Den Siamesischen Kampffisch, Betta splendens, kennt jedes Aquarianerkind. Vermeintlich zumindest, denn aus rein wissenschaftlicher Sicht weiß man nicht wirklich, wer oder was Betta splendens genau ist. Das kommt daher, dass die ursprünglich der wissenschaftlichen Erstbeschreibung durch Regan 1910 zugrunde liegenden Tiere einer Haustierform angehörten. Es ist nicht so ohne weiteres möglich, eine Haustierform einer Wildform zuzuordnen, auch im Zeitalter der DNS-Analysen, denn Haustiere entstehen gewöhnlich nicht nur durch strenge Inzucht, sondern auch durch das Kreuzen verschiedener Arten. Man denke nur an Schaf, Ziege und Hund, deren Rassenvielfalt nur dadurch zu erklären ist, dass verschiedene (Unter-)Arten der Wildformen bei ihrer Entstehung im Spiel waren. Und wenn dann, wie etwa im Falle des Rindes, die als Stammform in Frage kommende Wildart (also in diesem Fall der Ur, Bos primigenus) seit Jahrhunderten ausgestorben ist, wird es richtig kniffelig.
Bei den schaumnestbauenden Kampffischen aus dem Formenkreis um Betta splendens haben wir es genau mit so einer Situation zu tun. Diese Verwandtschaftgruppe ist an sich morphologisch und ethologisch gut definiert, doch die Artgrenzen sind sehr verschwommen. Gegenwärtig sind sechs Arten wissenschaftlich anerkannt: Betta splendens, B. imbellis, B. siamorientalis, B. smaragdina, B. stiktos und B. mahachaiensis, wobei sich die drei ersteren (splendens, imbellis, siamorientalis) und die drei letzteren (smaragdina, stiktos, mahachaiensis) sehr nahe stehen und bezüglich der zähl- und messbaren Werte kaum oder gar nicht auseinanderzuhalten sind. Im Typusmaterial von Betta splendens befand sich – neben den Haustieren, von denen eines von Schaller und Kottelat 1989 zum Lectotypen erklärt wurde – auch Material von Betta imbellis. Das erklärt, warum es Ladiges, der seinerzeit nicht die Möglichkeit hatte, die Typusexemplare zu untersuchen, sondern sich nur an Regans verbale Beschreibung halten konnte, nicht gelang, seinen neuen Betta imbellis sauber von B. splendens zu trennen.
Alle Arten dieser Gruppe lassen sich kreuzen und zumindest die erste Nachzuchtgeneration (F1) ist auch nahezu uneingeschränkt fruchtbar. Das gibt es bei vielen Tierarten (etwa Löwe und Tiger, die ebenfalls bis in die F3 untereinander fruchtbar kreuzbar sind), zu der Frage, ob es sich um unterschiedliche Arten handelt, sagt das wenig aus. Diese Kreuzungen wurden in Thailand, wo fünf der Arten vorkommen (splendens, imbellis, smaragdina, mahachaiensis, siamorientalis) auch immer wieder einmal durchgeführt, da die Kampffischzucht in diesem Land eine große und lange Tradition hat. Da die Haustierzüchtungen des Kampffisches in der Natur gut überlebensfähig sind und es seit Jahrhunderten immer wieder zu Freisetzungen – seien sie bewusst oder ungewollt durchgeführt worden – kam, ist es oft sehr schwierig oder sogar unmöglich, einen Wildkampffisch sauber zu bestimmen. Erst im Aquarium, bei der Zucht über mehrere Generationen, zeigt sich, ob etwas „herausmendelt“ und erlaubt so die Entscheidung, ob die betreffenden Tiere einer echten Wildform oder einer verwilderten Haustierform angehören.
Vor diesem Hintergrund hat ein Team thailändischer Wissenschaftler, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kampffischbestände des Landes zu erfassten, Betta mahachaiensis beschrieben. In der Labyrintherszene ist diese Form seit etwa 2002 als Betta sp. „Mahachai“ bekannt. Mahachai liegt südwestlich von Bangkok. Als ich den Fisch zum ersten Mal sah, hielt ich ihn für B. smaragdina. Aber schon damals sagten mir die Züchter der Art, nein, der Fisch sei anders. Man konnte das nicht so richtig festmachen, aber wie sagte schon Charles Tate Regan, der Erstbeschreiber von Betta splendens (wenn auch in anderem Zusammenhang und sehr viel dezidierter): Eine Art ist, was ein kompetenter Spezialist dafür hält.
Das wichtigste äußerliche Unterscheidungsmerkmal zwischen den Arten der Betta splendens-Gruppe ist die Färbung der Kiemendeckel und -häute. Betta splendens, wie die Art derzeit pragmatisch verstanden wird, weist im männlichen Geschlecht zwei leuchtend rote senkrechte Streifen auf dunklem Grund auf, bei B. imbellis sind diese Streifen blau, bei B. siamorientalis silbrig bis rot (dreifarbig) und bei B. smaragdina und B. stiktos sind die Kiemendeckel vollständig mit grünen Glanzschuppen besetzt. Die fünf genannten Arten haben rote Streifen auf den Kiemenhäuten, die Kiemenhäute von B. mahachaiensis sind völlig schwarz. Bei Betta mahachaiensis ist die Kiemendeckelfärbung ähnlich zu B. imbellis, doch ist der hintere Steifen als Ellipse geformt und bei B. imbellis als Sichel. Die Untersuchung von DNS ergab weitere Hinweise, dass sich der Artstatus von Betta mahachaiensis vertreten lässt.
Viel entscheidender als morphologische und farbliche Unterschiede erscheint mir freilich die völlig andere Ökologie von B. mahachaiensis. Es handelt sich nämlich um eine Brackwasserart, die in der Natur auf brackige Gewässer mit Nipa-Palmen-Beständen, in deren Stelzwurzeln die Tiere brüten, beschränkt ist. Man kennt die Art im Wesentlichen aus der westlich von Bangkok gelegenen Provinz Samut Sakhon. Die anderen Arten der Betta-splendens-Gruppe leben in reinem Süßwasser, oft ist dieses sogar Schwarzwasser, also sehr weich und sauer. Leider sind die natürlichen Lebensräume von Betta mahachaiensis durch industrielle Verschmutzung und Bautätigkeit stark bedroht. Die Autoren betonen, dass ein wichtiger Antrieb, B. mahachaiensis als eigenständige Art zu beschreiben, war, dass nur eine formell beschriebene Art auch in den Genuss von Artenschutzmaßnahmen kommen kann.
Im Aquarium hat sich Betta mahachaiensis als recht anspruchlos gezeigt. Hier fordert sie keineswegs Brackwasser, sondern züchtet sogar in weichem und leicht sauren Milieu. In den Labyrinthfischgemeinschaften ist sie seit vielen Jahren gut vertreten. Auch der Zierfischhandel importiert sie dann und wann, so auch Aquarium Glaser. Auf die natürlichen Bestände hat dieser Handel selbstverständlich keinen negativen Einfluss, bedenklicher erscheint da schon, dass die Autoren auf Fischmärkten Hybriden zwischen Betta splendens und B. mahachaiensis antrafen. Wir Aquarianer sollten also darauf achten, die Art in unseren Aquarien rein zu erhalten.
Literatur:
Kowasupat, C., Panijpan, B., Ruenwongsa, P. & N. Sriwattanarothai (2012): Betta mahachaiensis, a new species of bubble-nesting fighting fish (Teleostei: Osphromenidae) from Samut Sakhon Province, Thailand. Zootaxa 3522: 49-60
Kowasupat, C., Panijpan, B., Ruenwongsa, P. & T. Jeenthong (2012): Betta siamorientalis, a new species of bubble-nest building fighting fish (Teleostei: Osphronemidae) from eastern Thailand. Vertebrate Zoology 62 (3): 387-397
Frank Schäfer
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Danke für diesen informativen Beitrag! Gute Arbeit!
Pingback: Franky Friday: Der Betta splendens-Formenkreis allgemein und Betta mahachaiensis im Besonderen - my-fish
Echt ein Knaller, was da geschrieben steht!
Das es ganz normale Bettas gibt; nicht diese hoch gezüchteten Kampffische!
Und das es auch Maulbrüter gibt, echt Klasse!
Ich werde glaub ich, Bettapapa!
Danke für das Wissenswertes!
M.Ernath