Seit vielen Jahren erhält Aquarium Glaser aus Vietnam einen sehr hübschen Wild-Kampffisch, dessen Bestimmung sich als außerordentlich schwierig erwies; kein Wunder, wie wir heute wissen, denn die Art war schlicht neu für die Wissenschaft. Sie gehört in den so genannten Betta splendens Komplex innerhalb der Gattung Betta.
Betta splendens gehört zu den rätselhaftesten Fischarten, denn die Erstbeschreibung erfolgte bereits 1910 anhand von Zuchtformen. Das ist so, als hätte man die Spezies Wolf anhand von Yorkshire-Terriern beschrieben und würde nun versuchen, aufgrund dieser Erstbeschreibung den ursprünglichen Wolf zu rekonstruieren. Es weiß also niemand, was Betta splendens eigentlich ist und besonders die Abgrenzung gegen Betta imbellis ist äußerst problematisch, zumal es unzählige Standortvarianten gibt. Pragmatisch geht man so vor, dass man Wildkampffische bei denen die Männchen einen roten Doppelstreifen auf dem Kiemendeckel entwickeln, als Betta splendens bezeichnet und solche mit blauen Streifen auf den Kiemendeckeln als B. imbellis. Wer sich detaillierter für diese Verwandtschaftsgruppe interessiert, sei auf diesen Blog verwiesen: https://www.aqualog.de/blog/der-betta-splendens-formenkreis-allgemein-und-betta-mahachaiensis-im-besonderen/
Unsere Vietnam-Fische wurden daher zunächst als Betta imbellis bezeichnet. Als später (2005) die Erstbeschreibung von B. stiktos erfolgte, stellten wir fest, dass die arttypischen „stiktos-Punkte“ auch bei unserem Fisch vorhanden sind. Man kann Betta-Arten anhand von konserviertem Material fast nicht auseinanderhalten und Betta stiktos war zunächst nur konserviert bekannt. Kurz und gut, wie tauften unseren Fisch zu Betta cf. stiktos um. Dann reisten Aquarianer an den Typusfundort von Betta stiktos und fingen den Fisch. Nun wussten wir also, wie er aussieht: Betta stiktos gleicht weitgehend B. smaragdina und hat mit unserem Vietnamesen nichts zu tun.
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Von den meisten Varianten von Betta imbellis unterscheidet sich unsere Vietnam-Form durch das weitgehende Fehlen grüner oder blauer Glanzpunkte auf dem Körper. Dadurch erscheinen balzende Tiere tiefschwarz. Wir nannten sie darum wieder Betta cf. imbellis „Black“, um klar zu machen, dass sie sich von den häufig importierten malaiischen B. imbellis deutlich unterscheiden.
Im Jahr 2012 fand die Namensodyssee dann endlich ein Ende, denn da wurde der schwarze imbellis aus Vietnam als eigenständige Art Betta siamorientalis wissenschaftlich beschrieben.
Es sind wunderschöne Fische, die sich ideal für die Pflege und Zucht im Aquarium eignen. Wie bei Betta imbellis und B. smaragdina kann man in ausreichend großen Aquarien (ab ca. 60 cm Kantenlänge) bei gut strukturierter Einrichtung problemlos mehrere Männchen gemeinsam halten. Es sind Schaumnestbauer, die sich für jedes gut bepflanzte Gesellschaftaquarium mit friedlichen Fischen eignen.
Frank Schäfer