Als Saugwelse bezeichnet man in der Aquaristik üblicherweise Vertreter der ausschließlich in der Neuen Welt lebenden Familie Loricariidae. Sie ist als artenreich bekannt. Weil zusätzlich noch sehr viele unbeschriebene Arten existieren, wurden für unbestimmbare Arten sogenannte L-Nummern vergeben. In Asien gibt es aber auch Welse, die in strömungsreichen Gewässern leben und Saugapparate entwickelt haben, die es ihnen ermöglichen, sich energiesparend in der Strömung an Steinen, Holz etc. festzuhalten. Während die Loricariiden zum Ansaugen ihr Maul benutzen, tun dies die Asiaten mit Hautfalten, die sich an Saugorganen am Bauch oder im Lippenbereich befinden.
In systematischer Hinsicht stellen sich die Asiaten, die übrigens zur Familie Sisoridae gehören, fast noch verworrener dar als die Südamerikaner. Etwa 310 Arten werden gegenwärtig akzeptiert, die sich auf 26 Gattungen verteilen. Am artenreichsten ist Glyptothorax mit ca. 100 anerkannten Arten.
Innerhalb der Familie Sisoridae werden zwei Unterfamilien unterschieden: die Sisorinae und die Glyptosterninae; früher wurden in der UF Sisorinae nur fünf Gattungen ohne Saugapparat geführt, doch zeigte eine aktuelle molekularbiologische Studie von Kumar et al. (2020), dass diese anatomisch begründete Einteilung nicht mit molekularen Befunden zu stützen ist. Sie vereinen in der UF Sisorinae darum sowohl Gattungen mit wie auch ohne Saugapparat, insgesamt 11 Gattungen. Die Monophylie der gesamten Familie Sisoridae ist sowohl anatomisch wie auch molekular gut belegt. Es erscheint mir darum fraglich, wozu man überhaupt Unterfamilien braucht, wenn es sich herausstellt, dass sie anatomisch nicht erkennbar oder definierbar sind. Für die aquaristische Praxis sind Unterfamilien innerhalb der Sisoridae jedenfalls bedeutungslos.
Sowohl auf Gattungs- wie auch auf Artniveau fällt die Bestimmung importierte Tiere schwer, denn zahlreiche Typusexemplare befinden sich in chinesischen und indischen Museen und sind damit nicht so ohne weiteres zugänglich. Man muss sich also in vielen Fällen auf die verbalen Beschreibungen und Abbildungen verlassen, eine Methode, die erfahrungsgemäß leicht zu Fehlbestimmungen führt.
Aquaristisch spielen die asiatischen Saugwelse mit Saugapparat keine Rolle, obwohl schon eine ganze Reihe von Arten importiert wurde. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht nur interessante, sondern zum Teil auch ausgesprochen hübsche Welse aus dieser Verwandtschaftsgruppe gibt. Nur am Rande sei erwähnt, dass einige Arten der Gattung Hara (und Erethistes) – sie besitzen keinen Saugapparat – sich zu regelmäßig importierten, recht beliebten Aquarienfischen entwickelt haben. Auch Hara gehört zu der Familie Sisoridae, wird hier aber nicht weiter besprochen.
Aus der Gattung Oreoglanis konnte Aquarium Glaser z.B. schon öfter O. siamensis Smith, 1933 importieren. Die Gattung Oreoglanis wurde erst vor relativ kurzer Zeit (2001) von Ng & Rainboth revidiert, so dass die Bestimmung einigermaßen gesichert erscheint. Artcharakteristisch für O. siamensis, der etwa 12 cm lang werden kann, ist, dass seine beiden großen Barteln, die Maxillar-Barteln, spitz zulaufen (bei seinen nächsten Verwandten sind sie abgerundet) und dass seine Augen relativ nahe beieinanderstehen. Sicher kennt man ihn nur aus dem Norden Thailands, wo er in dem oberen Mae Nam Ping-Einzug vorkommt, einem Fluss, der zum Chao Phraya-System gehört. Die Saugorgane sind bei Oreoglanis am Rand des Kopfes und der Vorderkante der Brustflossen ausgebildet. Das Haftprinzip entspricht in etwa dem der Geckofüße und ist recht effektiv. Der gesamte Körperbau zeigt an, dass der Fisch in der Natur in schnell fließendem Wasser lebt. Der Körper ist flach und bietet kaum Reibungswiderstand. Die Brust- und Bauchflossen sind nach hinten aufgebogen und wirken so wie die Heckspoiler eines Rennautos: sie drücken durch die Strömungsverwirbelung den Körper fester an das Substrat. Ein Blick ins Maul verrät, was Oreoglanis frisst: Aufwuchs. Die Oberkieferzähne stehen wie ein feiner mehrreihiger Rechen beieinander, die Unterkieferbezahnung aus zwei Zahnpolstern, die ihnen entgegenarbeiten. Man bietet ihnen also im Aquarium möglichst feines Futter, wie gefrorene Cyclops, aber auch Futtertabletten und Salatgurkenstücke. Im Aquarium zeigen sich die importierten Tiere nicht sehr empfindlich, wollen aber starke Strömung. Untereinander sind sie friedlich.
Aus der Gattung Glyptothorax möchte ich einige bereits importierte Arten kurz vorstellen, aus Indien, aus Thailand und aus Indonesien. Wie schon in der Einleitung erwähnt ist die Gattung sehr artenreich. Ein wichtiges Bestimmungsmerkmal ist die Form des in diesem Falle bäuchlings zwischen den Brust- und Bauchflossen befindlichen Saugapparates. Alle Glyptothorax-Arten sind Kleintierfresser (in der Natur ernähren sie sich von Insektenlarven) und leicht mit den üblichen Fischfutter-Mitteln zu ernähren.
Die indische Art konnte noch nicht bestimmt werden. Sie scheint sehr klein zu bleiben, die importierten Exemplare sind etwa 5 cm lang. Es gibt zwei Farbmorphen der Art, eine graue und eine braune. Dabei könnte es sich um einen Sexualdichromatismus handeln. Die wenigen bislang importierten Exemplare sind jedoch zu kostbar, um sie für eine anatomische Untersuchung zu opfern. Der Saugapparat ist ganz ungewöhnlich bei dieser Art und ähnelt in der Form einem Hufeisen. Gesammelt wurde sie im Norden Bengalens, nahe beim Himalaya, im Einzuggebiet des Tista-Flusses, der zum Brahmaputra fließt. Wie viele andere Fische dieser Region ist die Art ein wenig sauerstoffbedürftig und mag es nicht zu warm (nicht über 24°C, besser sind 16-22°C), ist jedoch gut haltbar. Es besteht eine große Ähnlichkeit dieser Glyptothorax-Art zu Pseudolaguvia shawi, ebenfalls ein Vertreter der Sisorinae, der aus dem genannten Verbreitungsgebiet stammt. Es scheint dort einen ganzen Artenschwarm winziger Saugwelse zu geben. Erst kürzlich importierte Aquarium Glaser Pseudolaguvia muricata von dort; die Pseudolaguvia werden weiter unten beschrieben. Zwischen den P. muricata fanden sich als Beifang zwei weitere winzige Glyptothorax-Arten; keiner dieser Mini-Saugwelse scheint länger als 3 cm zu werden.
Pseudolagiva shawi aus dem Tista-Einzug sieht dem unbestimmten Glyptothorax sehr ähnlich. Auch von dieser Art gibt es eine braune und eine graue Phase.
Auch dieser winzige Glyptothorax (?) stammt aus dem Tista.
Ein weiterer Zwerg-Saugwels (Pseudolaguvia oder Glyptothorax) aus dem Tista.
Aus Thailand kommen gelegentlich Glyptothorax lampris Fowler, 1934 und G. trilineatus Blyth, 1860, zu uns, wobei die Bestimmungen noch nicht so ganz gesichert erscheinen. Bei ersterem könnte es sich auch um G. fuscus Fowler, 1934, bei letzterem um G. laosensis Fowler, 1934 handeln. Für die Praxis ist das jedoch nebensächlich, denn alle genannten Arten werden nur ca. 8 cm lang und sind somit gut für die Pflege im Aquarium geeignet. Alle vier erwähnten Arten sind ziemlich weit in den Einzugsbereichen des Chao Phraya und des Mekong verbreitet.
Glyptothorax keluk
2022 erreichte uns ein Transport von kleinen (4-5 cm langen) Glyptothorax aus Indonesien. Glücklicherweise gibt es eine aktuelle Übersichtsarbeit über diese Welse aus Sundaland (Ng & Kottelat, 2016) und der Bestimmungsschlüssel führte problemlos zu der Art G. keluk. Dieser maximal 6 cm lange (Standardlänge ohne Schwanzflosse) Bauchsaugerwels wurde in genau dieser Arbeit auch wissenschaftlich erstbeschrieben.
Bisher ist G. keluk nur aus dem System des Musi-Flusses in Süd-Sumatra bekannt. Woher die importierten Exemplare genau stammen, wissen wir nicht.
Glyptothorax sind anspruchsvolle Fische, die eine gute Strömung und sauberes, sauerstoffreiches Wasser fordern. Bezüglich der Ernährung stellen sie kaum Ansprüche, es sind unspezialisierte Kleintierfresser. Untereinander und gegen artfremde Fische sind sie, soweit bisher Beobachtungen dazu vorliegen, friedlich. Über die Fortpflanzung ist nichts bekannt. Von anderen Glyptothorax-Arten wird berichtet, sie laichten bei Hochwasser in trübem Wasser und tendierten dazu, zum Laichen flussabwärts zu wandern. Über eine Brutfürsorge wird nichts berichtet. Die Wassertemperatur wähle man nicht zu hoch, 22 bis 24°C erscheinen günstig. G. teluk ist ein ziemlich aktiver Fisch, der sich bei Beunruhigung zwar auch in Verstecke zurückzieht, aber auch sehr schwimmaktiv unterwegs sein kann. Die Färbung ist unspektakulär; die meisten Tiere sind uniform gelblich-rötlichbraun, einige dunkel schokoladenbraun gefärbt.
Pseudolaguvia muricata
Anschließend möchte ich noch kurz einen weiteren Mini-Saugwels erwähnen, weil er sich aktuell (April 2023) im Angebot indischer Exporteure befindet (wenn auch meist unter der falschen Bezeichnung Hara horai, das ist eine andere Art).
Die erste Art der Gattung Pseudolaguvia wurden schon 1927 beschrieben, doch erkannte man erst in jüngster Zeit, dass es sich um eine sehr artenreiche Gattung von Zwergwelsen handelt, die gewöhnlich nur ca. 2-3 cm lang werden. So wurden von 1927 bis zum Jahr 2013 nur vier Arten beschrieben, seither kamen 21 (!) neue Arten hinzu!
Typisch für Pseudolaguvia ist – genau wie bei Glyptothorax – ein Saugapparat an der Bauchseite. Die Arten leben in Bächen und kleinen Flüssen, die gewöhnlich feinen Sand als Bodengrund aufweisen. Hier findet man die Zwergwelse zwischen zerfallenden Pflanzenresten (Detritus).
Pseudolaguvia muricata stammt aus Nordbengalen in Indien und wird für die Aquaristik im Tista-Einzug gefangen. Ich hatte im Jahr 2000 Gelegenheit, sie im Biotop zu finden und den auf ihren Fang spezialisierten Fischer kennenzulernen. Die niedlichen Tiere werden etwa 2,5-3 cm lang und eignen sich damit hervorragend zur Pflege in kleinen Aquarien, zumal sie nicht sehr schwimmfreudig sind. Das Aquarium für Pseudolaguvia sollte feinen Sandboden aufweisen. Zusätzlich gibt man etwas totes Laub in das Aquarium. Gefressen wird alles übliche Fischfutter, sofern es ins Maul passt. Gegenüber Artgenossen und artfremden Fischen sind Pseudolaguvia vollkommen friedlich, auch Pflanzen werden nicht beschädigt.
Es gibt eher dunkle, schlanke Fische und etwas heller gefärbte, kräftigere Exemplare. Vielleicht handelt es sich dabei um einen Geschlechtsunterschied. Über die Fortpflanzung ist nichts bekannt, doch ist zu vermuten, dass die Tierchen ihre Eier, ähnlich wie Panzerwelse, ohne weitere Brutpflege an Pflanzen etc. anheften. Die Pflege erfolgt am besten bei Zimmertemperatur, das Wasser im natürlichen Lebensraum ist weich und neutral. Besonders wichtug sind zwei Dinge: keimarmes Wasser und geringe Futterkonkurrenz, denn die Pseudolaguvia sind langsame Fresser und kommen leicht zu kurz.
Frank Schäfer
Literatur
Kumari, K., Sinha, A., Koushlesh, S. K., Das Sarkar, S., Borah, S., BaItha, R., Behera, B. K. & B. K. Das (2020): Genetic differentiation and phylogenetic relationship of 11 Asian Sisorinae genera (Siluriformes: Sisoridae) with new record of Pseudolaguvia foveolata. Mitochondrial DNA Part A, 31(1), 35-41.
Ng, H. H. & M. Kottelat (2016): The Glyptothorax of Sundaland: a revisionary study (Teleostei: Sisoridae). Zootaxa 4188 (no. 1): 1-92
Ng, H. H. & W. J. Rainboth (2001): A review of the sisorid catfish genus Oreoglanis (Siluriformes: Sisoridae) with descriptions of four new species. Occasional papers of the museum of zoology the university of Michigan No 732: 1-34
Rainboth, W. (1996): Fishes of the Cambodian Mekong. FAO species identification field guide for fishery purposes, Rome, 265 pp, 27 pl.
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