Auf deutsch nennt man Acanthodactylus „Fransenfinger-Eidechsen“. Diese auf sandige Böden spezialisierten Eidechsen haben nämlich fransenartige Anhänge an den Zehen, die eine schnelle Fortbewegung auf dem lockeren Boden erlauben. Aus Ägypten werden gelegentlich Arten aus dem Formenkreis um A. scutellatus importiert. Ich danke sehr herzlich dem Tropenparadies in Oberhausen (www.tropenparadies.org) für die Überlassung einiger Exemplare.
Die Gattung Acanthodactylus umfasst 46 Arten, es gibt sie in Asien, Afrika und eine Art auch in Europa. In Ägypten leben fünf davon. A. scutellatus besitzt in Ägypten eine fast identisch aussehende Schwesterart, die lange Zeit als A. longipes angesehen wurde. Erst 2007 erkannte Sherif M. Baha El Din, dass es sich dabei bei der Population im östlichen Ägypten in Wirklichkeit um eine der Wissenschaft bislang unbekannte Art handelt, die er als A. aegypticus neu beschrieb, während im Westen tatsächlich A. longipes lebt. Alle drei Arten, also A. aegypticus, A. longipes und A. scutellatus sehen sich zum Verwechseln ähnlich und kommen stellenweise sogar sympatrisch (= im gleichen Verbreitungsgebiet) vor. Ohne Vergleichsmaterial ist es sehr schwierig, sie auseinanderzuhalten. Am leichtesten geht es bei Jungtieren, denn A. scutellatus hat als Jungtier einen blauen, A. aegypticus und A. longipes einen gelben Schwanz. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind: Oberseite des Schienbeins (Tibia) mit kleinen, glatten Schuppen, meist mehr als 20 Oberschenkelporen (Femoralporen): A. scutellatus; Oberseite der Tibia mit vergrößerten, gekielten Schuppen, meist weniger als 20 Femoralporen: A. aegypticus und A. longipes.
Im Prinzip ist es ja egal, welche der drei Arten man pflegt, denn sie sehen nicht nur sehr ähnlich aus, sondern unterscheiden sich auch bezüglich der Terrarienpflege nicht. Aber wenn man züchten möchte – und wer will das nicht – ist es selbstverständlich unerlässlich, die Paare richtig zusammenzustellen. Da A. aegypticus, A. longipes und A. scutellatus im Handel nicht unterschieden und oft gemischt importiert werden ist das von großer praktischer Bedeutung.
Viele Terrarientiere präsentieren sich leider etwas langweilig. Ganz anders Acanthodacytlus scutellatus & Co. Da ist Leben in der Bude! Diese Eidechsen sind unerhört neugierig, wohl eine Anpassung an den dürftigen, natürlichen Lebensraum, wo das schnelle Erkennen einer potentiellen Mahlzeit über Sein oder Nichtsein entscheiden kann. Erstaunlicherweise ist die innerartliche Aggressivität dabei gering. Auch Frischfänge zeigen sich zudem kaum Scheu gegenüber dem Menschen. Ein Acanthodactylus-Terrarium stellt daher ein faszinierendes Beobachtungsobjekt dar, an dem man sich kaum satt sehen kann.
Acanthodactylus scutellatus sind relativ kleine Eidechsen, die Körperlänge beträgt etwa 7.5 cm, dazu kommt noch der Schwanz, der etwas über körperlang ist. Das Terrarium sollte aber trotzdem nicht zu klein sein. Wie schon erwähnt, liegt der besondere Reiz der Pflege dieser Art in der Beobachtung ihres Verhaltens und dazu brauchen die Tierchen Platz. In der Natur kann A. scutellatus auch extreme Wüstenbedingungen ertragen. Das bedeutet tagsüber furchtbare Hitze, nachts große Kälte. Immer herrscht Wasser- und Nahrungsmangel.
Grundsätzlich richtet man darum ein Terrarium für A. scutellatus als Wüstenterrarium ein. Der größte Teil der Bodenfüllung sollte aus feinem Sand bestehen, den man 8-15 cm hoch einfüllt. Eine Ecke des Terrariums (man klebt sie am besten mittels eines Glasstreifens und Silikon wasserdicht ab) wird als Feuchtgebiet eingerichtet. Hier dient ein Blumenerde-Sand-Gemisch (1:1) als Substrat. In der feuchten Ecke wird der Trinknapf platziert (es sollte sich dabei um ein flaches Gefäß mit allerhöchstens 1 cm Wasserfüllstand handeln). Ein kleines Gras (gut geeignet ist Poa annua) dient als Feuchtigkeitsanzeiger. Man hält diese Ecke so feucht, dass das Gras nicht vertrocknet. Zwar muss man das Gras gelegentlich austauschen, dauerhaft wächst es nicht befriedigend, aber das ist bei der Häufigkeit von Poa annua ja kein Problem. Bei Acanthodactylus scutellatus besteht nicht – wie bei vielen anderen Wüstenarten – die Gefahr, dass Wasser in die Lunge inhaliert wird, weil die Tiere aus der Natur kein Wasser kennen und versuchen, sich im Wassernapf zu vergraben. Dennoch kann es nötig sein, das Wasser im Napf mittels einer kleinen Gießkanne oder eines Sprühers in Bewegung zu versetzen, damit die Echsen es erkennen und trinken. Freilich ist das Trinkbedürfnis eher gering. Wichtig ist eine kräftige Beleuchtung, unter dem Wärme-Spot darf die Temperatur 45-50°C (es eignet sich, wenn man sonst gut beleuchtet, auch ein Wärmestein sehr gut) erreichen, im Gesamtterrarium darf die Temperatur aber 35°C nicht überschreiten. Nachts sinkt die Temperatur durch das Ausschalten der Beleuchtung automatisch um 10-20°C ab, was gut für die Echsen ist. Eine mehrwöchige Winterruhe bei etwa 10°C verlängert das Leben der Tiere erheblich und erleichtert die Zucht. Grundsätzlich sollte bei der Beleuchtung eine Lampe mit UV-Anteil nicht fehlen.
Die Geschlechter sind leicht zu unterscheiden, Männchen werden größer, sind kontrastreicher gefärbt und haben dicke Hemipenistaschen. Es sind eierlegende Echsen, die Gelegegröße umfasst 2-4 Eier, die bei ca. 28°C zwischen 80 und 100 Tagen zur Entwicklung brauchen. Gewöhnlich suchen die Weibchen die feuchte Ecke zur Ablage des Geleges auf. Legen die Weibchen jedoch ihre Eier woanders ab, deutet das auf die falsche Temperatur (etwa 25-30°C sind günstig) oder zu große Nässe in der feuchten Ecke hin.
Die Ernährung von Acanthodactylus scutellatus im Terrarium ist einfach. Jedes Insekt, das ins Maul passt, wird gefressen. Interessant und im sonstigen Reptilienreich nahezu einzigartig ist aber auch, dass dieser Fransenfinger sich zur Jagd verbünden kann. Ein eigentlich viel zu großes und viel zu hart gepanzertes Insekt, wie etwa ein Zophobas-Käfer, wird von den furchtlosen kleinen Echsen im Rudel attackiert, bis es bein- und fühlerlos daliegt und nach und nach verspeist werden kann.
Die Inkubation bei A. scutellatus bereitet keine Probleme, wie bei den meisten echten Eidechsen. Die Eier sind weichschalig und werden lediglich auf feuchte Zellstoff (Küchenrolle, Klopapier) gelegt. Das Ganze packt man in eine leere Heimchendose und ab damit in den Inkubator. Ich habe als Bruttemperatur 30°C eingestellt. Leider kann ich nicht genau sagen, wie lange die Eientwicklung dauert, weil ich das Gelege erst einige Zeit nach der Ablage durch Zufall fand: die Erwachsenen hatten das Ei bei ihren Wühlarbeiten freigelegt. So schlüpfte das gezeigte Jungtier schon nach 23 Tagen im Inkubator, aber es ist davon auszugehen, dass die Gesamtzeitigungsdauer bei dieser Art ca. 60-70 Tagen liegt.
Das Ei wurde täglich kurz kontrolliert und bei Bedarf der Zellstoff etwas nachbefeuchtet. Bei Schimmelbildung wechselt man den Zellstoff aus, das Ei ist nicht sehr empfindlich gegen Manipulationen, man muss nur aufpassen, dass es nicht gedreht wird. Der Schlupf kündigt sich durch feine parallele Linien an, die plötzlich entlang des Eies erscheinen. Die entstehen, wenn das schlupfreife Jungtier die Eischale mit dem so genannten Einzahn, der sich auf der Schnauzenspitze befindet und kurz nach dem Schlupf verschwindet, anritzt. In diesem Fall blieb das Jungtier noch einige Stunden im Ei, nachdem es den Kopf herausgestreckt hatte. Da darf man nicht ungeduldig werden! Ich habe lediglich ein wenig Wasser gesprüht, damit nichts antrocknen und verkleben kann. Gutgemeinte Befreiungsversuche bewirken meist nichts Sinnvolles. Ein Jungtier, das sich nicht selbstständig aus dem Ei befreien kann, ist ohnehin in aller Regel nicht lebensfähig. Wenn die Tierchen noch etwas im Ei bleiben, resorbieren sie gewöhnlich restlichen Eidotter, ein wichtiger Nährstoffschub für den Start ins Leben. Die ersten paar Tage nach dem Schlupf braucht man noch kein Futter anzubieten. Ich lasse das Tierchen einfach im Brutschrank, nur in einer unteren Stufe, wo es etwas kühler ist. Erst wenn sich der Nabel am Bauch vollständig geschlossen hat beginnt der nächste Abschnitt im Leben des Echsleins. Dazu ein andermal mehr…
Alles in allem ist Acanthodactylus scutellatus ein ideales Terrarientier, dessen Pflege und Zucht nur wärmstens empfohlen werden kann.
Frank Schäfer
Literatur:
Baha el Dhin, S. (2006): A guide to the reptiles and Amphibians of Egypt. Cairo, New York, 360 pp.
Baha el Dhin, S. (2007): A new lizard of the Acanthodactylus scutellatus group (Squamata: Lacertidae) from Egypt. Zoology in the Middle East 40: 21-32
Weiteren Lesestoff über Echsen finden Sie hier: https://www.animalbook.de/navi.php?qs=echsen
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