Xiphosura – Pfeilschwanzkrebse

Der Boom der Wirbellosenpflege der letzten Jahre hat auch die Pfeilschwanzkrebse in unsere Aquarien gespült. Seit 300 Millionen Jahren gibt es sie praktisch unverändert (der moderne Jetztmensch existiert kaum 40.000 Jahre), sie haben die Dinosaurier überlebt und es wird sie ver­mutlich auch noch geben, wenn die Säugetiere ihren Akt auf diesem Planeten zu Ende gespielt haben: die Schwert­schwänze oder Pfeilschwanzkrebse.

Tachypleus tridentatus erkennt man an dem stark kompressen Telson, der zudem auf der Oberkante gezackt ist. Er ist mit gut 75 cm Länge und 5 kg Gewicht die Größte Art der Familie und sollte in einem Meerwasseraquarium gepflegt werden.

Mit den Krebstieren sind sie nicht näher verwandt, der deutsche Name führt in die Irre. Es sind zwar Gliedertiere (Arthropoda), sie stehen jedoch den Spinnentieren viel näher als den Krebstieren. Es gibt vier Arten in drei Gattungen. Der bekannteste ist sicherlich Limulus polyphemus (Linné, 1758) von der nord­ameri­kanischen Atlantikküste. Limulus meint ”entlang der Seite”, was sich auf die Fortbewegung bezieht, Polyphem war ein einäugiger Riese in der Odyssee. Bei Limulus han­delt es sich um eine rein marine Art.

Benennung der Körperabschnitte bei Pfeilschwanzkrebsen
Rot: Prosoma; Blau: Opisthosoma; Grün: Telson. nach Chiu & Morton, 2003

Bei geschlechtsreifen Pfeilschwänzen (hier: T. gigas) erkennt man die Männ­chen an den zu Klammerorganen modifizierten Scheren des zweiten und dritten Beinpaares. nach Smedley, 1929

Die drei in Süd- und Südostasien vorkommenden Arten, Tachypleus gigas (Müller, 1758), T. tridentatus (Leach, 1819) und Carcinoscorpius rotundicauda (Latreille, 1802) sind auch in brackigem Milieu zuhause. Der Gattungs­name Tachypleus bedeutet ”Schneller Pilzhut”; gemeint sind die schnell schlagenden, runden Kiemenblätter, die die Pfeilschwänze unter dem Opisthosoma (dem mittleren Körpersegment) tragen. Gigas heißt ”groß”, tridentatus ”mit drei Zähnen” (bezieht sich auf die drei auffälligen Zacken auf dem Opisthoma), Carcinoscorpius heißt ”Krebs-Skor­pion” und rotundicauda ”mit rundem Schwanz”. Wirklich ästuar lebt allerdings nur Carcinoscorpius rotundicauda, der darum für leicht salzige Süßwasserbecken am besten ge­eignet ist. Man tut den Tieren aber sicher einen Gefallen, wenn man ein Brackwasseraquarium für sie einrichtet, Tachypleus gedeihen am besten in reinem Meerwasser. Zur Unterscheidung der drei: Der stachelförmige Schwanz ist bei Tachypleus auf der Oberseite gezähnelt, bei Carcinoscorpius glatt und leicht abgerundet. Tachypleus gigas hat auf dem Opisthosoma nur einen auffälligen Zacken, T. tridentatus derer drei. T. tridentatus ist mit maxi­mal 75 cm Länge die größte Art, T. gigas wird etwa 50 cm lang, C. rotundicauda ist mit maximal 35 cm Länge die kleinste Art.

Bei Carcinoscorpius rotundicauda ist der Telson hingegen drehrund und oberseits glatt. Dies ist die kleinste Art der Schwertschwänze und die einzige, die langfristig in salzigen Süßwasseraquarien oder – besser – Brackwasseraquarien gepflegt werden kann.

Pfeilschwanzkrebse sind faszinierende Zeugnisse längst vergangener Erdzeitalter. Die Mundöffnung liegt übrigens mittig an der Körper­unterseite. Sie ist von gelblichen Haaren umgeben.

Grundsätzlich werden bei den Schwertschwänzen die Weib­­chen größer und schwerer als die Männchen. Äußer­lich sichtbare Geschlechtsunterschiede stellen sich erst mit der sexuellen Reife ein.  Bei sexuell noch inaktiven Jung­tieren kann man die Geschlechter demnach nicht unter­scheiden. Bei geschlechtsreifen Männchen sind die Spitzen des 2. und 3. Beinpaares zu Klammerorganen modifiziert, während die Weibchen hier die normalen Scheren behal­ten. Während der Paarungszeit kommt es zu Massenwan­derungen der Tiere in flache Küstenregionen, wo die Weib­chen zuerst ankommen und Nestmulden graben. Zur Paar­ung reiten die Männchen zunächst von hinten auf das Weib­chen auf. Nach Xin (1990) erfolgt dann eine innere Be­fruch­tung in Bauch-an-Bauch-Stellung. Die Eier werden vom Weibchen in die Nestmulde abgelegt. Die Jungtiere sehen den ausgestorbenen Trilobiten ähnlich und ver­bringen zunächst einige Tage frei schwimmend, gehen dann zum Bodenleben über und ähneln bald den Alttieren. Über C. rotundicauda sind mir Altersangaben nicht be­kannt, der recht untersuchte, rund 50 cm lang werdende Limulus erreicht die sexuelle Reife im Alter von 11 Jahren und wird insgesamt 20 bis 25 Jahre alt. Während der Laichzeit gehen viele Pfeilschwanzkrebse (bis zu 10%) durch Wellengang zugrunde, wenn sie in zu fla­chem Wasser auf den Rücken geworfen werden. Sie sind dann nicht mehr Lage, in die normale Position zurück­zu­kehren und verenden.

Oben ein geschlechtsreifes Männchen, unten ein geschlechtsreifes Weibchen von Carcinoscorpius rotundicauda. Gut zu erkennen sind die modifizierten zweiten und dritten Schreitbeine beim Männchen.

Pfeilschwanzkrebse sind carnivore Allesfresser, die im Aqua­rium leicht mit den diversen Frostfuttersorten, wie sie für Zierfische in reicher Auswahl angeboten werden, ge­füttert werden können. In der Natur fressen juvenile T. tridentatus und C. rotundicauda bevorzugt Chironomiden-Larven, die man in Form von Roten Mückenlarven unbe­dingt anbieten sollte (Zhou & Morton, 2004). Steht den Tieren ein feiner Sandboden zur Verfügung, so graben sie sich gerne – auch tagelang – darin ein. Gibt es nur Kies oder einen zu dünnen Bodenbelag, so kann man oft beob­achten, dass die Schwertschwänzen wie scheinbar leblos auf dem Rücken im Aquarium liegen. Das braucht den Aquarianer jedoch nicht zu sorgen. Gegenüber Artgenossen, Fischen und anderen Wirbellosen (z.B. Clibanarius-Arten) sind die Schwertschwänze vollkom­men friedfertig. Umgekehrt ist allerdings darauf zu achten, dass die plumpen und völlig wehrlosen Schwertschwänze nicht zu irgendwelchen Rabauken, wie etwa Krabben oder Buntbarschen in ein Aquarium gesperrt werden.

So wird das nichts mit der Zucht: hier klammern zwei Männchen in Paarungsstellung

Leider sind die Bestände dieser lebenden Fossilien durch Umweltverschmutzung weltweit rückläufig. Man hält Tachypleus zwar in Aquakultur, um ihnen Blut zu ent­nehmen (sie haben aufgrund eines anderen chemischen Aufbaus kein rotes, sondern blaues Blut – echter alter Adel!), das wegen einiger einzigartiger Eigenschaften im Fokus der medizinischen Forschung steht, jedoch ist eine regelrechte Zucht in menschlicher Obhut bislang nicht gelungen – oder zumindest nicht beschrieben worden.

Frank Schäfer

Zitierte Literatur:

Smedley, N. (1929): Malaysian King-Crabs. The Raffles Bulletin of Zoology 2: 73-78

Zhou, H. & B. Morton (2004): The diets of juvenile horseshoe crabs, Tachypleus tridentatus and Carcinoscorpius rotundicauda (Xiphosura), from nursery beaches proposed for conservation in Hong Kong. Journal of Natural History 38 (15): 1915-1925

 


Anzeige


Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

Weiterlesen

2 Kommentare zu “Xiphosura – Pfeilschwanzkrebse

  1. Pingback: Franky Friday: Xiphosura – Pfeilschwanzkrebse - my-fish

  2. Pingback: Franky Friday: Seerosen im Aquarium - my-fish

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert