Seit Jahren suchte ich nach den Orten, an denen die Prachtschmerle gefangen wird. Obwohl die Region an sich gut bekannt ist, ist es nicht so einfach, den exakten Fangort zu eruieren. Und jedesmal, wenn mir das gelungen war, kam etwas dazwischen, so dass ich die Expedition nicht antreten konnte. Entweder war es nicht die richtige Jahreszeit, oder es stand eine Wahl an oder es war einfach zu dem Zeitpunkt nicht möglich, das Fanggebiet aufzusuchen.
Es ist einfach faszinierend, sich vorzustellen, wie Millionen von Prachtschmerlen in relativ kurzer Zeit gefangen werden und das ohne, dass es Anzeichen von Überfischung gäbe. Und das geschieht lediglich an drei Plätzen auf der ganzen Welt. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, das je mit eigenen Augen zu sehen, als die AQUARAMA 2003 in Singapur überrschend auf den Oktober verschoben wurde. Da witterte ich meine große Chance. Mein alter Freund Fong Ching Loon von Aqua Fauna Industries in Singapur sagte mir, dass Thomas in Jambi mir den richtigen Platz zeigen könne. Ich kannte Thomas nicht und war auch noch nie in Jambi, aber ich zögerte keinen Moment. Ich sollte Thomas am Flughafen Changi treffen, von wo aus wir zusammen reisen wollten. Allerdings verpasste Thomas beinahe den Flieger und für einen Moment sah es so aus, als müsste ich allein nach Jambi fliegen. Thomas entpuppte sich als einer von zwei Thomassen, es gab Vater und Sohn. Junior arbeitet in Singapur, Senior in Jambi. Dort kamen wir sicher an und dank meiner neuen Freunde kam ich problemlos durch den Zoll. Thomas senior hatte eine große Fischfarm in Jambi und war ein echter Experte, was die Fische seiner Heimat betraf. Ich erklärte ihm, woran ich interessiert war und wurde gleich bitter enttäuscht – es war keine Saison für Prachtschmerlen! Ich musste also Plan B anwenden.
Glücklicherweise ist die Prachtschmerle nicht der einzige interessante Fisch dort und so sagte ich Thomas, dass ich sehr an der endemischen Kampffischart Betta falx interessiert sei. Das war nun glücklicherweise gar kein Problem. In der ersten Nacht in Jambi studierte ich die Literatur über die Fische Indonesiens, die Thomas mir geliehen hatte und am nächsten Morgen ging es los zum ersten Trip. Wir nahmen einen Samppang und ab gings zum Pijon River, der zum Batang Hari-Einzug gehört. Wir fuhren flußaufwärts zu zwei überfluteten Waldseen, dem Soak Padang und dem Soak Dali. Uns begleiteten Ridding, ein professioneller Zierfischfänger, und sein Sohn, der ebenfalls in dieser Kunst ausgebildet war. Überall entlang des Flusses sahen wir „Indonesische Helikopter“, jene gewaltigen Schöpfnetze auf Flößen, die nur darauf warteten, dass die Fische begannen zu wandern. Das würde mit dem Hochwasser einsetzen; dann würden die Fischer die Flöße erklimmen und dort fischend bleiben, bis alles vorüber wäre. Innerhalb von ein paar Wochen würden sie gewaltige Mengen Speisefische, Millionen von Prachtschmerlen und alles mögliche andere aus dem schnell dahinströmenden Pijoan fischen.
Jetzt, in der Zeit vor dem Steigen des Wassers, war von Prachtschmerlen nichts zu entdecken. Im Uferbereich fanden wir allerdings Schmerlenfallen, das sind Bambusstücke mit einem seitlichen Loch, die an Ästen befestigt sind. Nachts sind die Prachtschmerlen auf der Suche nach einem netten Versteck, sie schlüpfen in die Bambusröhren, wo sie die Fischer morgens nur einzusammeln brauchen.
Wenn Sie die Originalbeschreibungen von sumatranischen Fischen lesen, werden Sie oft über den Namen des Pijoan stolpern. Er ist einer der Flüsse, in denen Prachtschmerlen leben. Wie schon erwähnt handelt es sich beim Pijoan um einen Nebenfluß des gewaltigen Batang Hari, eines der Hauptströme Sumatras und einer der wenigen Flüsse der Insel, die nach Osten fließen. Wir hielten da und dort an, um zu fischen, doch erwischten wir nur wenige Arten. Das sah mir so gar nicht nach einem Betta-Biotop aus und ich war ein wenig besorgt deswegen. Ich war drei mal in Sabah, um dort Betta chini zu finden. Ich traf eine Menge Leute, die den Fisch kannten, ich traf sogar den ehrenwerten Professor Chin, nach dem die Art benannt wurde, aber den Fisch fand ich kein einziges Mal. Tatsache – ich traf nicht ein einziges Mal jemanden, der Betta chini lebend gesehen hatte. Der Pijoan war groß, die Seen dehnten sich weit aus, vermutlich würde ich bezüglich Betta wieder in die Röhre gucken.
In Soak Dali stieß Ridding plötzlich einen Schrei aus, daraufhin wendete sein Sohn das Boot und plötzlich war das Netz voll mit jungen Schlangenkopffischen, Channa lucia. Sie schwammen in einer großen Schule unmittelbar unter der Wasseroberfläche und waren ein leichter Fang. Und plötzlich war das Netz voll mit einer anderen Art, diesmal waren es junge Channa micropeltes. Mit zwei Schlägen des Handnetzes hatten wir tausende Fische. Dies versprach ein guter Tag zu werden.
Wir fuhren weiter nach Soak Padang und nach einer kleinen Mahlzeit in den Samppangs stiegen wir ins Wasser. Das war etwas! Betta falx war die häufigste Art in der Vegetation unter den Bäumen, wo das Wasser flacher als 50 cm war. Zusammen mit diesen Kampffischen fingen wir Parosphronemus sumatranus, Gymnochanda filamentosa, die Süßwassernadel „kili buaja“, Nandus nebulosus, schwarzgestreifte Welse (Pelteobagrus ornatus), verschiedene Bärblinge und Barben. Die Dornaugen (Pangio sp.) waren bemerkenswert variabel in der Zeichnung. Ich glaube trotzdem, dass alles die gleiche Art war und vermute, es handelte sich um Pangio semicinctus.
Zurück beim Sindo Aquarium konnten wir auch noch alle Fischarten sehen, die wir an diesem Tag nicht erwischt hatten. Die fantastischen Prachtschmerlen von Jambi, große Drachenkugelfische (Tetraodon palembangensis), meinen häßlichen Liebling Chaca bankanensis, halbmeterlange Feuerstachelaale (Mastacembelus erythrotaenia) mit großartigen Farben und jede Menge Barben, Bärblinge und Welse.
Jambi hatte sich als ein großartiger Platz zum Fischefangen erwiesen. Dabei ist der Pijoan nicht das einzige lohnenswerte Ziel, viele andere Orte locken mit speziellen Fischarten und versprechen Überraschungen. Nicht weit am Sungai Mada entlang bringt einen der Fluß Mada zu einem treibenden Floß, wo man einen Fischer antrifft, der vom Wallago-Fang lebt. Dieser riesige Wels, 10 kg sind nicht unüblich, wird an einen Großhändler verkauft, der sie in ganz Jambi an Restaurants vertreibt, manche kommen sogar bis Jakarta. In Kamppong Sintang leben die Leute vom Fang viel kleinerer Fische aus dem Mada. Hier kann man große Samppangs mit Motoren mieten, die jedes Ziel auf dem Fluß ansteuern können. Das sind wahre Schnellboote und ihre Führer kennen die guten Plätze.
Jambi hat dem Aquarianer sicher einiges zu bieten. Ich hoffe für Sie, dass Sie selbst einmal diese aufregende und voller Neuentdeckungen steckende Provinz Sumatras kennen lernen können. Jambi hat vermutlich mehr Überraschungen zu bieten, als man derzeit ahnt.
Tor Kreutzmann
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