen Fadenfische verwendet. Über beide Fischgattungen existieren Berge von Literatur, in der diese Gattungsnamen im Sinne von Myers verwendet werden. Auch wenn wir heute wissen, dass Myers irrte, und daher nach strenger (!) Auslegung des Code alle früher Trichogaster genannten Arten jetzt Trichopodus heißen müssten, während der Gattungsname Trichogaster den bisher Colisa genannten Arten zukommen müsste, bleibt es nichtsdestotrotz sinnvoll, die beiden Gattungsnamen im Sinne der universellen Stabilität der Nomenklatur weiter im bisherigen Sinne zu verwenden, was auch absolut möglich ist.
zitierte Literatur:
Arnold, J. P. & E. Ahl (1936): Fremdländische Süßwasserfische. Gustav Wenzel & Sohn, Braunschweig
Kessler, S. (1957): Gouramis. A guide to the identification, care and breeding of the gouramis. TFH Publication, New Jersey
Ladiges, W. (1934): Tropische Zierfische. Aquarium Hamburg
Ladiges, W. (1949): Eine Diskussion über die Arten der Gattung Pterophyllum. DATZ 2 (3): 50-53
Ladiges, W. (1957): Über einige Farbabweichungen bei Fischen. Datz 10 (6): 153-156
Pfeifer, H. A. (1960): Der marmorierte Fadenfisch. DATZ 13 (12): 359-360
Sänger, E. (1988): Zur Zucht von Trichogaster trichopterus. Der Makropode 10 (1): 2-3
Seyfried, R., Speierl, T. & R. Klupp (2011): Zur Situation der Äsche in Oberfranken. Blaue Äschen aus der Wiesent. http://www.bezirk-oberfranken.de/fileadmin/1_Aktuelles/infos/bilder/110211_blaueaeschenaufsess.pdf
Vierke, J. (1976): Fadenfische in Gold und Silber. Das Aquarium, Heft 80 (Februar 1976): 64-66
Vierke, J. (1978): Labyrinthfische und verwandte Arten. Engelbert Pfriem Verlag, Wuppertal-Elberfeld
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