Da erleben Blaualgen ihr blaues Wunder! (2)

Posthornschnecken – in den meisten Fällen wird im Aquarium die Kalifornische Posthornschnecke (Planorbella duryi) angetroffen – gehören zu den Lungenschnecken, müssen also zum atmen immer wieder an die Wasseroberfläche kommen. Es sind Zwitter, die sich zur Not auch selbst befruchten können. Die Fortpflanzung erfolgt durch die Ablage von Eiern. Die Gelege sind eine durchsichtige Scheibe, die an alle möglichen Gegenstände angeheftet werden können. Ein Gelege enthält bis zu 15 Eier, die ungefähr 10-12 Tage zum schlüpfen brauchen. Die Dauer der Entwicklung ist temperaturabhängig und dauert bei Temperaturen über 25°C etwas kürzer, bei kühleren Temperaturen etwas länger. Planorbella duryi ist eine wärmeliebende Art, die bei uns nur in künstlich erwärmten Gewässern da und dort verwildert vorkommt. Man sollte aber trotzdem niemals solche Schnecken bei uns aussetzen. Von der heimischen Art Planorbarius corneus unterscheidet sich die kalifornische Art vor allem durch die geringe Größe. Wenn man zuhause sich munter vermehrende Posthornschnecken hat und sie niemals wesentlich größer als 1 cm im Gehäusedurchmesser werden, dann handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um Planorbella duryi.

Oben das Gehäuse einer ausgewachsenen heimischen Posthornschnecke, unten die kalifornische Planorbella duryi. Der Größenunterschied ist sehr augenfällig.

Posthornschnecken sind schon seit Anbeginn der Aquaristik beliebt, da sie Algen verzehren und Reste verputzen, aber die Pflanzen gewöhnlich in Ruhe lassen. Außerdem sind sie als Lungenatmer keine zusätzlichen Sauerstoffverbraucher. Früher hatte man naturgemäß die heimische Art im Becken, die mit den damaligen Verhältnissen prima klar kam. Man darf ja nicht vergessen, dass auch Wohnräume im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert nur bei Bedarf beheizt wurden und entsprechend kühl konnte es in den Aquarien unserer Ahnen werden. Die heimische Posthornschnecke mag keine gleichbleibend hohen Wassertemperaturen, schon gleich gar nicht in regelgeheizten Becken. Dort dauert sie nicht lange aus. Sie wurde darum in unseren Tagen schleichend durch die Kalifornierin ersetzt, ohne dass sich die meisten Aquarianer darüber bewusst wären. Sie haben halt Posthornschnecken. Die Art ist ihnen egal.

Aufgrund des Hämoglobins schimmert der Körper der Schnecke im Gegenlicht rot.

Posthornschnecken haben, genau wie wir Menschen, roten Blutfarbstoff – Hämoglobin. Albinos sind darum leuchtend rot gefärbt, normalfarbige Tiere hingegen dunkelbraun. Früher gab es im Handel immer rote Posthornschnecken zu kaufen. Sie stammten von Tieren ab, die einst von Berliner Aquarianern in einem Kanal gefunden und weitergezüchtet wurden. Heute muss man richtig Glück haben, um rote Posthornschnecken der heimischen Art zu bekommen. Die meisten roten sind heutzutage Kalifornier. Und seit neuestem gibt es sogar blaue Kalifornier. Verkauft werden sie allerdings meist irrtümlich als „Planorbarius corneus“. Das ist kein böser Wille. Die Zoohändler kaufen sie schon von den Zuchtbetrieben unter dem falschen Namen ein und ähnlich wie den meisten Aquarianern ist ihnen die Artzugehörigkeit eher gleichgültig. Das ist nur dann blöd, wenn man die Schnecken für den Gartenteich kauft. Denn Planorbella duryi überlebt dort den Winter nicht.

Die blaue und die rote Zuchtform der Kalifornischen Posthornschnecke (Planorbella duryi) werden meist irrtümlich als Planorbarius corneus angeboten.

In normalen Aquarien werden Posthornschnecken kaum jemals lästig. Nur Kontrollfreaks schlafen schlecht, wenn sich die Schnecken gemütlich vor sich hin vermehren. Zu Massenvermehrungen kommt es nur, wenn permanent zu viel gefüttert wird. Aber man kann die überschüssigen Schnecken ja leicht absammeln. Sie werden von vielen Fischen sehr gern gefressen, z.B. von Makropoden und Buschfischen (Macropodus und Microctenopoma), von Kugelfischen sowieso, und auch für Prachtschmerlen (Ambastaia, Botia, Chromobotia, Syncrossus und Yasuhikotakia) sind sie wahre Leckerbissen. Auch Sumpf- und Wasserschildkröten sind ganz versessen auf Posthornschnecken als Zwischendurchhappen. Es finden sich also reichlich Abnehmer, wenn wirklich einmal zuviele der netten Häuschenträger vorhanden sein sollten.

Unverzichtbar sind Posthornschnecken in Aufzuchtaquarien. Natürlich haben sie in Ablaichbecken nichts verloren, da sie den Laich fressen würden, aber sobald die Fischbrut frei schwimmt, nimmt eine Handvoll Posthörnchen dem Pfleger enorm viel Arbeit ab. Die Jungfische wachsen in Schneckenbecken sehr gut und gesund heran, da die lästigen Bakterienrasen von den Schnecken einfach weggefressen werden. Die Schnecken fressen auch leere Artemia-Zysten, die dann in den Kotwürsten gebunden sind und leicht abgesaugt werden können

In sehr sauberen Aquarien, das sei nicht verschwiegen, können die Posthornschnecken durchaus aus Verzweiflung auch mal Wasserpflanzen anknabbern. Wenn man das beobachtet, sollte man den Schneckenbestand lieber drastisch reduzieren.

Fazit: Blaualgen sind furchtbar, doch Posthornschnecken helfen zuverlässig dagegen. Und nette Beobachtungsobjekte sind sie obendrein!

Lesestoff über Schnecken gibt es hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=schnecken

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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2 Kommentare zu “Da erleben Blaualgen ihr blaues Wunder! (2)

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