Direkt vor unserer Haustür lebt eine Fischart, die ganz und gar einzigartig ist: die Schleie, Tinca tinca. Normalerweise kennt man diesen etwa 40 cm lang werdenden Fisch aus Feinkostgeschäften. Angler haben wohl auch schon Bekanntschaft mit dem Tier gemacht. Doch dass die Schleie ein wunderschöner und hochinteressanter Aquarien- und Gartenteichfisch ist, wissen nur wenige Menschen.
Unter den einheimischen Fischen gibt es nur wenige Arten, die es an Genügsamkeit mit der Schleie aufnehmen können. Sie kann sowohl in Winter- wie auch in Sommerschlaf fallen und ist daher auch in der Lage, kleine Gewässer zu besiedeln. Oft ist sie die einzige Fischart in solchen Tümpeln, denn sie toleriert auch sehr niedrige Sauerstoffkonzentrationen.
Die Heimat der Schleie ist ganz Europa mit Ausnahme ganz weniger Gebiete (Griechenland, Dalmatien, die Mittelmeer-Inseln und Schottland), sowie große Teile von Westasien (sie fehlt auf der Krim). Es gibt nur die eine Art Schleie (Tinca tinca), derzeit werden auch keine Unterarten akzeptiert. Tatsächlich ist die Schleie so einzigartig in ihren Merkmalen, dass man sie als einziges Mitglied einer eigenen Unterfamilie innerhalb der Karpfenfische (Cyprinidae) sieht, der Tincinae.
Grundbedürfnisse der Schleie
Die Schleie ist ökologisch sehr anpassungsfähig und toleriert auch Brackwasser, weshalb sie sogar in den stärker ausgesüßten Teilen der Ostsee, sowie in Flussmündungen zu finden ist.
Wichtig sind der Schleie vor allem ein weicher Bodengrund, das Vorhandensein von Unterwasserpflanzen und die Existenz von kleinen Schnecken und Muscheln, die ihre Vorzugsnahrung darstellen. Der relativ kurze Darm des Tieres zeigt, dass es pflanzliche Nahrung nur ungenügend verwerten kann. Sie bildet zwar einen Teil des natürlichen Nahrungsspektrums, ein vegetarisches Leben ist der Schleie jedoch unmöglich. Wasserinsekten und deren Larven, Kleinkrebse etc. bilden die Hauptnahrung der Schleie.
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Das Temperaturoptimum der Schleie liegt zwischen 12 und 26°C. Bei Temperaturen über 28°C stellt sie die Nahrungsaufnahme ein, sie vermag solch hohe und sogar noch höhere Temperaturen in einer Art Hitzeschlaf zu überstehen. Die niedrigste Laichtemperatur liegt bei 18°C, optimal dürften 22°C sein. Im Winter stellt sie die Nahrungsaufnahme ebenfalls ein und überdauert die kalte Jahreszeit in Winterruhe.
Aus all dem kann man leicht erkennen, dass die Schleie bevorzugt in stehenden und langsam fließenden Gewässern vorkommt. Darum kommen ihr Gartenteich und Aquarium als Alternativlebensräume sehr entgegen.
Die Schleie im europäischen Kulturraum
Das Fleisch der Schleie wurde zu den verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich beurteilt. Die Römer etwa verachteten es und Ausonius schrieb, dass die Schleie nur Speise des gemeinen Mannes sei. Auch die Populärnamen, die der Fisch in manchen Gebieten seines Vorkommens hat, zeugen von Geringschätzung: in bestimmten Gegenden Ost- und Nordeuropas wird das Tier “Schuhmacher” genannt. Im gesamten deutschsprachigen Raum heißt der Fisch einheitlich Schleie (mit geringen sprachlichen Abweichungen, wie Schleih oder Schleich), was auf das protogermanische Wort für “schlüpfrig” (slipan) zurückzuführen ist und sich auf die starke Schleimschicht der Haut mit den für die Schleie so typischen kleinen Schuppen bezieht. In Frankreich (“Tanche”), in England (“Tench”), in Italien (“Tenca”) und Spanien („Tinca”) wurde dagegen die lateinische Bezeichnung “Tinca” in Abwandlung übernommen.
Die außerordentliche dicke Schleimschicht des Fisches gab auch Anlass für allerlei volkstümlichen Aberglauben. Am verbreitetsten ist die Vorstellung, dass die Schleie der “Fischdoktor” sei, an dessen heilender Schleimschicht sich alle verletzten Fische reiben. Demnach würden die Raubfische Hecht und Barsch die Schleie nicht fressen, da sie sich für die geleisteten Heilerdienste bedankten. Das ist aber natürlich ebenso Unsinn wie die Mär, dass Schleien auf den Bauch gebunden, die Gelbsucht, lebend auf die Stirn gebunden Kopfschmerzen, ins Genick gebunden, Augenentzündungen und unter die Fußsohlen gebunden, die Pest und das Fieber vertreiben.
Fortpflanzung
Die Schleie wird im 3. Lebensjahr geschlechtsreif. Normalerweise ist sie dann etwa 20-30 cm lang. Sind sehr viele Schleien im Gewässer und fehlt es an Raubfischen, dann tritt der Effekt der Verbuttung ein. Dann wachsen die Fische nicht über eine Gesamtlänge von 10-15 cm hinaus und werden auch in dieser geringen Größe geschlechtsreif. Grundsätzlich ist die Geschlechtsreife bei Fischen nicht an die Größe, sondern an das Alter gebunden, Schleien machen da keine Ausnahme.
Schleien werden gewöhnlich ca. 40 cm lang, seltene Rekordmaße werden mit 70 cm (bei dann 7,5 kg Gewicht) angegeben.
Männchen und Weibchen sind bei Schleien leicht auseinander zu halten. Die Männchen haben wesentlich größere Bauchflossen als die Weibchen. Im Sommer, wenn der Weizen blüht (Mai – Juli), laichen die Schleien an Unterwasserpflanzen ab. Die Eier sind sehr klein und zahlreich (300.000 – 600.000 pro Weibchen). Gewöhnlich treiben mehrere Männchen ein Weibchen. Brutpflege üben Schleien nicht aus.
Die geheimnisvolle Goldschleie
1782 beschrieb Bloch die Goldschleie erstmals in der wissenschaftlichen Literatur. Er hielt sie für eine eigenständige, von der gewöhnlichen Schleie unterschiedene Art und benannte sie Cyprinus tinca auratus. Die Heimat des Fisches vermutete Bloch in Schlesien und Böhmen (heute zu Polen bzw. zu Tschechien gehörende Landstriche). Bis heute ist der Ursprung dieser wunderschönen Fische, in denen man derzeit lediglich eine in Menschenobhut entstandene Haustierform der Schleie sieht und die darum keinen eigenen wissenschaftlichen Namen bekommt, unbekannt geblieben. Man weiß weder, wann sie entstand, noch wann der Mensch begonnen hat, sie planmäßig zu züchten.
Im Jahr 2004 tauchten erstmals auch dreifarbige Schleien und rein weiße Tiere im Handel auf. Wir berichteten darüber in AqualogNews 58.
Biologische Schneckenvertilger
Sowohl im Kaltwasserquarium wie auch im Gartenteich eignen sich Schleien sehr gut zur biologischen Schneckenbekämpfung, wenn die Weichtierpopulation einmal überhand nehmen sollten.
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Schleien im Aquarium
Schleien sind wundervolle Aquarienfische, deren Pflege auch Anfängern gelingt. Da die Fische auch im Aquarium 15-20 cm groß werden, ist das Becken entsprechend dimensioniert zu wählen. Bezüglich der Wasserzusammensetzung sind Schleien völlig anspruchslos. Man sollte ihnen aber einen weichen Sandboden zu graben und reichlich Versteckmöglichkeiten bieten. Schleien sind dämmerungsaktive Fische, daher sollte das Becken nicht zu hell beleuchtet sein. Füttern kann man sie mit allen üblichen Lebend-, Frost- und Trockenfuttermitteln, wobei Muschelfleisch in der Diät nicht fehlen sollte. Heizen muss man das Aquarium selbstverständlich nicht. Gegenüber anderen Fischen, seien es nun Artgenossen oder artfremde Fische, sind Schleien vollkommen friedlich.
Bei der Einrichtung des Aquarium sollte man beachten, dass die Schleie von Natur aus ein dämmerungsaktives Tier ist. Das Aquarium sollte darum nur mäßig stark beleuchtet sein. Krönke (Kaltwasser-Fische, 2014, Eigenverlag) geht sogar so weit, zu empfehlen, das Schleien-Aquarium völlig unbeleuchtet zu lassen. Das halte ich allerdings für übertrieben. Manchmal können Schleien während der Eingewöhnungsphase scheu sein. Dem ist unbedingt Rechnung zu tragen, indem man dämmerige Unterstände einbaut (Höhlen, größere Wurzeln etc.). Schwimmpflanzen – biotopgerecht wäre der Froschbiss, Hydrocharis morsus-ranae, der aber im Winter unter Kurztagbedingungen einzieht – helfen sehr, den Fischen ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Man bedenke, dass sehr viele der schlimmsten Fressfeinde solcher Fische von oben kommen. Das sind vor allem Vögel. Statt des heimischen Froschbisses darf man etwas schummeln und wählt eine tropische Art, die ähnlich aussieht, wie den Südamerikanischen Froschbiss (Limnobium laevigatum). Der wird zwar unter Kurztagbedingungen – also ca. 8 Stunden Beleuchtungsdauer – nicht so üppig wuchern, wie unter Langtagbedingungen – also mehr als 12 Stunden Beleuchtungsdauer, aber immerhin wachsen. Da Schleien es sehr schätzen, sich in dichtem „Kraut“ zu verstecken, liegt der zu findende Kompromiss zwischen ihrer Lichtscheu und einem befriedigendem Pflanzenwuchs in dem unteren Beleuchtungswert, in dem z.B. die Idealpflanze für solche Zwecke, das Nixkraut (Najas guadalupensis) gerade noch ein gutes Wachstum zeigt.
Wichtig ist die Wahl des Bodengrundes: dieser sollte zumindest teilweise aus weichem Fluss-Sand bestehen. Ungeeignet ist scharfkantiger Bausand. Schleien gründeln gerne. Optimal wäre natürlicher Teich-Schlamm, aber der würde das Aquarium in eine trübe Brühe verwandeln und zahlreiche weitere Probleme verursachen. Feiner, weicher Fluss-Sand ist eine gute Alternative dazu.
Auch die Zucht von Schleien gelingt im Aquarium, das wird aber nur extrem selten praktiziert. Eine Überwinterung unter Kurtagbedingungen ist allerdings die Grundvoraussetzung für solche Zuchtversuche, wie bei allen Fischen der gemäßigten Breiten. Der Laich wird bei 18-20°C nach heftigem Treiben der Weibchen durch meist mehrere Männchen frei ins Wasser in der Nähe von Unterwasserpflanzen oder freigespültem Wurzelwerk von Landpflanzen ausgestoßen und bleibt in diesen Strukturen hängen. Die Entwicklung des Laichs bis zum Schlupf der Larven benötigt 60-70 Tagesgrade. Tagesgrade bezeichnen die Summe der durchschnittlichen Tagestemperaturgrade binnen 24 Stunden. Benötigt also Laich z.B. 40 Tagesgrade, so entspricht das bei 10°C 4 Tage, bei 5°C 8 Tage, bei 15°C 2,7 Tage, bei 20°C 2 Tage usw. Die frisch geschlüpften Larven hängen sich mittels Klebdrüsen an den Wasserpflanzen an. Weitere 2-7 Tage (auch das ist temperaturabhängig) werden bis zum Freischwimmen benötigt. Die Larven haben eine Länge von ca. 3-5 mm. Als Erstfutter kann man bereits frisch geschlüpfte Artemia-Nauplien anbieten, aber weil die Larven eine sehr kleine Mundöffnung haben, müssen es anfangs die sehr kleinen San-Francisco-Artemia sein. Das Wachstum der jungen Schleien ist rasch, im Aquarium noch deutlich schneller als in der Natur. Unter natürlichen Bedingungen werden Schleien meist ab dem dritten Lebensjahr geschlechtsreif (s.o.). Allerdings ist die Schleie extrem anpassungsfähig und kann lokal sehr unterschiedlich früh oder spät geschlechtsreif werden. Es gehört zu den lohnenswerten Aufgaben der Aquaristik, die vor Ort vorkommenden Schleien in dieser Hinsicht zu studieren!
Frank Schäfer
Pingback: Franky Friday: Die Schleie – Märchen und Wahrheiten - my-fish
Ich halte und züchte seit einigen Jahren die wunderschönen Goldschleien sowohl im Aquarium wie auch im Naturteich. Ich suche dringend zur Blutauffrischung zwei- und dreifarbige Tiere. Wer kann helfen?