Bei Aquarium Glaser bin ich für die Bestimung der Importe zuständig. Da bleibt es manchmal nicht aus, dass eine endgültige Bestimmung nicht möglich ist, weil die importierten Exemplare zu klein sind und die zur Artbestimmung notwendigen Merkmale noch nicht sichtbar. Dann bleibt nichts anderes übrig als die Art zunächst provisorisch zu benennen und später, wenn die Tiere etwas herangewachsen sind, nochmal nachzuschauen. So ging es mir bei einem Apistogramma-Import aus Brasilien. Ein genauer Fundort war nicht bekannt, geschickt wurden die Fische als „Apistogramma gibbiceps“ von Belem (Bundesstaat Para), aber das heißt nicht viel. Klar war nur eines: es waren keine A. gibbiceps. Es handelte sich vielmehr um einen Mix aus Apistogramma agassizii (wenige Tiere) und eine Art aus dem Formenkreis und A. regani (die Mehrzahl). Aber die Fische waren sehr klein, ca. 1,5 cm, und arg zerrupft. Um was es sich genau handelte war beim besten Willen noch nicht zu sagen. Also listeten wir sie erstmal als Apistogramma regani Wild. Das war am 13. Dezember 2016.
Diese Woche (18. April 2017) hatte ich die Fische zur erneuten Begutachtung auf meiner Liste; sie waren ordentlich herangewachsen, nun war es höchste Zeit für eine exakte Nachbestimmung. Die „A. regani“ gehören zwar dem engeren Formenkreis um diesen Zwergbuntbarsch an, es handelt sich jedoch um Apistogramma resticulosa, einen sehr engen Vewandten von A. regani, der jedoch im Unterschied zu A. regani keine waagerechten Unterbauchstreifen hat. A. resticulosa ist eine relativ unscheinbare Art, die auch in Aggressionsfärbung (ich lasse sie im Fotobecken immer mit einem kleinen Taschenspiegel kämpfen, das ist völlig gefahrlos) dem Betrachter kaum Ahhs und Ohhs entlocken.
Ganz anders die A. agassizii. Das hatten die zerrupften Zwerge im Dezember nicht ahnen lassen, was da mal draus würde. Ganz wundervolle Tiere, die genau wie die berühmten A. agassizii vom Rio Tefé aussehen!
Das Verbreitungsgebiet von Apistogramma resticulosa ist das Becken des Rio Madeira, eines rechten Amazonas-Nebenflusses. Der Rio Tefé ist ebenfalls ein rechtsseitiger Amazonas-Zufluss, allerdings liegt der, von der Mündung zur Mündung gemessen, 700 Kilometer weiter stromaufwärts als der Madeira. Cichliden-geografisch sind das Welten; im Rio Tefé findet man z.B. herrliche Grüne Diskus, im Rio Madeira einen Braunen Diskus mit hohem Rotanteil. Nun ja, woher diese Apistogramma genau stammten, werden wir wohl nicht mehr herausfinden; die dritte Apistogramma-Art des Importes, die in einem einzigen Exemplar vertreten war, ist allerdings ein typischer Vertreter der Rio-Madeira-Fauna: Apistogramma pulchra. Der einzelne Beifang gehört dabei zu einer Variante/Art, die A. agassizii nicht sonderlich ähnlich sieht (auch solche A. pulchra gibt es), sondern sehr an die auch A. sp. „Rio Branco“ genannten Tiere erinnert.
Eines darf man aber bei solchen Importen nie vergessen: es kann durchaus auch in der Anlage des Exporteurs schon zur Vermischung von Fischen aus ganz unterschiedlichen Fanggebieten gekommen sein. Ich persönlich bin der Meinung, dass nur bei Fischen, die man selbst gefangen hat, eine zuverlässige Fundortangabe vorliegt. Zusammenfassend gibt es also drei Möglichkeiten:
- Es gibt Apistogramma agassizii „Tefé“ auch im Rio Madeira-System
- Die Apistogramma agassizii „Tefé“ stammen aus dem Rio Tefé und sind zufällig zwischen andere Apistogramma-Arten aus dem Rio Madeira-System geraten
- Es gibt Apistogramma resticulosa und A. pulchra auch im Rio Tefé
Frank Schäfer
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