Es gibt immer wieder Fische, die uns ganz besonders anziehen. Ich interessiere mich schon lange für Erdfresser und einige Fische dieser Gattung habe ich noch nie gesehen. Und so ergriff ich natürlich sofort die Gelegenheit beim Schopf, mit einigen skandinavischen Freunden nach Panama zu reisen und dort nach Geophagus crassilabris zu suchen.
Eine der interessantesten Arten war für mich der Dicklippige Rothaubenerdfresser, Geophagus crassilabris. Er ist der einzige maulbrütende Cichlide Mittelamerikas. Seine nächsten Verwandten leben südlich der Grenze in Südamerika. Geophagus bedeutet Erdfresser and crassilabris steht für dicke Lippen. Und tatsächlich sind die dicken, vorstehenden Lippen mit ihrer bläulichen Farbe das hervorstechendste Merkmal. Ansonsten sieht er seinen Verwandten G. steindachneri und G. pellegrini ziemlich ähnlich.
Geophagus crassilabris Steindachner, 1877 kommt vom östlichen Teil Panamas nahe der Hauptstadt Panama City. Berichten nach wurde er im Bereich der Kanal-Zone gefunden, ebenso in vielen der zahlreichen Flüsse dieser Gegend. Als ich im März 2001 in dieser Gegend suchte, zeigte es sich, daß crassilabris dort weitaus weniger verbreitet ist, als ich erwartet hatte. Ich hatte Gelegenheit, zahlreiche Biotope zwischen Panama City und Colon zu untersuchen. Wir hielten bei jedem Gewässer entlang der Straße nach Colon und wann immer es möglich war, gingen wir in den Fluss. Wir studierten die Fische während wir tauchten und benutzten ein Hand-, ein Zug- und ein Stellnetz. Der Gesamteindruck war, daß die Fischfauna in Panama sehr vielfältig ist. Es gelang uns, einige Harnischwelse, Ancistrus sp., Lebendgebärende und Killies zu fangen. Außerdem zahlreiche Salmler, hauptsächlich Astyanax sp. und Curimata sp., dazu Andinoacara coeruleopunctatus, der im ganzen östlichen Panama weit verbreitet ist. Wir fanden ihn in jedem Biotop, das wir besuchten, außer in solchen mit sehr starker Strömung. Dort wiederum konnten wir einen Chaetostoma sp. mit roten Flossen fangen, der häufig in den Flüssen auftauchte, aber sehr schwierig zu fangen war. Es ist ein scheuer und sehr schneller Saugwels, der sich in einem Aquarium mit starker Strömung sicher wohlfühlen wird. Geophagus crassilabris hingegen war schwer zu finden und ich möchte behaupten, daß er in dieser Gegend nicht sehr verbreitet ist. Nach meiner Erfahrung handelt es sich um eine seltene Art. Die Verbreitung dieser Art sollte genau untersucht werden, um festzustellen, ob sie möglicherweise gefährdet ist.
Der einzige Ort, an dem wir G. crassilabris fanden und auch fangen konnten, war ein kleiner Nebenfluß des Aqua Sucia. Wir fischten an der kurzen Strecke dieses Flusses genau unterhalb des Ortes. Die Anwohner interessierten sich lediglich für die Salmler. Sie wurden alle als „Sardinen“ bezeichnet und dienten beim Fischen im Lago Gatun als Köder. Die dort gefangenen Fische waren interessanterweise Cichla sp., dort „sargento” genannt, und Pfauenaugenbuntbarsche (Astronotus). Auch Tilapien sollen in diesem See vorkommen. Der Fluss fließt auf der Höhe von Camp Alegre langsam, die tiefste Stelle beträgt 1 Meter, manchmal sogar bedeutend weniger. Die durchschnittliche Tiefe in Nähe der Ortschaft betrug 30–50 cm. Es ist offensichlich, warum der Hauptstrom Aqua Sucia, (= schmutziges Wasser) genannt wird. Er wird seit ewigen Zeiten als Schuttabladeplatz benutzt. Alles, vom Autowrack bis zu irgendwelchen Kleinteilen, findet sich dort im Wasser, und das war auch für uns ein großes Problem, als wir dort fischten. Der Fluss dient außerdem den Frauen des Ortes als Waschplatz. Alle Waschmittel landen im Fluss, was wahrscheinlich auch die Wasserqualität beeinträchtigt. Jeden Tag stehen immerhin mehr als 10 Frauen im Fluss, um Wäsche zu waschen. Das Wasser hatte eine Temperatur von 25°C, der pH-Wert lag bei 7,0 , GH 5° dH und KH 5° dH. Der Fluss wies keinerlei Vegetation auf, die Sandbänke jedoch bedeckte dichter Pflanzenbewuchs, der das Wasser fast völlig in Schatten tauchte. Der Boden war lehmig oder aus feinem Sand, versetzt mit viel Laub und Zweigen, hier und da unter Wasser einige große Steine und Felsen.
Die Kinder des Ortes waren eine große Hilfe: Sie amüsierten sich königlich, während sie hunderte von Salmlern fingen – eine wahrlich erfolgreiche Mission! Bei den Sandbänken der Flussbiegungen fanden wir sie endlich: Geophagus crassilabris in allen Größen, adulte Männchen von über 15 cm Länge, die Weibchen etwas kleiner. Die kleinsten waren etwa 2 cm groß. Nicht zu zählen die hunderte von Jungfischen, die eines der Weibchen in der Plastiktüte ausspuckte, nachdem sie gefangen wurde. Zwei Fahrten zum Campo Alegre brachten beinahe 30 Exemplare dieser schwer zu fangenden Fische ein. Die großen Männchen waren wirklich prächtige Fische: Sogar kurz nach dem Fang waren sie im Photoaquarium schon eine echte Augenweide. Die Kiemendeckel zeigten eine helle blau-grüne, metallische Farbe – wirklich außergewöhnlich.
Ansonsten sehen sie den anderen Rothaubenerdfressern recht ähnlich. Die Kopfregion weist mehr Rot auf, an den Seiten fünf dunkle Bänder und ein dunkler Streifen, der sich von den Kiemendeckeln nach hinten zieht. Diese dunklen Bänder variieren stark, je nach Stimmung der Fische. Die Weibchen sind kleiner und weniger farbenprächtig. Der bedeutendste Unterschied ist der rote Buckel auf dem Kopf, den die geschlechtsreifen Männchen gewöhnlich besitzen.
Die Haltung von Geophagus crassilabris im Aquarium ist nicht schwierig. Sie passen sich problemlos den meisten Wasserbedingungen an, Extreme sollten dabei allerdings vermieden werden. Als Bodensubstrat ist größtenteils feiner Sand zu wählen, als Dekoration dienen einige Steine und Holz. Eine Vergesellschaftung mit den meisten friedlichen Arten ist möglich. Wünschenswert ist die Haltung von kleineren Gruppen, bestehend aus 1 oder 2 Männchen und 3 bis 4 Weibchen. Eine solche Gruppe fühlt sich wohl in einem Aquarium von etwa 300 Litern. Geophagus crassilabris ist ein ovophiler maternaler Maulbrüter. Das bedeutet, das Weibchen kümmert sich um den Nachwuchs. Es wird berichtet, dass Männchen unmittelbar nachdem sie mit einem Weibchen abgelaicht haben, mit dem nächsten Weibchen ablaichen. Die Jungfische fressen sofort nach der Entlassung aus dem mütterlichen Maul Artemia-Nauplien.
Tor Kreutzman
Anzeige