Was macht eigentlich eine Anfängerart zur Anfängerart? Zunächst einmal muss eine solche Art auch in der Natur ausgesprochen anpassungsfähig sein!
Unter den Sumpf- oder Wasserschildkröten erfüllt die Chinesische Dreikielschildkröte (Mauremys – früher Chinemys – reevesii) diesen Anspruch perfekt. Sie besiedelt in der Natur eine Vielzahl von Kleingewässern, darunter auch vom Menschen geschaffene Sekundärbiotope, wie Reisfelder. Da die Art in den Subtropen vorkommt, besitzt sie zudem eine große Temperaturtoleranz. Je nach Feinddruck – diese Schildkröte steht in Ostasien auf dem Speisezettel des Menschen – ist sie tag- oder dämmerungsaktiv. Wird sie sehr stark verfolgt, geht das Tier sogar zu einer fast ausschließlich wasserlebenden Lebensweise über, während sie in Gebieten, wo man sie in Ruhe lässt, auch gerne ausgiebige Sonnenbäder nimmt. Man sieht also: ein ausgesprochen anpassungsfähiges Tier! Leider ist der Verfolgungsdruck zu Nahrungszwecken in großen Teilen des Verbreitungsgebietes gegenwärtig so hoch, dass die Art von der IUCN als „gefährdet“ eingestuft wird; wissenschaftlich belastbare Daten oder Studien dazu liegen allerdings nicht vor.
Klein und friedlich
Ein weiteres, wichtiges Kriterium für eine Anfängerart ist, dass sie keine übermäßigen Platzansprüche stellen darf. Denn gewöhnlich probiert ein Anfänger ja zunächst einmal aus, ob diese spezielle Form der Tierpflege, wie sie die Terraristik darstellt, überhaupt zu ihm passt. Da ist niemand bereit, riesige Behälter aufzustellen. Mit höchstens 20 cm Panzerlänge genügt bereits ein Aqua-Terrarium mit 100 x 50 cm Bodenfläche der tierschutzgerechten Unterbringung dieser Schildkröte, deren Schwimm- und Bewegungsbedürfnis zudem mit zunehmendem Alter stetig abnimmt. Die Höhe des Wasserstandes ist größenabhängig zu wählen und sollte etwa dem doppelten der Panzerlänge entsprechen, also 40 cm bei voll ausgewachsenen Exemplaren.
Untereinander friedlich sollten Anfängertiere auch sein, denn ein Anfänger in der Terraristik muss ja erst noch lernen, dass Reptilien eine vollständig andere Gefühlswelt haben als Menschen und eine Schildkröte einen Begriff wie “Einsamkeit” nicht kennt. Am Anfang wird daher immer der Wunsch stehen, ein “Pärchen” zu pflegen. Gerade bei Babies von Schildkröten ist das mit der Geschlechtsbestimmung aber so eine Sache. Man kann Glück haben, aber auch Pech. Da alle Schildkrötenarten grundsätzlich Einzelgänger sind (im biologischen Sinne, d.h. sie weisen keine aktiven Verhaltensweisen auf, die dem Zusammenschluss mit Artgenossen zu Gruppen oder dauerhaftem Paarleben dienen), ist die Verträglichkeit untereinander sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Ermordung von Artgenossen ist keineswegs unüblich in Schildkrötenkreisen. Aber nicht so bei der Chinesischen Dreikielschildkröte. Sogar erwachsene Männchen sind untereinander ausgesprochen verträglich, eine große Ausnahme im Reich der Schildkröten! Wenn genug Platz zur Verfügung steht ist auch gegen eine Gruppenhaltung bei Mauremys reevesii nichts einzuwenden.
Einfache Ernährung
Auch das ist ein wichtiger Punkt bei der Beurteilung einer Art als Anfängerart. Eine Anfängerart sollte sich problemlos und dauerhaft – also ohne das Risiko von Spätfolgen – mit käuflichen, jederzeit erhältlichen Futtermitteln ernähren lassen. Die Nahrung für Chinesische Dreikielschildkröten ist hauptsächlich aus fleischlichen Komponenten zusammengesetzt und die diversen, im Zoofachhandel erhältlichen Trockenfutter für Wasserschildkröten eignen sich ausgezeichnet zur Basisernährung. Als Leckereien kann man z.B. tiefgefrorene, ganze Stinte reichen, die begeistert angenommen werden. Pflanzliche Bestandteile spielen keine nennenswerte Rolle bei der Ernährung, man kann hin und wieder ausprobieren, ob es da individuelle Vorlieben gibt; manche Exemplare naschen gelegentlich Banane oder anderes süße Obst, sehr alte Tiere fressen auch manchmal bei Grünfuttergaben (Löwenzahn, Leguminosen) für andere Arten bei Gemeinschaftshaltung mit, doch ist dergleichen bestenfalls als Nahrungsergänzung zu sehen.
Ab in die Sommerfrische
Abschließend soll noch ein weiterer Vorteil der Chinesischen Dreikielschildkröte genannt werden, der sie als Anfängertier so besonders geeignet erscheinen lässt: als subtropische Art lässt sich das Tier im Sommer prima im Freiland pflegen. Selbst in kühlen, regnerischen Sommern, wie sie in unseren Breiten nun einmal vorkommen, besteht keine Gefahr, dass sich die Schildkröten erkälten. Das hat den großen Vorteil, dass man seine Tiere im Sommerurlaub zu einem Bekannten mit Garten in Pflege geben kann, was in aller Regel viel problemloser möglich ist, als die Schildkröten in eine fremde Wohnung umzuziehen.
Pflege im Freiland
Dabei gilt es allerdings einiges zu beachten. Grundsätzlich besteht bei der Pflege im Freiland immer die Gefahr einer tödlichen Überhitzung. Es ist also unbedingt darauf zu achten, dass ein Teil des Freilandbeckens während des gesamten Tages beschattet ist. Als Freilandbecken eignen sich ausgezeichnet aufblasbare Kinderplanschbecken, die es für ganz wenig Geld überall zu kaufen gibt. In der Mitte des Beckens bringt man eine Korkrinde passender Größe an, die es den Schildkröten ermöglicht, Sonnenbäder zu nehmen. Damit diese Korkrinde nicht an den Rand des Beckens treibt, von wo die Schildkröten durch Überklettern ausbüchsen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden könnten, fixiert man sie (die Rinde, nicht die Schildkröte!) mittels einer Schnur und eines Backsteines, der als Anker dient. Man muss aufpassen, dass dieses Schildkröten-Planschi nicht während längerer Regenperioden überläuft, auch das könnte zum Verlust der Tiere führen. Daher bastelt man am besten aus durchsichtigem Well-Polyesther und vier Holzpfählen, von denen zwei etwas länger sind als die anderen zwei, damit eine Schräge entsteht, ein mobiles Dach für das Planschbecken, das abends oder während Dauerregens über dem Schildkrötenbecken aufgestellt wird.
Dreikielschildkröten im Gartenteich?
Das ist keine gute Idee. Zwar nehmen die Schildkröten hier nicht zwangsläufig Schaden, aber erstens werden die Tiere immer abwandern, wenn man den Teich nicht ausbruchsicher umzäunt; zweitens sind Chinesische Dreikielschildkröten bei dieser Haltungsform extrem scheu, man bekommt sie daher praktisch nie zu Gesicht; und drittens fressen die Schildkröten jeden tierischen Mitbewohner im Gartenteich oder versuchen es zumindest.
Alle Chinesischen Dreikielschildkröten im Handel sind Nachzuchtexemplare, niemand braucht sein Gewissen damit zu belasten, möglicherweise eine Naturentnahme einer potentiell gefährdeten Art zu pflegen. Allerdings hat der (vergleichsweise verschwindend geringe) Bedarf an lebenden, gesunden Exemplaren zum Zwecke der Terrarienhaltung nie einen Einfluss auf den wildlebenden Bestand gehabt.
Frank Schäfer
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Schön und kompetent beschrieben. Kann alles bestätigen, besonders die Stintgier und die speziellen Vegeationsvorlieben. Tolle Tiere, die leider wegen ihrer Färbung nicht beliebt sind. Besonders die Nominatform ist gefährtet und scheint nur noch in Nachzuchten vorzukommen, wie mir ein Schildkrötenkollege mitgeteilt hat.