Argusfische (Scatophagidae) sind eine kleine Familie von Fischen, die sowohl in reinem Süßwasser wie auch in reinem Meerwasser leben können. Sie eignen sich daher sowohl zur Pflege in Süßwasser- wie auch in Meerwasseraquarien.
Argusfische sind sehr attraktive Tiere, deren Pflege im Aquarium schon deshalb lohnt. Allerdings haben sie eine Futtervorliebe, die sie zudem extrem nützlich macht: Fadenalgen. Es gibt nur wenige Fische, die diesen Algentyp als Nahrung bevorzugen.
Scatophagidae bedeutet „Kotfresser“
Argusfische gehören zu den ersten tropischen Fischarten überhaupt, die in Europa bekannt wurden. Schon 1682 berichtete der Abenteurer und Weltenbummler Joan Nieuhof von dem „Scheiße-Fisch“ (im Original: „Stront Visch“). Nieuhof schrieb, dass in Indonesien dieses Tier in großen Mengen menschliche Fäkalien verschlingt. Darum sei er als Speisefisch wenig begehrt, obwohl das bis zu einen Fuß lange Tier sowohl gebraten wie auch gesotten sehr lecker sei. Nieuhof bildet den Fisch in seinem Buch „See- und Landreisen durch verschiedene Gebiete von Ostindien“ (im Original: Zee en Lant-Reize, door verscheide Gewesten van Oostindien“) auch ab. Die sehr gute Zeichnung zeigt unverkennbar einen Rotstirn-Argus. Zu Nieuhofs Zeiten gab es noch keine allgemein anerkannte wissenschaftliche Namensgebung für Tiere und Pflanzen. Die begann erst 1758 mit der 10. Auflage von Karl von Linnés „Sytema naturae“. Linné beschrieb den ersten Argusfisch noch in der Gattung Chaetodon, die Gattung Scatophagus wurde erst 1831 von Georges Léopold Chrétien Frédéric Dagobert, Baron de Cuvier aufgestellt, der den unappetitlichen Namen aufgrund der Schilderung Nieuhofs wählte.
Argusfische sind Allesfresser
Argusfische nutzen praktisch jede Nahrungsquelle. Kot ist nur ein kleiner Teil der natürlichen Nahrung der Argusfische. Sie sind Opportunisten. Studien in der Natur zeigten, dass Larven (Argusfische laichen im Meer, hier entwickeln sich auch die Larven) hauptsächlich pflanzliches Mikroplankton nahe der Wasseroberfläche fressen. Jungtiere wandern in die Mangrove. Hier fressen sie kleine Partikel sowohl freischwebende, wie auch am Boden befindliche. Es handelt sich dabei um Kieselalgen, tierisches Plankton, Aufwuchs und Mulm. Erwachsene Tiere fressen alles, was in das verhältnismäßig kleine Maul passt, vor allem aber Aufwuchs und Mulm (Wongchinawit & Paphavasit, 2006). Doch die absolute Lieblingsspeise sind Fadenalgen. Diese ziehen die Argusfische jeder anderen Nahrung vor. In der aquaristischen Literatur liest man darum oft, Argusfische seien Pflanzenfresser. Das ist aber falsch. Die meisten Aquarien-Pflanzen werden von Argusfischen völlig ignoriert. Darum kann man Argusfische, wenn man sie im Süßwasser pflegen will, durchaus in bepflanzten Aquarien halten. Sie befreien hier in aller Regel auch stark mit Fadenalgen durchwachsene Pflanzenbestände, ohne die Pflanzen dabei zu beschädigen. Zumindest in meinen Aquarien lassen Argusfische diverse Arten von Cryptocoryne, Lagenandra, Aponogeton, Sagittaria, Elodea und Hygrophila polysperma unbeachtet, vertilgen jedoch restlos Hygrophila difformis. Eine gewisse Vorsicht ist also zwar angebracht, jedoch können Argusfische nicht grundsätzlich als Pflanzenzerstörer betrachtet werden.
Die Arten
Es gibt zwei Gattungen von Argusfischen, Scatophagus und Selenotoca. Die meisten Autoren lassen zur Zeit nur zwei Arten in jeder Gattung gelten, bei Scatophagus die Arten S. argus und S. tetracanthus und bei Selenotoca die Arten S. multifasciata und S. papuensis. Es gibt aber mit Sicherheit erheblich mehr Arten in Scatophagus. Zehn sind wissenschaftlich beschrieben, doch muss erst eine moderne wissenschaftliche Revision klären, was mit welchem Namen gemeint war. Ganz grundsätzlich kann man zwischen „Grünen Argus“ und „Rotstirn-Argus“ unterscheiden, wobei die Mehrzahl der Flecken am Körper bei „Grünen“ Argus im Durchmesser etwa dem Durchmesser der Iris des Auges entsprechen oder größer sind und bei „Rotstirn“-Argus fast immer deutlich kleiner als die Iris sind. Die roten Zeichnungselemente am Kopf, die für die Bezeichnung „Rotstirn“-Argus verantwortlich sind, sind nur bei Jungtieren vorhanden. Ganz kleine Rotstirn-Argus sind senkrecht gestreift, Grüne Argus haben fast immer (es gibt ganz seltene individuelle Ausnahmen) von Anfang an runde Tupfen. Alle Selentoca-Arten haben in allen Altersstadien senkrechte Streifen am Rücken und kleine Punkte (kleiner als der Durchmesser der Iris) unterhalb der senkrechten Streifen.
Die Beschreibung der ersten wissenschaftlich bekannt gewordenen Art, Scatophagus argus, erfolgte bereits 1766 durch Linné. Dessen Beschreibung basierte, soweit wir das wissen, auf einem Exemplar aus der Sammlung von Johann Schlosser, das dieser wiederum von T. Brünnich erhalten hatte. Von diesem legendären Tier gibt es auch eine sehr gute Zeichnung in einer Arbeit über die Art, die Pieter Boddaert 1770 veröffentlichte (ein Brief an Johann Burmann). Wenn es stimmt, dass dieses Exemplar der Holotypus von Scatophagus argus (von Linné als Chaetodon argus beschrieben) ist, dann handelt es sich bei Scatophagus argus um den Rotstirn-Argus, der im Hobby immer wieder als Scatophagus ”rubifrons” bezeichnet wird. Scatophagus ”rubifrons” ist ein Phantasiename, den ein deutscher Fischhändler in den 1930er Jahren erfunden hat, zu dem jedoch keine gültige wissenschaftliche Beschreibung existiert. Wissenschaftlich gültige Namen für Rotstirn-Argusfische sind hingegen Scatophagus atromaculatus (Bennett, 1830) für Tiere von Sri Lanka und S. ornatus Cuvier, in Cuvier & Valenciennes, 1831 für Tiere aus Indonesien. Woher Brünnich sein Exemplar hatte, ist unbekannt bzw. nur sehr vage „Indische See“. Der älteste verfügbare Namen für Grüne Argusfische ist Scatophagus pairatalis (Hamilton, 1822) für Tiere aus dem Ganges. Welcher Name für Grüne Argus aus Südostasien (Küsten von Birma, Thailand, Vietnam und Südchina) anzuwenden ist, kann derzeit noch nicht gesagt werden, ebensowenig, wie die Grünen Argus von den Philippinen und aus Indonesien korrekt zu benennen sind. Grüne Argus kennt man auch von Australiens Küsten, von hier wurden gleich zwei Arten beschrieben (S. ocellatus Klunzinger, 1880 und S. quadranus De Vis, 1884, bei der ebenfalls aus Australien beschriebenen Art Scatophagus alternans Castelnau, 1878, handelt es sich um einen Selenotoca), außerdem gibt es in Australien auch Rotstirn-Argus; insgesamt sind es sicher 3-5 Arten Grüner und 2-3 Arten von Rotstirn-Argus, die das von Scatophagus besiedelte Gebiet, das praktisch den gesamten Indischen Ozean, den West- und Süd-Pazifik umfasst, bewohnen. Da sich die Arten der Argusfische ausschließlich in der Lebendfärbung unterscheiden, sind verlässliche Prognosen schwer zu machen, denn aus dem überwiegenden Teil des Verbreitungsgebietes erfolgen niemals aquaristische Importe, man kennt also die Lebendfärbung nicht.
Die zweite, von keinem Autor angezweifelte Scatophagus-Art ist S. tetracanthus (Lacepède, 1802), der an der ostafrikanischen Küste lebt. Obwohl diese Art mit ihren schokoladenbraunen, breiten Binden unverwechselbar erscheint, wurde sie früher häufig mit den Arten der Gattung Selenotoca verwechselt. Diese Argusfische haben eine silberne Körperfärbung mit schwarzen, senkrechten Streifen und Punkten. In Selenotoca sind, wie schon gesagt, ebenfalls allgemein zwei Arten anerkannt, S. multifasciata (Richardson, 1846) und S. papuensis Fraser-Brunner, 1938. Sie lassen sich relativ leicht an der Anzahl der senkrechten Binden, der unterschiedlichen Rückenflossen- und Schwanzflossenform unterscheiden. Importiert wird fast ausschließlich S. papuensis, aber auch in Selenotoca-Importen findet man immer wieder einmal Exemplare, die ziemlich deutlich von den beiden allseits bekannten abweichen. Gegenwärtig als Synonyme von Seleotoca multifasciata werden S. aetatevarians (de Vis, 1884) und S. alternans aufgefasst; beide wurden aus Australien beschrieben.
Argusfische und der Mensch
Während man früher Argusfische nicht so gerne aß, weil man die Nahrungsgewohnheiten der Fische eklig fand, hat sich das heutzutage grundlegend geändert. Die leckeren Tiere sind gesuchte Marktfische. Und weil sie so anpassungsfähig bezüglich der Wasserzusammensetzung und unkompliziert in der Ernährung sind, studiert man gegenwärtig ihre Eignung als Objekte der Aquakultur. Dabei wurde in den letzten Jahren viel zur Erforschung der Naturgeschichte dieser Fische getan. Wusste man lange rein gar nichts über das Fortpflanzungsverhalten der Argusfische, so weiß man heute, dass sie Freilaicher sind, in der Natur einer lunaren Rhythmik folgen, im Meer laichen, dass Männchen und Weibchen sich in der Form des Kopfprofils unterscheiden lassen, die Tiere im Alter von einem Jahr geschlechtsreif werden und so einiges mehr. Auch die künstliche Vermehrung mit Hormonen ist schon gelungen, dazu eignen sich am besten zweijährige Tiere. Hormonbehandelte Fische laichen sogar selbstständig im Aquarium ab, wobei die Männchen sehr aggressiv auf männliche Artgenossen reagieren. Es ist zu erwarten, dass auch wir Aquarianer bald von dieser Entwicklung profitieren werden und in absehbarer Zeit preisgünstig kleine Nachzuchtexemplare angeboten werden. Allerdings ist zu befürchten, dass wegen der noch völlig ungeklärten Alpha-Taxonomie dabei auch Hybriden erzüchtet werden. Aus der Sicht der Nutztierzüchter ist das ziemlich egal, aber aus Artenschutzgründen ist zu hoffen, dass das nicht passiert. Gegenwärtig gelten Argusfische nicht als gefährdet, aber diese Einschätzung beruht auf der Annahme, es gäbe nur einige wenige, sehr weit verbreitete Arten. Da, wie oben dargestellt, in Wirklichkeit aber erheblich mehr Arten existieren, über deren exaktes Verbreitungsgebiet und lokale Gefährdungen wir buchstäblich nichts wissen, kann über die tatsächliche Gefährdung einzelner Arten von Argusfischen nichts gesagt werden.
Anatomische Besonderheiten
Es gibt zwei Besonderheiten bei Argusfischen, die der Aquarianer kennen sollte. Da sind zum einen die Giftdrüsen der Rückenflossen. Bislang sind keine tödlich verlaufenden Stichverletzungen mit Argusfischen bekannt geworden; Stiche sind schmerzhaft, aber Argusfische sind sehr passiv und stechen niemals aktiv zu. Die wenigen Berichte über Stichverletzungen beim Handling schildern den Schmerz als erträglich. Ärztliche Behandlung wurde nicht in Anspruch genommen. Allergiker sollten sich allerdings vorsehen, Fischgifte sind Eiweiße und da weiß man bei Allergikern nie, was alles passieren kann.
Eine zweite Besonderheit ist das Larvenstadium der Argusfische, Tholichthys genannt. Im Tholichthys-Stadium haben die kleinen Argusfische dornartige Auswüchse am Kopf, die sich aber schon bei einer Länge von 1,5-2 cm zurückbilden. Aus Indien werden im August regelmäßig winzige Argusfische im Tholichthys-Stadium als Aquarienfische exportiert. Sie gewöhnen sich völlig problemlos ein und wachsen schnell heran.
Argusfische im Aquarium
Früher galten Argusfische als sehr pflegeleicht; heute muss man da ein wenig differenzieren. Aus noch nicht geklärten Gründen erkranken Argusfische – egal ob in Süß-, Brack- oder Seewasser gehalten – gelegentlich an einer unheilbaren Erkrankung, bei der sie trotz guter Nahrungsaufnahme sehr schnell abmagern und schließlich sterben. Möglicherweise ist diese Erkrankung auf Antibiotika zurückzuführen, denen die Fische im natürlichen Lebensraum durch menschliche Abwässer ausgesetzt sind. Denn wie alle pflanzenfressenden Fische müssen auch Argus diese Nahrung von symbiontischen Mikroorganismen aufschließen lassen, sonst verhungern sie bei vollem Magen. Diese Erkrankung betrifft gewöhnlich nur ältere Fische ab etwa 5 cm Totallänge, bei ganz jungen Exemplaren wurde sie noch nicht beobachtet. Einmal eingewöhnt sind Argusfische aber wirklich harte Burschen. Man muss sie entweder einzeln oder in Gruppen ab sieben Exemplaren aufwärts pflegen. Werden nur drei oder vier Tiere gehalten, so können sie sich erheblich bekämpfen; oft bleibt von einer solchen Truppe nur ein Tier übrig. Es ist ziemlich egal, ob man Argus in Süß-, Brack- oder Seewasser pflegt. Allerdings muss man bei der Pflege in Süßwasser beachten, dass ein pH-Wert unter 7,5 schädlich für die Fische ist. Der pH sollte, wie im Meer, am besten stets über 8 liegen. Argusfische sind vollständig euryhalin; die Verallgemeinerung, dass erwachsene Tiere immer im Meer leben, stimmt nicht. Ich habe im Gegenteil auf Sumatra junge Exemplare im Brackwasser gefunden, Erwachsene aber, gemeinsam mit Tilapien schwimmend, in reinem Süßwasser. Wenn man Argusfische von Süß- auf Meerwasser umgewöhnen will – oder auch umgekehrt – sollte man aber täglich besser nur Salzdifferenzen von 5-10‰ vornehmen. Ein direktes Umsetzen wird zwar gewöhnlich überlebt, verursacht aber erhebliche Schwimmprobleme und stellt mit Sicherheit einen negativen Stressfaktor für die Tiere dar. Gegenüber artfremden Fischen sind Argusfische sehr friedlich. Sie leiden allerdings unter aufdringlichen Mitbewohnern. Obwohl Argusfische giftige Rückenflossenstacheln haben, können sie sich kaum zur Wehr setzen. Die Wassertemperatur für Argusfische sollte im Bereich zwischen 22 und 30°C liegen. Was den Seewasseraquarianer interessieren dürfte: sessile Wirbellose werden von Argusfischen nicht belästigt. Selbst zarte Röhrenwürmer gedeihen gut in einem Argusfisch-Aquarium. Nur bei Schwämmen rate ich zu einer gewissen Vorsicht, sie könnten von Argusfischen durchaus als Nahrung betrachtet werden. Wichtig ist, dass man die Fische häufig füttert, am besten 3-4 mal täglich. Argusfische haben eine rasche Verdauung….
Alles in allem sind Argusfische äußerst empfehlenswerte Aquarienfische. Sie sehen herrlich aus, sie machen sich als einzigartige Fadenalgenvernichter sehr nützlich, es sind bezüglich der Artendiversität hochinteressante Studienobjekte für Aquarianer mit wissenschaftlichen Ambitionen und endlich muss man sich einmal nicht entscheiden, ob man ein Süß-, Brack- oder Seewasseraquarium betreiben möchte: Argusfische machen alles mit!
Frank Schäfer
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