Was fressen Süßwassermuränen?

Die häufig importierte Muräne Gymnothorax tile aus Indien ist an und für sich ein unempfindlicher Pflegling. Doch ihre Ernährung stellt viele vor ein Rätsel. In Importeurskreisen geht gar das Ge­rücht um, sie sei ein Nahrungs­spezialist, weil Fütterungs­ver­suche in Import­stationen und beim Einzelhändler oft er­folglos sind. Ähnliche Probleme können sich bei den raren Arten Gymnothorax polyuranodon und Echidna leucotaenia ergeben (diese Arten sind zwar weit im indopazifischen Raum verbreitet, werden jedoch nur selten von den auf Süßwasserzierfische spezialisierten Fischern gefangen; Importe erfolgen meist aus Indonesien).

Die Muränen sind jedoch lediglich „Sensibelchen“, die sich erst absolut ein­ge­wöhnt haben müssen, bevor sie Nah­rung (tote und lebende Fische, ge­fros­te­te Garnelen und Regen­würmer) an­­nehmen. Diese freiwillige Hunger­phase dauert nach meinen Er­fahrungen etwa 3–4 Wochen und wird auch von kleinen Exem­plaren gut überstanden.  Also: Nur Geduld, früher oder später fangen sie schon an zu fressen. Am besten setzt man ein paar lebende Futterfische passender Größe (besonders eignen sich Mollys wegen ihrer großen Salztoleranz) in das Muränenbecken. Sind die Mollys verschwunden, haben die Muränen zu fressen begonnen; nun kann auch eine Fütterung mit toten Futtermitteln probiert werden. Es ist unbedingt erstrebenswert, auf Frostfische gegenüber Lebendfischen als Futtermittel umzustellen, weil sich dadurch die Gefahr, eine ansteckende Krankheit einzuschleppen, deutlich reduziert ist. Zwar sterben keineswegs alle Parasiten oder gar Bakterien während des Einfrostens ab, aber da es sich bei den Frostfischen um Wildfang handelt, sind die Tiere zum Zeitpunkt des Fanges gewöhnlich nicht akut erkrankt. In der Natur findet man nur sehr selten stark infizierte Fische, da sie, wenn sie Anzeichen einer akuten Erkrankung zeigen, schnell Opfer von Beutegreifern aller Art werden. Bei lebenden Futterfischen sieht die Sache anders aus. Sie werden meist in hoher Dichte gehältert und wenn hier Krankheiten auftreten, nehmen diese leicht einen seuchenartigen Verlauf. Übrigens: auch wenn die eingewöhnten Muränen problemlos Fischfilet annehmen, ist das Verfüttern vollständiger Fische viel besser. Durch die Schuppen, Gräten und Innereien bekommen die Muränen viele Inhaltsstoffe, die in schierem Filet fehlen.

Für eine ständige Pflege im Süßwasseraquarium ist Gymnothorax tile nicht gut geeignet. In der Natur lebt sie im Gezeitenbereich, also dort, wo die Ebbe und Flut gut spürbar sind. Ähnlich wie Argusfische, Silberflossenblätter, Kugelfische usw., die aus dieser Zone kommen, vertragen sie durchaus reines Süßwasser, sind dort aber sehr empfindlich gegen Nitrat – selbst Werte von nur 50 mg/l werden schlecht vertragen – und noch empfindlicher gegen Nitrit. Wenn nach einer Fütterung der Nitritwert plötzlich ansteigt ist das oft das Todesurteil für die Brackwasserfische, auch wenn echte Süßwasserfische im gleichen Becken keinerlei Anzeichen von Unwohlsein zeigen.

Salz verringert die physiologische Giftwirkung von Nitrat und Nitrit auf den Organismus der Muränen. Darum pflegt man sie besser in Brack- oder Meerwasseraquarien.

Von vielen Muränen wird behauptet, ihr Biss sei giftig. Der Biss von Gymnothorax tile ist definitiv nicht giftig. Ich hatte einmal das zweifelhafte Vergnügen, von einem Exemplar sehr heftig gebissen zu werden, was zu einem blutenden Finger führte. Das geschah nicht aus Bosheit des Tieres, sondern nach einer Fütterung. Meine Finger rochen noch nach Fisch und ich arbeitete am Filter, was die offenbar noch nicht gesättigte Muräne veranlasste, von mir zu probieren. Ich ließ die Wunde unter fließendem, warmem Wasser gut ausbluten. Sie heilte ohne Schwellung oder Entzündung völlig problemlos von alleine ab.

Frank Schäfer


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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2 Kommentare zu “Was fressen Süßwassermuränen?

  1. Tobias Baumann

    Hallo,
    ich halte mittlerweile seit einigen Jahren G. tile bei mir, und habe meine ersten Tiere am besten mit den Im Fachhandel erhältlichen Sandgarnelen ans Fressen bekommen, und mit „Söll Organix“ Shrimp Sticks sogar an Trockennahrung gewöhnen können.
    Mittlerweile gehen sie an fast alles was so ins Aquarium kommt, und werden erfolgreich mit Dennerle, Söll, Hikari und Repaschy ernährt, wobei Muscheln, Garnele, Fisch so wie Kopffüsser weiterhin im Speiseplan vorhanden sind.

    Regenwürmer werden auch genommen, Grillen eher weniger und auch Mehlkäferpuppen bleiben erst mal liegen in der Hoffnung es kommt was besseres nach.

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  2. Ronny

    Hallo,
    ich hatte mir auch eine Gymnothorax tile zugelegt. Mit dem Fressen hatte ich überhaupt keine Probleme. Sie hat schon am Folgetag der Einsetzung gefressen. Gefüttert hatte ich sie mit tiefgefrorenen Garnelen und Wildlachsfilet aus dem Supermarkt, natürlich in maulgerechte Stücke geteilt (obwohl das Maul schon ziemlich weit aufgeht). Also eine handelsübliche Tiefkühlgarnele gedrittelt war überhaupt kein Problem.

    Auch die Vergesellschaftung mit grünen Kugelfischen (Tetraodon nigroviridis) und Minihai (Arius jordani) war völlig problemlos im Brackwasserbecken möglich.

    Ein echtes Problem war jedoch, dass sich Sportfreund „Goldstaubmuräne (Gymnothorax tile)“ als sehr „kletterfreudig“ erwies. Zunächst habe ich nur bemerkt, dass sie im Becken zuweilen eher schwer bis gar nicht zu finden war. Mannigfaltige Versteckmöglichkeiten ließen mich aber dabei dennoch Ruhe bewahren. Als ich jedoch eines schönen Tages beim Sinnen vor dem Becken bemerkte, dass sie sich über den Skimmer in das integrierte Technikbecken und nach wenigen Minuten auch aus diesem problemlos zurück schlängelte, staunte ich nicht schlecht. Erwartend der Gefahr, dass sie es irgendwann vielleicht nicht mehr heraus schaffen würde, schloss ich den Skimmer nach oben hin ab. Dies stellte sich jedoch als fataler Fehler heraus. Da ich ihr offensichtlich den gewohnten Weg abgeschnitten hatte, suchte sie sich einen neuen und dieser führte leider aus dem Becken heraus. Der Wasserspiegel liegt >10 cm unterhalb des Beckenrandes, trotzdem hat sie diese Hürde offensichtlich meistern können. Es ist also unbedingt darauf zu achten, dass das Becken gänzlich geschlossen ist!!!

    Mein Becken habe ich jetzt mit einer eigens angefertigten 1 cm starken, transparenten Plexiglas-Platte überzogen, welche jedoch mit knapp 50 Lüftungseinlässen ausgestattet ist, dadurch ist der Kondenzwasser-Absatz minimiert und die Platte bleibt durchsichtig. Die darüber befindliche Hängelampe wird dadurch kaum an Lichtausbeute beschnitten. Auch wird dadurch eine Überhitzung des Beckens verhindert. Und natürlich ist dadurch eine Flucht aus dem Becken völlig ausgeschlossen… hoffe ich… 😀

    Mal sehen, was sie sich als Nächstes einfallen lässt!?

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