Die L-Welse oder Loricariidae aus Südamerika gehören zu den beliebtesten und begehrtesten Welsen für das Aquarium. Doch selbst erfahrene Aquarianer hatten bislang kaum jemals die Gelegenheit, einen lebenden Vertreter der Gattung Astroblepus zu Gesicht zu bekommen.
Es handelt sich dabei um die einzige Gattung der Familie Astroblepidae, den engsten Verwandten der Loricariidae, die sich von letzteren durch ihren nackten Körper unterscheiden. Die Loricariidae haben im Gegensatz dazu einen Knochenpanzer, der den Leib umhüllt. Dennoch wurden die Astroblepidae noch von Regan (1904) nur als hochspezialisierte Unterfamilie zu den Loricariidae geführt, so stark sind die sonstigen Übereinstimmungen der beiden Welsgruppen. Aquarium Glaser, Rodgau, gelang erstmals 2011 die Einfuhr dieser aquaristischen Raritäten aus Peru, wenngleich nur in sehr kleiner Stückzahl.
Die Gattung Astroblepus
Es gibt aktuell (Stand: November 2022) 71 allgemein akzeptierte Arten der Gattung Astroblepus und sie sind seit über 100 Jahren nicht mehr vergleichend wissenschaftlich bearbeitet worden. Allein in den letzten 11 Jahren hat der kolumbianische Wissenschaftler C. A. Ardila Rodriguez 27 neue Arten aus Kolumbien und Peru beschrieben! Da ist leicht einzusehen, dass eine Bestimmung einer Art sehr schwierig ist, zumal praktisch gar keine aquaristische Literatur über diese Fische existiert.
Die größte bislang bekannt gewordene Art von Astroblepus ist A. grixalvii aus Kolumbien (Rio Magdalena-Becken), der etwa 30 cm lang werden kann. Die meisten Arten scheinen jedoch deutlich kleiner zu bleiben. Egal ob groß oder klein: das Fleisch der Astroblepidae gilt als sehr schmackhaft und in ihren Vorkommensgebieten wird ihnen darum eifrig nachgestellt. Die Bestimmung der 2011 eingeführten Tiere wäre kaum möglich gewesen, ohne dass der Lieferant das Fanggebiet preisgegeben hätte (danke, Carlos!). So wissen wir aber, dass die Fische aus dem Einzug des oberen Rio Ucayali stammen, was die Anzahl der in Frage kommenden Arten deutlich einschränkt. Auch wenn naturgemäß die Bestimmung auf diese Art und Weise nicht 100%ig sicher sein kann, sind die Fische den beschriebenen Arten Astroblepus mancoi und A. taczanowskii zumindest sehr ähnlich. Die ohne Zweifel attraktivere Art ist A. mancoi mit einem variablen Tigermuster. A. taczanowskii ist hingegen mehr oder weniger orangebraun mit einer feinen Marmorierung. Beide Arten erreichen eine Länge von etwa 8 cm.
Ganz aktuell – diese Woche – gelang Aquarium Glaser erneut ein Import dieser interessanten Tiere. Diesmal kamen sie aus Kolumbien, aber ohne Herkunftsangabe. Das bedeutet, dass sie noch nicht einmal zwingend in Kolumbien gefangen worden sein müssen, denn die kolumbianische Stadt Leticia am Amazonas liegt im Dreiländereck Brasilien-Peru-Kolumbien und ist einer der Hauptumschlagplätze für Zierfische aller drei Staaten. Rein optisch kann man bei dem Neuimport vier Farbformen unterscheiden, aber ob das auch verschiedene Arten sind? Ich stehe mit den Recherchen noch ganz am Anfang und weiß noch nicht, wohin der Weg mich führen wird. Fest steht jetzt schon folgendes: ein ganz wichtiges Bestimmungsmerkmal bei Astroblepus-Arten ist die Struktur des Fettkiels (obere Rückenkante hinter der Rückenflosse) und der Fettflosse. Bei den beiden Peruanern st die hintere Kante der Fettflosse mit der Schwanzflosse verwachsen, die Adipose (so die wissenschaftliche Bezeichnung der Fettflosse) setzt bei A. taczanowskii unmittelbar an der Hinterkante der Rückenflosse an, bei A. ancoi erst etwas weiter hinten. Alle vier Kolumbianer haben hingegen eine winzige, freie Fettflosse, die aber einen Stachelstrahl hat und davor liegt ein langer, flacher Fettkiel. Unterschiede sieht man in der Bezahnung, die beiden kontrastreich gezeichneten Phänotypen haben rote, kleine Zähne im Oberkiefer, der einfarbig gelbliche Fisch hat kleine weiße Zähne im Oberkiefer und der einfarbig braune deutlich größere, wiederum rotgefärbte. Es deutet also alles auf mindestens drei Arten, vielleicht auch vier hin. Die Größe der Fische liegt aktuell bei 5-6 cm.
Lebensweise
Astroblepus steigen hoch in die Berge der Anden auf und wurden noch in Höhen von 4.000 m über dem Meeresspiegel nachgewiesen. Allerdings gibt es auch Arten, die nur wenige 100 m über dem Meeresspiegel leben. Es gibt jedoch auch eine echte Höhlenart, nämlich A. pholeter, die völlig farblos ist und reduzierte Augen hat. Sie findet sich nur im Inneren einer einzigen Höhle, die im Westen Ecuadors liegt, etwa 300 m bis zu 2 km vom Höhleneingang entfernt. Diese Art hat stark verlängerte Flossenfilamente. Sie lebt extrem versteckt und ist deshalb nur unter großen Schwierigkeiten zu fangen. Die Nahrung dieser Art scheint aus Insektenlarven zu bestehen. Gewöhnlich leben Astroblepus aber in mehr oder weniger rasch fließenden Gewässern, wo sie recht lebhaft unterwegs sind. Beobachter schildern ihr Verhalten als vergleichbar dem von Kaulquappen.
Astroblepus sind fantastisch an stark strömendes Wasser angepasst und haben dazu nicht nur ihr Saugmaul, sondern auch noch einen beweglichen Haftapparat am Bauch. Beides ermöglicht den Tieren, sogar reißende Wasserfälle gegen die Strömung zu überklettern. Es gibt die Schilderung eines Mineningenieurs, der einen Fluss staute, um eine Vertiefung im Flussbett zu untersuchen, die dadurch trockengelegt wurde. Als das Wasser, das im Kolk ursprünglich rund 7 m tief war auf weniger als 1 m abgesunken war, begannen die Astroblepus (es handelte sich um die kolumbianische Art A. chotae) aus dem Kolk herauszuwandern, indem sie mittels ihres Saugmaules und des Haftapparates am Bauch die nassen Wände des Kolkes emporklettetten. Sie klettetten dabei jeweils etwa 30 cm in die Höhe, erholten sich kurz, und kletterten dann weiter. Auf diese Art und Weise gelang es den Tieren, aus dem trockengefallenen Kolk zu entrinnen. Die anschließende genauere Untersuchung ergab, dass sie dabei eine Wand von fast 6 m Höhe überwunden wurde, die senkrecht oder sogar um bis zu 30° überhängend war. Zudem war die Wand reichlich mit Algen bewachsen. Damit sie trotz angesaugten Maules noch atmen können, haben die Astroblepidae oberhalb der Kiemendeckel eine lochförmige Öffnung.
Die allermeisten Astroblepus-Arten sind Aufwuchsfresser, ihre Maul- und Zahnstruktur ähnelt stark der von vielen Loricariiden, besonders der der Ancistrus-Arten.
Geschlechtsunterschiede und Fortpflanzung
Äußerlich unterscheiden sich die Geschlechter, so weit man das weiß, nur durch die unterschiedliche Form der Genitalpapillen, die bei den Männchen stark verlängert ist, was schon zu Spekulationen führte, die Tiere könnten eine innere Befruchtung vollziehen. Über das Fortpflanzungsverhalten der Astroblepus-Arten ist so gut wie nichts bekannt. Der bereits zitierte Ingenieur – er hieß übrigens R. D. O. Johnson – beobachtete an der Unterseite von großen Steinen einzeln angeheftete Eier, die er als zu Astroblepus gehörend ansah. Diese Steine befanden sich am Grund der tiefsten Kolke im Flussbett.
Pflege im Aquarium
Im Aquarium sollte man diese faszinierenden Welse kühl (18-22°C) und mit starker Strömung pflegen. Die sonstige Pflege entspricht der von Antennenwelsen (Ancistrus). Die importierten Tiere haben sich bislang als untereinander sehr friedlich erwiesen. Leider sind sie echt empfänglich für die Pünktchenkrankheit (Ichthyophthirius), was man ja auch von anderen schuppenlosen Fischen kennt, etwa der Prachtschmerle (Chromobotia macracanthus). Man sollte die Tiere daher während der Eingewöhnung sorgfältigst beobachten, um gleich bei den ersten Anzeichen der Erkrankung reagieren zu können.
Frank Schäfer
Lexikon
Astroblepus: aus dem altgriechischen, bedeutet „Sternengucker“. mancoi: Widmungsname für den Inka Ayar Manco, der Cuzco kolonisierte und als „Moses der peruanischen Indianer“ bekannt wurde. Er führte um 1100 v. Chr. den Exodus von Tampu-tocco an (Eigenmann & Allen, 1942). taczanowskii: Widmungsname für den ehemaligen Kurator des Warschauer Museums.
Vorschlag deutscher Gebrauchsnamen: Astroblepus mancoi: Tiger-Sternenguckerwels; A. taczanowskii: Orangener Sternenguckerwels
Literatur
Burgess, W. E. (1989): An Atlas of Freshwater and Marine Catfishes. A Preliminary Survey of the Siluriformes. T.F.H. Publications, Neptune City, New Jersey, U.S.A. 1-784, Pls. 1-285.
Cuvier, G. & A. Valenciennes (1840): Histoire naturelle des poissons. Tome quinzième. Suite du livre dix-septième. Siluroïdes. Histoire naturelle des poissons. v. 15: i-xxxi + 1-540, Pls. 421-455.
Eigenmann, C. H. & W. R. Allen (1942): Fishes of Western South America. I. The intercordilleran and Amazonian lowlands of Peru. II.- The high pampas of Peru, Bolivia, and northern Chile. With a revision of the Peruvian Gymnotidae, and of the genus Orestias. University of Kentucky. i-xv + 1-494, Pls. 1-22.
Regan, C. T. (1904): A monograph of the fishes of the family Loricariidae. Transactions of the Zoological Society of London v. 17 (pt 3, no. 1): 191-350, Pls. 9-21.
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