Geschockt und mit tiefer Besorgnis blicken wir auf die Ukraine, wo Menschen sterben und Existenzen zerstört werden, weil ein einzelner Mann zuviel Macht anhäufen konnte und diese nun skrupellos einsetzt. Vor dem Hintergrund eines drohenden 3. Weltkrieges kommt es mir seltsam vor, einfach weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Aber es ist vielleicht trotzdem wichtig, gerade in solchen Zeiten ein Hobby am Leben zu erhalten, das – wie die Aquarien- und Terrarienkunde – eine geistige Ablenkung von den gräßlichen Ereignissen ermöglicht, gegen deren Fortgang kaum Einflussmöglichkeiten bestehen.
Wenn ich an die Ukraine dachte, fiel mir bisher immer zuerst die Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa ein und der dort stattfindende Zierfisch-Wochenendmarkt, auf dem in einer Art von Flohmarktatmosphäre private Liebhaber ihre Nachzuchten zum Verkauf anboten. Dort wurde, so sagt man, auch der kleine Barbe erstmals, um die es in diesem Blog geht.
Um 1980 begann ein wunderschöner kleiner Fisch seinen Siegeszug durch die Aquarien in aller Welt. Informationen über die Herkunft der Tiere waren nicht erhältlich, doch führten alle Spuren in die ehemalige UdSSR.
Nach Jaroslav Elias (2000) wurde die Art erstmals 1971 auf dem Zierfischmarkt von Odessa angeboten, doch erregten die unscheinbaren Jungtiere keine besondere Aufmerksamkeit. Darum stellte der Verkäufer später ausgewachsene Männchen aus und von da an fanden die Tiere reißenden Absatz. Zunächst kamen sie in die DDR, wo sie 1973 allgemein verbreitet waren, später auch in die Tscheslovakei (1974) und schließlich auch in den Westen, wo sich dann die Berufszüchter in Südostasien des Tieres annahmen. Die Herkunft der Odessabarbe blieb aber ein Geheimnis. War es eine Zuchtform? Eine Mutante? Oder doch ein Wildfisch unbekannter Herkunft?
Es wurde viel über den geheimnisvollen Ursprung der herrlichen Barbe spekuliert. Meist glaubte man in ihr eine Zuchtform oder Variante der Sonnenfleckbarbe, Barbus ticto (heute: Pethia ticto), zu sehen. Dieser Fisch hat freilich nur ganz oberflächlich Ähnlichkeit mit der Odessabarbe, die auch gelegentlich als Rubinbarbe bezeichnet wird. Andere Kandidaten waren die Prachtbarbe (Pethia conchonius), die Sonnenfleckbarbe (P. stoliczkanus) und die Ceylonbarbe (P. cummingii), wobei letztere, den Untersuchungen von Stanilav Frank (1974) der Odessabarbe anatomisch am ähnlichsten ist.
Den rührigen Aquarienfischexporteuren in Singapur haben wir die Auflösung dieses Rätsels zu verdanken. Im Jahr 2001 wurden erstmals Wildfänge exportiert. Die Odessabarbe ist keine Zuchtform sondern ein Wildfisch aus Burma! Sven O. Kullander und Ralf Britz haben die Art im Oktober 2008 formell beschrieben, sie heißt jetzt richtig Pethia padamya. Verbreitet ist sie im Einzug des Chindwin-Irrawaddy-Beckens.
Sehr interessant ist die Tatsache, dass die Odessabarbe in den vergangenen über 45 Jahren wohl nur in Inzuchtstämmen gezüchtet wurde und trotzdem kaum ein Unterschied zu den Wildfängen festzustellen ist. Die Wildfänge sind lediglich etwas kleiner und zierlicher, aber das ist grundsätzlich bei fast allen Wildfischen im Vergleich zu Nachzuchttieren der Fall. In der Natur ist der Tisch nun mal bei weitem nicht so reichlich gedeckt wie im Aquarium. Doch beweist dieser Fall einmal mehr, dass Erhaltungszuchten von Kleinfischen im Aquarium ohne Degenerationserscheinungen über Jahrzehnte problemlos möglich sind.
Odessabarben werden 5-6 cm groß. Berichte von wesentlich größeren Tieren sind wohl auf Verwechslungen mit anderen Arten zurückzuführen. Es sind ausgezeichnete Aquarienfische, die in Schwärmen von 10-15 Exemplaren gehalten werden sollten. Tut man das nicht, so muss man damit rechnen, dass die sehr verspielten Tiere andere Fische und zarte Pflanzen anknabbern, wie man das auch von der Sumatrabarbe, Puntigrus anchisporus, her kennt.
Besonders schön werden Odessabarben, wenn man sie eine Zeitlang im Gartenteich unterbringt, was in gemäßigten Zonen etwa von Mai bis Oktober möglich ist. Die untere Temperaturtoleranz liegt bei etwa 12°C.
Die Männchen der Odessabarbe sind deutlich schlanker und auch etwas kleiner als die Weibchen. Die Männchen sind farblich zudem leicht durch den prächtigen roten Seitenstreifen von den Weibchen zu unterscheiden und sie haben eine kräftigere Fleckenzeichnung in der Rückenflosse.
Zur Zucht sollte man die Geschlechter etwa zwei Wochen vor dem geplanten Zuchtansatz trennen und gut mit Lebendfutter versorgen, wobei Wasserflöhe und Hüpferlinge ein wichtige Rolle spielen. Die Wasserwerte sind zwar grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung – abgesehen davon, dass Odessabarben Frischwasser sehr schätzen, weshalb man vor dem unmittelbaren Zuchtansatz zwei bis drei Wochen den üblichen wöchentlichen Teil-Wasserwechsel aussetzt, weshalb das Frischwasser im Zuchtbecken besonders stimulierend ist – doch die Erfahrungen der alten Praktiker zeigten, dass ein pH-Wert von 6,3-6,9 bei einer Gesamthärte von 5-7°dH besonders günstig ist. Sie empfehlen den paarweisen Ansatz. Im Zuchtbecken, das 15-20 Liter Inhalt aufweisen sollte, stellt man die Temperatur auf 24-27°C ein; wichtig ist, dass die Fische zuvor, also in der Trennungsphase in der kräftig gefüttert wird, jedoch mit dem Wasserwechsel ausgesetzt wird, die Wassertemperatur deutlich niedriger, bei 18-20°C liegt.
So behandelte Odessabarben laichen meistens am folgenden Morgen bei Sonnenaufgang wie auf Bestellung ab, wenn man sie abends in das Zuchtbecken einsetzt. Das Männchen treibt sehr stark, abgelaicht wird in feinfiedrigen Pflanzen (Tausendblatt, Myriophyllum, ist ideal, es eignen sich aber auch andere Pflanzen, wie Javamoos oder die leider kaum erhältliche Nitella). Wer Wert auf eine zahlenmäßig große Nachzucht legt, bringe einen Laichrost oder eine bodendeckende Schicht ca. haselnussgroßer Kieselsteine oder Murmeln ein, denn die Eltern sind Laichräuber. So können mehrere hundert Jungtiere vom Initialansatz erzielt werden. Einmal in Laichstimmung gebracht kann man das Paar etliche Tage täglich ablaichen lassen, dann bringen sie aber nur noch – gute Fütterung vorausgesetzt – 50-100 Eier pro Tag.
Die Aufzucht der winzigen Jungtiere ist mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden, allerdings eine Fleißarbeit, denn um gut gewachsene Odessabarben, die weder verfettet noch verzwergt sind, zu erhalten, muss mehrfach täglich gefüttert werden und täglich ein großer Wasserwechsel durchgeführt werden, bei dem man gründlich den Boden absaugt. Ein paar Schnecken helfen sehr, hygienisch gute Verhältnisse zu schaffen.
Frank Schäfer
Zitierte Literatur:
Elias, J. (2000): Die Odessabarbe, Barbus ticto. Das Aquarium 11/2000: 28
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Pingback: Franky Friday: Das Geheimnis der Odessabarbe - my-fish
Hallo Franky,
guter Bericht! Was ich aber vermise wäre ein Bild eines Jungfisches der Odessabarbe. Bei mir im Becken sind kleine Barben aufgetaucht die ich nicht zuordnen kann. Könnte auch ein Bild an dich schicken. Ich habe Messingbargen und Odessa drin. Für meine Perlhuhnbärblinge sind sie aber zu groß. Würde mich sehr über Odessa Nachwuchs freuen da das Aquqrium erst 6 Wochen läuft….
Viele Grüße
Thomas
Hallo, habe diesen kommentar gerade gelesen. Ich habe von 1978-1989 diesen sehr schönen Fisch, bei mir im Aqarium gehalten und dann auch gezelt gezüchtet. Kann man in der Zeitschrift Aqarien Terrarien 11/85 nachlesen. Die Barben von Juni bis September in einen Gartenteich zu setzen, bekommt ihnen hervorragend.
Ps. Durch Umzug konnte ich dann mit Rädertierchen die Jungfische anfüttern.
Hallo Ingolf,
meine Antwort hat nichts mit Aquarien zu tun.
Ich suche einen ehemaligen Schulfreund mit dem gleichen Namen aus Halle/Saale.
Und über Google-Suche bin ich auf diesen Artikel gestoßen
Abgangsjahr war 1972. POS “ Dr.-Kurt-Fischer“